Zu wenig deutsch

Deutsche Regierungen haben sich bisher geweigert, slowenische NS-Zwangsarbeiter zu entschädigen. Die Opfervereinigung geht davon aus, dass daran die slowenische EU-Ratspräsidentschaft nichts ändern wird.

von Rosa Fava, 17. Januar 2008

»Nein, das glaube ich gar nicht!« Ohne Zögern antwortet Tone Kristan auf die Frage, ob der Vorsitz Sloweniens im EU-Ministerrat von Nutzen sein könnte. Er ist der Vorsitzende der »Vereinigung der Opfer der Okkupation 1941 bis 1945« (ZZO, Link zur Website) aus dem slowenischen Kranj. Dort in der Nähe liegt das Schloss Brdo, wo während der kommenden sechs Monate in dem neu erbauten Konferenzzentrum Sitzungen des Ministerrats stattfinden. »Das sind dort junge Leute, die einen wissen nichts über den Krieg, die anderen wollen nichts tun«, erläutert Kristan.

Seit einem Jahrzehnt fordert die Opfervereinigung von Deutschland Entschädigungen für die nationalsozialistischen Verbrechen. Unterstützung von der slowenischen Regierung erhält sie dabei aber nicht. »Uns hat keine Regierung je geholfen, aber die jetzige ist die schlimmste«, urteilte Kristan im September 2007, auf die Arbeit der ZZO seit 1997 zurückblickend. Der slowenische EU-Abgeordnete Borut Pahor hat bei einer Gedenkfeier im Mai 2005 offen ausgesprochen, wie man das Verhältnis Deutschland-Slowenien zu verstehen hat: Die Frage nach Entschädigungen sei »seitens der slowenischen offiziellen Politik nie als Priorität auf die Liste der offenen Fragen mit Deutschland gestellt worden«, weil dies »die wertvolle Unterstützung Deutschlands bei dem Unabhängigkeitsprozess Sloweniens und auch bei der Integration in die EU und Nato lähmen könnte«.

Die von den slowenischen Regierungen ignorierten NS-Verbrechen wurden von der Wehrmacht, der SS und der Zivilverwaltung im Zuge der »Neuordnung« Europas auf völkischer und rassistischer Grundlage begangen. Wenige Tage nach dem Überfall auf Jugoslawien am 6. April 1941 wurde Slowenien unter Italien, Ungarn und Deutschland aufgeteilt.

Sofort begann in den deutsch besetzten Gebieten Spodnja Štajerska (Untersteiermark) und Gorejnska (Oberkrain), die im darauf folgenden Oktober formell dem Reich als Teil der »Ostmark« eingegliedert werden sollten, eine systematische Germanisierungspolitik. 260 000 Slowenen und Sloweninnen sollten deportiert werden, um Platz für deutsche »Umsiedler« zu schaffen. Das Rasse- und Siedlungshauptamt nahm an über 580 000 Personen, d.h. an mehr als 70 Prozent der Bevölkerung, eine Vermessung von Körperteilen vor und teilte die slowenische Bevölkerung nach biologistischen Kriterien in »Eindeutschungsfähige« und »Nicht-Eindeutschungsfähige« ein. Erstgenannte sollten ins Reich »abgesiedelt« werden, um in Gebieten wie dem entvölkerten polnischen Lublin »Bollwerke des Deutschtums« zu bilden. Letztgenannte sollten nach Kroatien und Serbien »ausgesiedelt« werden. Dank des massiven Widerstands, der sich schnell organisierte, konnten die Deutschen ihre Pläne nur teilweise verwirklichen. »Es gab etwa 160 000 slowenische Opfer aller Kategorien (Konzentrationslager, Arbeits- und Straflager, politische Arreste, Vertriebene, Flüchtlinge, Deportierte, ermordete Geiseln und Kriegsgefangene). Von ihnen hat mehr als ein Drittel das Morden nicht überlebt«, heißt es in einem Offenen Brief der slowenischen Opfervereinigung an die deutsche Regierung und das Parlament vom Januar 2004.

Wie so oft erkennt die Bundesrepublik die Entschädigungsforderungen allerdings überhaupt nicht an. Mit der Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft (EVZ) – die im Juni 2007 den Abschluss ihrer Zahlungen feierte – schuf Deutschland sich einen Weg, sich juristischen Ansprüchen explizit zu verweigern. Auch Sloweninnen und Slowenen, die als »eindeutschungsfähig« galten und im Deutschen Reich meist in Sammellagern der »Volksdeutschen Mittelstelle« untergebracht waren und Zwangsarbeit leisten mussten, fielen nicht unter die Kategorien der Stiftung. Opfer anderer Verbrechen, wie sie im Zuge der Auflösung Sloweniens verübt wurden, waren ohnehin nie eine Zielgruppe der Entschädigungsgesetzgebung.

Die deutsche Regierung wies die Forderungen der ZZO mit Verweis auf staatliche Kredite an Jugoslawien zurück: »Die Bundesregierung hat in den Jahren 1956 und 1973 Jugoslawien erhebliche Beträge als Wirtschaftshilfe zur Verfügung gestellt. Dabei waren beide Seiten darüber einig, dass damit gleichzeitig die noch offenen Fragen der Vergangenheit gelöst sein sollten«, lautete im Sommer 2006 die Antwort der Regierung auf eine diesbezügliche Kleine Anfrage von Ulla Jelpke (Linkspartei). »Ein Kredit ist keine Entschädigung«, betont Tone Kristan und fügt hinzu, dass Slowenien seinen Anteil daran schon lange zurückgezahlt habe. Die Vertreter der Opfervereinigung fordern den zivilrechtlich bestehenden individuellen Rechtsanspruch auf eine Entschädigung ein.

Die deutsche Entschädigungsgesetzgebung folgte dem Konzept aus der eigentlich zivilrechtlich begründeten Entschädigungspflicht des Staates, einer einklagbaren privatrechtlichen Schuld, eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Entschädigung zu machen. Dabei gibt die Bundesrepublik sich seit den fünfziger Jahres selbst die Definitionsmacht darüber, wer berechtigt sei, Entschädigungen oder eben auch nur »finanzielle Leistungen« zu erhalten - der Begriff Entschädigungen wird im Gesetz zur Errichtung der Stiftung EVZ vermieden.

Die Opfervereinigung setzt dem eine intensive Aufklärungsarbeit in Deutschland entgegen. In Zusammenarbeit mit dem Nürnberger NS-Dokumentationszentrum und dem dortigen Stadtarchiv wurde im Jahr 2005 das erste Buch über die »Eindeutschung« Sloweniens veröffentlicht. In Wernigerode, wo Slowenen und Sloweninnen mit ihren Kindern in Lagern untergebracht waren und Zwangsarbeit leisten mussten, hat die ZZO in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung eine Ausstellung über die NS-Verbrechen gezeigt und die erste Gedenktafel für slowenische Deportierte eingeweiht.

Einen kleinen Durchbruch erzielte der Opferverband, als das Bundespräsidialamt im November mit Verweis auf den Fonds »Erinnerung und Zukunft« erklärte, »die Botschaft in Laibach« – der deutsche Name für die slowenische Hauptstadt Ljubljana – stehe für Gespräche über »die bestehenden Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung« zur Verfügung. Tone Kristan geht mit eigenen Vorstellungen in das erste Treffen, das noch im Januar stattfinden soll: »Wenn die Minister schon alle hier sind bei uns, dann kann der Botschafter vielleicht ein Gespräch mit dem deutschen Außenminister arrangieren. Oder besser mit dem Finanzminister, für so was ist er ja zuständig.«

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