AZADI infodienst nr. 56
juli 2007


Gerichtsurteile

 

Verwaltungsgericht Karlsruhe: Keine Gebühren für Demos

Laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe dürfen Behörden für den Verwaltungsaufwand bei der Genehmigung einer Demonstration keine Gebühren erheben. Die Stadt Pforzheim hatte wegen verschiedener Anordnungen zu angemeldeten Protesten eine Gebühr von 100 Euro verlangt. Dies widerspreche nach Auffassung der Richter jedoch dem Recht auf Versammlungsfreiheit: «An die Ausübung dieses Grundrechtes darf keine Gebührenpflicht geknüpft werden.» Anderenfalls könnten Bürger auf Demonstrationen verzichten, was aber «ein erheblicher Schaden für die Demokratie wäre». Aktenzeichen: 2 K 1163/05

(Azadî/ND, 10.7.2007)

 

Stiftung und Einzelperson erfolgreich gegen EU-Terrorliste
PKK und KONGRA-GEL immer noch aufgeführt

Der Europäische Gerichtshof hat erneut die Anti-Terror-Politik der EU-Regierungen kritisiert. Die Richter in Luxemburg erklärten am 11. Juli in erster Instanz die Aufnahme der niederländischen Stiftung Al-Aqsa sowie des in den Niederlanden ansässigen philippinischen Kommunistenführers José Maria Sison in die EU-Liste mutmaßlicher Terrororganisationen für nichtig. Der Gerichtshof kritisierte, die Betroffenen hätten für den EU-Beschluss keine hinreichende Begründung erhalten. Auch seien ihre Verteidigungsrechte missachtet worden. Aktenzeichen: T-47/03 und T-327/03

Im Dezember 2006 hatte das Gericht der Klage der iranischen Volksmudschaheddin stattgegeben und Ende Juni eine überarbeitete Liste veröffentlicht. Danach befinden sind dort 48 Organisationen aufgeführt, u. a. die Arbeiterpartei Kurdistans PKK sowie der Volkskongress Kurdistans KONGRA-GEL, die kolumbianische FARC-Guerilla, die türkische Revolutionäre Volksbefreiungspartei/Front DHKP-C, die baskische ETA sowie ihre angebliche Teilorganisation Batasuna. Unter den auf der Liste genannten 54 Einzelpersonen sind insbesondere ETA-Aktivisten und Islamisten. Für die Aufnahme einer Organisation oder Person in die Liste ist Einstimmigkeit unter den 27 EU-Mitgliedstaaten erforderlich.

(Azadî/FR/ND/jw, 2.,12.7.2007)

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Verfassungsgericht: Kontenschnüffeln rechtmäßig

Auch Finanzämter und Sozialbehörden dürfen seit April 2005 bei Verdacht auf Steuerhinterziehung oder Missbrauch von Sozialleistungen (oder auch gerne beim sog. Kampf gegen den Terrorismus) die Stammdaten von Kontoinhabern abfragen; Einsicht in den Kontostand gibt es bei den automatisierten Abfragen jedoch nicht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erklärte am 12. Juli die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen im wesentlichen für verfassungsgemäß.
Pro Jahr nehmen die Finanzämter rund 25 000 Abfragen vor. Verfassungsbeschwerden von Banken, Anwälten und zweier Sozialhilfeempfänger blieben weitestgehend erfolglos.
Der erste Senat des BVerfG machte in seiner Entscheidung deutlich, dass Abfragen nur zielgerichtet und nicht als «Rasterfahndung» oder «Ermittlungen ins Blaue» erfolgen dürften.
Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, forderte unter Berufung auf das Karlsruher Urteil die Klärung, welche Behörden Kontoabfragen beantragen dürfen. Volker Wissing, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, erklärte, dass die Bundesregierung «die Grenzen der Einschränkung bürgerlicher Freiheiten immer wieder austesten» würde. Aktenzeichen: 1 BvR 1550/04

(Azadî/FR, 13.7.2007)

 

BGH: Gezieltes Ausfragen verdeckter Ermittler künftig tabu
Einsatz von V-Leuten bleibt dennoch legal

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat in einem Grundsatzurteil vom 27. Juli den Einsatz verdeckter Ermittler eingeschränkt. Danach dürfen eingeschleuste Ermittler der Polizei einen Tatverdächtigen nicht bedrängen und gezielt ausfragen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Beschuldigte zuvor gegenüber der Polizei auf sein Aussagerecht berufen hat. Derartige Geständnisse dürfen vor Gericht nicht verwendet werden. Das Schweigerecht müsse gewahrt bleiben, so die Richter. Verboten hat das Gericht den Einsatz von verdeckten Ermittlern jedoch nicht, sofern Beschuldigte gegenüber dem Ermittler freiwillige Aussagen machen, die dann auch verwertet werden dürfen. Laut dem Vorsitzenden des Dritten Strafsenats, Klaus Tolksdorff, dass diese Entscheidung keine eindeutige Antwort auf künftige Fälle geben könne. Es sei Grundsatz der Europäischen Menschenrechtskonvention, dass sich Angeklagte nicht selbst belasten dürften.
Der Vertreter der Bundesanwaltschaft (BAW), Ralf Wehowsky, meinte, das BGH-Urteil werde den Einsatz verdeckter Ermittler erschweren. Aktenzeichen: 3 StR 104/07

(Azadî/General-Anzeiger Bonn, 27.7.2007)

 

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