AZADI infodienst nr. 82
oktober 2009


 

internationales

 

ETA-Mitglied Jon Anza entführt und ermordet
Wieder ein Fall von Staatsterrorismus?

Wie die baskische Tageszeitung Gara in ihrer Ausgabe vom 2. Oktober berichtet, soll das ETA-Mitglieds Jon Anza durch die spanische Polizei entführt und ermordet worden sein. Die französische Justiz verspricht, „in alle Richtungen zu ermitteln.“ Der Baske ist seit dem 18. April verschwunden. Seit seiner Entlassung aus spanischer Haft lebte er im französischen Teil des Baskenlandes. Am Tag seines Verschwindens soll er sich auf dem Weg zu einem Treffen mit anderen ETA-Angehörigen befunden haben. Der spanische Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba (PSOE) meinte, Anza sei wohl mit dem ihm anvertrauten Geld getürmt. Gara schildert das Geschehen anders und beruft sich auf „vertrauenswürdige Kreise“. Demnach soll eine spanische Polizeitruppe den Basken auf der Zugfahrt abgefangen haben, ihn einem „illegalen Verhör“ unterzogen haben, bei dem er verstorben sei. Die Mörder hätten Anzas Leiche dann auf französischem Territorium vergraben. Bis zum Mittag des 3. Oktober schwiegen zu dem Fall sowohl die spanischen Medien als auch die Regierung. Niemand sah sich verpflichtet, den Staat und seine Polizei vor dem Vorwurf des „Staatsterrorismus“ in Schutz zu nehmen – in Spanien verwunderlich. Das Verschwinden von Jon Anza reiht sich ein in eine Serie ähnlicher Vorfälle. Seit Jahresbeginn haben ein halbes Dutzend junger Basken Anzeige erstattet gegen unbekannte Polizisten, die sie entführten und zur Mitarbeit zwingen wollten.

(Azadî/jw, 5.10.2009)

 

Menschenrechte à la USA

Romell Broom hat überlebt. Vorerst – sein Tod wird vertagt. Er war wegen Vergewaltigung und Mordes einer 14-Jährigen zum Tode verurteilt worden.
Am 15. September sollte im Gefängnis von Lucasville/Ohio seinem Leben durch eine Giftspritze ein Ende gesetzt werden. Nach Brooms Darstellung habe eine Krankenschwester drei Mal versucht, für die geplante Injektion in der linken Armbeuge eine Vene zu finden; danach versuchte es ein Pfleger rechts. Beim siebten Versuch stach die Pflegerin an anderer Stelle zu und traf einen Muskel, und er habe „vor Schmerzen geschrieen“. Nach einer durch den Chef des Todesteams verordneten Pause, ging die Tortur weiter: an Waden und Füßen wurde eingestochen, wobei man offenbar einen Knochen getroffen habe. „Ich schrie, mir ging es elend“, so Broom. Nach zwei Stunden und 18 Stichen wurde die Folter abgebrochen. Ein Wärter bot dem Häftling, der eigentlich längst tot sein sollte, Kaffee und eine Zigarette an.
Eigentlich hätte diese Hinrichtungsprozedur am 8. Oktober wiederholt werden sollen. Doch gilt seit dem Vorfall in Ohio ein Moratorium.
Brooms Anwälte argumentieren, es sei grausam, ihren Mandanten einer zweiten Giftinjektion zu unterziehen. Der Gouverneur von Ohio, Tom Strickland, kündigte an, dass der Bundesstaat hierzu nach Alternativen suche.
Gegner_innen der Todesstrafe hoffen nun auf eine neue Verfassungsklage gegen das staatliche Töten.

(Azadî/FR, 8.10.2009)

 

