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Ich weiß nicht”und „Ich kann mich nicht erinnern”- das waren die meistgehörten Sätze in den ZeugInnenvernehmungen der beiden Prozeßtage dieser Woche.

Belastendes wollen diverse Medien in den Aussagen verschiedener Mitglieder der Familie El Omari ausgemacht haben, tatsächlich jedoch bezeichen sie alle das Verhältnis zwischen den BewohnerInnen als „normal” ein. Kein ernster Streit - den die Staastanwaltschaft doch so dringend für die Konstruktion eines Motivs gegen Safwan braucht. Gleichzeitig ist das Mißtrauen der Familie El Omari gegenüber ihren ehemaligen NachbarInnen spürbar. Wahrscheinlich verursacht durch die Vorverurteilung Safwans in den Medien und durch die Ermittlungsbehörden. Denn von Mißtrauen, von den gegen Safwan gerichteten Aussagen über „stärkste Rußverschmutzungen” und „auffälligem Verhalten” nach dem Brand findet sich in den vor Safwans Freilasung gemachten Berichten der El Omaris keine Spur.

" ... es war normal"

17. Prozeßtag, Montag 18. November 96

Der Verhandlungstag begann mit Verwirrung, welche Zeugin gehort werden solle. Geladen war eine Tochter der El Omaris, die nicht existiert. Zugrunde lag eine Namensverwechslung: Eine „Savoah” El Omari hatte die Vorladung erhalten, gemeint war offenbar Saloa El Omari, die Familie verstand es als Vorladung von Hannah El Omari (ca. 10 Jahre alt). Da keine Partei Wert auf ihre Aussage legte, wurde mit der Vernehmung ihrer Mutter Assia fortgesetzt.

Richter Wilcken wies sie betont - wohl nach den Erfahrungen ihrer Vernehmung am 13.11. - darauf hin, daß sie nur über Gehörtes und Gesehenes berichten solle, Rückschlüsse bzw. Schlußfolgerungen seien unzulässig.

Zuerst fragte Verteidigerin Barbara Klawitter, ob Assia El Omari das Alter ihrer Kinder nennen könne. Mit der Begründung, daß sie weder lesen, noch schreiben könne, verneinte sie die Frage, sie wolle auch keine falschen Angaben vor Gericht machen. Nun ist für den Prozeß weniger interessant, das Alter der El Omari-Kinder festzustellen. Frau El Omari wandte sich jedoch am 4.7.96 mit der Aussage an die Staatsanwaltschaft, daß Frau Eid ihr erzählt habe, daß Safwan 21 und nicht 20 Jahre alt sei. Sie unterstellte hier eine bewußte „Verjüngung”, auf die sie einen Teil ihres Mißtrauens gründet. Doch damit, daß auch sie das Alter ihrer Kinder nicht angeben konnte, bestätigte sie ungewollt, daß der Geburtstag im Libanon nicht die hohe Bedeutung hat wie hierzulande.

Es liegen Dokumente vor, aus denen hervorgeht, daß Safwan zum Tatzeitpunkt 20 war, damit begründete sich die Zuständigkeit der Jugendkammer, aber die Staatsanwaltschaft zweifelt diese Dokumente an. Safwan hatte am zweiten Prozeßtag erklärt, er selber nicht genau wisse, wie alt er ist. Diese Erklärung fand durch die Angaben von Frau El Omari natürlich Unterstützung.

Die vorherigen Aussagen

Anwältin Klawitter suchte dann nach einer Erklärung für die vielen Widersprüche, zwischen den Angaben, die Frau El Omari vor Gericht machte (siehe Prozessinfo 8) und ihren Aussagen in vorherigen Vernehmungen. So wurde die Zeugin dann gefragt, wie oft sie nach dem Brand zum ehemaligen Flüchtlingsheim ging, wann sie sich erinnerte, streitende Stimmen vor dem Brand gehört zu haben, warum sie aus eigener Motivation am 4.7. (zwei Tage nach Safwans Haftentlassung) die Staatsanwaltschaft aufsuchte und neue Angaben machte, warum sie nicht schon vorher über den angeblichen Streit berichtete.

Die Antworten von Frau El Omari kamen meistens erst bei wiederholter Nachfrage, waren widersprüchlich, teilweise einfach unglaubhaft. In einer später erfolgten Erklärung (siehe auch "Dokumente der Verteidigung") verwies die Verteidigung auf die tiefe seelische Not Assia El Omaris durch den Tod ihres Sohnes Rabia.und stellte fest, daß der Zeugin keine Vorwürfe gemacht werden können.

