Repression
Verfassungsminister gefährdet Verfassung
Bundespräsident rügt Schäuble
Die «Art von Stakkato», in der Bundesinnen- und zugleich Verfassungsminister Schäuble neue Vorschläge zur inneren Sicherheit vorlege, sei nicht «optimal», erklärte Bundespräsident Horst Köhler im ZDF-Sommerinterview. Insbesondere kritisierte er Schäubles Überlegungen zur gezielten Tötung mutmaßlicher Terroristen: «Ich selber habe so meine Zweifel, ob man zum Beispiel Dinge wie die Tötung eines vermeintlichen Terroristen ohne Gerichtsurteil so von der leichten Hand machen kann.» Der Innenminister wiegelte ab und meinte, bei seinen Gedanken sei es doch nur «um den hypothetischen Fall der Auffindung Osama bin Ladens in Afghanistan» gegangen. Für den SPD-Innenexperten Wiefelspütz ist Schäuble «eine große Belastung für die Koalition geworden» und die bayerische SPD verlangte, der Innenminister müsse «seinen Posten räumen». CDU-Politiker Bosbach bedauerte hingegen die Abwendung der SPD von der Schilyschen Politik und machte hierfür das Bundesjustizministerium verantwortlich, das immer wieder «Sand ins Getriebe» streue.
(Azadî/FR, 16.7.2007)
Und weiter gehts mit neuen «Vorschlägen»
SPD zeigt Entgegenkommen
Im Hinblick auf den großen Lauschangriff, den das Bundesverfassungsgericht im März 2004 als zu ausufernd gerügt hatte, signalisierten die Sozialdemokraten ihre Bereitschaft zum Kompromiss mit dem Koalitionspartner. Sie könnten sich ein sog. Richterband vorstellen. Hierbei müsse der Richter eine Abhöraktion nicht nur zuvor genehmigen, sondern das mitgeschnittene Gespräch anschließend auch abhören. Die Polizei erhielte danach nur jene Teile, die nicht die Privatsphäre der belauschten Person betreffen. Das Bundesverfassungsgericht hatte seinerzeit den großen Lauschangriff nur unter äußerst strengen Auflagen als rechtmäßig eingestuft. Von einer Abhöraktion müsse der Privatbereich ausgenommen werden. Während sich Schäuble von dem Kompromissvorschlag überzeugt zeigt, befürchtet Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, dass auch das «Richterband» nicht mit den Auflagen der Verfassungsjuristen vereinbar sei.
Grundsätzliche Bereitschaft demonstriert die SPD hinsichtlich der Einführung von Online-Durchsuchungen, wenn – wie beim großen Lauschangriff - die Privatsphäre der Verdächtigen geschützt würde und die Betroffenen hinterher informiert werden.
Laut Welt am Sonntag soll das Innenministerium bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf fertig haben. Danach soll der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) zur «Terrorabwehr» bei «Gefahr im Verzuge» die heimliche Durchsuchung privater Computer beantragen können. Darüber hinaus will Schäuble hinsichtlich so genannter Vorfeldhandlungen wie die Ausbildung in «Terror-Camps», das Sammeln von Spenden für «Terrororganisationen» sowie den Besitz und die Verbreitung von Anleitungen zum Bombenbau unter Strafe stellen.
(Azadî/FR/jw, 16.7.2007)

Verwanztes Handy
Laut dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel können von der Polizei manipulierte handys auch als Wanzen zum Abhören Verdächtiger eingesetzt werden. Dabei wird die Software der Mobiltelefone so umprogrammiert, dass die Freisprecheinrichtung ohne Wissen der Benutzer aktiviert wird. Mehrere Landeskriminalämter sowie das Bundeskriminalamt räumten ein, diese Technik zu kennen. Zur Anwendung käme sie derzeit aber nicht.
