Gegen Faschismus und Klassenjustiz - Die Antifaschistische Aktion!

NUR IN DER ANONYMITÄT GELINGT EIN TECHNOKRATISCH SAUBERES ABSERVIEREN POLITISCHER OPPOSITION

  Seit Bekanntwerden der § 129a-Ermittlungen in Göttingen im Jahre 1991 [24] besteht die Grundlage der Anti-Repressionsarbeit der Autonomen Antifa (M) darin, jedes neue Detail sofort zu veröffentlichen. Dieses Vorgehen widerspricht nicht der "Anna und Arthur halten's Maul”-Kampagne. Das Prinzip, keine Aussagen zu leisten, bezieht sich auf das Umgehen mit dem Staatsschutz, nicht jedoch auf die Öffentlichkeit. Unseres Erachtens ist es elementar, daß Politik im allgemeinen und politische Verfolgung im besonderen für Außenstehende nachvollziehbar und verständlich sein müssen. Dafür wurde Öffentlichkeitsarbeit in Form von Flugblättern und Boschüren, vor allem aber durch Presseerklärungen geleistet. Desweiteren wurden mehr als 50 überregionale Veranstaltungen sowie zwei Ausstellungen organisiert. Für dieses Vorgehen sprachen neben allgemeinen Überlegungen im wesentlichen zwei Gründe.

1. Die Propaganda des Staatsschutzes zielte darauf, den sogenannten "Göttinger Terror-Untergrund” aufzuspüren.

Tatsächlich richteten sich die Ermittlungen politisch von Anfang an gegen das Konzept der legal angelegten Antifa-Arbeit der Autonomen Antifa (M). Via Presse ließ das LKA verlautbaren, wer öffentlich für die Gruppe auftrete, könne festgenommen werden[25]. Durch Einschüchterung sollte erreicht werden, den politischen Wirkungsradius der Autonomen Antifa (M) auf das linksradikale Spektrum zu beschränken. Eine Weiterentwicklung in Richtung einer öffentlich agierenden Gruppe sollte verhindert werden. In dieser Situation war es richtig, mit den Ermittlungen öffentlich umzugehen. Die Arbeit des Staatsschutzes sollte unter Beobachtung der Öffentlichkeit stehen. Die Öffentlichkeit ist die einzige Kontrollinstanz von Ermittlungen, nie aber der angeblich gewaltengeteilte Staat.

Wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren oder gar mit dem von außen herangetragenen konspirativen Image zu kokettieren, wäre politisch katastrophal und eine Niederlage vorprogrammiert gewesen.

2. Mit der frühzeitigen Öffentlichkeitsarbeit konnten Hausdurchsuchungen, Anklagen usw. nicht verhindert werden. Entscheidend aber ist, daß Öffentlichkeit und BündnispartnerInnen ständig mit den Ermittlungen konfrontiert wurden. Allein die Bündnisarbeit hatte zur Folge, daß sich über die Autonome Antifa (M) hinaus mehr Leute mit den Staatsschutzermittlungen befaßt haben. Real sind wesentlich mehr Menschen, z.B. TeilnehmerInnen von Veranstaltungen, Bekannte, KollegInnen usw., überwacht worden, teilweise sogar intensiver als die BündnispartnerInnen. Da diese aber keine Mitwirkenden des politischen Bündnis waren, fühlten sie sich nicht in besonderem Maße betroffen und traten deshalb auch nicht politisch in Aktion.

Die Hausdurchsuchungen vom 5. Juli 1994 waren damit nichts grundsätzlich Unerklärliches mehr; daß es irgendwann soweit sein würde, war abzusehen. Dies erklärt die schnelle Reaktion der Autonomen Antifa (M) und ihrer BündnispartnerInnen im Anschluß an die Hausdurchsuchungen. Drei Demonstrationen, eine Anzeige gegen Innenminister Glogowski u.a. sowie diverse Stellungnahmen von Organisationen unterschiedlicher politischer Couleur verhinderten ein Einschlafen der Berichterstattung[26].

