AZADI infodienst nr. 32
juli 2005


repression

Justizministerin plant verschärfte Führungsaufsicht

Laut einem Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums zur Verschärfung der Führungsaufsicht sollen entlassene Straftäter strenger überwacht werden. In der Regel schließt sich Führungsaufsicht an eine Haftstrafe an und ist ein eigenständiges Instrument neben Sicherungsverwahrung und Bewährungsauflage. Angewandt wird sie vor allem bei "Vollverbüßern", die keine Bewährung bekommen. Bundesweit werden derzeit 15 000 bis 20 000 Personen auf diese Weise kontrolliert. Mit Führungsaufsicht bedacht werden primär Menschen, die zu mehr als 2 Jahren Haft verurteilt worden sind.
Ist eine solche Aufsicht bisher in der Regel auf 5 Jahre beschränkt, will Justizministerin Zypries diese im Zweifel auf unbefristete Zeit verlängern. Wer gegen die Auflagen verstößt, soll außerdem mit härteren Strafen rechnen müssen; bis zu drei Jahren sollen möglich werden (bisher Geldstrafen oder Haft bis zu einem Jahr).

(Azadî/taz, 7.7.2005)

In unserem Infodienst Nr. 31 berichteten wir über den kurdischen Politiker Ali Z., der am 6. Juni nach Verbüßung von 2 Jahren und 6 Monaten (wg. §129 StGB) aus der Haft entlassen worden ist. Das Landgericht Wuppertal beschloss gegen ihn eine (vorläufig) auf fünf Jahre festgelegte Führungsaufsicht, weil zu erwarten sei, dass der Verurteilte ohne diese Maßnahme weiterhin Straftaten begehen werde. Womit wohl politische Aktivitäten für den KONGRA-GEL gemeint sein dürften.

(Azadî)

Was ist Terrorismus?

Kofi Annan fordert Klärung

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, ermahnt die internationale Gemeinschaft, sich darauf zu einigen, was sie unter Terrorismus versteht. Dies sei notwendig, "damit alle Staaten darin einig sind, wogegen sie kämpfen", erklärte Annan. Bei der nächsten Generalversammlung der UN im September müsse ein entsprechendes Abkommen geschlossen werden. Viele Staaten vertreten die Meinung, wer auf seiner Seite als Freiheitskämpfer gelte, werde auf der gegnerischen als Terrorist betrachtet - so etwa hinsichtlich des israelisch-palästinensischen Konflikts.

(Azadî/FR, 11.7.2005)

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Vorurteile und Stimmungsmache gegen Muslime

Die Stimmungsmache gegen Muslime in Deutschland nach dem Anschlag in London, bezeichnet der Vorsitzende des Islamrats in der BRD, Ali Kizilkaya, in einem Gespräch mit der jungen welt als "Kurzschlussreaktionen" und "alles andere als integrationsfördernd". Bereits jetzt würden "fast alle islamischen Gruppen mehr oder weniger intensiv von den Verfassungsschutzämtern beobachtet". Er bedauert, dass "selbst die Kirchen wenig zur Versachlichung des Klimas" beitrügen und aus der Politik gebe es "leider auch kein positives Signal" auf ein faires Umgehen mit den Muslimen. Auf die Forderung von Kardinal Lehmann, die Muslime sollten sich stärker von Terrorakten distanzieren, meint Kizilkaya, dass dies "purer Populismus" und "wie ein auswendig gelerntes Lied" sei, "das man bei jeder Gelegenheit vorsingt." Muslimische Organisationen hätten "unmissverständlich und eindeutig Terroranschläge verurteilt". Er beklagte auch die vorurteilsbeladene Berichterstattung in den Massenmedien.

(Azadî/jw, 15.7.2005)

Gefährliche Law-and-order-Gebärden

"Symbolische Gesetzgebung und sicherheitspolitischer Aktionismus mag die Wählerinnen und Wähler erreichen. Terrorismus wird damit nicht wirksam bekämpft. Das Gegenteil ist der Fall: Die rigiden Überwachungsmaßnahmen gegenüber Anhängern des Islam in den europäischen Staaten schüchtern zweifellos viele Betroffene ein. Zugleich führen sie aber auch dauernd islamistischen Gewalttätern ein gewaltiges Potenzial neuer Sympathisanten, Unterstützer und Täter zu. Ein Staat, der seine bürgerrechtlichen und freiheitlichen Versprechungen nicht hält, ist für sie ein 'lohnenderes' Ziel als eine Gesellschaftsordnung, die trotz sinnloser brutaler Provokation zivilisiert und rechtsstaatlich reagiert. Law-and-Order-Gebärden sind gefährlich, weil sie bei vielen Menschen das trügerische Gefühl einer Sicherheit suggerieren, die kein Politiker gewährleisten kann.(...) Flächendeckende Videoüberwachung, die Vorratsdatenspeicherung von Telefon- und Internet-Verkehrsdaten, Raster- und Schleierfahndungen sind nichts anderes als ein aufwändiges, teures und unergiebiges Stochern im Heuhaufen. Diese Maßnahmen schränken die Bürgerrechte vieler oder gar aller Menschen ein, ohne etwas zu bringen. (...) Deutschland sei vielleicht bisher von Anschlägen verschon worden, "weil mit dem Islam nicht die Konfrontation und die Ausgrenzung, sondern die Kommunikation und die Integration gesucht wird. Diesen Weg sollte die deutsche Politik weiter suchen." (...) Sicherheit und Freiheit sind keine Gegensätze. Vielmehr stirbt das eine mit dem anderen."

(Azadî/Analyse von Thilo Weichert - Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein - in der FR, 16.7.2005)

 

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