AZADI infodienst nr. 101
mai 2011


 

verbotspraxis

 

«Natürlich» einseitige Schuldzuweisung nach Zwischenfall auf Demo in Ludwigshafen

Laut einem Bericht des Mannheimer Morgen soll es während einer Demonstration des Kurdischen Kulturvereins Ludwigshafen am 18. Mai zu einem gewaltsamen Zwischenfall gekommen sein. Nach einer Schlägerei soll es einen Schwerverletzten gegeben haben und im Anschluss sollen zwei Männer festgenommen worden sein. Laut Ordnungsdezernent Wilhelm Zeiser seien rund 100 Personen eingekesselt worden, um deren Personalien festzustellen.
Im Vorfeld der Demo gegen die Verfolgung der PKK und der kurdischen Bevölkerung durch den türkischen Staat hätten – so Zeiser – „keine Erkenntnisse über Vorfälle bei Versammlungen des Vereins in der Vergangenheit“ vorgelegen. Bei der angemeldeten Demo seien zwei Gruppen von Jugendlichen aus noch nicht geklärten Gründen aneinandergeraten. Ein Teilnehmer, der schlichten wollte, wurde verprügelt und musste ins Krankenhaus gebracht werden. In Abstimmung mit dem Versammlungsleiter ist die Veranstaltung nach dem Zwischenfall aufgelöst worden. Die beiden festgenommenen Tatverdächtigen sind wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Laut Polizeisprecher Michael Lindner komme mindestens Körperverletzung in Frage.
Am Ende des Artikels verweist die Redakteurin Sybille  Burmeister noch darauf hin, dass der kurdische Kulturverein im rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzbericht erwähnt werde, weil dort die Anhängerschaft der PKK organisiert sei und dieser als Anlaufstelle für die gesamte Region gelte.
Süffisant wird vermerkt, dass die SPD auf ihrer Homepage über einen Besuch im Verein im März berichte und dass sie vor allem die Jugendarbeit des Vereins gelobt habe.

(Mannheimer Morgen/Azadî v. 20.5.2011)

 

Nachfolgend aus der Pressemitteilung des Kurdischen Kulturvereins Ludwigshafen e.V. vom 19. Mai

„Kurden wollen Frieden – Auch in Ludwigshafen !“

„Als die zweitgrößte Migrantengruppe mit 800 000 Bürgern und Bürgerinnen in Deutschland sind wir Kurden und Kurdinnen über die gegenwärtigen Entwicklungen in Kurdistan in großer Besorgnis. 30 Jahre Krieg waren mehr als genug, wir wollen Frieden!
Aus diesem Grund hat der Kurdische Kulturverein Ludwigshafen e.V. am Mittwoch (18.5.) eine Demonstration […] in Ludwigshafen Mitte durchgeführt. Unsere Intention war und ist, eine internationale Öffentlichkeit herzustellen, um dem türkischen Staatsterror politischen Einhalt zu gebieten. […] Mit unserer Kundgebung haben wir versucht, die politisch Verantwortlichen an ihre Verpflichtungen zu erinnern. Wie in der Türkei und Kurdistan wurden wir auch hier in Ludwigshafen von türkischen Rassisten angegriffen. Leider aber sehen wir in der lokalen Presse und den Medien in Rheinland-Pfalz die Bemühung, Tatsachen zu verdrehen, indem wir Kurden und Kurdinnen als potenzielle Schuldige dargestellt werden. Niemand hat das Recht, friedlich Demonstrierende – unter ihnen Kinder, Jugendliche, Frauen und alte Menschen – verbal und körperlich anzugreifen.
[…] Die AKP-Politik behindert auch hier in Deutschland die Völkerverständigung, ein integratives und multikulturelles Zusammenleben verschiedener Kulturen.
Das heißt, aufgrund der durch türkische Rassisten aufgeheizten Atmosphäre erlitt ein Vereinsmitglied, das ohnehin einen Herzschrittmacher trägt, eine Attacke und befindet sich immer noch in Lebensgefahr. Wir fordern daher von der Stadt Ludwigshafen, mit allen Mitteln des Rechts gegen diese Rassisten vorzugehen, damit solchen Gefahren für die Zukunft vorgebeugt werden kann. […] Als Bürger in Rheinland-Pfalz möchten wir unseren Landtag sowie die Landesregierung aufrufen, sich für unsere Belange bei der Bundesregierung einzusetzen.“

