AZADI  RECHTSHILFEFONDS
für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V.

Pressemitteilung

 

26. Mai 2023

UrteilsverkÜndung im Stuttgarter PKK-Prozess gegen kurdischen Aktivisten Ali E.:
Staatsanwaltschaft beantragt Über 3 Jahre, Verteidigung fordert Freisprucht

In dem seit Anfang November 2022 gegen den kurdischen Aktivisten Ali E. (72) laufenden PKK-Verfahren vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart wird am Dienstag, 30. Mai, (11:00 Uhr, OLG Stuttgart, Olgastr. 2) das Urteil verkündet.
 
In der Verhandlung am 23. Mai plädierte die Generalstaatsanwaltschaft auf eine Haftstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten, die Verteidigung hingegen forderte Freispruch für ihren Mandanten.
 
Ali E. hatte während des Prozesses mehrmals interveniert und ergriff an diesem Verhandlungstag das sogenannte „letzte Wort“. Dieser Prozess werde nicht gegen ihn, sondern gegen das gesamte kurdische Volk geführt und das Schicksal des kurdischen Volkes sei auch das seinige, begann er die Erklärung und konstatierte, dass das gegen ihn geführte Verfahren politisch motiviert sei.

Kampf der Kurd:innen als Terrorismus einzustufen, ist zynisch

Der 72-Jährige erinnerte an die unvorstellbar grausamen Folterungen, die er und die tausenden anderen Gefangenen in den Kerkern während der Militärdiktatur Anfang der 1980-er Jahre durchlitten haben oder daran verstarben. Er sprach von dem großen Leid der Mütter, deren Kinder verschleppt wurden und nie wieder aufgetaucht sind und die heute noch in Istanbul  auf die Straße gehen und deren sterblichen Überreste fordern. Tausende solcher Vorkommnisse habe es in dieser Zeit gegeben.
„Das ist der Staat, über den der Herr Staatsanwalt sagte, dort könne man leben, es sei kein repressiver Staat“, beklagte Ali E. und führte – mit Verweis auf die Massaker an den Kurd:innen in Dersim 1937/1938 – weiter aus: „Die Schmerzen und das Leid, die dieses Volks erlebt hat, nicht zu sehen und zu sagen, der Kampf, der geführt werde, sei als Terrorismus einzustufen, ist nichts anderes als Zynismus. Es ist ein sich-Entfernen von den menschlichen Werten“. Die Kurden, die heute zur Waffe greifen, würden dies nicht tun, um Forderungen durchzusetzen, sondern, „um ihr Leben zu schützen“. Die Geschichte der Kurd:innen, die Massaker an ihnen und ihren legitimen Freiheitskampf als Terrorismus zu diffamieren, sei eine Verleugnung der Realität.

Unterstützung des türkischen Staates ist unwürdig

Ali E. wirft der Staatsanwaltschaft vor, zu behaupten, dass die Türkei kein Besatzerstaat sei. Er bestreite das vehement. Das genaue Gegenteil treffe zu. „Der türkische Staat ist ein kurdenfeindlicher, alevitenfeindlicher, rassistischer Staat, ein demokratiefeindlicher Staat. Einen solchen Staat zu unterstützen, sollte weder der deutschen Justiz, noch deren Behörden würdig sein“.
 
Dazu, dass bei Ali E. Fluchtgefahr bestünde, weshalb er gefangen gehalten werden müsse, entgegnet er, nirgendwo hingehen zu wollen. Es sei „ohnehin so, dass Deutschland den Kampf für die Türkei übernommen“ habe. Es werde aus allen Ländern Europas auf Antrag deutscher Behörden ausgeliefert: „wohin soll ich also gehen?“
 
Zu seinem und den anderen politischen Verfahren wolle er noch bemerken, dass der Terrorismusvorwurf „eine Hülle“ sei, „um gegen die Kurden vorzugehen“. Schließlich gebe es in den Bergen Deutschlands keine kurdischen Kämpfer und auf deutschen Straßen würden sich Kurden und Türken nicht bekämpfen. Ihm würden die politischen deutsch-türkischen Beziehungen und deren Konsequenzen für die Kurd:innen zu schaffen machen. Er bitte darum, angesichts des kurdischen Freiheitskampfes nicht den „faschistische Erdoḡan“  in seinem Vorgehen zu unterstützen.

Ich beantrage meine Entlassung

Er sei jahrelang in türkischer Haft gewesen und nun seit 15 Monaten in Deutschland inhaftiert, „was mir gesundheitlich zu schaffen macht, resultierend aus  meinem Alter“. Er habe weder in der Türkei noch in Deutschland gegen Gesetze verstoßen und sich nichts vorzuwerfen. Er habe sich sein Leben lang für die Interessen des kurdischen Volkes eingesetzt und sich nichts vorzuwerfen. „Ich habe niemanden verletzt, bin niemandem zu nahe getreten, habe niemanden bedroht“.
Er beantrage seine Entlassung und die Herausgabe seines Handys, Computers, der Fotos und aller Gegenstände, die bei der Durchsuchung beschlagnahmt worden seien.

   
 
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