Bechtel und Blut für Wasser:
Krieg als Ausrede für die Ausweitung der Herrschaft der Konzerne

Von Dr.Vandana Shiva, 25.April 2003

Vandana Shiva ist eine weltbekannte Autorin und Aktivistin aus Indien, bekannt für ihre Kritik an der Gentechnik, an industrialisierter Landwirtschaft und an der Globalisierung

Englische Veröffentlichung im ZMagazine im Mai 2003


Einen Monat nach Beginn des Krieges gegen den Irak taucht der wirkliche Sieger auf. Bechtel hat einen 680 Millionen Dollar Vertrag für den Wiederaufbau des Irak erhalten.

Der von der USA geführte Krieg bombte erst die irakischen Krankenhäuser , Brücken und Wasserwerke aus, und jetzt ernten die US-Konzerne die Profite des "Wiederaufbaus" einer Gesellschaft, die zuvor absichtlich zerstört wurde. Blut wurde nicht nur für Öl vergossen, sondern auch für die Kontrolle über Wasser und andere lebenswichtige Dienstleistungen. In einer Periode sinkenden Wirtschaftswachstums und einer Verlangsamung des Molochs Globalisierung wurde Krieg zu einer gebräuchlichen Entschuldigung für die Ausweitung der Herrschaft der Konzerne. Wenn die WTO nicht ausreicht führen wir Krieg

Dies scheint die zugrundeliegende ökonomische und politische Philosophie der herrschenden Neo-Konservativen der USA zu sein, die versuchen die Welt zu beherrschen.

In den letzten Monaten hat sich die totale, faule Korruption gezeigt, auf die die neue Weltordnung aufgebaut ist.

Bob Herbert stellt im Zeitungsartikel "Fragt Bechtel, wofür der Krieg gut ist"(International Herald Tribune, 22 April 2003, S.6) fest,

Warum George Shultz lächelt

Shultz, dessen Photo genauso gut neben irgendeiner Definition des militärisch-industriellen Komplex erscheinen könnte, war Staatssekretär unter Präsident Ronald Reagan. Er war das ewige Schwergewicht der mächtigen Bechtel-Gruppe aus San Franzisko. Früher regierte er die Gruppe als Präsident, inzwischen ist er Mitglied des Aufsichtsrats und Senior Berater.

Edwin Starr, Sänger der Anti-Kriegswegung trat wie eine Ironie des Schicksals diesen Monat seine ewige Ruhe an, genau zu dem Zeitpunkt, als sich die US-Bodentruppen nach Bagdad wälzten. Im Gegensatz zu ihm behauptet Shultz zu wissen, wofür Krieg gut ist.

Denn er wollte diesen Krieg mit dem Irak. Und wie er diesen Krieg wollte. Shultz war Vorsitzender des wildgewordenen Pro-Kriegs-Komitees für die Befreiung des Iraks. Dieses Komitee hatte sich neben der politischen Befreiung des ölreichen Landes dem gewinnbringenden "Wiederaufbau seiner Wirtschaft" verschrieben.

Unter der Überschrift "Jetzt Handeln, Gefahr ist im Verzug" schrieb Shultz im letzten September in einem Artikel in der Washington Post: "Es gibt einen starken Zusammenschluß Grundlage für eine sofortige Militäraktion gegen Hussein und für eine multilaterale Bemühung den Irak wieder aufzubauen, nachdem er weg ist."

Ich frage mich, welches Unternehmen diese Bemühungen wohl in seinem Sinne ausführen würde?

In der letzten Woche hat die Bechtel-Gruppe gezeigt, wofür Kriege gut sind. Die Bush-Regierung gab ihr den ersten großen Vertrag für den Wiederaufbau des Irak. Es handelt sich dabei um ein geschätztes 680 Millionen Dollar Geschäft mit einer 18-monatigen Laufzeit. Dadurch erhält Bechtel die Startposition für einen Langzeit-Wiederaufbau des Landes, der schätzungsweise 100 Milliarden Dollar oder mehr kosten wird.

Bechtel wurde in erster Linie eine Lizenz zum Geldverdienen geschaffen. Diese Lizenz wurde hinter verschlossenen Türen gewährt und auf eine handvoll politisch verbündeter US-Unternehmen beschränkt."

Saddams Diktatur wurde durch eine Diktatur der US-Konzerne ersetzt.- Dabei gibt es wenig Unterschiede zwischen denen, die in den Aufsichtsräten sitzen und denen, die im weißen Haus, im Pentagon und anderen Regierungsinstitutionen sitzen.

