Gegen Rassismus und Diskriminierung
Die Teilnehmenden von mehr als 100 europäischen Städten haben auf der 4. Europäischen Konferenz „Städte für Menschenrechte“ in Nürnberg einen Aktionsplan gegen Rassismus und Diskriminierung verabschiedet. Sie fordern die Mitgliedstaaten des Europarates auf, gesetzliche Maßnahmen für die gleichberechtigte Teilhabe aller Ausländer/innen auf kommunaler Ebene zu ergreifen. Dies sei Voraussetzung für eine volle Integration von Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft.
(Azadi/ND, 11.12.2004)
Nachklapp I:
Abschiebung Kaplans rechtens
Laut einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in Leipzig, hatte der am 12. Oktober 2004 in die Türkei abgeschobene Islamistenführer Metin Kaplan keinen Anspruch auf Abschiebeschutz. Damit bestätigten die Richter ein vorangegangenes Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom Mai 2004. Für etwaige Menschenrechtsverletzungen in der Türkei „ist Deutschland“ nach Auffassung der Richter „nur eingeschränkt mitverantwortlich“.
Wie der ehemalige Vorsitzende der PKK, Abdullah Öcalan, könne Kaplan ja bei möglichen Beschwerden über ein unfaires Verfahren oder bei Misshandlungen „in der Türkei und von der Türkei aus“ den Rechtsweg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beschreiten. Der Gerichtshof in Straßburg biete inzwischen „effektiven Rechtsschutz“.
Bundesinnenminister Otto Schily bejubelte das Urteil als Sieg des „wehrhaften Rechtsstaates“.
(Azadi/ND, 8.12.2004)
Nachklapp II:
Abschiebung Kaplans rechtens
Unmittelbar vor seiner Abschiebung hatte Metin Kaplan hiergegen Beschwerde eingelegt. Sie sei rechtswidrig gewesen, weil ihr gesundheitliche und familiäre Gründe entgegengestanden hätten. Nun entschied auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster gegen ihn. Es verwarf die Beschwerde als unzulässig, weil ihre Begründung den prozessrechtlichen Anforderungen nicht genügt habe.
(Azadi/FR, 16.12.2004)
Residenzpflicht verletzt Grundrechte
Prozess gegen Ahmed Sameer
Mit der Bekundung „Ich bin Ahmed“ unterstützten etwa 50 Menschen den Flüchtling Ahmed Sameer in dessen Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Erfurt. Laut Anklage soll er insgesamt dreimal gegen die Residenzpflicht verstoßen haben, die Asylbewerbern das Verlassen des Landkreises, in dem sich ihre Aufnahmestelle befindet, nur mit einer Bescheinigung der Ausländerbehörde erlaubt. „Wir kämpfen politisch gegen die Residenzpflicht, wie kann ich da Urlaubsscheine beantragen? Die Regelung verletzt mein Recht auf politische Betätigung,“ so der Aktivist der Flüchtlingsorganisation „The Voice Refugee Forum“. Nach Aussage einer Angestellten der Ausländerbehörde zur Praxis der Vergabe von Urlaubsscheinen würden diese nur mündlich erteilt, was auf das Unverständnis der Richterin fiel: Die Ablehnung eines Urlaubsscheines sei ein belastender Verwaltungsakt und müsse durch einen Bescheid mit der Angabe von Gründen und Rechtsmittelbelehrung begleitet werden. Der Prozess wird fortgesetzt.
(Azadi/jw, 10.12.2004)

Klage gegen Residenzpflicht bei
Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte
„Ich gehe lieber aufrecht ins Gefängnis, als mich zu beugen“, erklärte Sunny Omwenyeke aus Nigeria, als er am 14. Dezember eine maximal 15-tägige Ersatzfreiheitsstrafe angetreten hat. Im Jahre 2003 war er wegen des Verstoßes gegen die Residenzpflicht vom Amtsgericht Bremen zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen à 7,50 Euro verurteilt worden, obwohl er inzwischen als asylberechtigt anerkannt war. Weil alle eingelegten Rechtsmittel gegen dieses Urteil erfolglos blieben, hat Sunny Omwenyeke nun Klage vor dem Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte erhoben. „Kein anderes sich demokratisch nennendes Land auf der Welt hat ein solches Gesetz. Nur die Passgesetze aus Südafrika zu Zeiten der Apartheid waren vergleichbar, aber die wurden glücklicherweise abgeschafft“, so der Menschenrechtler.
Der deutsche Vertreter des UNHCR hatte vor Jahren vergeblich die Residenzpflicht kritisiert. Sie sei mit internationalem Recht und der Genfer Flüchtlingskonvention nicht vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Regelung 1997 für mit dem Grundgesetz vereinbar.
Am 21. Dezember wurde Sunny Omwenyeke aus dem Gefängnis in Bremen-Oslebshausen entlassen.
