Tag der Menschenrechte:
AI besorgt wegen Folterdebatte
„Das zu Ende gehende Jahr war kein gutes Jahr für die Menschenrechte“, resümmiert Barbara Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International (AI) zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember. In den Rechtsstaaten habe sich die „Schere zwischen Anspruch und Realpolitik weiter geöffnet“. Opfer der weltweit mehr als 30 bewaffneten Konflikte seien vor allem Frauen, die häufig gezielt sexueller Gewalt ausgesetzt seien. Von der Bundesregierung fordert AI die Einführung einer geschlechtsspezifischen Ausbildung der zivilen Friedenskräfte sowie der Bundeswehr im Auslandseinsatz. Mit großer Sorge verfolge AI zudem die aktuelle Folterdebatte: „Wenn Rechtsstaaten Folter zulassen, verabschieden wir uns von einer der wichtigsten menschenrechtlichen Errungenschaften: dem absoluten Folterverbot.“
(Azadi/ND, 9.12.2004)
Sauberwaschen mit EU-Richtlinie?
Anwaltsverein übt scharfe Kritik
Das 13 Jahre alte Geldwäschegesetz der EU, das 2001 ergänzt worden war, wurde im Rahmen des „Kampfes gegen den internationalen Terrorismus“ verschärft. Danach müssen künftig Bargeschäfte mit einem Umfang von mehr als 15 000 Euro registriert und bei Verdacht Identitätsprüfungen durchgeführt werden. Außerdem werden anonyme Bankkonten und Konten unter fiktiven Namen verboten. Das Europaparlament muss dem Gesetz noch zustimmen, um danach in den nationalen Gesetzen verankert werden zu können. Der Entwurf zur 3. Geldwäscherichtlinie sieht verschärfte Melde-, Identifizierungs- und Überwachungspflichten für Rechtsanwälte vor. Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) befürchtet in einer Stellungnahme vom 7. Januar 2005, dass durch diese Richtlinie Rechtsanwälte zum „Spitzel gegen die Mandanten“ gemacht würden. Problematisch sei, dass neben der Geldwäsche auch die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung mitgeregelt werden soll. Der DAV vermutet, dass es eigentlich darum gehe, „gegen Straftaten vorzugehen, an deren Strafverfolgung der Staat aus finanziellen Gründen ein größeres Interesse hat“. Deshalb würden wieder einmal „in untragbarer Weise die Freiheiten der Bürger eingeschränkt“.
(Azadi/FR/jw 8.12.2004, 8.1.2005)

Distanzierungsliste für Einbürgerungswillige
Laut einem Bericht des „Spiegel“ wird beim Bundesamt für Verfassungsschutz eine Liste mit über 120 als extremistisch eingestufte Vereinigungen geführt, die einbürgerungswilligen Ausländern vorgelegt werden soll, damit sie sich von diesen Gruppierungen distanzieren. Auf diese Liste war auf Antrag eines Bundeslandes auch die PDS geraten, nach einem Protest ihres Vorsitzenden Lothar Bisky jedoch wieder gestrichen worden. Laut einem Sprecher des Bundesinnenministeriums habe sich die Aufnahme inländischer Organisationen als „nicht zielführend“ erwiesen. Thüringens PDS-Fraktionschef Bodo Ramelow sprach von einem „Skandal, der zeigt, dass die Kalten Krieger immer noch im Bundesamt für Verfassungsschutz sitzen.“
(Azadi/FR, 13.12.2004)
Geheimdienste und Polizei zentralisiert
Bundesinnenminister Otto Schily hat das „Zentrum zur Terrorismusabwehr“ vorgestellt, das im Berliner Stadtteil Treptow errichtet worden ist . Ziel sei eine effektivere Zusammenarbeit der Nachrichtendienste mit den Polizeibehörden des Bundes und der Länder. Intensiviert werden solle durch dieses Zentrum die gemeinsame analytische Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und des Bundeskriminalamtes (BKA). Dazu beitragen würden tägliche Lagebesprechungen, Gefährdungsbewertungen, Fallauswertungen, Strukturanalysen, Auswertungen des „islamistischen terroristischen Personenpotentials“ sowie Unterrichtung über operative Maßnahmen. Schily zufolge sollen 100 Terrorexperten für das BKA arbeiten, ab Mitte des nächsten Jahres 50 für das BfV. Hinzukommen 50 Mitarbeiter, die in Verbindungsbüros der Landeskriminalämter, des Bundesgrenzschutzes, des Nachrichtendienstes BND, der Landesämter für Verfassungsschutz und des Militärischen Abschirmdienstes MAD auf dem gemeinsamen Gelände an der Koordinierung beteiligt werden sollen. Weiter strebt Schily die Einrichtung von gemeinsam von Geheimdienst und Polizei verwalteten „zeitlich befristeten Projektdateien“ an, für die er noch „die gesetzlichen Grundlagen“ schaffen wolle. Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht „die Gefahr, dass mit solchen Dateien die Trennung zwischen Diensten und Polizei durch die Hintertür ausgehöhlt wird“.
(Azadi/FR, 15.12.2004)
Ab Januar Überwachung total
Datenschützer sprechen von Generalverdacht
Ab 1. Januar 2005 tritt die Telekommunikationsüberwachungsverordnung (TKÜV) in Kraft. Auf Anordnung eines Richters oder des Bundesinnenministeriums müssen danach Telekommunikationsanbieter sofort den Zugang zu bestimmten Verbindungsdaten ermöglichen. Bei Telefonaten sind Uhrzeit, gewählte Nummer und Dauer des Gesprächs zu übermitteln. Im Falle des Mobilfunks muss darüber hinaus der Standort des Telefons weitergegeben werden sowie bei SMS deren Inhalt. Bezüglich des Internets wird der Zugang zu den Daten über die angesteuerten Internetadressen verlangt, bei E-Mail die Übermittlung der Empfängeradresse und des Inhalts. Die Telekommunikationsunternehmen haben sich ausdrücklich dazu verpflichtet, ihre Kunden nicht über den Lauschangriff zu informieren. Da diese Technik von den Firmen selber zu finanzieren sind, wird mit dem wirtschaftlichen Aus eines Teils der Internet-Anbieter gerechnet.
Datenschützer, wie die Initiative „Stop 1984“, sprechen von einem Generalverdacht gegenüber den Nutzern von Telekommunikation. Sie fordern die Beachtung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und empfehlen einen verschlüsselten E-Mail-Verkehr.
(Azadi/ND, 28.12.2004)