Intransparenz und Korruption

China's Intransparenz wurde im Fall von SARS deutlich. Als Bechtel den ersten Vertrag für den Wiederaufbau des Iraks erhielt, war dies ein offensichtliches Beispiel für die Intransparenz, die Geheimhaltung und Korruption mit der die Herrschaft der Konzerne etabliert wird. Ob es sich um die Wasserprivatisierungsverträge in Bolivien oder Indien handelt, jedesmal kennzeichnen Geheimhaltung und mangelnde Demokratie die Methoden, mit denen man sich Märkte und Profite aneignet. "Freier Handel" ist in Wirklichkeit total unfrei. Er ist erzwungen, korrupt, betrügerisch und gewaltsam. Die Herrschaft der Konzerne ist keine Alternative zu Saddam's Diktatur. Diese Herrschaft ersetzt die eine Diktatur durch die Diktatur der Konzerne, welche die Staatsmacht gekitnappt haben und mittels militärischer Gewalt Märkte an sich reißen.

Die grundsätzliche Unehrlichkeit und der Betrug der Diktatur der Konzerne scheinen diejenigen, die sie im Namen der "Operation irakische Freiheit" mit Gewalt durchsetzen nicht wahrzunehmen. Dies kommt von einer tiefen Verwirrung darüber, was Freiheit und was Schöpfung bedeutet.

Als die 7000-jährige Geschichte von Mesopotanien durch das US-Militär zerstört wurde, war der naive und verantwortungslose Kommentar von Donald Rumsfeld:

"Freie Menschen haben die Freiheit Fehler zu machen, Verbrechen zu begehen und schlimme Dinge zu tun."

Nach dieser Logik haben die Terroristen, die Flugzeuge in das World Trade Center gejagt haben, ihre legitime Freiheit wahrgenommen, "Verbrechen zu begehen und schlimme Dinge zu tun." Nach derselben Logik, nach der das US-Militär zu einem stummen Zuschauer der Plünderungen in Bagdad und der Plünderungen seiner historischen Schätze wurde, hatten die USA kein Recht nach dem 11.September einen Krieg gegen den Terror zu beginnen.

Genauso, wie unter denjenigen, die versuchen "Freiheit" für andere mittels Krieg durchzusetzen, Verwirrung darüber besteht, was menschliche Freiheit erfordert, besteht Verwirrung über die Bedeutung von "Wiederaufbau" und "Zerstörung". Was im Irak passiert ist war Zerstörung. Es wird aber als Wiederaufbau bezeichnet. Unschuldige Menschen wurden getötet, tausende Jahre Zivilisationsgeschichte wurden zerstört und ausradiert. Dennoch sprach Jay Garner, pensionierter US-General, der ohne Rücksprache mit den Irakern zum Leiter des Büros für Wiederaufbau ernannt wurde, davon "ein neues System im Irak zu gebären."

Mit Bomben "gebiert" man keine Gesellschaft. Sie vernichten Leben. Neue Gesellschaften werden nicht durch die Zerstörung des historischen und kulturellen Vermächtnis alter Zivilisationen geboren."

Vielleicht war die Wahl der Zerstörung des historischen Erbe des Irak Voraussetzung für die Illusion der "Geburt" einer neuen Gesellschaft.

Vielleicht nehmen die Herrschenden in den USA diese Gewalttätigkeit nicht wahr, weil ihre eigene Gesellschaft auf dem Genozid an den amerikanischen UreinwohnerInnen aufgebaut wurde. Vernichtung des "anderen" scheint für die diejenigen, die die Kontrolle über die einzige Supermacht der Welt haben, als "natürlich" zu gelten.

Vielleicht handelt es sich bei der Wahrnehmung einer offensichtlichen Zerstörung einer Zivilisation und tausender unschuldiger Leben als einen "Geburts-Prozess", um den Ausdruck einer westlichen patriachalischen "Illusion von Schöpfung", die Zerstörung mit Schöpfung und Vernichtung mit Geburt verwechselt. Diese "Illusion" der Schöpfung betrachtet Kapital und Maschinen, einschließlich der Kriegsmaschinen als Quellen der "Schöpfung" und die Natur und menschliche Gesellschaften, insbesondere nicht-westliche Gesellschaften als tot, träge, passiv oder gefährlich und kannibalisch. Diese Weltsicht führt zur Vorstellung von der "Bürde des weißen Mannes", der die Natur und unsere Gesellschaften mit Gewalt zu befreien hat und dies sogar als "Geburt" der Freiheit betrachtet.

Was immer die tieferen Wurzeln von der Errichtung einer irakischen Wirtschaft des Plünderns und der Gewalt im Namen des "Wiederaufbaus" sind, Konzerne wie Bechtel machen mit dem Krieg Profite. Dies ist ein Beleg dafür, daß Krieg als Fortsetzung der Globalisierung mit anderen Mitteln geführt wird. Die Menschen auf der ganzen Welt sind nun herausgefordert, die Kräfte der Anti-Globalisierungsbewegung, der Friedensbewegung und der Bewegung für eine wahre Demokratie zusammen zu bringen.

