- 30. November -

Aufruf zu einem globalen antikapitalistischen Aktionstag

AktivistInnen aus einer Vielzahl von Gruppen und sozialen Bewegungen weltweit sind momentan dabei, einen globalen Aktionstag am 30. November zu diskutieren, zu organisieren, und Netzwerke hierfuer zu bilden. An diesem Tag werden sich Mitglieder aus 150 Regierungen in Seattle zu einer Konferenz der World Trade Organization (WTO) treffen und dort die Politik einer weltweit eskalierenden Ausbeutung von Mensch und Natur vorantreiben. Es wird u.a. Versuche geben, eine neue Version des Multilateralen Investitionsabkommens (MAI) durchzusetzen, die Ausbeutung "genetischer Ressourcen" des Suedens zu intensivieren, und ueber eine neue Runde von Freihandels-Verhandlungen die neoliberalen Umstrukturierungen der letzten zwei Jahrzehnte fortzusetzen.

Waehrend sich in Seattle ein Buendnis radikaler AktivistInnen gebildet hat, um vor Ort Aktionen gegen die Konferenz zu organisieren, planen Gruppen aus anderen Regionen der Welt, in ihren jeweiligen Umgebungen aktiv zu werden. Soziale Bewegungen, die im Netzwerk "People's Global Action" (PGA) organisiert sind, und viele kleinere autonome Gruppen aus verschiedenen Zusammenhaengen planen Widerstandsaktionen in ihren jeweiligen Bereichen an unterschiedlichen Orten weltweit. Die große Mehrheit dieser Gruppen sieht das WTO-Treffen zwar als passenden Ausloeser, nicht aber als alleiniges Ziel von Aktionen. Die WTO ist ein wichtiger Bestandteil, nicht weniger aber auch nicht mehr, globaler kapitalistischer Strukturen und des gesellschaftlichen Systems, welches sie foerdern und erhalten. Dieses System, aufbauend auf der Ausbeutung von Mensch und Natur fuer den Profit der wenigen, ist die Wurzel unserer sozialen und oekologischen Probleme und seine Ueberwindung daher unser hauptsaechliches Ziel.

Im Hinblick auf die beschriebenen Entwicklungen rufen wir linke, antiautoritaere Gruppen und Einzelpersonen dazu auf, am 30. November ihre eigenen, unabhaengigen Aktionen, Proteste, Feste gegen das kapitalistische System zu organisieren. Unsere gleichzeitige und koordinierte Transformation der herrschenden Ordnung weltweit - in den Straßen, Stadtvierteln, Feldern, Fabriken, Bueros, Wirtschaftszentren, Finanzdistrikten usw. - koennte getrennte und einseitige Kaempfe zusammenfuehren und alternative soziale und oekonomische Strukturen aufbauen.

Dieser Aufruf gliedert sich daher ein in den gegenwaertigen Prozess des Ausbaus einer starken, kreativen, antihierarchischen und dezentralen Bewegung gegen die politischen und oekonomischen Institutionen des Kapitalismus. Denn wenn wir erkennen, dass die meissten Problemfelder nicht isoliert voneinander bestehen, sei es die Ausbeutung von ArbeiterInnen, Naturzerstoerung, die Ausgrenzung marginalisierter Gruppen, oder die Vertreibung indigener Bevoelkerungen im Rahmen von "Entwicklungs"-Programmen, dann sehen wir auch die Wichtigkeit des gegenseitigen Austauschs und gemeinsamen Handelns gegen kapitalistische Strukturen. Nur ein weitreichendes Netzwerk von lokalen, regionalen und globalen Verbindungen zwischen systemkritischen Gruppen, die unabhaengig von diesen Strukturen agieren und ueber direkte Aktionen Veraenderungen anstreben, kann unserer Meinung nach die Macht dieser Strukturen angreifen und aufloesen, und bessere, dezentrale soziale Strukturen ermoeglichen.

