Faschisten bekämpfen 2! | ||
Faschisten bekämpfen2
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Blockaden
/ Kundgebungen |
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Am 29. Januar fand in Göttingen kein Naziaufmarsch statt.
Stattdessen demonstrierten 2000 Antifaschisten und
Antifaschistinnen gegen braunen Terror und den rechten Vormarsch in Gesellschaft und Staat.
In den Wochen davor gab es Überwachungsmaßnahmen
durch die Polizei gegen Plakatierer auf dem Campus der Universität, Nazis vergruben wahrscheinlich eine scharfe Waffe
auf dem Schützenplatz in Göttingen, ihrem geplanten Auftaktkundgebungsplatz.
Dazu gibt es einen kurzen Bericht.
Wir dokumentieren die aktuellen Meldungen vom Vorfeld des 29. Januar
und einige Zeitungsberichte der Göttinger Regionalzeitung (GT).
Auf der Abschlußkundgebung des
Bündnisses wurde auf dem Marktplatz eine Rede der Autonomen Antifa [M] gehalten.
[ Presseerklärung / kurzes Aufrufflugblatt / Rede / Fotos / Aufruf ]
...sich mit den Gegebenheiten der Stadt vertraut machen...
Wenn Ihr auf den
Innenstadtplan klickt seht Ihr die Routen aller Sternmärsche in blau,
Der Faschistensammelpunkt (Schützenplatz) ist grün
eingezeichnet, ebenso die (neue) geplante Naziroute
Zudem ist der Antifa-Sammelpunkt am Platz der Synagoge rot
eingezeichnet.
[ Gesamtkarte (600 Kb) / Innenstadtplan (100 Kb)]
Aufruf
Am
29. Januar 2000 wollen faschistische Organisationen einen zweiten Versuch
wagen, in dem von ihnen als „letzte linke Hochburg" bezeichneten Göttingen zu
marschieren.
„Linke Hochburg", weil sie in dieser Stadt seit Jahren keinen organisatorischen
Rahmen von Relevanz etablieren konnten, weil es ihnen nicht möglich ist
öffentlich in Erscheinung zu treten, ohne mit starkem antifaschistischen
Widerstand konfrontiert zu werden, weil es in Göttingen gelungen ist,
autonome antifaschistische Politik zu einem kontinuierlichen politischen
Faktor zu machen. Und das soll auch so bleiben. Ziel am 29. Januar 2000
ist eine Manifestation des autonomen antifaschistischen Widerstands. Die
Autonome Antifa [M] und viele andere Organisationen rufen daher zu Blockaden
des Nazi- Aufmarsches und einer antifaschistischen Demonstration auf.
der zweite
versuch
Unter Führung von NPD/JN läuft eine ,deutschlandweite" Mobilisierung unter
dem Motto „Nicht Kommunismus! Nicht Kapitalismus! Für deutschen Sozialismus!"
nach Göttingen. Wie beim ersten gescheiterten Versuch eines Großaufmarsches
am 6. November 1999 haben sich bundesweit faschistische Gruppen aus dem
Spektrum der „freien Kameradschaften" diesem Aufruf angeschlossen. Eine
erneute Niederlage können sich die Nazis weder aus regionaler noch aus
bundesweiter Sicht erlauben. Ein Scheitern im Widerspruchsverfahren gegen
das Aufmarschverbot am 6. November 1999 wegen eines Formfehlers wird die
NPD nicht wiederholen. Ein Ziel der Faschisten ist es, in Göttingen endlich
wieder einmal öffentlich in Erscheinung zu treten. Eine nicht hinzunehmende
Provo- kation stellt das Datum des Aufmarsches dar: Einen Tag vor dem
Jahrestag der Machtübertragung an Hitler und die NSDAP am 30. Januar 1933,
zwei Tage nach dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz durch die Rote
Armee.
kein
fußbreit den faschisten!
