AZADI infodienst nr. 88
april 2010


 

Hoch zufrieden mit
Europas Tabula rasa

hatte sich die türkische Regierung nach dem Polizeiangriff vom 4. März in Belgien gegen den kurdischen Fernsehsender ROJ TV und nach den Verhaftungen kurdischer Repräsentanten gezeigt. Der Außenminister wertete sie als ein deutliches Zeichen Europas für die Unterstützung Ankaras im Kampf gegen die kurdische Freiheitsbewegung. Aufgrund der jahrelangen Ermahnungen an die EU, sie würde nicht konsequent genug gegen kurdische Organisationen und ihre Aktivist(inn)en vorgehen, glaubt sich die Türkei in ihrer Absicht, die kurdische Bewegung zu marginalisieren, näher am Ziel. Dass sie in dieser Hinsicht durchaus hoffnungsvoll sein konnte, zeigten bereits die lauen Reaktionen der EU auf das vom türkischen Verfassungsgericht erlassene Verbot der prokurdischen „Demokratischen Gesellschaftspartei“ (DTP) vom Anfang Dezember 2009. Hiermit verknüpft war zudem ein auf mehrere Jahre festgelegtes politisches Betätigungsverbot führender kurdischer PolitikerInnen. Nachdem Abdullah Öcalan auf der Gefangeneninsel Imrali isoliert ist, die DTP verboten, der Maulkorb für politische Aktivist(inn)en verhängt wurde, Angriffe auf zivilgesellschaftliche Einrichtungen in der Türkei, die die Regierung samt und sonders der PKK zuordnet, an der Tagesordnung sind und Militäroperationen gegen die kurdische Guerilla durchgeführt werden, sollen die ExilpolitikerInnen und insbesondere die kurdischen Medien zum Schweigen gebracht werden. Dass diese EU-weiten Repressionsmaßnahmen gegen kurdische Institutionen von den USA in enger Zusammenarbeit mit der Türkei und Europa durchgeführt wurden und werden, soll das folgende Interview deutlich machen:

Druck aus Washington

In der Ausgabe der türkischen Zeitung ZAMAN vom 20. März erschien unter dem Titel „United States vows to put PKK out of business“ der Bericht über ein Gespräch eines Redakteurs mit Shari Villarosa, der Chefberaterin in Sachen Terrorbekämpfung im US-Außenministerium. Bevor sie von Präsident Obama mit dieser Aufgabe betraut wurde, war sie Geschäftsträgerin der US-Botschaft in Rangun, davor zuständig für die Philippinen, Malaysia, Brunei, Singapur, davor Indonesien und Ost-Timor. Sie erklärte gegenüber der Zeitung, dass die Polizeiaktionen und gezielten Verhaftungen von der PKK-nahestehenden Einrichtungen in Frankreich, Belgien und Deutschland auf Druck der US-Behörden erfolgt seien. Die Europäer seien nachdrücklich gedrängt worden, gegen die PKK vorzugehen. Es gelte die Geldquellen der Organisation trockenzulegen und Vermögen zu beschlagnahmen. Deshalb seien jene Nicht-US-Banken verstärkt aufgefordert worden, Konten von Personen/Organisationen, die auf der US-Terrorliste stehen, zu löschen. Außerdem habe man sie zu einer intensiveren Kooperation zwischen türkischen und europäischen Staatsanwälten und Strafverfolgungsbehörden ermutigt. Sie wies auch darauf hin, dass sich die Zusammenarbeit zwischen der USA und der Türkei „signifikant“ verbessert habe, auch in geheimdienstlicher Hinsicht. Seit 2007 (in jenem Jahr wurde die sog. Anti-PKK-Koordination aus Vertretern der USA, Türkei, des Irak unter Mitwirkung der EU geschaffen) pflege man einen verstärkten nachrichtendienstlichen Austausch über PKK-Aktivitäten, um u. a. gezielte militärische Operationen gegen mutmaßliche Guerilla-Stützpunkte im Nordirak durchführen zu können. Gleichzeitig seien die diplomatischen Bemühungen intensiviert worden, um den europäischen Partnern die Bedrohung, die von den PKK-Aktivitäten ausgehen, darzustellen.

Villarosa versicherte in dem Gespräch, dass die PKK auf allen regelmäßigen gemeinsamen Treffen mit den Europäern über die Bekämpfung des Terrorismus ein Diskussionsthema sei. Das letzte derartige Treffen habe im November 2009 stattgefunden; das nächste, an dem sie teilnehme, werde im April in Brüssel sein. Einig sei man sich darüber, dass die PKK die Stabilität sowohl der Türkei als auch des Irak gefährde.

(Azadî)

 

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Zum Seitenanfang   zum Seitenanfang

b