AZADI infodienst nr. 101
mai 2011


 

repression

 

D N A – Sammelwut der Polizei stoppen !
Gegen die permanente Erosion der Grundrechte !

In einem Offenen Brief „DNA-Sammelwut stoppen” wird die zentrale Speicherung von aus Körperspuren gewonnenen Daten als gefährliches überwachungsstaatliches Instrumentarium abgelehnt. Gleichzeitig werden Korrekturen der derzeitigen Praxis für zwingend erforderlich gehalten:
„1. Eine Revision des grundrechtlich höchst problematischen Gesetzes von 2005: […] Außerdem ermöglicht die Reform, D N A auch ohne richterliche Anordnung zu analysieren und das Profil zu speichern – wenn die Betroffenen „freiwillig“ zustimmen. Die Bedingungen dieser Freiwilligkeit sind oft mehr als fragwürdig, etwa in Verhörsituationen. Auf diese Weise umgehen die Behörden laut Erhebungen von Datenschutzbeauftragten bei weit mehr als 90 Prozent der D N A-Entnahmen eine richterliche Anordnung. […] Nur noch weniger als vier Prozent der Datenbanktreffer beziehen sich auf schwere Straftaten wie Sexualdelikte, Körperverletzung, Freiheitsentzug oder Mord, für deren Aufklärung die Datenbank 1998 vorgeblich eingerichtet worden war.“ Deshalb wird eine „Revision des Gesetzes“ gefordert, „die die polizeiliche Erstellung und Speicherung von D N A-Profilen in enge Schranken verweist.“
2. Eine unabhängige, umfassende und regelmäßige datenschutzrechtliche Kontrolle der D N A-Analyse-Datei beim Bundeskriminalamt (BKA).
Inzwischen sind mehr als 700.000 D N A-Personen-Profile in der zentralen Datenbank des BKA gespeichert. Bislang wird die Rechtmäßigkeit der Speicherung nur selten und stichprobenartig von Datenschutzbeauftragten geprüft. […] Gefordert wird eine „unabhängige, funktionierende Kontrolle der Polizei und verbindliche Vorschriften zur Löschung der Datensätze, deren Einhaltung regelmäßig von unabhängiger Seite überprüft wird.
3. Ein Verbot der Ermittlung von Verwandtschaftsbeziehungen oder persönlichen Eigenschaften mithilfe von D N A-Proben und –Daten.
Die aktuelle Gesetzeslage erlaubt es, D N A-Profile für die Identifizierung einer Person einzusetzen. […] Seit 2005 darf darüber hinaus auch die Information über das chromosomale Geschlecht gespeichert werden. […] Es ist zu befürchten, dass D N A-Profile für die Gewinnung von immer mehr Informationen eingesetzt werden. Schon heute legen so genannte partielle Treffer – wenn Datensätze beim Suchlauf in den polizeilichen Datenbanken teilweise übereinstimmen – Verwandtschaftsbeziehungen offen. Gefordert wird eine Regelung, die Rückschlüsse auf körperliche Eigenschaften aus D N A-Proben im Rahmen polizeilicher Ermittlungen nachhaltig verhindert.
4. Ein Ausstieg aus dem globalen D N A-Datenaustausch.
Zentrale polizeiliche D N A-Datenbanken gibt es bereits in 56 Staaten. […] Erst jüngst stellte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EuGH) fest, dass die britische Polizei mit ihrer D N A-Datenbank das Grundrecht auf Datenschutz sehr weitgehend verletzt hat. Schon allein deshalb muss die Vernetzung der D N A-Analysedatei beim Bundeskriminalamt mit D N A-Datenbeständen anderer Länder sofort eingestellt werden. […]
Die Logik polizeilicher D N A-Datenbanken verschleiert gesellschaftliche und soziale Bedingungen von Straftaten. […] Je weiter sich diese gesellschaftlich verbreitet, desto plausibler und durchsetzungsfähiger wird eine Totalerfassung der Bevölkerung, wie sie von Rechts- und Innenpolitikern gelegentlich schon gefordert worden ist.“
Kontakt: www.fingerwegvonmeinerDNA.de
wattestaebchen@gen-ethisches-netzwerk.de

 

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger regt unabhängige Kommission zur Überprüfung der
Anti-Terror-Gesetzgebung an

Im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze hat Bundesjustizministerin (BMJ) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Einsetzung einer unabhängigen Regierungskommission vorgeschlagen. Sie soll die Entwicklung in der Sicherheitsgesetzgebung prüfen und Empfehlungen erarbeiten, wie künftig eine zunehmende Vermischung von Polizeiarbeit und geheimdienstlicher Tätigkeiten verhindert werden soll. Während Bundesinnenminister (BMI) Hans-Peter Friedrich (CSU) an den alten Regelungen festhalten will, möchte die Justizministerin sechs von zehn Auskunftsrechten, die Verfassungsschutz, Bundesnachrichten- und Militärischem Abschirmdienst nach dem 11.9.2001 erhalten haben, auslaufen lassen. Das gilt für Auskünfte bei Fluglinien: für inakzeptabel hält das BMJ die Möglichkeit der Geheimdienste, sich bei Fluglinien über Reisepläne von Verdächtigen zu informieren, wodurch die Persönlichkeitsrechte jeder/s Einzelnen verletzt würden. Das BMI will diese Befugnisse noch erweitern. Auskünfte bei Banken: BMJ lehnt diese Regelung insbesondere für Geheimdienste ab, weil Bankdaten sensibel sind und jede Auskunft eine schwere Grundrechtsverletzung darstellt. BMI vertritt die Interessen der Ermittler, die die Befugnis gerne ausweiten würden z.B. auf Bankschließfächer. Auskünfte bei Teledienstleistern: Für das BMJ ist nicht hinreichend begründet worden, weshalb die Behörden das Recht haben sollen nachzufragen, wann jemand wann und wie lange einen bestimmten Internetanbieter nutzt. BMI will Verdächtige danach fragen dürfen.
Lauschangriff zur Eigensicherung: Nach den Vorstellungen des BMJ sollen keine Wohnungen mehr technisch observiert werden dürfen, um eingesetzte Ermittler abzusichern. BMI will das beibehalten. Speicherfrist: BMJ will, dass Geheimdienste ihre Informationen „nur“ noch zehn Jahre speichern. BMI will auf den im Zuge der Anti-Terror-Gesetze festgelegten 15 Jahre beharren.
Auskünfte bei der Post: BMJ und BMI einigten sich auf den Wegfall der Regelung – weil der Postweg heute kaum mehr genutzt wird.

(FR/Azadî, 27.5.2011)

 

 

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