Veröffentlichungen zu den Ermittlungen wurden somit Teil der Antifa-Politik, anhand derer der Charakter politischer Verfolgung in der BRD verdeutlicht werden kann. Dabei wurde versucht, die Verfolgung nicht in den Vordergrund zu stellen, schließlich kann mit Repression nicht für die eigenen Ziele geworben werden. Inwiefern das gelungen ist, wird später näher untersucht.

Die Öffentlichkeitsarbeit hat die Ermittlungen zwar nicht ver-, aber in erheblichem Maße behindert, was auch den Akten zu entnehmen ist. Der Staatsschutz hat primär das Interesse, ungestört zu operieren. Nur in der Anonymität gelingt ein technokratisch sauberes Abservieren politischer Opposition. Anti-Repressionsarbeit muß dem entgegenwirken. Wenn Hansjörg Geiger, neuer Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), dahingegen mehr Transparenz ankündigt[27], dann soll dies lediglich das schlechte Image seiner Organisation aufpolieren. Der Charakter geheimdienstlicher Methoden bei politischer Polizei und Verfassungsschutz bleibt von diesem Versuch werbewirksam aufzutreten, unberührt.

Öffentlichkeitsarbeit

In der Öffentlichkeitsarbeit wurde auf die aktuelle Berichterstattung in regionalen und überregionalen Tageszeitungen der größte Wert gelegt. In fast allen Fällen fanden Presseerklärungen zumindest im Göttinger Tageblatt, der ortsansässigen Monopolpresse, Berücksichtigung. Ermöglicht wurde dies durch viele Gespräche mit JournalistInnen, vor allem aber durch eine über Jahre bestehende kontinuierliche politische Arbeit, mit der sich die Autonome Antifa (M) ein politisches Profil, auch für die Tagespresse, geschaffen hat.

Anti-Repressionsarbeit heißt vor allem Öffentlichkeitsarbeit mit und über bürgerliche Medien. Eine Informationspflicht gegenüber der Linken durch Veröffentlichung authentischer Information in der spezifisch linken Presse darf nicht mit Anti-Repressionsarbeit verwechselt werden. An dieser Stelle sei noch ergänzend angemerkt, daß es aufgrund der Boykottpraxis gegenüber der Autonomen Antifa (M) vielfach nicht möglich ist, in autonomen Zirkularen zu publizieren.

Medienrealität

Es ist ein alter Hut, daß im Zeitalter der Massenmedien (Tageszeitungen, Magazine, Computernetze, Funk und Fernsehen) das reale Ereignis gegenüber der Berichterstattung in den Hintergrund tritt. Realität wird durch die Medienwelt simuliert. Umgekehrt folgt daraus, daß ein Eingreifen in politische Prozesse ohne die Medien nicht mehr möglich ist. Eine Demonstration oder eine Veranstaltung über die nicht berichtet wird, entfaltet kaum noch öffentliche und gesellschaftliche Wirkung.

Dieses Prinzip der Simulation von Wirklichkeit erreicht in der sogenannten Flexi-Plus-Gesellschaft neue Dimensionen. Um bessere Verwertungsbedingungen in der internationalisierten kapitalistischen Produktionsweise zu schaffen, wird eine zunehmende Flexibilisierung von Arbeitszeiten und -orten notwendig. Die Anfahrtswege zu den Arbeitsplätzen werden immer länger, häufige Arbeitsplatzwechsel und Auslandsarbeit sind keine Seltenheit mehr. Hinzu kommt die Durchsetzung der ganzwöchigen Arbeitszeit sowie sogenannter Arbeitszeitkorridore, um Arbeitszeiten an die Auftragslage anzupassen. Dieses für jede/n Lohnarbeiter/in individuell und zeitlich sich ändernde Arbeitsprofil läßt das soziale Gefüge gehörig durcheinander geraten. Erhalt und Aufbau sozialer Beziehungen werden durch den Zwang zu örtlicher und zeitlicher Mobilität erschwert.