(Azadî/jw, 16.7.2007)
Bürgerrechtsorganisationen:
Vorratsdatensammlung verfassungswidrig und überflüssig
Im Herbst soll im Bundestag über den Gesetzentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und zur Einführung einer allgemeinen Vorratsspeicherung abgestimmt werden. Am 21. September plant der Rechtsausschuss des Parlaments eine öffentliche Sachverständigen-Anhörung.
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, das Netzwerk Neue Medien und die Neue Richtervereinigung haben wiederholt vor der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Telekommunikations-Verbindungsdaten ins deutsche Recht gewarnt. Dieses Vorhaben sei verfassungswidrig und außerdem überflüssig. Aus einer Studie des Bundeskriminalamtes (BKA) gehe hervor, dass eine Vorratsdatenspeicherung die durchschnittliche Aufklärungsquote «von derzeit 55 Prozent im besten Fall auf 55,006 Prozent erhöhen» könne. Es sei nicht erkennbar, dass so die Sicherheit der Bevölkerung gestärkt werde. Stattdessen würde die Datenspeicherung «Millionen von Euro kosten, die Privatsphäre Unschuldiger gefährden, vertrauliche Kommunikation beeinträchtigen und den Weg in eine immer weiterreichende Massensammlung von Informationen über die gesamte Bevölkerung ebnen», heißt es in der Stellungnahme der verschiedenen Bürgerrechtsorganisationen. Gefordert wird, das Vorhaben zumindest solange auszusetzen, bis der Europäische Gerichtshof über eine Nichtigkeitsklage gegen die Richtlinie entschieden hat.
(Azadî/ND,17.7.2007)
Justizministerium zum § 129b StGB:
Verfolgte unter Druck setzen und ausländische Partner zufrieden stellen
Zu den beabsichtigten Verschärfungen der Sicherheitsgesetze durch die Einführung der §§ 129c und 129d, reichte die LINKSFRAKTION eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung ein. Die Antworten des Bundesministeriums der Justiz vom 20. Juni 2007 in Auszügen:
«Die Bundesregierung prüft derzeit darüber hinaus, inwieweit Änderungen im Bereich des/r §§ 129 a/f erforderlich sind. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass infolge der sich ändernden Strukturen gerade von islamistischen Terrororganisationen die Ausgestaltung des § 129a als Organisationsdelikt zur Folge hat, dass – organisatorisch nicht gebundene – terroristische Einzeltäter von dieser Vorschrift nicht erfasst werden.»
Auf die Frage der Effizienz des 2002 geschaffenen §129b (deutschlandbezogene Aktivitäten von Unterstützern und Mitgliedern ausländischer terroristischer Vereinigungen), heisst es: «Die Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts nach §129b StGB erweisen sich dabei im Ergebnis als sehr effizient. Die Betroffenen stehen unter erheblichem Verfolgungsdruck, den sie bislang nicht auszuhalten hatten. Die ausländischen Partner registrieren ebenfalls sehr aufmerksam, dass organisationsgebundene Terroristen in Deutschland nunmehr keine strafrechtlichen Freiräume mehr in Anspruch nehmen können.»
Danach gefragt, gegen welche ausländischen Gruppierungen sich Ermittlungen, Anklagen und Verurteilungen gerichtet haben, zählt das Ministerium in der Mehrzahl als terroristisch eingestufte islamistische Gruppierungen auf. Ein Ermittlungsverfahren läuft gegen ein mutmaßliches Mitglied der palästinensischen Hamas und 13 Verfahren sind gegen die marxistisch-leninistische Revolutionäre Volksbefreiungsfront (DHKP-C) aus der Türkei eingeleitet. Dann gibt es noch Verfahren, «die besonderer Geheimhaltung unterliegen» und deswegen nicht aufgeführt sind.
Befragt, wer darüber entscheidet, ob es sich bei einer ausländischen, im Ausland tätigen Organisation um eine terroristische Organisation nach § 129b handelt, erklärt sich zuerst das Bundesjustizministerium zuständig, das die Ermächtigung erteilt. An der Entscheidung werde zuvor das Kanzleramt, das Auswärtige Amt und das Innenministerium beteiligt. Die «letztendlich verbindliche Entscheidung» treffen die zuständigen Gerichte.
