Zum 61. Mal begingen die Bürger des griechischen Ortes Distomo (bei Delphi) den 
							Jahrestag des Massakers vom 10. Juni 1944, bei dem deutsche SS-Soldaten 
							218 Bewohnerinnen und Bewohner auf bestialische Weise ermordet hatten. 
							Wie in den vergangenen Jahren wurde der Jahrestag mit einer Reihe von Veranstaltungen
							- überwiegend kultureller Art - begangen. VertreterInnen des AK-Distomo nahmen an 
							den Feiern teil, um ihre Anteilnahme mit den Opfern und ihre Solidarität mit deren 
							Angehörigen und den Überlebenden des Massakers auszudrücken.
						 
						
							Am Abend des 9. Juni trat die berühmte griechische Sängerin Maria Farandouri in einem 
							großen Innenhof unter freiem Himmel vor etwa 300 BewohnerInnen auf. Es war ein sehr 
							beeindruckendes Konzert, dass den Menschen aus Distomo und dem Widerstand gegen den 
							Faschismus gewidmet war.
						 
							 
						
							Zuvor hielten der Bürgermeister Loukas Papachristou und Ioannis Stamoulis, der ehemalige 
							Präfekt der Provinz Böotien (in der Distomo liegt) kurze Ansprachen. Stamoulis, der als 
							Rechtsanwalt für die Entschädigung der Angehörigen der Ermordeten aus Distomo streitet, 
							berichtete über den Stand der juristischen Auseinandersetzung. Bis heute konnte das 
							rechtskräftige Urteil des Areopag (oberstes griechisches Gericht) im Fall Distomo, 
							wonach die BRD den Überlebenden eine Entschädigung in Höhe von ca. € 28 Mio. schuldet, 
							nicht umgesetzt werden. Derzeit wird versucht, das Urteil außerhalb Griechenlands zu 
							vollstrecken. In Italien sind diese Bemühungen bislang am weitesten gediehen. Stamoulis 
							forderte nochmals von der Bundesregierung, ihre Verpflichtung gegenüber den Opfern und 
							Hinterbliebenen endlich zu erfüllen. 
						 
						
							Am Freitag, den 10. Juni, fand dann die eigentliche Gedenkfeier statt, die traditionell 
							mit einem Gottesdienst beginnt. Im Anschluss ging es dann in einer Art Prozessionszug 
							durch den Ort zur Gedenkstätte, die sich auf einem Hügel am Rand des Dorfes befindet. 
							Dort hielt der Bürgermeister Papachristou eine Ansprache, danach wurden die Namen der 
							Ermordeten verlesen. Die Trauer der Menschen bei dieser Zeremonie war spürbar, kaum 
							jemand lebt in Distomo, der keine Angehörigen verloren hat. Im Anschluss erfolgte eine 
							Kranzniederlegung durch den griechischen Staatspräsidenten Karolos Papoulias, dessen 
							Anwesenheit in diesem Jahr eine Besonderheit war. 
						 
						 
						
							Nach der Gedenkfeier wurde das soeben fertig gestellte Museum für die Opfer des Nazismus 
							eröffnet. Der Staatspräsident hielt die Eröffnungsrede, in Anschluss wurde ihm die 
							Ehrenbürgerschaft von Distomo verliehen. Papoulias hatte sich in seiner Zeit als Abgeordneter 
							der PASOK (Sozialdemokraten) stets für die Entschädigung der Opfer von Distomo und der vielen 
							anderen Orte deutscher Verbrechen in Griechenland eingesetzt. Am Rande der Feierlichkeiten 
							äußerte er, dass er eine politische Lösung der Entschädigungsfrage für notwendig erachte. 
						 
						
							Das neue Museum stellt auf einer Texttafel die Geschichte des Massakers dar, zeigt 
							Zeitungsausschnitte aus den Jahren 1944 und 1945 und Aufnahmen von den Tätern. Vor 
							allem aber sind Portraits aller Ermordeten ausgestellt, wodurch ein sehr emotionaler 
							Eindruck entsteht. Das Museum ist in erster Linie ein Ort für die Menschen aus Distomo 
							selber, welche die Erinnerung an das Verbrechen und an ihre Toten wach halten wollen. 
							Eine spätere Erweiterung des Museums ist vorgesehen. 
						 
						  
						 
							Der 10. Juni 2005 könnte auch für die Frage der Entschädigung eine erneute Wende eingeleitet 
							haben. Denn genau an diesem Tag entschied das Oberlandesgericht Patras in einem Klagverfahren 
							der Bürger von Kalavryta (wo die Nazis das folgenschwerste Massaker während der Besatzung 
							Griechenlands angerichtet hatten), dass das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof 
							in Luxemburg vorgelegt werde. Das Gericht folgte damit einem Antrag der Anwälte der Überlebenden 
							von Kalavryta, welche über die Entscheidung höchst erfreut waren.
						 
						
							Der EuGH hat nun zu entscheiden, ob die Bundesrepublik sich nach europäischem Recht auf den 
							Grundsatz der sogenannten Staatenimmunität berufen kann, wenn in Griechenland Klagen gegen 
							sie erhoben werden. Dieses war bislang der Haupteinwand der BRD gegenüber 
							sämtlichen der ca. 50.000 Entschädigungs-Klagen griechischer Bürger wegen NS-Verbrechen. 
							Entschiede der EuGH im Sinne der Kläger, wäre europaweit der Weg für sämtliche NS-Opfer frei, 
							den deutschen Staat auf Entschädigung zu verklagen.
						 
						
						 
						
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  
						 
						
						 
						 
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