Neben der mit dem Untergang der realsozialistischen Gesellschaftsformen verbundenen gegenwärtigen Utopielosigkeit ist dies ein wesentlicher Grund für den Rückgang von Basisbewegungen und -engagement in allen gesellschaftlichen Bereichen. Meinungsbildung geschieht weniger denn je in Diskussionprozessen "von unten”. Allein darauf zu setzen oder zu hoffen, wäre deshalb verfehlte Politik. Das heißt auf keinen Fall Basisarbeit aufzugeben, schließlich ist diese für die Motivation zu politischem Engagement, Mitarbeit und Kampf wie auch zur eigenen Verankerung elementar; Basisarbeit als Allheilmittel hat jedoch ausgedient. Wer sich dennoch damit begnügt, trägt der veränderten Realität keine Rechnung und isoliert sich zusehends selbst.

Meinungsbildung und Meinungsäußerung finden also im wesentlichen über die Medien statt. Wenn in den Medien von den Ermittlungen berichtet wird, so ist dies ein Anlaß für politisch Nahestehende, sich öffentlich zu solidarisieren. Politische Gegner fühlen sich dazu bemüßigt, ihrerseits Stellung zu beziehen. Beides ist gut, wird doch so die politische Verfolgung Tagesthema.

Wenn Jürgen Trittin, Bundesvorstandssprecher von Bündnis 90/ Die Grünen, von Anti-Antifa-Ermittlungen spricht, so fordert das zumindest die GSA Celle heraus, ihrerseits mit einer Presseerklärung zu reagieren. Eine solche Reaktion erfolgt aber nur auf Aussagen von Seiten gesellschaftlich anerkannter Träger von Politik; Aussagen linksradikaler Kreise und damit (potentiell) krimineller Subjekte wird eine GSA nie zu einer Presseerklärung provozieren.

Da die zuständigen Herren der GSA Celle sich offenbar schnell in ihrer Eitelkeit gekränkt fühlen, von Öffentlichkeitsarbeit aber keine Ahnung zu haben scheinen, gelingt es ihnen, sich in der Öffentlichkeit selbst der Lächerlichkeit preizugeben. So z.B. wird von GSA "energisch zurückgewiesen” daß sie Anti-Antifa-Politik betreibe. Eine Gleichstellung des Tuns der GSA "mit dem Tun und Treiben rechtsterroristischer und rechtsextremistischer Gewalttäter und Organisationen” sei "absurd”[28].

Bündnisfähigkeit

Unseres Erachtens ist die Bündnisfähigkeit zur Zeit wichtigstes Moment linker Politik. Das gilt auch für die Antirepressions-Arbeit. Die Ermittlungen des LKA gingen nicht spurlos an den BündnispartnerInnen der Autonomen Antifa (M) vorbei. Teilweise gerieten sie durch ihr Engagement selbst in die Ermittlungen, teilweise sollten sie als ZeugInnen aussagen[29]. Die Anti-Repressionsarbeit wurde somit Teil der Bündnispolitik. Die Erweiterung des antifaschistischen Bündnisses in ein Solidaritätsbündnis hätte aber nicht gelingen können, wenn die Autonome Antifa (M) zuvor keine glaubwürdige Politik geleistet hätte.

Ohne die Unterstützungs- und Solidaritätsarbeit anderer Gruppen, Organisationen und Parteien hätte der Kampf gegen die staatliche Anti-Antifa nicht so effektiv geführt werden können.

Kurz nach den Hausdurchsuchungen vom 5. und 6. Juli 1994 riefen 44 Gruppen und 94 Einzelpersonen aus der Region zur bundesweiten Demonstration vom 16. Juli 1994 auf. Bis auf die SPD distanzierte sich keine/r von der militanten Demonstration.

Die Grünen initiierten mehrere Anfragen im niedersächsischen Landtag wegen der Ermittlungen des LKA Niedersachsen gegen die Autonome Antifa (M), wegen der Razzien vom Juli 1994 und wegen der Anklagen vom Februar 1995. Sie forderten einhellig die Einstellung der Verfahren und die Absetzung von Generalstaatsanwalt Endler und Oberstaatsanwalt Pfleiderer sowie die Streichung der §§ 129 und 129a. Eine Initiative von vielen innerhalb der Grünen Antirepressionskampagne war ihr "Aktionstag gegen die Kriminalisierung antifaschistischer Initiativen” am 19. März 1995 in der größten Göttinger Diskothek.

