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Tanzen mit Traenengas in den Augen
von Gary Morton, 21. April 2001

(englisch)

Ich fuhr mit sieben Leuten von Tao Toronto (tao.ca) zur OQP-2001 Demonstration. Es war mittags sonnig und mehr Leute kamen bis 13.30 Uhr an. Trotz all der Hypes, wie die DemonstrantInnen sich kleiden sollten, kamen die Leute in allen moeglichen Klamotten an.

Das Trommeln und Tanzen fing dort an und ging weiter, als sich die Demo durch die Straßen bewegte. Dann kamen wir auf den Rene-Levesque-Boulevard und es wurde verwirrend. Der Zug teilte sich, die meisten gingen gerade weiter und verband sich mit der Gewerkschaftsdemo, der andere Teil und die AnarchistInnen gingen zum Zaun und zur Riot-Polizei.

Da ich meine FreundInnen in der Menge verloren hatte, war ich schliesslich auch am Zaun und kam da in eine lange Auseinandersetzung mit der Polizei. Weil ich fotografierte, wurde ich 10mal heftig mit Gas eingedeckt.

Diese Auseinandersetzung ging den ganzen Tag ueber und in die Nacht hinein weiter. Sie war noch im Gang, als wir gegen 22 Uhr abhauten. Vielleicht habt ihr gehoert, dass die Neue Weltordnung den Irak und Jugoslawien in die Unterwerfung bomben wollte - diesmal war das Ziel, die DemonstrantInnen und einen großen Teil der Innenstadt von Quebec in die Unterwerfung zu bomben.

Sie eroeffneten mit Traenengasraketen und Wasserkanonen das Feuer auf uns, und das Knallen der Schuesse war ueber Stunden in der Stadt zu hoeren. Riot-Bullen schossen explodierende Kanister in die Straßen, Parks, in schmale Gassen - ueberallhin, auf die Leute vorne und sogar auf normale BuergerInnen und EinwohnerInnen in den Straßen am Fuss des Huegels.

Es gab keine Gruppen von mutigen Bullen, die losliefen und Festnahmen machten. Wenn sie angriffen und versuchten, uns abzugreifen, dann immer zusammen mit enormen Kolonnen von Riot-Bullen, die mehr Traenengasraketen auf uns losließen.

Wie im Irak wollten sie keinen einzigen Mann riskieren, hatten aber kein Problem damit, jedeN in der Stadt mit Bomben einzudecken. DemonstrantInnen rannen mit unerschoepflicher Energie durch den Qualm und warfen die Kanister zurueck zu den Beamten. Die Menge trommelte und schlug auf alles - metallene Masten, Gitter, verschiedene Trommelarten - und der schaurige Laerm des Kriegs erreichte den Hoehepunkt in der Nacht unter der Unterfuehrung, wo eine große Menge tanzte, als der Kampf oberhalb eines steilen Abhangs weiterging. Riot-Bullen und DemonstrantInnen hatten Konfrontationen, dichte Gasschwaden schwebten durch die Straßen und Kanister flogen den Abhang hinunter und expolodierten; einige Personen wurden vom Gas ueberwaeltigt, aber andere tanzten mit Traenen in den Augen weiter.

Am Nachmittag rannte ich von Schauplatz zu Schauplatz. Ueberall passierten unglaubliche Dinge. Als ich an einer Stelle ankam, sah ich einen Typen losrennen und den Zaun ergreifen, und dann traf ihn ein abgeschossener Gaskanister im Gesicht und er flog aufs Pflaster. Sanis zogen ihn weg und ich sah, wie sie sein blutendes Gesicht behandelten. Ein paar Minuten spaeter waren sie weg und ich warf Steine und eine Bierflasche auf die Riot-Bullen und rannte dann weg durch eine Gasse, waehrend dicht hinter mir Traenengaskanister explodierten.

In einem anderen Gebiet traf ich AnarchistInnen in schwerer Ausruestung, die eine enge Straße hochgingen und sah zu, wie sie ein Gebaeude innerhalb des eingezaeunten Bereichs mit Molotow-Cocktails in Brand setzten. Manchmal rannten ueberalle Menschen in Panik und die Riot-Bullen rueckten unter Abschießen von Gas vor. Die DemonstrantInnen kaempften sich zurueck zum Ausgangspunkt des Konflikts. Unglaubliche Mengen von Gas traf uns dort und massive Polizeikolonnen kamen und verursachten ein panisches Rennen in die Straßen am Fuss des Huegels. Als die Bullenkolonnen anhielten, gingen sofort Cheerleaders nach vorne und es gab die merkwuerdige Szene, wie Riot-Bullen im Qualm sich anschickten, auf tanzende Frauen in karierten Roecken loszugehen.

Die Trommler gaben einen gleichmaessigen Schlag vor, ein Einwohner der Quebecer Innenstadt hatte auf seinem Balkon seine Anlage voll aufgedreht - Pink Floyd: All in All You're Just Another Brick in the Wall, und als das Lied zuende war, rannten wir im explodierenden Gas den Huegel runter.

In den untengelegenen Straßen und der Innenstadt waren ueberall Gruppen von DemonstrantInnen, die sassen, standen oder Straßen bevoelkerten. Trotzdem ging die einzige Gewalt von der Polizei aus. Ich sah kleinere Feuer, es gab fast keine Beschaedigungen - der Zorn richtete sich gegen die Polizei und den Zaun und jedesmal, wenn die Riot-Polizei kam, zeigten die DemonstrantInnen den Mut, den die Polizei nicht hatte. Die Leute gingen enorme Risiken ein und ergriffen die Bomben, rannten los und warfen alles moegliche auf die Polizisten und verhinderten, dass diese gewaltfreie Gruppen einkesseln und festnehmen konnten.

Ein Typ wurde von einer ganzen Kolonne von Bullen plattgemacht. Es geht in der Nacht weiter. Bald werden sich die Bullen im Gaensemarsch zurueckziehen und Festnahmen und ihren Sieg bekanntgeben.

Und es wird mal wieder Demokratie genannt werden - wo Bomben herrschen und die Neue Weltordnung siegreich ist.

Tanzen koennt ihr nur mit Traenengas in den Augen.

Fuck the FTAA!

Gary

Uebersetzung: FdA Hamburg


Québec, A20 Reports
A20 Berichte auf deutsch