„neues deutschland - neue mitte - neue
geschichte"
Schon Mitte der 90er Jahre, um den 50. Jahrestag der Befreiung vom
Nazifaschismus am 8. Mai 1995, setzte ein neuer Umgang mit der deut-
schen, nationalsozialistischen Vergangenheit ein, als ihn die konservative
Regierung bis dato pflegte. Die Politik des Verdrängens und Verschweigens
sollte einer offensiven Bewältigungsrhetorik weichen, die die BRD
von dieser „geschichtlichen Altlast" lösen und zu einem gleichberechtigten,
souveränen Staat im internationalen Wettbewerb machen sollte.
Mit dem Regierungswechsel zur rot-grünen Koalition im September
1998 schritt diese Entwicklung rasant voran. Die „Regierung der
Alt-68er" zeigt sich selbstbewusster im Umgang mit der nationalsozialistischen
Vergangenheit als jede andere vor ihr. Der selbsternannten „neuen
Mitte" gelingt es, aus der deutschen Vergangenheit und den Opfern
nationalsozialistischen Terrors politischen Nutzen zu ziehen.
Reaktionäre Entwicklungen, wie z.B. die neue Rolle der BRD beim
Angriffskrieg gegen die BR Jugoslawien, werden demnach als humanitärer
Akt und geschichtliche Notwendigkeit, gerade aufgrund der deutschen
Vergangenheit, verkauft. Aus der Geschichte lernen heisst neuerdings
Krieg führen gegen „totalitäre" Regimes weltweit. Die Parole „Nie
wieder Ausschwitz" dient als Rechtfertigung zur Durchsetzung imperialistischer
Interessen auch mit militärischen Mitteln. Zur Abwicklung der Vergangenheit
gehört ebenso die Schrödersche Stiftung „Erinnerung, Verantwortung
und Zukunft", mit der es ihm gelang, Wirtschaft und ehemalige NS-ZwangsarbeiterInnen
an einen Tisch zu kriegen, um letztere mit 11 Mrd. DM abzuspeisen.
Hiernach sollen laut Vertrag keine Forderungen an die BRD mehr möglich
sein. Der Schlussstrich unter der Vergangenheit soll nun endgültig
sein. In einem Atemzug mit dem faschistischen Regime, wird sich
gegen die realsozialistische DDR abgegrenzt. Beide werden als totalitäre,
verbrecherische Systeme faktisch gleichgesetzt, die kapitalistische
BRD als „Neue Mitte" verortet, als neuer Machtstaat mit der Erfahrung
zweier Diktaturen. Doch die Totalitarismustheorie dient nicht nur
zur endgültigen historischen Abwicklung der DDR, sie ist auch Bestandteil
staatlichen Handelns bei der Bekämpfung linksradikaler Bewegungen
heute.
den rechten Vormarsch stoppen!
staatliche
machtdemonstration - polizei als exekutive der “mitte”
Das staatliche Interesse ist Abgrenzung gegen die „Extreme", d.h.
„links und rechts" ganz im Sinne der Totalitarismusthese öffentlich
gleich zu setzen. Dass der Staat selbst in einem taktischen Verhältnis
zu den Nazis steht und faschistische Ideologien teilweise deckungsgleich
mit staatlicher Politik sind, soll verschleiert werden. Revolutionäre
antifaschistische Politik verortet die Wurzeln des Faschismus im
kapitalistischen System und macht sich dessen Abschaffung zum Ziel.
Deshalb wird diese Politik vom Staat kriminalisiert und entpolitisiert.
Autonomer antifaschistischer Widerstand darf in der herrschenden
Ideologie nur als das andere, mindestens genauso verfolgungswerte
„Extrem" erscheinen. Der Staat und seine Repräsentanten stellen
sich in dieser Konstruktion in die Mitte der Gesellschaft und damit
als objektive Instanz dar. Diese Links- Mitte-Rechts-Konstruktion
wird bei faschistischen Großaktionen im Regelfall bildlich belegt.