Bundestags-Drucksache 16/5820.

Agierte Bundesanwaltschaft im rechtsfreien Raum?
Anwalt kritisiert Razzien vor G8-Gipfel und fordert Aufklärung
Der Hamburger Rechtsanwalt Armin Fiand hat in einem Schreiben die Generalbundesanwaltschaft (GBA) in Karlsruhe an die Aufklärung der von ihr angeordneten Hausdurchsuchungen am 9. Mai 2007 im Vorfeld des G 8-Gipfels erinnert. Die gegen zahlreiche Personen in Hamburg und Umgebung gerichtete Aktion begründete die GBA seinerzeit mit dem Verdacht auf die angebliche «Bildung einer terroristischen Vereinigung» (§129a StGB). Der Wortlaut in Auszügen:
«(...) Die Behörde des Generalbundesanwalts hatte die Aktion mit einem großen Aufgebot – eingesetzt waren ca. 900 Polizeibeamte – publikumswirksam, unter Einschaltung der Medien, in Szene gesetzt. Gehört habe ich bisher von Ihnen nichts. Für meine Begriffe gibt es drei Möglichkeiten: entweder hat sich der Verdacht erhärtet, und es ist Beweismaterial sichergestellt worden, das für die Erhebung einer öffentlichen Klage ausreicht. Das kann man wohl ausschließen, weil die Bundesanwaltschaft, wenn sie etwas in der Hand hätte, dies schon längst an die große Glocke gehängt hätte. Oder der Verdacht hat sich nicht bestätigt. Dann wäre es nach den Regeln, die in einem Rechtsstaat gelten, angebracht, dies auch mitzuteilen. Die dritte – wahrscheinlichste – Variante ist, dass es überhaupt keine hinreichenden Verdachtsmomente gab, sondern die Aktion aus politischen Gründen durchgeführt worden ist, um die Kritiker des G8-Gipfels möglichst schon im Vorfeld einzuschüchtern und mundtot zu machen. Dieser Umstand wäre allerdings nicht geeignet, an die Öffentlichkeit zu dringen, weil er deutlich machen würde, dass sich die BRD polizeistaatlicher Methoden bedient, also das gleiche getan hat, nämlich sich nicht an das Recht und die Gesetze gehalten, sondern sich willkürlich verhalten zu haben, indem man politischen Vorgaben gefolgt sei.
(…) Es darf nicht sein, dass sich die Bundesanwaltschaft auf Kosten des Staatsbürgers in einem rechtsfreien Raum bewegt und, losgelöst von Recht und Gesetz, das tut, was sie im Staatsinteresse für richtig oder angebracht hält.
(…) Sollte die Behörde des Generalbundesanwalts zu einer Stellungnahme nicht bereit sein, bitte ich schon jetzt, meine Eingabe als ‚Dienstaufsichtsbeschwerde‘ anzusehen, die der vorgesetzten Behörde vorgelegt werden müsste.»
(Azadî/jw, 19.7.2007)

Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums:
Geheimdienste nutzen Auskunftsrechte angeblich kaum
Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst (BND) und der Militärische Abschirmdienst (MAD), die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 umfangreiche Möglichkeiten zur Ausforschung von Verdächtigen erhielten, nutzen diese erweiterten Auskunftsrechte laut einem Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) kaum. So wurden im Jahre 2006 – ausschließlich vom Verfassungsschutz (BfV) – über 89 Personen Auskünfte bei Banken, Poststellen, Luftfahr- und Telekommunikationsunternehmen eingeholt. Der sog. IMSI-Catcher kam 2006 zwölfmal zum Einsatz, wobei hiervon 48 Personen betroffen waren. Den Hintergrund bildeten Ermittlungen des BfV gegen ausländische extremistische bzw. terroristische Organisationen. Dem Bericht zufolge haben sowohl BND als auch MAD gar nirgends nichts abgefragt. Nach Auffassung des Kontrollgremiums seien folglich die Befugnisse «maßvoll genutzt» worden. Man habe einen «zurückhaltenden und verantwortungsvollen Umgang» feststellen können.
