AZADI infodienst nr. 35
oktober 2005


Verbotspraxis

Merhaba »Ülkede Özgür Gündem« –
eine Stimme aus Kurdistan

Seit dem 25. Oktober 2005 erscheint nun auch in Europa die erste Ausgabe der prokurdischen Zeitung „Ülkede Özgür Gündem“ („Freie Tagesordnung im Land“). Sie bedeutet – nach eigener Darstellung – „die Tagesordnung derer, die geblieben sind und derer, die man zu gehen gezwungen hat“. Die Tagesordnung soll die der „Türkei und die Europas vereinigen“ und ihren Leserinnen und Lesern „Nachrichten von ihren Wurzeln bringen“.

(Azadî/Ülkede Özgür Gündem, v. 25.10.2005)

Pressefeindlichkeit in Deutschland

Nach Einschätzung der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hat die Pressefreiheit in Deutschland und anderen westlichen Staaten deutlich gelitten. In ihrer am 20. Oktober 2005 veröffentlichten Liste der pressefreundlichsten Länder stuften die Journalisten Deutschland vom elften auf den 18. Platz herab. Grund seien Durchsuchungen, die erzwungene Herausgabe von Telefondaten eines Journalisten sowie die Schließung einer türkischsprachigen Zeitung (gemeint ist wohl „Özgür Politika“; Azadî). Außerdem sei ein gewalttätiger Übergriff auf einen Journalisten dokumentiert. An der Spitze der Rangliste der pressefreundlichsten Länder stehen – wie bereits im vergangenen – Jahr Dänemark, Finnland, Irland, Island, Norwegen und die Niederlande.

(Azadî/ND, 21.10.2005)

Ach was, Herr Schily

Bundesinnenminister Otto Schily eröffnete als Alterspräsident am 18. Oktober 2005 die konstituierende des 16. Deutschen Bundestages. Hierzu führte er u. a. aus:
„Politik, wo immer sie sich realisiert, in der Legislative, in der Exekutive und in der Judikative, greift nicht selten massiv in die Lebensverhältnisse der Menschen, in ihre Lebensentwürfe und ihre Lebensgewohnheiten ein. Umso größer sind unsere Verantwortung und der Erklärungsbedarf. (…) Wirtschaft, aber auch Kultur und Wissenschaft folgen anderen Gesetzmäßigkeiten und organisieren sich in erster Linie nicht nach politischen Vorgaben. Wir sollten uns weder einbilden noch anmaßen, dass sich alle anderen gesellschaftlichen Bereiche staatlicher Bevormundung zu fügen haben oder dass sie staatlicher Beeinflussung überhaupt ausnahmslos zugänglich sind. Eine umfassend verstaatliche Gesellschaft endet in der Schreckensherrschaft des totalitären Staates. Weil der demokratisch-rechtsstaatliche Grundkonsens die Macht des Staates begrenzt, ist darin auch eine Verantwortungsteilung enthalten, die in der Kritik an den Wirkungsmöglichkeiten von staatlicher Politik nicht selten aus dem Blickfeld gerät. Das kann freilich nicht heißen, die eigene Verantwortung irgendwo anders abzuladen. Wir sollten statt dessen die Verantwortung immer zuerst bei uns selbst suchen.“

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Ein schrecklich netter Staat

Massiver Eingriff in den Lebensentwurf des kurdischen Politikers Halil D.

Am 18. Oktober 2005 wurde Halil D. aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof (BGH) vom 20. September durch BKA-Beamte am Hauptbahnhof in Darmstadt festgenommen. Laut Bundesanwaltschaft (BAW) wird ihm zur Last gelegt, „seit Januar 2000 unter dem Decknamen ‚Sefkan’ als Verantwortlicher des ‚Wirtschafts- und Finanzbüros’ der ‚Nationalen Befreiungsfront Kurdistans’, ERNK, ab Mai 2000 der ‚Kurdischen Demokratischen Volksunion’, YDK, ab Juni 2004 der ‚Demokratischen Vereinigung der Kurden’, CDK, tätig gewesen zu sein.“ Er sei dringend verdächtig, sich als „Rädelsführer“ der PKK, in der BRD eingestuft als kriminelle Vereinigung, beteiligt zu haben. Die in dem vorgenannten Finanzbüro eingesetzten „Führungskader“ würden – so die BAW – „sämtliche Finanzabläufe“ kontrollieren und über die Verwendung der „zur Verfügung stehenden Gelder“ entscheiden. Somit sei die Tätigkeit des „führenden Funktionärskörpers“ in diesem Bereich „von existentieller Bedeutung“.

(Azadî//PM des Generalbundesanwalts vom 21.10.2005)

Ausgebürgert und entrechtet

Einem Kurden, dem wegen angeblich „erschlichener“ Einbürgerung (er hatte seine Beteiligung an der sog. Identitätskampagne nicht angegeben, weil er dieser keine Bedeutung für das Einbürgerungsverfahren beigemessen hatte, Azadi) die deutsche Staatsangehörigkeit wieder entzogen wurde, soll nunmehr nach Auffassung der zuständigen Ausländerbehörde auch sein früherer Status als anerkannter Flüchtling aberkannt werden. Sie weigert sich derzeit, ihm den entsprechenden Flüchtlingsausweis zurückzugeben und verlangt, er solle sich in der Türkei wieder einbürgern lassen (!) und sodann einen türkischen Pass vorlegen. Seinen Arbeitsplatz hat der Betroffene durch die Ausbürgerung natürlich auch verloren.

(Azadî)

 

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