Indiens Regierung plant Großoffensive gegen maoistische Rebellen

Unter dem Titel „Grüne Jagd“ plant die indische Mitte-Links-Regierung eine Offensive gegen die erstarkten maoistischen Rebellen – Naxaliten genannt. Seit zehn, zwölf Jahren wachse der Aufstand. Allein in diesem Jahr wurden 700 Menschen bei bewaffneten Kämpfen getötet worden. Die Anhänger und Unterstützer der Naxaliten rekrutieren sich aus Dalits, wie die Unberührbaren heißen sowie den Adivasi, den Eingeborenen-Stämmen Indiens. Bürgerrechtsaktivisten befürchten, dass sich die geplanten Militäraktionen gegen die Ärmsten der Armen richten würde. Dalits und Adivasi stellen 25 Prozent der eine Milliarde Inder, doch werden sie bis heute brutal unterdrückt und sozial ausgegrenzt. Der maoistische Aufstand hat seine Hochburgen auf dem Land, wo die Menschen unter erbärmlichsten Bedingungen leben, dringt aber zunehmend auch in die Städte ein. „Alles, was diese Menschen wollen, ist Essen, Gesundheitsversorgung, Schulen, Kleider und ihre legitimen Landrechte,“ sagt der Menschenrechtler Hamanshu Kumar.
Die Regierung ist dabei, die Öffentlichkeit auf die Offensive gegen den „inneren Feind“ einzuschwören. Der Propagandakrieg hat bereits begonnen – mit Anzeigen, die verstümmelte Leichen von Frauen und Kindern zeigen, auf denen steht: „Diese unschuldigen Menschen sind Opfer von Naxaliten-Gewalt“. Indiens Luftwaffe bat um Erlaubnis, die Rebellen aus der Luft bombardieren zu dürfen.

(Azadî/FR, 8.10.2009)

 

Spanischer Richter Garzón lässt Arnaldo Otegi erneut verhaften
Gewerkschaftsvorsitzender Adolfo Munoz: Politik der Spezialtribunale

Arnaldo Otegi, ehemaliger Sprecher der baskischen BATASUNA, sitzt erneut in Haft, nachdem der 51-Jährige im Sommer 2008 nach einer 15-monatigen Freiheitsstrafe aus dem Gefängnis entlassen worden ist.
Am Abend des 13. Oktober hat der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón den baskischen Politiker gemeinsam mit vier weiteren Persönlichkeiten der Unabhängigkeitsbewegung in Sonostia festnehmen lassen. Darunter Rafa Diez, bis vor kurzem Generalsekretär der linksnationalen Gewerkschaft LAB. Zur gleichen Zeit wurden in den baskischen Städten Hernani und Iruna weitere fünf Männer und Frauen festgenommen. Nach Berichten spanischer Medien haben Fahnder seit Februar ihre Zielpersonen verfolgt, um eine Neugründung der seit 2003 verbotenen BATASUNA zu verhindern und unter neuem Namen wieder zu gründen, wie Richter Garzón behauptet. Mit einer „Politik der Spezialtribunale“ wolle die Madrider Regierung eine „zivile Auseinandersetzung“ zur Lösung des baskisch-spanischen Konflikts unterlaufen, erklärte Adolfo Munoz, Chef der baskischen Gewerkschaft ELA.
Gerade Arnaldo Otegi war es, der seit Jahren jede Möglichkeit wahrgenommen hat, mit neuen Friedensvorschlägen an die Öffentlichkeit zu gehen. Seit dem gescheiterten Verhandlungsprozess von 2006/2007 unterdrückt die spanische Regierung jegliche Initiative in Richtung der Lösung des Konflikts.

(Azadî/jw/FR 15.10.2009)

 

UN-Arbeitsgruppe kritisiert willkürliche Verhaftungen und fordert Freilassung von Karmelo Landa

Die UN-Arbeitsgruppe zu willkürlichen Festnahmen hat festgestellt, dass der ehemalige Europaabgeordnete Karmelo Landa nur wegen seiner Zugehörigkeit zur verbotenen Linkspartei BATASUNA (Einheit) inhaftiert ist. Die sofortige Freilassung des Basken wird gefordert. Landa war nach seiner Verhaftung nicht einmal einem Haftrichter vorgeführt, sondern gleich ins Gefängnis verbracht worden. Obgleich sich der Politiker lediglich in U-Haft befand, wurde er in die Kategorie der gefährlichsten Häftlinge eingeordnet. Weiter hält der UN-Bericht fest, dass Karmelo Landa unter anderem nackt in einer Zelle voller Kakerlaken festgehalten wurde.
Über 100 der 750 baskischen Gefangenen sitzen wegen gewaltfreier politischer Betätigung in spanischen Gefängnissen.

(Azadî/jw, 24./25.10.2009)

 

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Zum Seitenanfang   zum Seitenanfang