(Wo bleibt da angesichts dieser Zahlen Schäubles permanent herbeigeredete und überall lauernde Terrorgefahr? Oder geheimdiensten sich die Geheimdienste was in die eigene geheime Lügentasche?)
(Azadi/ND, 21.7.2007)
Demonstration gegen Überwachung durch Staat und Wirtschaft
Unter dem Motto «Freiheit statt Angst» rufen Bürgerrechtler/innen bundesweit zu einer Demonstration am 22. September in Berlin gegen die «ausufernde Überwachung durch Wirtschaft und Staat» auf. Diese soll sich vor allem gegen die geplante Vorratsspeicherung des Telekommunikationsverhaltens der Bevölkerung sowie gegen verdeckte Online-Durchsuchungen von Computern wenden. Zu den Veranstalter/innen gehören die Humanistische Union, Journalistenverbände, LabourNet sowie die Evangelische Konferenz für Telefonseelsorge. Auf der Abschlusskundgebung soll u. a. der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert sprechen.
(Azadî/jw, 24.7.2007)
Der Tod ist ein Meister aus Deutschland
BRD drittgrößter Waffenexporteur
Wie das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI errechnete, steigerte Deutschland den Export konventioneller Waffen von 1,5 Milliarden Dollar im Jahre 2005 auf 3,8 Milliarden Dollar im Jahre 2006 und avancierte so zum drittgrößten Waffenexporteur der Welt, gleich hinter den USA und Russland. Führende Empfänger deutscher Waffen sind Staaten, die kriegerische Konflikte führen. Ein großer Anteil geht in Entwicklungsländer, die gleichzeitig Entwicklungshilfe beziehen. In beträchtlichem Umfang wurden deutsche Waffen an Länder in Krisen- und Kriegsgebiete des Nahen Ostens, Asiens und Afrikas verkauft. Der Grundsatz, nicht in Spannungsgebiete und nicht an menschenrechtsverletzende Staaten zu liefern, wird zunehmend missachtet. Mit großer Sorge werden auch Lizenzvergaben zum Nachbau deutscher Waffen verfolgt (z.B. an die Türkei). Laut Schätzungen des Internationalen Roten Kreuzes sterben rund 95 Prozent aller Opfer durch sog. Kleinwaffen, Gewehre, Pistolen, Mörser und Minen. Seit Jahren zählt Deutschland zu den führenden Kleinwaffenexporteuren weltweit.
Vertreter verschiedener Organisationen wollen das nicht länger hinnehmen und rufen in der «Waldkircher Erklärung» Politik und Wirtschaft zur Umkehr auf. Daten und Links:
www.sipri.org, www.ruestungsexport.info, www.iansa.org
Rückmeldungen neuer Unterstützer/innen:
Sabine.woelfle@spd-wahldkirch.de, Tel. 07681-49 14 85
Online-Schnüffelei am 10. Oktober vor Gericht
Während Innenminister Wolfgang Schäuble mit Unterstützung von Kanzlerin Angela Merkel darauf dringen, dem Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst und dem Bundesamt für Verfassungsschutz die Online-Durchsuchung von Privatcomputern zu erlauben, wird darüber das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 10. Oktober verhandeln. In Nordrhein-Westfalen nämlich darf der Verfassungsschutz seit Dezember 2006 diese Kontrollmethode anwenden. Eine Journalistin, ein Mitglied der Linkspartei, drei Rechtsanwälte und der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum hatten hiergegen Verfassungsbeschwerde eingelegt, weil diese heimliche online-Durchsuchung den Schutz der Wohnung und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletze.
(Azadî/jw, 28.7.2007)