Kindergeld auch bei Aufenthaltsbefugnis
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat Teile des Bundeskindergeldes, das zwischen 1994 und 1995 gültig war, für verfassungswidrig erklärt. Danach wurde in diesem Zeitraum kein Kindergeld an Ausländer/innen gezahlt, die mit Aufenthaltsbefugnis in Deutschland leben. Dies ist laut Entscheidung des Gerichts mit der durch Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verbürgten Gleichheit vor dem Gesetz nicht vereinbar. Nach der damaligen Regelung wurde Kindergeld nur bei Vorliegen einer Aufenthaltserlaubnis oder -genehmigung gezahlt. Die Richter des BVerfG fordern den Gesetzgeber auf, die verfassungswidrige Form durch eine Neuregelung zu ersetzen. Bis dahin bleiben Ausgangsverfahren vor dem Landessozialgericht ausgesetzt. Sollte der Gesetzgeber bis Anfang 2006 keine Neuregelung beschlossen haben, ist laut BVerfG in den anstehenden Verfahren das bis Dezember 1993 geltende Recht anzuwenden. Aktenzeichen: 1 BvL 4/97 u.a.
(Azadi/11.12.2004)
Zwangsgeld gegen türkische Fluglinie rechtens
Deutsche Grenzschutzbehörden dürfen Fluggesellschaften Zwangsgeld androhen, wenn diese Passagiere ohne Pass und Visum ins Land bringen. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in Leipzig sind solche Zwangsgelddrohungen mit deutschem und europäischem Recht sowie dem neuen Zuwanderungsgesetz vereinbar. Ein Bescheid der Bundesgrenzschutzdirektion Koblenz gegen die Fluglinie Turkish Airlines sei „fehlerfrei ergangen“. Nun könnten auf die Fluglinie Zahlungen von bis zu 140000 Euro für einen Zeitraum von 2001 bis 2004 zukommen. Immer wieder habe sie Fluggäste ohne Papiere aus der Türkei nach Deutschland gebracht. Aktenzeichen: BVerwG 1C 30.03
(Azadi/FR, 17.12.2004)
Ausländerinnen haben Anspruch auf Erziehungsgeld
Ausschluss verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat den Ausschluss einer bestimmten Ausländergruppe vom Erziehungsgeld für verfassungswidrig erklärt. Hiervon betroffen sind in Deutschland lebende Ausländer, die über eine Aufenthaltsbefugnis und eine Arbeitsberechtigung verfügen. Sie dürfen–so der Erste Senat des Karlsruher Gerichts–nicht vom Erziehungsgeld ausgeschlossen werden. Hiermit war die Verfassungsbeschwerde einer Türkin erfolgreich, die seit 1990 in Deutschland lebt und 1993 ein Kind zur Welt gebracht hatte. Weil sie nur eine Aufenthaltsbefugnis hatte, wurde ihr das Erziehungsgeld von damals 600 DM monatlich nicht ausbezahlt. Der Gesetzgeber muss nun bis zum 1. Januar 2006 eine Neuregelung schaffen, die nach Maßgabe der Karlsruher Richter aber auch auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen sind. Diese Prüfpflicht gilt ebenso für das ab 2005 geltende Zuwanderungsgesetz. Aktenzeichen: 1 BvR 2515/95
(Azadi/FR, 30.12.2004)
Verfassungsgericht stärkt Informationsrecht der Gefangenen
Eine Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat entschieden, dass einem/r Gefangenen eine Broschüre nicht deshalb vorenthalten werden darf, weil sie ein Muster zum Abfassen von Haftbeschwerden enthält. Eine Informationsschrift, die die Gefangenen in sachlicher und juristisch vertretbarer Weise über ihre Rechte aufklärt, begründet nicht eine Gefährdung des Strafvollzugs. Die Deutsche Aids-Hilfe hatte 2001 eine Broschüre „Positiv in Haft“ herausgegeben, die von einem Gefangenen in Straubing angefordert, aber von der JVA nicht ausgehändigt wurde mit der Begründung, die Informationen könnten die Gefangenen zu einer missbräuchlichen Handhabung des Beschwerderechts veranlassen. Das Heft enthielt u.a. Musteranträge zur Abfassung von Beschwerden. Das Landgericht Regensburg und das Oberlandesgericht Nürnberg bestätigten die ablehnende Entscheidung der JVA. Hiergegen hatte ein Hochschullehrer der Universität Bremen, der an der Broschüre mitgewirkt hatte, Verfassungsbeschwerde eingereicht. Aktenzeichen: 2 BvR 2219/01
(Azadi/FR, 31.12.2004)
Zu kleine Zelle menschenunwürdig
Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat am 6. Januar 2005 entschieden: Die Grenze zur menschenunwürdigen Inhaftierung wird bei einer mit zwei Männern belegten Doppelzelle von 8 Quadratmetern Fläche für Aufenthalt, Schlafkojen, Waschgelegenheit und Toilette überschritten. Auch wegen Überfüllung der Gefängnisse und dem Zwang zu Mehrfachbelegungen sei dies nicht zu rechtfertigen. Die Haftanstalten müssten sich an die Europäischen Mindestgrundsätze für Strafgefangene halten.
Aktenzeichen: OLG 1 Ws 276/04
(Azadi/FR/ND, 7.1.2005)