AZADI infodienst nr. 25/26
dezember 2004 / januar 2005


Urteil gegen «Kurdischen Roten Halbmond» und kurdischen Politiker

Anwalt Kronauer: Dies war ein politischer Prozess

Am 4. Januar 2005 fiel das Urteil im Prozess gegen „Heyva Sor a Kurdistanê“ (Kurdischer Roter Halbmond). Das Landgericht Koblenz erklärte die als gemeinnützig anerkannte Hilfsorganisation zu einer Nebenorganisation der PKK und verurteilte den kurdischen Politiker Mahmut Kaya mit der Behauptung, er sei als PKK-Vertreter bei Heyva Sor (HSK) tätig gewesen, zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 20,— Euro. „Wir erkennen an, dass Heyva Sor eine humanitäre Organisation ist, die gemeinsam mit internationalen Organisationen Projekte durchgeführt hat. Doch beziehen wir uns auf die Aussage von Engin Sönmez, dass die PKK ein Baum sei und HSK ein Zweig davon,“ sagte der Vorsitzende Richter Georg Gothen in seiner Urteilsverkündung. Er betonte, dass HSK Vertreter zu allen kurdischen Organisationen und Versammlungen delegiert habe. Mahmut Kaya habe als Politiker zuerst Aufgaben in der PKK-Führungsebene und später bei HSK innegehabt.

Staatsanwalt Walter Schmengler erhob in seinem Plädoyer den Vorwurf, dass trotz des Betätigungsverbotes von PKK/ERNK im Jahre 1993, Organisationen gegründet würden, die der Fortführung von militärischen Bedürfnissen und politischen Aktivitäten dienen. Hierzu sei auch der HSK zu zählen, der in Kurdistan verwundete Militante nach Europa bringen würde. Dies beweise, dass Heyva Sor auf Anweisung der PKK gegründet worden sei.

Zu dem ursprünglich von der Anklage in das Verfahren eingeführten Kronzeugen Engin Sönmez, der seine Aussagen im Laufe des Prozesses vollständig zurückgenommen hatte, behauptete Schmengler, dieser sei hierzu gezwungen worden.

Rechtsanwalt Kronauer erklärte in seinem Plädoyer, dass der seit 19 Monaten andauernde Prozess eindeutig politisch sei. Tatsächlich habe sich das Verfahren nicht in erster Linie gegen seinen Mandanten gerichtet, sondern es sei darum gegangen, HSK zu verbieten: „Heyva Sor ist eine Hilfsorganisation. Sie wurde gegründet, um den Opfern des Krieges in Kurdistan zu helfen. Genau dies ist deren Ziel. Mit den während des Prozesses vorgelegten Beweisen wurde das auch bekräftigt. Dennoch behauptet der Staatsanwalt, bei Heyva Sor handele es sich um eine Nebenorganisation der PKK. Es trifft nicht zu, dass mein Mandant PKK-Verantwortlicher ist.“ Kronauer führte weiter aus, Sönmez habe ausgesagt, dass seine 180-seitige Aussage ein von der Polizei vorbereitetes Szenario gewesen sei: „Eine seiner Anschuldigungen war, dass HSK 100 Millionen DM an die PKK weitergeleitet habe. Aber sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch von den Finanzbehörden, die die Konten von HSK kontrolliert haben, wurde festgestellt, dass das nicht der Wahrheit entspricht.“ Kronauer wies darauf hin, dass die Zeugen, die während des Prozesses gehört worden waren– darunter auch Polizei- und Kriminalbeamte–nicht haben belegen können, dass HSK eine PKK-Nebenorganisation oder gar deren Finanzquelle ist. Es ist völlig normal, dass eine kurdische Einrichtung auch Kontakte zu allen anderen kurdischen Organisationen hat.“

Gegen das Urteil des Landgerichts wird Revision eingelegt.

(Azadi/Özgür Politika, 5.1.2005)

 

 

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