Um auf überparteilicher Grundlage im bürgerlichen Spektrum Öffentlichkeit gegen den Kriminalisierungsversuch herzustellen, gründete sich in Göttingen im Januar 1995 das Komitee 129. Neben der Organisierung einer großen Solidaritätsveranstaltung am 9. März 1995 unterstützte es die Demonstration am 11. März 1995 anläßlich der Anklageerhebungen und veranstaltete am
24. Juni 1995 eine Agit-Prop-Aktion auf dem Göttinger Marktplatz.

Auch von gewerkschaftlicher Seite formierte sich Protest gegen die Anklagen und die Celler Generalstaatsanwaltschaft. Die GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) Niedersachsen verabschiedete auf ihrer LandesvertreterInnenkonferenz am 8. Mai 1995 in Braunschweig eine Resolution, in der sie für die sofortige Einstellung der Verfahren und die Abschaffung der §§ 129 und 129a plädierte. Die ötv (Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr), Kreisverwaltung Göttingen, forderte in einem Flugblatt ebenfalls die Einstellung der Verfahren, rief zu Spenden auf und stellte die Notwendigkeit eines "breiten Bündnisses gesellschaftlicher Gruppen gegen Faschismus und Ausländerfeindlichkeit” heraus.

Bündnischarakter

Wenn nach der Demonstration in Northeim gegen den FAP-Funktionär Thorsten Heise (4. Juni 1994) von der Autonomen Antifa (M) in ihrer Bewertung [30] geschrieben wurde, die Bündnispolitik sei an ihre Grenzen gelangt, so hieß das nie, Bündnispolitik aufzugeben. Genau dies hatte sich das LKA erhofft und entsprechend in den Akten vermerkt. Gemeint war lediglich, daß sich Kompromisse in Bündnisverhandlungen, die zu einer Verschiebung des politischen Ausdrucks von Demonstrationen zuungunsten der Autonomen Antifa (M) führen, zukünftig genauer überlegt werden müssen. In Bündnisverhandlungen geht es allen Beteiligten darum, so zu verhandeln, daß möglichst viele der eigenen Vorstellungen umgesetzt werden. Gleichzeitig sind alle aufeinander angewiesen. Die Autonome Antifa (M) hat sich nie der Illusion hingegeben, daß beispielsweise die SPD antiimperialistische Positionen der Gruppe teilt oder gar übernimmt. Mit einer gefestigten und klar umrissenen Position ist es aber möglich, auf alle gesellschaftlichen Gruppen zuzugehen. Ein Bündnis dient zum Transport dieser politischen Inhalte in die gesellschaftliche Diskussion. Und das ist zumindest teilweise gelungen.

Um bürgerliche Gruppen zum Zusammengehen mit einer autonomen/antiimperialistischen Gruppe zu bewegen, muß diese mehr als nur ihren guten Willen aufbieten. Ohne antifaschistische Kompetenz, organisatorische Stärke und hohe Mobilisierungsfähigkeit der Autonomen Antifa (M) wäre ein Bündnis wohl schwerlich zustandegekommen. So aber war die gegenseitige Unterstützung und der Wille, möglichst viele Leute und Organisationen zu den Demonstrationen gegen faschistische Zentren zu mobilisieren, der Beginn einer konstruktiven Zusammenarbeit.