Frau El Omari meinte zuerst, an den angeblichen Streit durch den Anblick ihres Sohnes (kurz vor der Beerdigung) erinnert worden zu sein, später sagte sie, sie habe Kindergeschrei gehört, dadurch fielen ihr die Stimmen wieder ein. Daß Safwans Freilassung mit ihrer Aussage bei der Staatsanwaltschaft zu tun habe, versuchte sie zu leugnen, auch sei sie nicht (wie es in einem Protokoll stand) „erschrocken über die Freilassung” gewesen, sondern wollte Gewissenserleichterung. Später verwies sie noch darauf, daß die Angaben Marwan Eids (über eine Explosion) sie mißtrauisch gemacht hätte. Doch Marwan Eid hatte sie bereits 3 Monate vorher auf diese Explosion angesprochen. Bei der Polizei habe sie bereits vorher entsprechende Angaben gemacht, erklärte sie, doch mußte die Verteidigung sie damit konfrontieren, daß sich in den Protokollen darüber nichts findet.

Assia El Omari widersprach sich auch, als es um die Anzahl der Zusammentreffen mit der Familie El R. ging, bei denen Safwan nach dem Brand angeblich geduscht habe.

Hinzu kamen die Widersprüche zu ihren vorherigen Aussagen:

Beeinflußung

Erklärend wirkte auch eine andere Passage aus den Polizeiberichten: Assia El Omari gab darin an, daß laut Fernsehen und Zeitungen Safwan der Täter sei, deshalb sei sie vielleicht über seine Haftentlassung überrascht gewesen.

Am vorherigen Verhandlungstag hatte sie noch erklärt, sie wolle sich „von keiner Seite” beeinflussen lassen. Welch üble Rolle die Vorverurteilung Safwans in den Medien gespielt hat, wird daraus ersichtlich.

Nicht nur breite Teile der deutschen Bevökerung haben (oft geradezu dankbar) die durch die Presse verbreiteten Lügen der Staatsanwaltschaft aufgenommen, auch die Familie El Omari war mit dieser Wirklichkeitsverzerrung wohl überfordert.

Anekdoten am Rande: Staatsanwalt Bieler diskreditierte sich einmal mehr, als er die des Deutschen nicht mächtige Assia El Omari doch tatsächlich nach der Übersetzungsqualität ihrer Schwiegertochter fragte! Richter Wilcken kommentierte mit den Worten „das haut nicht ganz hin”.

Und Anwalt Clausen bezweckte wohl auch etwas anderes, als er seine Mandantin fragte, ob sie Briefe bezüglich des Prozesses erhalten habe: sie sprach von Drohbriefen, in denen sie aufgefordert wurde, den Anwalt zu wechseln (dieser Ratschlag wurde ihr in einem Brief des Antirassistischen Telefons Hamburg tatsächlich erteilt, in irgendeiner Weise gedroht wurde der Familie natürlich nicht).

Drohbriefe?

Assia El Omaris nächster Satz entlarvte allerdings Dr. Clausen: denn die Zeugin erklärte, daß sie den genauen Inhalt der Briefe nicht kenne, sie habe sie an ihren Anwalt (also Clausen weitergereicht). Damit begründet sie selber den Argwohn, daß eine Erklärung, die Clausen im Namen der El Omaris zum Offenen Brief des ART HH verlesen hatte (siehe ProzeSSinfo 6), ohne genaue Information der Mandanten zustande kam. Daß es sich um einen „Drohbrief” gehandelt habe, ist wohl Clausens Darstellung.

Anträge der Verteidigung, die polizeilichen Aussagen von Assia El Omari zu verlesen, scheiterten, schließlich stellt die Verteidigung fest, daß sich belastende Indizien aus ihrer Aussage nicht ergeben.

Nada El Omari

Zweite und letzte Zeugin des Verhandlungstages war Assias Tochter Nada El Omari. Auch sie schildert erst die Beziehungen im Haus, stellt fest, daß es keinen Streit gegeben hat. Lediglich seien Rabia El Omari und Ghasswan Eid einmal aneinander geraten (wie auch ihre Mutter bereits aussagte, mit dem Zusatz, daß die Sache bereinigt wurde). Krach im Haus, streitende Stimmen in der Brandnacht habe sie nicht gehört, auch den heißen Fußboden, den ihre Mutter beschrieb, bestätigte sie nicht. Rauch sei vom Flur in die Wohnung eingedrungen.

