Asyl-& Migrationspolitik
Wieder weniger Flüchtlinge
Im ersten Halbjahr 2007 beantragten knapp 8500 Menschen in Deutschland Asyl. Laut Innenministerium seien dies rund 22 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Hauptherkunftsländer: Serbien, der Irak und die Türkei.
Von Januar bis Juni 2007 wurde über rund 13 500 Anträge entschieden. Lediglich 0,9 Prozent der Antragsteller wurden anerkannt.
(Azadî/FR, 10.7.2007)
Deutschland diskriminiert Zuwanderer auf dem Arbeitsmarkt
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fordert größere Anstrengungen im Kampf gegen verdeckte Diskriminierung von Zuwanderern am deutschen Arbeitsmarkt. So sollte es speziell auf Zuwanderer zugeschnittene Praktikumsprogramm geben, sagte OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig: «Es ist wichtig, dass Migranten zeigen können, was sie leisten können.» Nur in wenigen Ländern ist einer OECD-Studie zufolge die Qualifikationsstruktur der Zuwanderer im Verhältnis zur übrigen Bevölkerung so ungünstig wie in Deutschland. Um z.B. zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, müssten Zuwanderer drei bis vier Mal mehr Bewerbungen verschicken als Deutsche. Als Grund für diesen Zustand vermutet Liebig Vorurteile der Arbeitgeber. Auch müsse festgestellt werden, dass die Arbeitslosenquote bei studierten Zuwanderern fast drei Mal höher sei als die von deutschen Akademikern.
(Azadî/FR, 11.7.2007)
Mustafa Alcali tötet sich aus Angst vor Abschiebung in die Türkei
Aus Angst, in die Türkei abgeschoben und inhaftiert zu werden, hat sich Mustafa Alcali am 27. Juni in der JVA Frankfurt/M. das Leben genommen. Der 30-Jährige war vom türkischen Militär desertiert und in Deutschland in den vergangenen Jahren mehrfach in psychiatrischer Behandlung gewesen, auch, weil er sich auf einer Straße mit Benzin übergossen und versucht hatte, sich und andere anzuzünden. Die Diagnose des behandelnden Arztes in Hanau hatte auf schizophrene Psychose gelautet. Einen Monat lang wurde Alcali in der Psychiatrie behandelt und dann in Sicherungshaft nach Kassel geschickt. «Ich verstehe nicht, dass ein Arzt behaupten konnte, er sei völlig normal und reisefähig», sagt Johannes Hartmann vom Verein Internationales Zentrum Friedberg. Ein dort tätiger Arzt hatte Alcali für völlig gesund erklärt; einer Abschiebung stünde nichts entgegen. Das Landgericht Hanau ordnete dann die Abschiebung an. «Wie leichtfertig unser Staat mit Menschenleben umgeht, ist völlig unvorstellbar», sagt Hartmann.
(Azadî/FR, 11.7.,2007)
14 Millionen Menschen auf der Flucht
Die Zahl der Flüchtlinge ist weltweit auf dem höchsten Stand seit 2001. Etwa 14 Millionen Menschen sind lt. Angaben des US-Komitees für Flüchtlinge und Immigranten zur Zeit auf der Flucht, zwei Millionen Menschen mehr als im vergangenen Jahr. Die meisten flüchteten noch immer aus dem Irak.
(Azadî/FR, 13.7.2007)
Kaltschnäuzig und ignorant
Im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung bezüglich des zweiten «Integrationsgipfels» und der abgesagten Teilnahme türkischer Verbände aufgrund der Änderungen des Zuwanderungsgesetzes, dokumentieren wir den Leserbrief von Otto Jaenisch aus der jungen welt vom 16. Juli 2007:
«Der Vorstand deutsch-ausländische Solidarität (VDAS) Rüsselsheim hat in seiner Sitzung am 10. Juli eine Erklärung zur Änderung des so genannten Zuwanderungsgesetzes und zum «Integrationsgipfel» bei Frau Merkel beschlossen.