Speziell in der Anti-Repressionsarbeit ist die Autonome Antifa (M) auf das Engagement anderer Gruppen angewiesen. Die Verinnerlichung dieser Abhängigkeit kann aber schnell zu Fehlern führen, so daß in Bündnisverhandlungen zurückgesteckt wird, wo es nicht sein müßte oder auf Demonstrationen nicht mehr so offensiv aufgetreten wird, wie es real möglich wäre, ohne gleich in's offene Messer des Staatsschutzes zu laufen. Im Nachhinein läßt sich zwar immer schlauer daherreden; nichtsdestotrotz kann von der Tendenz gesprochen werden, bei gestiegenem Repressionsgrad unnötig defensives Verhalten zu zeitigen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht nur die Androhung von Repression im Raum. Eine gänzliche neue Strategie müßte erst dann eingeschlagen werden, wenn die Autonome Antifa (M) tatsächlich als "kriminelle Vereinigung” verurteilt würde.

Die bundesweite Demonstration nach den Hausdurchsuchungen am 16. Juli 1994 in Göttingen hat gezeigt, daß eine offensive Antwort auf Repression möglich ist. Das Bündnis hat bis heute Bestand und ist bisher nicht, wie allgemein in der BRD üblich, an der sogenannten Gewaltfrage gescheitert. In diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, daß die Steinwürfe am 16. Juli 1994, die zu fünf verletzten Polizisten und 17 Anklagen wegen "schwerer Körperverletzung” führten, laut Aussagen der Polizei auch aus dem Gewerkschafts/ Grünen-Block kamen.

Gerade die von der Autonomen Antifa (M) initiierte Bündnispolitik ist es, die autonomer Politik letztendlich den regionalen Durchbruch aus der Isolation ermöglicht hat. Gleiches gilt für die bislang praktizierte Solidaritätsarbeit, eine "bundesweit wohl einmalige Form der politischen Zusammenarbeit”[31].

Solidaritätsgruppen und Trittbrettfahrer

Die Konstituierung von Solidaritätsgruppen ist oft die einzige Möglichkeit, Anti-Repressionsarbeit zu leisten. Dies ist aber die schlechtere Variante.

In der Anti-Repressionsarbeit der Autonomen Antifa (M) standen nicht Einzelschicksale von Angeklagten im Vordergrund, sondern die Politik der Gruppe - eine konsequente Weiterführung ihrer Politik. Solidaritätsgruppen allein hätten diese Arbeit unmöglich leisten können.

Solidaritätsarbeit setzt sich aus politischen und karitativen Anteilen zusammen. Mit der Beschaffung von Geld für Prozeßkosten, Unterstützung von Gefangenen usw. können sich auch Leute identifizieren, die sich nicht der verfolgten Politik verpflichtet fühlen. Die politische Arbeit können aber nur die leisten, die auch hinter der Politik stehen. Oft ist das bei Solidaritätsgruppen nicht der Fall oder sie sind allein mit karitativer Arbeit hoffnungslos überlastet.

Erschwerend kommt hinzu, daß die notwendige logistische Vorarbeit für ein schnelles öffentliches Agieren (politisches Profil, Bekanntheitsgrad, Aufbau politischer Kontakte usw.) gar nicht geleistet werden kann. Im aktuellen Beispiel der Verfolgung der radikal nach § 129 etwa liegt es in der Natur der Sache, daß die Redaktion die staatlich erzwungene Konspirativität nicht verlassen kann. Hier gibt es also gar keine andere Möglichkeit, als daß andere für sie die Solidaritätsarbeit organisieren, was die Sache nicht unbedingt erleichtert.

Gerade im Fall der Anti-Repressionsarbeit gibt es die Tendenz, daß sich urplötzlich viele Leute einmischen, die mit der verfolgten Politik nichts zu tun haben. Nicht wenige dieser Leute finden sie falsch oder bekämpfen sie gar, wollen aber trotzdem sogenannte Solidaritätsarbeit leisten. Die Motivation hierfür ist sehr unterschiedlich. Dazu drei Beispiele:

1 Einige fühlen sich von dem Verfahren betroffen, obwohl sie de facto nichts damit zu tun haben. Trotzdem wird ein Mitspracherecht moralisch eingefordert, schließlich seien alle gemeint, auch wenn nur einige wenige konkret verfolgt würden.