Wir sind herausgefordert, die wirkliche Bedeutung von Freiheit zu reklamieren und sie vor der Degradierung zu bewahren, der sie durch das irreführende Gerede vom "freien Handel" und dem Gerede von der "Operation irakische Freiheit" erfährt. Die "Freiheit", nach der in den Freihandels-Abkommen und den Regeln der WTO gestrebt wird, sowie die "Freiheit" die aus dem Irak-Krieg resultiert, ist die Freiheit für den Profit der Konzerne. Diese Freiheit besteht in einer Lizenz zum Plündern. Das Plündern durch Konzerne und die Freiheit der Konzerne zerstört die Demokratie und die Freiheit für Menschen und Gesellschaften.

Weltweit streben die Menschen nach einer neuen Freiheit, nach der Freiheit von der Diktatur der Konzerne, die durch Militär und Krieg ermöglicht wird.

Dies trifft auf die Menschen im Irak und auf die Menschen in anderen Ländern, die durch multinationale Konzerne unter Protektion des Militärs oder durch "Freihandels"-Abkommen besetzt wurden, genauso zu wie auf die Menschen in den USA.

Der Vertrag des Bechtel-Konzerns und der Irak-Krieg, der Profite mit dem "Wiederaufbau" ermöglicht, haben Fragen aufgeworfen. Es sind Fragen nach dem Mangel an Demokratie, nach dem Mangel an Transparenz, und dem Mangel an Verantwortlichkeit, die in der Art und Weise liegen, wie die US-Regierung, die sich nicht mehr von den US-Konzernen unterscheidet, ökonomische und politische Entscheidungen trifft. Ein Regime, in dem Regierungen zu Werkzeugen der Konzerninteressen werden, ist keine Demokratie mehr. Anstelle einer Regierung "des Volkes, durch das Volk und für das Volk", entsteht eine Regierung "der Konzerne, durch die Konzerne und für die Konzerne".

Für das Wohlergehen der Demokratie ist ein "Regime-Wechsel" in den USA, im Irak und in jedem Land, indem sich eine Diktatur der Konzerne einnistet, dringend erforderlich.

Bechtel in Bolivien

Die bekannteste Geschichte über die Wasser-Gier des Bechtel-Konzerns ist die Geschichte der Wasserprivatisierung in Cochabamba Bolivien.

Wir haben hierüber bereits ausführlich im Infobrief Nr..... berichtet. Deshalb folgt an dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung des Textabschnittes von Vandana Shiva. (zusammengefasst von der Übers.)

Nachdem die bolivianische Regierung im Oktober 1999 die Wasserwerke der Stadt Cochabamba an den Bechtel-Konzern verkauft hat, stieg der monatliche Wasserpreis für die Bevölkerung bis auf 30 % des Durchschnittseinkommens. Daraufhin gründeten die Menschen in Cochabamba im Januar 2000 die "Koalition zur Verteidigung des Wassers und des Lebens". Nach monatelangen Protestaktionen, Kämpfen, Generalstreiks, Verhaftungen und Ermordungen von AktivistInnen, war die Regierung gezwungen, die Wasserprivatisierung rückgängig zu machen.

Die Menschen gründeten daraufhin lokale Wasserkomitees zur Selbstverwaltung ihrer Wasserwerke.

Bechtel hat die bolivianische Regierung zur die Herausgabe der entgangenen Profite verklagt.

Von Bolivien haben wir gelernt, daß Bechtel versuchen wird nicht nur die Wasserwerke, sondern auch die Wasserressourcen zu kontrollieren. Wenn die internationale Gemeinschaft und die Iraker nicht aufpassen, könnte Bechtel versuchen, sich die Flüsse Tigris und Euphrat anzueignen, so wie sie versucht haben, die Quellen in Bolivien zu "besitzen".

Bechtel und Indien

Die private Firma Bechtel Enterprises ist das weltgrößte Bauunternehmen und war stark involviert in den Bauboom der Nachkriegszeit. Sie ist verantwortlich für über 19.000 Projekte in 140 Ländern und operiert auf allen Kontinenten (save Antarctica). Dazu ist Bechtel in über 200 Wasserwerken und Kläranlagen auf der ganzen Welt involviert, größtenteils über Tochtergesellschaften und Joint Ventures, wie beispielsweise International Water (eine Partnerschaft von Bechtel, Edison aus Italien und United Utilities in Großbritannien).

In Indien war Bechtel zusammen mit Enron in die Dabhol-Werke involviert. Nun sind sie als Teil eines Konsortiums mit « Mahindra und Mahindra » und « United International North West Water » in die Wasserprivatisierung von Coimbatore/Tirrupur involviert. Genau wie bei anderen Wasserprivatisierungsverträgen wurde dieser Vertrag nicht öffentlich gemacht. Geschäfte, die nur hinter verschlossenen Türen im Geheimen abgeschlossen werden, fördern nicht die Freiheit. Sie schließen Freiheit und Demokratie aus.


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