(Azadî)

 

Kurdische Jugendliche zu Freiheitsstrafen verurteilt

Am 23. Mai hat das Landgericht (LG) Stuttgart in dem Verfahren gegen neun kurdische Jugendliche und Heranwachsende die Urteile verkündet. Wegen gefährlicher Körperverletzung und schweren Landfriedensbruchs erhielten zwei Jugendliche 2 Jahre auf Bewährung und die restlichen sieben Freiheitsstrafen zwischen 2 1⁄4 und 3 Jahren + 3 Monate ohne Bewährung. Es wurde kein Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Vor dem Hintergrund der Dauer der Untersuchungshaft hätte der Haftgrund „Fluchtgefahr“ eigentlich wegfallen können, doch wurde er vom Gericht weiter angenommen.

(Azadî)

Zum Hintergrund: Am 17. Januar begann vor der Jugendkammer in Stuttgart der Prozess gegen acht kurdische Jugendliche wegen „gemeinschaftlich versuchten Mordes“. Ein weiteres Verfahren gegen bereits volljährige Kurden war bereits am 13. Januar vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart eröffnet worden.
Die Angeklagten im Alter zwischen 18 und 33 Jahren sind beschuldigt worden, am Abend des 8. Mai 2010 vermummt eine Gaststätte in Nürtingen gestürmt und mit Baseballschlägern und Eisenstangen auf die Gäste eingeprügelt zu haben. Dabei sei der Wirt und drei Gäste am Kopf verletzt worden. Die Staatsanwaltschaft waren der Auffassung, dass die Kurden die „tödliche Verletzungen“ der Opfer „billigend in Kauf“ genommen hätten. Der Angriff sei eine Racheaktion von Anhängern der PKK gewesen, weil der Wirt eine Woche zuvor die Angeklagten nach einem Streit aus der Gaststätte geworfen habe. Ein Gast soll sich beleidigend gegen PKK-Mitglieder geäußert haben. In der überfallenen Nürtinger Gaststätte sollen sich regelmäßig Personen aus dem Umfeld der türkischen faschistischen Grauen Wölfe getroffen haben. Immer wieder ist es im Großraum Stuttgart zu Auseinandersetzungen zwischen türkischen Nationalisten und kurdischstämmigen Linken gekommen. Anfang November 2010 ist ein 19jähriger Kurde in Stuttgart von einem Türken mit einem Messerstich verletzt worden.
Im Zuge der Ermittlungsverfahren sind in den Monaten Mai und Juni letzten Jahres rund 40 Razzien in den Wohnungen kurdischer Familien im Großraum Stuttgart durchgeführt worden, wobei teilweise schwerbewaffnete Sondereinsatzkommandos eingesetzt waren.
Seit mehreren Jahren soll ein Polizeispitzel in der kurdischen Jugendszene aktiv gewesen sein, der die Angeklagten schwer belastet hat. Einigen Jugendlichen soll Geld für eine Zusammenarbeit mit der Polizei geboten worden sein.

(Azadî)

 

Verwaltungsgericht bestätigt Ausweisungsverfügung gegen Hüseyin A.

Das Verwaltungsgericht Minden hat die von der Stadt Bielefeld im September 2010 verfügte Ausweisung von Hüseyin A. (50) bestätigt. Der Kurde war 2009 vom Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf wegen „Rädelsführerschaft“ in einer „kriminellen“ Vereinigung (§ 129 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Nach Auffassung des Gerichts soll er in einem bestimmten Zeitraum den PKK-Sektor Süd geleitet haben. Das Gericht sah es ferner als erwiesen an, dass H.A. im Jahre 2007 eine Kurdin, die ein Kind von einem Aktivisten erwartet hatte, zu einem Schwangerschaftabbruch genötigt hat.
Gegen den Widerruf seiner Asylberechtigung ist von A. Klage erhoben worden, weshalb in dem Verfahren eine Entscheidung noch aussteht.

(Mindener Tageblatt/Azadî, 26. 5.2011)

 

 

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