Daß Safwan bei seinen Freunden geduscht und sich umgezogen habe, weiß sie nur aus Erzählungen, auch daß ihr Vater am Brandabend die Tür verschlossen habe, kann sie nicht mit Sicherheit sagen.

Sehr viele Fragen kann sie aus mangelnder Erinnerung nicht beantworten, auchzu ihren eigenen Gefühlen nach der Rettung nicht. Safwans Verhalten beschreibt sie als aufgeregt, er sei immer in Bewegung gewesen. Schwarz vor Ruß sei er gewesen, wie allerdings die anderen aussahen, kann sie nicht erinnern.

Gabi Heinicke bezweifelte zudem die Glaubwürdigkeit der Aussage, daß Nada El Omari nicht über die Bedeutung von Safwans Alter für das Verfahren informiert gewesen sei.

Wolter zwielichtig

Die Rolle von Safwans Ex-Anwalt Wolter kam dann noch einmal zur Sprache. Denn Wolter war auch zu einem Zeitpunkt Anwalt der Familie El Omari, als Safwan bereits drei Monate in Haft war. Daß El Omaris ZeugInnenen, evtl. auch NebenklägerInnen sein werden, stand praktisch schon am 18.1. fest. Anwalt Wolter erscheint sehr zwielichtig, wenn er die Vertretung sowohl des Angeklagten, als auch eventueller NebenklägerInnen übernimmt. Denn daß Interessenkonflikte möglich sind, ist wohl einleuchtend.

Bei einem Zusammentreffen am Brandhaus anläßlich der Besichtigung durch Brandsachverständigen Achilles war er dann auch Ansprechpartner und vertrauensperson für El Omaris und Eids. Gerade hier soll Marwan Eid aber gegenüber Frau El Omari geäußert haben, er habe um 2.30 Uhr das Geräusch einer Bombe gehört. Dieses Gespräch ist von den El Omaris immer wieder als auslösend für ihr Mißtrauen beschrieben worden.

Bombe um 2.30 Uhr ?

Was auch immer bei diesem Gespräch im April gesagt wurde - eigentlich kann es sich nur um ein Mißverständnis handeln. Denn in der Hauptverhandlung am 16.9. erklärte Marwan Eid eindeutig, daß er gegen 2.30 Uhr eingeschlafen sei und eine unbestimmte Zeit später das Quietschen der Gartenpforte und die Explosion gehört habe. Gleich anschließend habe er den Brand bemerkt. Dies deckt sich nach unseren Informationen auch mit allen seinen vorherigen Angaben, zum Teil schon in der Brandnacht. Es wäre ja in der Tat auch völlig widersinnig anzunehmen, daß er eine volle Stunde abgewartet habe, anstatt sich sofort vor dem Feuer in Sicherheit zu bringen.


18. Prozeßtag, Mittwoch 20. November 96

Der Prozeß um den Brand in der Flüchtlingsunterkunft vom 18.1. dauert möglichweise noch bis zum Sommer. Richter Wilcken kündigte vorsorglich an, daß es im Mai eine 30tägige Verhandlungspause geben werde. Gleichzeitig betonte er allerdings, daß dies keine Vorentscheidung über die Dauer des verfahrens sein solle. Zur Zeit sei aber „noch nicht allzu viel an Klärung” erreicht, vielleicht ändere sich dies nach der Vernehmung der Sachverständigen, mit der im Februar zu rechnen sei. Damit wurde indirekt auch deutlich, daß auch in den Augen von Richter Wilcken die Staatsanwaltschaft bislang keine stichhaltigen Beweise für Safwans angebliche Täterschaft vorlegen konnte.

An Weihnachten wird es keine lange Pause geben. Den letzten Verhandlungstag legte Wilcken für den 23.12. fest; schon am 2.1. soll es dann weiter gehen.

„Es war ganz gut im Haus”

Nun sagte eine 15jährige Tochter der El Omaris aus. Sie berichtete ohne Dolmetscherin auf Deutsch, daß es „ganz gut im Haus” gewesen sei. Befreundet sei sie mit einer der verstorbenen Töchter Makodilas gewesen, aber auch mit etlichen der Eid-Kinder habe sie zusammen gespielt. Ihr Bruder Rabia, der ebenfalls bei dem Brand ums Leben kam, sei u.a. auch mit einigen von Safwans Brüdern befreundet gewesen.