Unsere gemeinsame Besetzung und Umwandlung kapitalistisch gepraegter Raeume am 30. November, und die Vorbereitungen hierfuer waeren ein wichtiger Beitrag zu diesem Prozess. Der Tag wuerde verschiedene Bewegungen zusammenbringen und die Gemeinsamkeiten getrennt agierender Gruppen staerken - ArbeiterInnen, Arbeitslose, Studierende, Landlose, Frauen/Lesben-Gruppen, KriegsgegnerInnen, UmweltaktivistInnen, indigene Bevoelkerungen, Fluechtlinge, antirassistische Zusammenhaenge usw. Dieser Prozess koennte durch weitere globale Aktionstage fortgefuehrt werden - der 1. Mai 2000 wird bereits als gute symbolische und reale Moeglichkeit diskutiert.

Auch dieser Vorschlag fuer den 30. November hat seinen Ursprung in einer global koordinierten Aktion. Am 18. Juni dieses Jahres, gleichzeitig mit der G7-Konferenz in Koeln, verbanden linke Gruppen und soziale Bewegungen aus der ganzen Welt ihre jeweiligen Kaempfe zu einem Aktionstag gegen das globale kapitalistische System. Der Tag brachte, u.a., Großdemonstrationen in Pakistan und Bangladesh; Straßentheater, wie etwa eine gefakte Handelsmesse in Uruguay; die Besetzung des Londonr Finanzdistrikts durch 15.000 feierende Menschen, inklusive teils massiver Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht; Straßenparties und Besetzungen privatisierter Raeume in Spanien, Italien, Kanada, diversen US-amerikanischen Staedten und vielen anderen Orten; Protestaktionen von 10.000 Menschen in Nigeria gegen die Oelindustrie und Imperialismus; Tortenwerfen auf prominente PolitikerInnen in Australien (weitere Infos bei: http://www.j18.org; http://infoshop.org/june18.html).

Der Aktionstag am 30.November baut auf den Erfahrungen und Ideen des 18. Juni auf. Er soll als dezentrales und informelles Netzwerk von unabhaengigen Gruppen und Bewegungen fungieren. Jede Aktion wuerde autonom von der jeweiligen Gruppe organisiert und in den Zusammenhang von lokalen, regionalen und globalen Buendnissen gestellt. Eine weitverbreitete, nuetzliche und spassbringende Idee ist, eine unangemeldete Straßenparty als Rahmen und Ausgangspunkt fuer weitere Aktionen zu veranstalten. Beispiele bisheriger Aktionsformen sind: Straßenparties - Straßentheater - Streiks - Flugblattverteilungen - Demos - Buerobesetzunegn - Blockaden - Aneignung und Beseitigung luxorioeser Konsumgueter - "critical mass" Fahrraddemos - Anbringen von Transpis - Sabotage oder Stoerung kapitalistischer Infrastruktur - Volxkuechen - Musik - Gruendung unabhaengiger Gemeindeversammlungen - Gruendung oekonomischer Alternativen, wie co-ops - Rueckeroberung von Raeumen (Straßen, Regierungsgelaende, Buerogebaeude etc.) zum Leben, Spielen, Tanzen etc.

Dieser Aufruf stellt den gegenwaertigen Diskussionsstand (Anfang August) zwischen interessierten Gruppen und Individuen dar. Er ist kein fertiges Konzept, sondern eine Anregung zur Diskussion, zur Vernetzung, zum eigenen Eingrifen in Planungen und Vorbereitungen, zum eigenen Handeln. Ein globaler Aktionstag lebt von den autonom organisierten Aktionen lokaler Gruppen, von der Verbreitung seiner Ideen und Hintergruende auf Treffen und in Publikationen, und von der Teilnahme lokaler Gruppen und Individuen an globalen Diskussionen. Auf internationalem und interkontinentalem Level kommunizieren wir hauptsaechlich ueber email. Wir rufen daher interessierte Menschen dazu auf, sich an den entsprechenden mailing lists zu beteiligen. Zwei solche Listen sind j18discussion (Infos bei http://j18.org) und no2wto (http://no2wto.listbot.com). Wenn Gruppen Aktionen fuer den 30. November planen ist es sinnvoll, dies anderen AktivistInnen mitzuteilen. Gegenwaertig existiert noch keine zentrale email oder Postadresse, aber das kann sich schnell aendern. Bleibt dran und informiert Euch!

Diskutiert diesen Aufruf, leitet ihn weiter, erzaehlt anderen Menschen davon, veroeffentlicht ihn, und - vor allem - werdet aktiv!


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