Gewählt wurde 1999 je nach dem aktuellen örtlichen gesellschaftlichen
Kräfteverhältnis zwischen zwei Szenarien: Einerseits wurden die
Nazi-Aufmärsche samt antifaschistischer Gegenaktionen verboten und
lediglich staatstragende Aktionstormen erlaubt. Die Verbote wurden
dann mit riesigen Polizeiaufgeboten durchgesetzt. Wenn die Nazi
Aufmärsche erlaubt wurden, prügelte sie die Polizei gegen den antifaschistischen
Widerstand durch. Polizei und Justiz sollen Sorge dafür tragen,
dass das Image stimmt. In dieser Konsequenz folgte dem Verbot des
Nazi-Aufmarsches am 6. November 1999 in Göttingen, das Verbot sämtlicher
angekündigter Aktionen autonomer AntifaschistInnen noch im gleichen
Satz. Das größte Polizeiaufgebot in Göttingen des vergangenen Jahrzehnts
demonstrierte die „antiextremistische" Einsatzbereitschaft auf der
Straße und gleichzeitig eine wahrscheinliche Perspektive für den
29. Januar 2000. Wenn der Nazi-Aufmarsch in Göttingen erlaubt werden
sollte, ist oberstes staatliches Interesse, in diesem Fall in Form
der Göttinger Stadtverwaltung, in der Mitte zu stehen, zwischen
den „Extremen". Das heisst mit aller Konsequenz gegen autonome AntifaschistInnen
vorzugehen, wenn diese den Nazis ihren juristisch erteilten Freibrief
in Göttingen zu marschieren, auf der Straße streitig machen wollen.
Ihr Ziel ist folgendes Bild in den Medien für die Tage danach: Die
Polizei hat ihre „undankbare Aufgabe" mit Bravour vollstreckt und
die Gewalt zwischen den „Extremen" im Keim erstickt. Die „demokratischen
Kräfte" haben ihr Signal gegen „Extremismus und Gewalt" friedlich
zelebriert.
antifaschismus wird erkämpft und nicht erbettelt!
zwischen
lokalpatriotischer volksfront und gesellschaftlicher breite
Am 6. November 1999 demonstrierten 5000 Menschen in einem breiten
Bündnis gegen den geplanten Nazi-Aufmarsch. Von autonomen AntifaschistInnen
bis hin zu den Organisationen der „neuen Mitte" war alles dabei.
Positiv zu resümieren ist, dass sich ein sehr breitgefächertes Spektrum
öffentlich gegen den geplanten Nazi-Aufmarsch positioniert hat.
Kehrseite der Medaille war nach dem 6. November 1999 die Darstellung
durch die Medien, die die öffentliche Wahrnehmung der Bündnisaktion
ge- prägt haben dürfte. Stolz verkündeten Stadt Göttingen und Polizei,
dass alle ihr Ziel erreicht hät- ten und kein Nazi-Aufmarsch in
Göttingen stattgefunden hat. Die Medien überschlugen sich schier
vor Begeisterung, weil sich „eine Stadt unter Führung des DGB" gewehrt
hatte. Weitgehend unbeachtet blieb, dass die Masse der Demonstrantinnen
ca. 3000 autonome AntifaschistInnen ausmachten, deren unmittelbares
Ziel weit darüber hinaus ging, dass sich eine Stadt gegen einen
Nazi-Aufmarsch wehrt. D.h. an diesem Tag nicht fernab des geplanten
Nazi-Aufmarsches zu demonstrieren, sondern sich den Faschisten direkt
entgegenzustellen. Ziel autonomer Antifa-Politik ist kontinuierlichen
und wirksamen Widerstand gegen Faschismus über Lippenbekenntnisse
hinaus zu praktizieren und nicht nur einmal dafür zu sorgen, dass
Göttingens liberales, weltoffenes Image durch einen Nazi-Aufmarsch
beschmutzt wird. Um die eigene Position ins Bündnis zu tragen und