Sie schlief mit 4 weiteren Geschwistern in einem Zimmer des 1. OG. Von ihrer Mutter geweckt, seien sie zunächst in die Küche gelaufen, dann zurück in ihr Zimmer, wo erst nach einigen Schwierigkeiten das Fenster zu öffnen gewesen sei.

Die Verteidigung versucht zu ergründen, was es mit dem Aussageverhalten ihrer Mutter auf sich hat, stellt meist simpel zu beantwortende Frage: Wie es der Mutter denn nach ihrer Vernehmung gegangen ist. Die Fünfzehnjährige antwortet wiederholt mit „ich weiß nicht” bzw. mit „ich kann mich nicht erinnern”. Offensichtlich ist die Zeugin überfordert, will keine Aussagen machen, die die These der Verteidigung, Assia El Omaris Aussagen seien Folgen tiefer seelischer Not, stützen. Eine weitere Vernehmung wird sinnlos, die VerteigerInnen haben keine weiteren Fragen mehr.

Saloa El Omari

Salams ältere Schwester Saloa, 17 Jahre alt, ist die nächste Zeugin. Sie berichtet fast wortgleich mit Schwester und Mutter: Verhältnis normal, Ihr Bruder Rabia sei mit Safwan befreundet gewesen. Von angekokelten Zetteln oder brennenden Papiertaschentüchern im Haus weiß sie nichts, am Tag vor dem Brand habe die Familie geputzt - das Ramadanfest stand bevor. Geweckt worden ist sie durch Schreie der Mutter, als diese den Brand bemerkte. Von einem Streit in afrikanischer Sprache ist ihr nichts bekannt. Ihre Mutter wirft sie in das Sprungtuch, draußen sucht sie nach den Angehörigen. Dabei fiel ihr auf, daß Ray gelacht habe, so getan habe, als ob ihn der Brand nichts angehe. Die Verteidigung hakt später nach, zitierte aus Vernehmungsprotokollen, in denen sich diese Aussage nicht findet, versucht zu ergründen, ob sicher sei, daß es sich um ein Lachen gehandelt habe. Ausweichende, unsichere Antworten, die Sache bleibt ungeklärt.

Ansonsten kann sie sich an vieles nicht erinnern - auch nicht, ob über Safwans Festnahme in der Familie gesprochen wurde. Der Verteidigung bleibt nichts anderes übrig, als zu Protokoll zu geben, daß die Zeugin bei der Vernehmung ihrer Mutter anwesend war.

Auch die Verlesung der Polizeiprotokolle über Saloas Aussagen genehmigt Richter Wilcken.

Walid El Omari

Zum Zusammenleben im Haus hörte das Gericht vom nächsten Zeugen, Walid El Omari praktisch die gleichen Worte. Erneut: Kein Streit, kein Wissen über brennende Taschentücher, Verhältnis „normal”. Lärm vor dem Brand hat auch er nicht gehört, im Halbschlaf will er Schreie vernommen haben, die er aber zeitlich nicht eingrenzen kann.

Sein Bruder Rabia hat ihn durch Klopfen geweckt, der eindringende Rauch verhinderte jedoch, daß sich die beiden sehen konnten. Das Atmen wurde fast unmöglich, man mußte sich Kopfkissen vor das Gesicht halten. Zum Fenster habe er sich bewegt, dann ist er erst wieder im Krankenhaus augewacht. Er erlitt schwerste Verletzungen an Wirbelsäule, Becken und Handgelenk.

Dann berichtete Walid El Omari von Kontakten zur Familie Eid nach dem Brand. Vater Eid hat ihn mit seinen Söhnen im Krankenhaus besucht, dabei auch von der Explosion erzählt. Dies konnte der Zeuge nicht nachvollziehen, glaubte, die Explosion dann auch gehört haben zu müssen. Nur aus Erzählungen seiner Familie ist ihm dann ein Telefongespräch bekannt geworden, in dem Marwan Eid die El Omaris über einen bevorstehenden Pressebesuch informierte. Es gehe um das leicht zu öffnende Fenster, sie sollen davon den Journalisten erzählen. Doch Familie El Omari weiß von diesem Fenster nichts. (Diese Passagen sind von einigen Medien eigenwillig interpretiert worden: Marwan Eid habe versucht, die anderen Zeugen „unter Druck zu setzen” und zu beeinflussen.)

