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Anhang

    Broken Windows Theory

Die Theorie geht auf einen Versuch des amerikanischen Psychologen Philip Zimbardo im Jahr 1959 zurück. Er stellte eine alte Limousine in der gutbürgerlichen Kleinstadt Palo Alto und eine in der Bronx von New York ab - bei beiden Autos waren zum Zeichen, das diese nicht mehr benötigt werden, die Kennzeichen abmontiert. In der Bronx begannen die AnwohnerInnen schon nach 10 Minuten mit dem Ausbauen der noch zu gebrauchenden Teile. Nach einem Tag war bereits nichts mehr zu holen und dann begann die "nackte Zerstörung" (Spiegel) - Kinder nutzten das Wrack als Spielplatz und die Polstersitze wurden aufgeschlitzt.
Derweil passierte in der Kleinstadtidylle von Palo Alto über eine Woche gar nichts. Niemand wagte es sich, das Auto auch nur zu berühren. Nachdem jedoch Philip Zimbardo eine Scheibe des Wagens zertrümmerte, dauerte es nur wenige Stunden, bis das Aspahltmobil völlig demoliert auf dem Dach lag.
In beiden Städten waren die "Täter scheinbar ordentliche Weiße" (Spiegel). Das Ergebnis des Versuches sollte zeigen, daß die Bereitschaft zu "Zerstörung und Kriminalität" dort am geringsten ist, wo das soziale Umfeld dem Ideal eines/r Hausbesitzers/in mit gepflegtem Vorgarten entspricht. Desto cleaner die Umgebung, desto höher die Hemmschwelle zu Vandalismus und Kriminalität.
Ist jedoch der Müll erst einmal nicht mehr ordnungsgemäß getrennt und entsorgt, ist es nicht mehr weit, bis randalierende Jugendliche, Grafittisprayer, Bettler, Obdachlose, Drogenkonsumenten und Dealer das Viertel für sich entdecken oder: "Wo Müll ist, kommen die Ratten. Und wo Verwahrlosung herrscht, ist auch Gesindel" (CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky).

    Zero Tolerance

"Das muß in der Stadt beseitigt werden", so Landowsky weiter. Ausgehend von der Richtigkeit der broken windows theory wurde das (Gegen-)Konzept der zero tolerance erfunden, welches durch das New York Police Departement weltberühmt wurde. Nicht mehr nur Verbrecherhatz - mit sowieso geringen Erfolgsquoten - ist Aufgabe der Polizei, sondern die Verhinderung - auch nur der Möglichkeit - von Vandalismus, Zerstörung und Straftaten hat jetzt oberste Priorität. Die Hemmschwelle soll bei den "Tätern" durch das soziale Umfeld in dem sie ihre Tat begehen könnten heraufgesetzt werden, zumindestens in den "Sicherheitszonen". Natürlich wird es auch weiterhin Viertel geben, in denen die "Ratten" und das "Gesindel" (Landowsky) dahinvegetieren werden.
Zero tolerance heißt also saubere Straßen und Bürgersteige; Vertreibung von Obdachlosen, Junkies und Skatern; sofortiges Entfernen von Graffitis; Verbot des Alkoholkonsums auf der Straße; verstärkte Polizeipräsenz; massenweise Personenkontrollen und -befragungen bei "verdächtigen Personen"[ 1 ]; Erteilung von Platzverweisen; sofortige Bestrafung oder Gewahrsamnahme bei Bagatelldelikten (Schwarzfahren, Rauschmittelkonsum etc.); ständige Überwachung und präventive Repression statt Reaktion.

[ 1 ] Während bisher grundlose Kontrollen nicht erlaubt waren und nur bei einem konkreten Tatverdacht durchgeführt werden durften, wird mittlerweile nach dem "Schrotschußprinzip" vorgegangen. Kontrollen finden ohne einen konkreten Verdacht statt, es wird auf einen Zufallstreffer gehofft. Um in den "verdächtigen Personenkreis" zu kommen reicht eine andere Hautfarbe oder exzentrischen Aussehen.

Chuckybild

    Community Policing

Das Konzept der zero tolerance wird jedoch nicht alleine durch einen starken Staat durchgesetzt. Das neue Wundermittel heißt gemeinschaftsbezogene Polizeiarbeit und bedeutet Zusammenarbeit zwischen Polizei, BürgerInnen, Vereinen und anderen Initiativen. Bürgerprojekte (Schöner unsere Städte und Gemeinden, Bürgerwehr, Hier wachen Nachbarn, Präventionsräte), städtische Projekte (Anti-Graffitiprojekte, Arbeit-statt-Sozialhilfe) und präventive Polizeiarbeit (massive Präsenz, Tag der Polizei, betonte Bürgernähe) stärken die Akzeptanz der Polizei in der Bevölkerung und festigen das Gemeinschaftsgefühl. Gleichzeitig werden die BürgerInnen und die privaten SicherheitsdienstleisterInnen (u.a. mit Polizeiwaffen) bewaffnet und deren Exekutivbefugnisse erweitert. Das Gewaltmonopol des Staates löst sich dadurch de facto auf.

Dieses Modell konnte sich jedoch in Deutschland - im Gegensatz zu anderen Ländern - erst relativ spät durchsetzen, da "Bürgerpolizisten" noch zu sehr an den/die Blockwa(e)rt(in) bzw. an den/die Abschnittsbevollmächtigte/n erinnerten.

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