2Einige wollen exemplarisch aufzeigen, wie scharf der Staat ist, nie jedoch aus solidarischem Handeln gegenüber der verfolgten Politik. Dies geschieht vor dem Hintergrund, Betroffene als Opfer staatlicher Verfolgung wahrzunehmen. Sind oder werden diese zu politischen Akteuren, endet auch die Solidarität an diesem Punkt.

3Einige wollen sich einen Namen als Retter der sogenannten Deeskalationsstrategie machen.

Daß es immer wieder Leute geben wird, die die politische Verfolgung anderer nutzen, um sich in Szene setzen zu können, ist kein Beinbruch, solange die Anti-Repressionarbeit nicht von diesen Kreisen vereinnahmt wird. Es werden schließlich immer nur sehr wenige Menschen 100% solidarisch mit der verfolgten Politik sein. Dies zur Bedingung der Unterstützung zu machen, wäre politisch unklug, weil es in die Isolation führen würde. Die Kunst besteht darin, zweierlei zu erreichen: möglichst viele gegen den politischen Gegner zu mobilisieren und gleichzeitig Solidarität mit der verfolgten Politik einzufordern. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Anti-Repressionsarbeit der Autonomen Antifa (M).

Fortsetzung der Politik der Gruppe

Es ist schon erwähnt worden, daß die Anti-Repressionsarbeit seit Beginn der Ermittlungen des LKA in Göttingen Teil der Politik der Autonomen Antifa (M) wurden. Die Fortführung der Anti-Nazi-Arbeit, politischer Veranstaltungen und der bundesweiten Organisierung blieb von den Ermittlungen unberührt. Dies erwies sich als optimale Anti-Repressionsarbeit.

Die Repressionsfalle besteht allerdings darin, daß selbst bei Intensivierung der Politik der Autonomen Antifa (M), von vielen nur die Anti-Repressionsarbeit wahrgenommen wird. Dies ist qualitativ nichts Neues. Früher ist die Autonome Antifa (M) allein mit den großen Bündnisdemonstrationen gegen faschistische Zentren und/oder dem Schwarzen Block identifiziert worden. Dieses über die Medien vermittelte reduzierte Bild der Gruppe hat auch teilweise die Linke übernommen, schließlich steht auch diese nicht außerhalb des Medieneinflusses. Sie übernimmt dieses Bild und reproduziert es im eigenen Spektrum. Mehrfach wurde die Autonome Antifa (M) aufgefordert, doch auf den Schwarzen Block zu verzichten, um nicht "darauf reduziert” zu werden. Weitergesponnen hieße das, Anti-Nazi-Arbeit aufzugeben, Anti-Repressionarbeit aufzugeben usw., nur um kein reduziertes Bild in der Öffentlichkeit zu erzielen. Die Situation ist aber gegenwärtig so, daß die Linke nicht stark genug ist, aus eigener Kraft Kristallisationspunkte zu setzen. Um in der Öffentlichkeit präsent zu bleiben, müssen politische Gruppen mit der Reduzierung leben.

Die Autonome Antifa (M) mußte sich beispielsweise ein Bein dafür ausreißen, um auf ihre Kampagne zum 8. Mai 1995 aufmerksam zu machen. Obwohl die großangelegte Aktion notwendig und richtig war, erreichte sie vor dem Hintergrund staatlicher Verfolgung nicht die nötige Aufmerksamkeit.

Da es keine Alternative gibt, muß mit den von den Medien produzierten Bildern weiter gearbeitet werden. Insofern ist die Autonome Antifa (M) zugleich Gefangene und Profiteurin des Schwarzen Blocks und ihrer Anti-Repressionsarbeit.

Auch in Zukunft wird sich die Autonome Antifa (M) aus dieser Zwickmühle der Reduktion kaum befreien können, schließlich spielt die Verfolgung in den überregionalen Medien weiterhin die größte und oft einzige Rolle. Desweiteren erfordert der anstehende Prozeß auch de facto große Anstrengungen und wird andere Entwicklungen behindern. Die Bindung von Kapazitäten ist eine Funktion staatlicher Verfolgung.


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