Die Verteidigung bohrt immer wieder nach, will genau wissen, wann er was von wem gehört hat, doch der Zeuge hat große Erinnerungslücken, verwickelt sich in Widersprüche. Diesmal geben sich die AnwältInnen von Safwan nicht so einfach zufrieden. Ein fast schon quälend langes Verhör entsteht. Vielleicht notwendige juristische Arbeit, doch bei einigen ZuhörerInnen stößt es auch auf Kritik - schließlich sind auch die El Omaris Opfer der Brandkatastrophe.

Tumult

Unterbrochen wird die Vernehmung, als die Verteidigung bemerkt, daß die Übersetzerin den Zeugen nicht wortwörtlich dolmetscht. Inwieweit schon ein Vertrauensverhältnis zwischen Dolmetscherin und Zeugen entstanden sei, ob die Dolmetscherin „bereinigte” Antworten gebe, fragt die Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft interveniert, will „ihrem Zeugen” zu Hilfe eilen, indem sie Anwältin Heinicke einfach ins Wort fällt. Gaby Heinicke und Barbara Klawitter reagieren scharf.

Richter Wilcken ist sichtlich bemüht, keine Diskussionen um Unhöflichkeit der Staatsanwälte zu führen, macht eine Pause und will dann fortsetzen.

Die Verteidigung spricht die psychische Verfassung des Zeugen an, geht auch ins Detail. Sie zitieren aus medizinischen Gutachten, daß eine Psychotherapie eigentlich notwendig sei (bei den Erlebnissen kein Wunder). Erneut unterbrechen die Staatsanwälte, ihre abenteuerliche Behauptung: ehrenrührige Aussage gegen den Zeugen!

Die Verteidigung weist das von sich, Bieler und Böckenhauer flippen völlig aus: Nach viertelstündiger Unterbrechung wollen sie zu Protokoll nehmen lassen, daß Gaby Heinicke gesagt habe: „Wir haben jedenfalls keine strafbaren Äußerungen begangen, ich weiß nicht, ob das bei Ihnen auch immer so war”. Beleidigt nach § 185 fühlen sich die Staatsanwälte.

Ein „ungeheuerlicher Angriff, der zudem der Phantasie entsprungen ist”, kontert Barbara Klawitter, zudem fragt sich die Verteidigung, wo eigentlich der Herr Bieler sein Examen gemacht hat.

Der Tumult stößt auf Amüsement der ZuhörerInnen, Schlagfertigkeit und Rhetorik der Verteidigung sind eine Freude.

Richter Wilcken lehnt den Antrag der Staatsanwaltschaft schließlich ab, „nicht protokollbedürftig”. Auch er scheint die verzweifelte Tour der Staatsanwälte, die Verteidigung aus dem Verfahren zu kicken, durchschaut zu haben. Die Verhandlung wird beendet.


Brandüberlebender erneut Opfer rassistischer Gewalt!

Am Sonntag, dem 17.11. wurde William M. im Lübecker Bahnhof von Nazis angegriffen und verletzt. Um 7.45 Uhr morgens wurde er aus einer Gruppe von sechs jungen Männern erst mit „Nigger, Nigger” angepöbelt, zwei der Rassisten lösten sich aus der Gruppe und gingen zielgerichtet auf ihn los und schlugen ihn. Dabei verletzten sie William an Nase und Mund, er erlitt eine Rippenprellung und Verletzungen an der linken Hand.

Da William sich mit Schlägen und Tritten teilweise erfolgreich verteidigen konnte, wurden auch seine Angreifer verletzt.

Der Vorfall wurde von einer größeren Menschenmenge beobachtet, es kam William jedoch niemand zu Hilfe. Beamte des BGS schließlich erdreisteten sich, den angergriffenen Flüchtling festzunehmen und in Handschellen abzuführen! Es besteht die Gefahr, daß das Opfer mit einer Anzeige wegen Körperverletzung verfolgt wird.

Unklar ist, ob die BGS-Beamten die Personalien der rassistischen Angreifer und von möglichen ZeugInnen festgestellt haben.

Deswegen bitten wir alle, die den Vorfall beobachtet haben dringend, sich bei uns melden (Tel.: 0451- 7020748).


Prozeßinfo Nr. 09, 22.11. 1996

Lübecker Bündnis gegen Rassismus
Willy-Brandt-Allee 9
23554 Lübeck
Tel. 0451 - 70 20 748