AZADI  RECHTSHILFEFONDS
für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V.

Pressemitteilung

 

21. Mai 2025

Die Festnahme des kurdischen Politikers YÜksel KoÇ ist ein Schlag gegen den Friedensprozess

Am Dienstag, den 20. Mai 2025, wurde Yüksel Koç von der Polizei in Bremen festgenommen und seine Wohnung durchsucht. Die Strafverfolgungsbehörden werfen dem bekannten kurdischen Politiker Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor. Als Rechtshilfefonds AZADÎ verurteilen wir diese Maßnahme aufs Schärfste.

Yüksel Koç war nach Angaben der Nachrichtenagentur ANF am gestrigen Morgen aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters am Bundesgerichtshof vom 4. April 2025 in seiner Wohnung in Bremen festgenommen und nach Karlsruhe gebracht worden. Dort wurde der 61-Jährige heute dem Ermittlungsrichter vorgeführt, der den Vollzug der Untersuchungshaft anordnete. Anschließend wurde Yüksel Koç in der JVA Bremen in Haft genommen.
Die Bundesanwaltschaft beschuldigt ihn, sich zwischen 2016 und 2023 in führender Funktion für die PKK engagiert zu haben. Er habe u.a. Propagandaarbeit in Europa koordiniert, als Verbindungsperson zur Führungsebene der Organisation fungiert und Veranstaltungen organisiert. Eine individuelle Straftat, unabhängig der mutmaßlichen Mitgliedschaft, wird ihm nicht vorgeworfen. Nach Auffassung der Bundesanwaltschaft habe er sich aber wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer „terroristischen“ Vereinigung im Ausland nach §§ 129a, 129b StGB strafbar gemacht.

Yüksel Koç war langjähriger Ko-Vorsitzender des Dachverbands kurdischer Vereine in Deutschland, Yek-Kom, sowie anschließend des kurdischen Europadachverbands, KCDK-E. Im Rahmen seines politischen Engagements für die KCDK-E soll er sich nun strafbar gemacht haben. Yüksel Koç ist ein anerkannter Gesprächspartner für die kurdische Bewegung und setzt sich seit Jahrzehnten mit friedlichen und demokratischen Mitteln für die Rechte der kurdischen Community in Deutschland ein. So vertrat er im Oktober 2012 die Forderungen Yek-Koms vor dem Petitionsausschuss des deutschen Bundestages.
Als Rechtshilfefonds AZADÎ haben wir über die Jahre hinweg stets eng mit Yüksel Koç zusammen gearbeitet, vor allem während seiner Zeit im Vorstand von Yek-Kom. Bei der Vorbereitung vieler Veranstaltungen, Konferenzen und Demonstrationen standen wir in einem konstruktiven Austausch miteinander.

Wir sehen die am Dienstag in Bremen erfolgte Festnahme als eine bewusste Sabotage des aktuell in der Türkei laufenden Friedensprozess durch die deutschen Behörden. Am 27. Februar hatte der sich seit Jahrzehnten in türkischer Haft befindende PKK-Gründer Abdullah Öcalan einen Aufruf für Frieden und Demokratie veröffentlicht. Daraufhin beschloss die PKK während ihres 12. Parteikongresses Anfang Mai ihre Selbstauflösung und die Beendigung des bewaffneten Kampfes. Sowohl der Aufruf Öcalans als auch die aktuellen Beschlüsse der PKK waren von internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen und der Europäischen Union begrüßt worden. Auch die Bundesregierung äußerte sich positiv zu den Beschlüssen in Hinblick auf mehr Stabilität in der Türkei und der Region.
In dieser Situation mutet es wie Torschlusspanik an, dass die deutschen Staatsanwaltschaften ihren Repressionsdruck erhöhen und zunehmend niederschwelliger Razzien, Festnahmen und Anklagen gegen politisch aktive Kurd:innen vornehmen. Während in der Türkei Hintergrundgespräche zwischen dem Regime und der kurdischen Opposition über die Reformierung des dortigen ausufernden Terrorismusparagraphen laufen, gleicht sich die deutsche Justiz dem aktuellen türkischen Niveau an. In fast allen Anklageschriften der § 129b-Verfahren gegen Kurd:innen werden den Angeklagten nur allgemeine politische Aktivitäten vorgeworfen wie etwa die Vorbereitung und Durchführung von friedlichen Demonstrationen und Veranstaltungen. Entgegen den Behauptungen der auf der Grundlage des § 129b StGB verurteilenden Gerichte ist eine ersichtliche Trennung zwischen durch das Grundgesetz geschützte politischen Aktivitäten und strafbarem Handeln im Auftrag der PKK nicht gegeben. Dies führt staatlich gewollt zu einer Verunsicherung und Entpolitisierung der kurdischen Community in Deutschland.

In der aktuellen Situation fordern wir als Rechtshilfefonds AZADI ein Primat der Politik gegenüber der seit Jahrzehnten eingespielten Repressionsbürokratie und appellieren vor allem an den deutschen Bundestag, die positiven Schritte der kurdischen Bewegung aufzunehmen und entsprechende Initiativen zu ergreifen. Dazu gehören im Bereich der Innenpolitik die Rücknahme der Verfolgungsermächtigung des Justizministeriums gegen die PKK in Bezug auf § 129b StGB und die Einstellung der laufenden Verfahren. Ebenso fordern wir die Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland und die Streichung der PKK von der EU-Terrorliste.
Vor allem aber gilt unsere Verbundenheit und Solidarität dem inhaftierten Politiker Yüksel Koç. Daher fordern wir seine umgehende Freilassung.

   
 
AZADI Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden e.V.,
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