(Azadi/FR/jw, 14.,24.12.2004

Junge Migrantinnen selbstbewusst und leistungsorientiert
Für eine vom Bundesfamilienministerium finanzierte Studie über ihre Lebenslage wurden 950 Migrantinnen im Alter von 15 bis 21 Jahren befragt. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, stellte die Ergebnisse der Untersuchung vor. Sie zeige, dass die meisten jungen Frauen selbstbewusst und leistungsorientiert seien und sich beruflichen Erfolg wünschten. Für 80 Prozent der Mädchen und jungen Migrantinnen stünden ihre Eltern an erster Stelle in ihrem Leben. Arrangierte Ehen würden von der Mehrheit abgelehnt; nur für 11 Prozent der türkischen Migrantinnen seien sie vorstellbar. Die Mehrheit der Befragten bezeichne sich als „selbstverständlich“ religiös; 64 Prozent von ihnen wünschten sich mehr Interesse der Deutschen an ihrer Religion.
(Azadi/FR, 15.12.2004)
Migranten durch ALG II ins Abseits gedrängt
Nach den Regeln der neuen Arbeitsmarkt- und Zuwanderungsgesetze werden noch mehr Migranten als bisher aus der Arbeitslosenstatistik fallen, da sie nicht unter den amtlichen Arbeitslosenbegriff fallen. Die Reformen bringen für viele Ausländer neue deutliche Nachteile. Dies trifft zum Beispiel Bürgerkriegsflüchtlinge oder so genannte „geduldete“ Ausländer, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben, wenn ihr primärer Anspruch auf Arbeitslosengeld abgelaufen ist. Hinzu kommt, dass viele der Migranten auf das unterste Niveau des Asylbewerberleistungsgesetzes gedrückt werden, welches 30 Prozent unter der Sozialhilfe liegt. Diejenigen, denen ALG II verwehrt wird, haben meist auch keinen Anspruch auf Arbeitsförderungsmaßnahmen, Weiterbildung oder Integrationshilfen. Asghar Eslami, Geschäftsführer des Vereins für interkulturelle Kommunikations-, Migrations- und Flüchtlingsarbeit in Hannover, befürchtet das Entstehen einer „neuen Klassengesellschaft“, in der Ausländer rechtlich gesehen weniger Chancen haben als Deutsche: „Es besteht innerhalb der Bevölkerung ein großes Misstrauen gegenüber allem, was fremd ist.“ Ein Problem sei auch, dass im Ausland erworbene Qualifikationen auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht anerkannt würden. „Das Gefühl der Benachteiligung gehört zum Alltag dieser Menschen,“ so Eslami.
(Azadi/FR, 21.12.2004)
NRW ab Januar 2005 mit Härtefall-Kommission
Ab 1. Januar 2005 wird es in Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit dem Zuwanderungsgesetz eine Härtefall-Kommission geben. „Damit eröffnen sich Menschen Chancen auf ein Bleiberecht, für die das bislang trotz gelungener Integration nicht möglich war,“ erklärte Innenminister Fritz Behrens. Seit 1996 arbeitet eine solche Kommission bereits auf freiwilliger Basis, nun ist sie jedoch gesetzlich verankert. „Wenn sie darum ersucht wird, darf die Ausländerbehörde den Aufenthalt eines ausreisepflichtigen Ausländers–abweichend von den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen–erlauben,“ unterstrich Behrens. Ein Rechtsanspruch auf ein derartiges Ausnahme-Bleiberecht besteht für Bewerber nicht; außerdem unterliegt das Verfahren keiner gerichtlichen Kontrolle.
Die neun Kommissionsmitglieder werden vom Innenminister berufen. Vorschläge können von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Flüchtlingsvereinen unterbreitet werden.
(Azadi/General-Anzeiger Bonn, 22.12.2004)
Ethno-Medizinisches Zentrum kann Arbeit fortsetzen
Statt bisher 86 000 Euro erhält das „Ethno-Medizinische Zentrum“ (EMZ) in Hannover aus dem Landeshaushalt künftig nur noch 68 800 Euro jährlich. Dennoch kann die Einrichtung ihre Arbeit fortsetzen. Seit 1989 vermittelt sie zwischen Menschen verschiedener kultureller Traditionen und den sie behandelnden Ärzten. Hauptziel der Arbeit ist eine bessere Gesundheitsversorgung der hier lebenden Ausländer. Das EMZ bildet Dolmetscher für rund 70 verschiedene Sprachen aus und vermittelt jährlich über 2000 Übersetzer/innen in Krankenhäuser, Arztpraxen und Gefängnisse. Eine weitere Aufgabe ist die Förderung der Selbsthilfe und die Gewinnung von ehrenamtlichen Mitarbeitern unter den Migranten. Aus der Arbeit des EMZ entstanden auch die ersten „Transkulturellen Pflegedienste“ in Deutschland. Rund 400 Menschen engagieren sich freiwillig. „Das deutsche Gesundheitswesen ist kompliziert, und wer aus einer anderen Kultur zu uns kommt, der findet sich nicht zurecht. Das ist wie ein Irrgarten und man muss ihn an die Hand nehmen und durch das System führen“, erklärt Professor Wielandt Machleidt, der 1. Vorsitzende des EMZ. Eine komplette Kürzung des staatlichen Zuschusses käme einem „integrationspolitischen Offenbarungseid“ gleich, denn zur Integration gehöre auch eine kompetente medizinische Versorgung.
(Azadi/ND, 27.12.2004)