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Gerät ALCA ins Wanken?
unsere zeit - Zeitung der DKP 21. November 2003
http://www.dkp-online.de/uz/3547/s1102.htm

8. Verhandlungsrunde in Miami: Wer isoliert wen?

Bei der 8. Ministerrunde der Verhandlungen um die Amerikanische Freihandelszone (ALCA) ging es am 20. und 21. November um nicht weniger als den Fortbestand des Projekts. Inoffiziell.

Offiziell treffen sich Außen- und Wirtschaftsminister der 34 für ALCA vorgesehenen Staaten (alle amerikanischen Staaten außer Kuba) in Miami um weitere Regelungen für das Gesamtvertragswerk, das nach Willen der USA Anfang 2005 beschlossen werden soll, festzulegen. Dass die von dieser gigantischen Freihandelszone betroffenen 800 Millionen Menschen jetzt zum zweiten Mal Inhalte des vorgesehenen Vertragstextes erfahren, verdanken sie nicht den beteiligten Regierungen sondern einer Indiskretion. Nach massiven Protesten von sozialen Organisationen waren nach der 7. Ministerrunde vor einem Jahr in Quito erstmals Ergebnisse veröffentlicht worden. Danach gingen die Verhandlungen geheim weiter.

Jetzt wurde zum zweiten Mal etwas veröffentlicht: das uruguayische Drittweltinstitut (ITeM) kam Anfang Oktober in den Besitz von Kopien von neun inzwischen ausgehandelten Texten, datiert zwischen dem 12. August und dem 17. September. Demnach umfassen die ALCA-Verhandlungen die bekannten Bereiche Landwirtschaft, Marktzugang, Recht auf geistiges Eigentum, Investitionen und Subventionen, Privatisierung öffentlichen Eigentums, Wettbewerbsrecht, Antidumping und Ausgleichsansprüche. Den transnationalen Unternehmen wird der Marktzugang in den Sektoren Gesundheit, Bildung, Wasser, Energie, Banken und Kreditinstitute erleichtert.

Zum Teil neu ist, dass auch Versicherungen, Tourismus, Reisebüros, Transport, Bauwesen, Post, Rechtswesen, Immobiliendienstleistungen, Bibliotheken, Verlagswesen und Informationsverbreitung durch Medien allen Konzernen geöffnet werden - abgesehen von den generellen Folgen dieser Politik ist ferner zu kritisieren, dass selbstredend hauptsächlich kanadische und US-Konzerne die Mittel haben werden sich einzukaufen. In der Folge sterben die Reste von Wettbewerbsfähigkeit nationaler Industrien in den lateinamerikanischen und karibischen Ländern ab. Wörtlich heißt es in den Texten: "Die Konzerne erhalten das Recht Regierungen aufgrund von deren Handlungen - inklusive Gesetzgebungen oder Reglementierungen, selbst wenn sie von noch so edlen oder notwendigen sozialen oder Umweltgedanken geleitet sind - anzuklagen, wenn sie meinen, dass diese Handlungen ihre aktuellen und auch zukünftigen Gewinne beeinträchtigen." Carlos Abín, Direktor des ITeM, sieht bei Anwendung dieser Beschlüsse, dass Deregulierung und absolute Freiheit bei der Kapitalzirkulation internationales Gesetz werden.

Solche Forderungen des Kapitals bleiben nicht widerspruchsfrei: die vorbereitende Konferenz in Puerto España (Trinidad und Tobago) vor knapp zwei Monaten zeigte den Widerstand des MerCoSur, als die USA versuchten das Thema der Agrarsubventionen aus den Debatten auszuklammern und es grundsätzlich einer WTO-Konferenz unterzuordnen. Argentinien und in vorderster Linie Brasilien, das mit seiner Wirtschaftskraft (ein Drittel derer Lateinamerikas) die Schlüsselposition innehat, konterten mit dem Vorschlag dann auch die Themen der Dienstleistungsliberalisierungen und des Investitionsschutzes an die WTO abzugeben.

Tatsächlich sind es genau die Themen, die in Cancún zum Scheitern führten, die auch die Konferenz in Puerto España blockierten und ebenso in Miami Probleme aufwerfen werden. Aber die USA setzen alles auf die eine Karte, die da heißt: Isolierung Brasiliens, das schon reichlich Staaten hinter sich geschart hat.

Die Aufweichung der Gruppe von ursprünglich 23 Staaten, die in Cancún ihre Interessen gegen USA und EU durchsetzten, war schon nicht sehr erfolgreich - die mächtigen der Schwellenländer (Mexiko, China, Südafrika, Argentinien, Indien), die zwei Drittel der weltweiten Agrarproduktion ausmachen, haben Brasilien nicht den Rücken gekehrt. Und auch in Amerika beschränkt sich der US-Erfolg bei der "Isolierung" Brasiliens auf 12 von 34 Regierungen, bei den Regierten sogar nur auf die Menschen in Kanada und den USA.

Isolieren ist eben immer auch eine Frage des Standorts.

Willy Hüter

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