Diskussionen im bürgerliche Spektrum zu provozieren, aber auch um
die Isolation links radi- kaler Kräfte im Sinne der Totalitarismusthese
zu verhindern, verblieben autonome Antifa-Gruppen im Bündnis. Fatal
aber, dass der deutliche, nicht zu verschweigende linksradikale
Ausdruck fehlte. Ein klareres Bild hätte geliefert werden müssen,
um zu zeigen, dass der Ansatz autonomer Politik im Widerspruch zum
herrschenden System steht, dass es kein gemeinsa- mes Ziel von Stadtverwaltung,
Polizei und revolutionärer Antifa-Politik gibt. Das schliesst mit
ein, dass das Bündnis gegen den Nazi-Aufmarsch nur in diesem Punkt
ein gemeinsames Ziel hat. Schließlich müssen sich zahlreiche Teilnehmerinnen
des Bündnisses fragen lassen, warum sie gleichzeitig Mitglied in
Organisationen, die den rechten Vormarsch voran- treiben und Verantwortung
für staatlich praktizierten Rassismus tragen. Für dem 29. Januar
2000 hat sich das Bündnis rekonstituiert und plant einen Sternmarsch.
Neben dem breiten gesellschaftlichen Ausdruck durch die Bündnisaktion
ist Ziel der autonomen Antifa-Mobilisierung, als linksradikale Kräfte
unmissverständlich in Erscheinung zu treten.
zusammen. noch mehr ebenen. noch mehr mittel.
perspektive
antifaschismus auch im neuen jahrtausend!
Der rechte Vormarsch wird revolutionäre Politik auch in Zukunft
vor schwierige Bedingungen stellen. Als revolutionärer Widerstand
wahrgenommen zu werden, ist Voraussetzung, um die Idee alternativer,
fortschrittlicher Gesellschaftsmodelle aufrechtzuerhalten. Im Antifa-Bereich
verfügt die Linke über ein vergleichsweise hohes Mobilisierungspotential,
wobei antifaschistische Politik längst über reinen Anti-Nazi-Kampf
hinaus reicht. Nächstes Ziel ist eine antifaschistische Organisation,
die revolutionärer Politik zu mehr öffentlicher Präsenz und größerer
gesellschaftlicher Verankerung verhilft. Priorität linker Politik
kann derzeit nur die Praxis einer Gegenbewegung sein. D.h. den Versuch
zu starten, dem reaktionären Klima sowohl auf politischer als auch
auf kultureller Ebene etwas entgegenzusetzen, sich nicht nur am
Gegner abzuarbeiten, sondern eigene Inhalte und Aktionsformen auf
die Tagesordnung zu bringen.
organisiert den antifaschistischen widerstand!
faschisten
bekämpfen 2!
Die Aktionen gegen den geplanten Nazi-Aufmarsch sind zunächst nur
Reaktion auf die Planungen der NPD. Doch die Möglichkeit, antifa-
schistischer Politik einen deutlichen Ausdruck zu verleihen - unmittelbar
und politisch, gilt es zu nutzen. Wir wollen den Faschisten direkt
entgegen- treten, wenn sie ihre menschenverachtende Ideologie auf
die Straße tra- gen, und dadurch die Notwendigkeit und Legitimität
antifaschistischen Widerstandes unter Beweis stellen. Ein starke
Beteiligung autonomer AntifaschistInnen ist Voraussetzung dafür.
Am 29. Januar 2000 bieten Aktionen aller fortschrittlichen Men-
schen gegen den Nazi-Aufmarsch die Chance, den Nazis eine Niederlage
zu verpassen, und einen Schritt nach vorne für den revolutionären
Antifaschismus zu machen.
die vernichtung der wurzeln des faschismus bleibt unser ziel!
kapitalismus
abschaffen!
göttingen - Januar 2000
autonome antifa [M]
organisiert in