Wir sind entsetzt über die Kaltschnäuzigkeit und Ignoranz, mit der dieses Thema in der Öffentlichkeit, auch von den meisten Medien, behandelt wird. In den letzten Tagen wird der Eindruck erweckt, als ob Widerstand gegen die verfassungswidrigen Machenschaften nur von türkischen Verbänden ausginge und als ob es ‚nur’ um die Einschränkung des Ehegattennachzugs ginge. Es wird verschwiegen, dass energischer Protest gegen das Gesetz von den Menschenrechtsorganisationen Amnesty International, Pro Asyl, vom UNHCR, von den Wohlfahrtsorganisationen Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie, vom DGB und von Anwalts- und Richtervereinigungen usw. kommt und dass es um Dutzende Rechtsverstöße in dem neuen (und im bisherigen) Gesetz geht! Es würde zu weit führen, dieses hier im einzelnen darzulegen. (…) Das ‚Zuwanderungsgesetz’ und die entsprechende Praxis der Behörden ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die in gutem Glauben und in vernünftiger Weise sich um ‚Integration’ bemühen. Diese Gesetzgebung und ihre Durchsetzung entlarvt das Geschwätz der Machthaber über Integration als pure Heuchelei. (…)»
Verfassungsklage gegen Zuwanderungsgesetz angekündigt
«Dieses Gesetz der Abschottung und des Misstrauens ist eine schwere Belastung für den Integrationsprozess, für den man Vertrauen und Toleranz benötigt,» sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach zu den Verschärfungen des Zuwanderungsgesetzes. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, kündigte an, gegen das Zuwanderungsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht eine Klage anzustreben: «Wir sind der festen Überzeugung, das das Gesetz verfassungswidrig ist.» Als einzige Möglichkeit, an diesem Gesetz noch etwas zu ändern, sieht auch der migrationspolitische Sprecher der Grünen, Josef Winkler, den Gang zum Verfassungsgericht. Bereits vor dessen Verabschiedung im Parlament hatten Abgeordnete von Grünen und LINKSPARTEI verfassungsrechtliche Bedenken formuliert.
(Azadî/ND, 13.7.2007)
Mustafa Atalay in JVA-Klinik verlegt
Auf Weisung der Generalbundesanwaltschaft wurde der schwer herzkranke Journalist Mustafa Atalay aus der Untersuchungshaft in Hannover in das Justizvollzugskrankenhaus nach Hohenasperg bei Stuttgart verlegt. Zuvor hatte die Bundesanwaltschaft auf Anfrage der Linksfraktion im Bundestag keine Veranlassung gesehen, Atalay in ein Krankenhaus zu verlegen.
Der 50-Jährige war im November 2006 nach einer Bypass-Operation während einer anschließenden Rehabilitation in Bad Bevensen unter dem Verdacht der Mitgliedschaft in der als terroristisch eingestuften und in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten Organisation DHKP-C in U-Haft genommen worden. Atalay, der 1980 während des Militär-Putsches in der Türkei verhaftet worden war, verbrachte 20 Jahre in türkischen Gefängnissen und wurde schwer gefoltert. Nach seiner Flucht in die BRD erhielt er hier eine Anerkennung als politisch Verfolgter.
(Azadî/jw/TAYAD, 4.,13.7.2007)
Bilanz 2006 der hessischen Kommission für Härtefälle
Die Härtefallkommission des Innenministers hat in den ersten 20 Monaten ihres Bestehens in 36 Fällen ein Bleiberecht für Ausländer empfohlen, wovon 129 Menschen profitierten. Die meisten waren Personen aus Serbien-Montenegro (68) und der Türkei (35). In 32 Fällen erkannte das Innenministerium den Betroffenen ein Bleiberecht zu. In drei Fällen folgte das Ministerium der Empfehlung der Kommission nicht, weil «die Vorgaben zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht erfüllt» worden seien. 14 Fälle hatte die Kommission bereits abgelehnt. Anders als in anderen Bundesländern, wo unabhängige Fachleute der Kommission angehören, besteht sie in Hessen ausschließlich aus Abgeordneten des Landtags.