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Fri Sep 20 10:40:33 1996
 

Dokumentation --- Zensur von www.xs4all.nl
Text date: 19.09.1996
Author: Michael Schneider
Quelle/Source: http://www.anwalt.de/

Im Nachgang zur ICTF-Pressemitteilung vom 16.09. informieren wir Sie über den aktuellen Stand der Diskussion mit der Bundesanwaltschaft.

Für den eiligen Leser fassen wir unsere Kernforderungen wie folgt zusammen:

  1. Das Legalitätsprinzip ist konsequent anzuwenden. Sofern - wie vorliegend geschehen - Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Verbreitung der Radikal aufgenommen und auf Carrier ausgedehnt werden, darf dies nicht auf die Anbieter von Internet-Zugängen beschränkt bleiben. Vielmehr erwarten wir, daß die in Deutschland tätigen Telefondienstanbieter abgemahnt und aufgefordert werden, den Zugang zu den von XS4ALL angegebenen Einwahlpunkten zu sperren.
  2. Alle Maßnahmen der Bundesanwaltschaft müssen erkennbar vom Grundsatz der Ermittlungsgerechtigkeit getragen sein. Ein differenzierendes Vorgehen dergestalt, daß an einigen ISPs "ein Exempel statuiert" wird, ... wäre aus unserer Sicht verfassungswidrig und auch unter Gesichtspunkten eines fairen Wettbewerbs bedenklich.
  3. Alle Maßnahmen, die bisher ergriffen wurden oder die künftig noch ergriffen werden, müssen eine stringente argumentative Grundlage und ein auf dem gesetzlichen Auftrag der Bundesanwaltschaft basierendes Vorgehen erkennen lassen.
  4. Alle Maßnahmen mit Eingriffscharakter bedürfen einer nachvollziehbaren Ermächtigungsgrundlage.
  5. Wir erwarten, daß die Bundesanwaltschaft ihre Aufforderung zur Sperre binnen drei Tagen nach Zugang dieses Schreibens dem Ermittlungsrichter zur Prüfung und zur Konkretisierung vorlegt.

Die gerichtliche Überprüfung könnte durch Anrufung des Ermittlungsrichters - beispielsweise unter analoger Anwendung des § 99 StPO oder einer anderen Ermächtigungsgrundlage - erfolgen. Sollte die Bundesanwaltschaft diese Möglichkeit, der Sperrung eine rechtsstaatliche Grundlage zu verschaffen, nicht ergreifen oder sollte das angerufene Gericht seine Zuständigkeit verneinen, wird die ICTF den angeschlossenen Providern empfehlen, selbst um Rechtsschutz nachzusuchen. Da uns die Möglichkeit der Beschwerde nicht offensteht, wird die ICTF empfehlen, zunächst im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG eine Klärung herbeizuführen und, falls auch das dafür zuständige Gericht eine Überprüfung der Maßnahme oder die Verweisung an den Ermittlungsrichter ablehnt, eine Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht anzustreben.

Die Empfehlung, der "Abmahnung" der Bundesanwaltschaft zu folgen und www.xs4all.nl zu sperren, wird aufgehoben, sobald eine entsprechende gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden kann.

Aus aktuellem Anlaß weisen wir noch auf folgendes hin: Dieses Dokument darf zitiert, auf anderen Servern hinterlegt und geposted werden, wenn und so lange sichergestellt ist, daß der Text vollständig und unverändert wiedergegeben wird.


Der Bundesanwaltschaft haben wir heute folgendes Schreiben übermittelt:

... auf unser gestriges Telefonat nehme ich Bezug. Wie ich Ihnen bereits mündlich darlegte, sehen sich die ICTF angeschlossenen Provider aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, die von Ihnen verlangte Sperrung über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten, ohne daß eine gerichtliche Überprüfung der Maßnahme erfolgt.

I.

Lassen Sie mich jedoch zunächst die Ereignisse der letzten Tage chronologisch zusammenfassen.

Auf Ihr Telefax vom 13.09. habe ich den angeschlossenen ISPs empfohlen, ...

Der Aufwand, die Sperre aufrecht zu erhalten, ist jedoch so erheblich, daß er die kleineren unter den ICTF angeschlossenen Providern bereits nachhaltig wirtschaftlich beeinträchtigt. ...

Parallel zu der Erweiterung der Sperrung erhielten wir am Nachmittag des 16.09. seitens des Betreibers von XS4ALL eine E-Mail folgenden Inhalts:

"... Our user, tank, has told us he will remove the radikal information from the URL: http://www.xs4all.nl/~tank/radikal and replace it with a simple mirror-list. I expect this to happen later today, please check. If the information is removed from the URL, there is no more reason to keep the IP-filtering going on. ..."

In einer weiteren E-Mail wurde folgendes hinzugefügt:

"I've just checked the URL, and it's now replaced with a mirror-list. I don't know if they will put it back, but I assume they will not. ..."

Eine Überprüfung ergab, daß die Radikal in ein anderes Verzeichnis auf www.xs4all.nl verschoben worden war. Sie war gleichwohl weiterhin abrufbar und zwar auch über diejenige URL, deren Sperrung Sie namens der Bundesanwaltschaft verfügt hatten.

II.

Wir entnehmen daraus, daß der Betreiber von XS4ALL nicht beabsichtigt, die Distribution der Radikal einzustellen. Seine öffentlichen Äußerungen und die von ihm ergriffenen Maßnahmen lassen vielmehr darauf schließen, daß der Höhepunkt der Auseinandersetzung noch nicht erreicht ist.

So wandte sich XS4ALL an zahlreiche internationale Organisationen und veröffentlichte unter dem 18.09. gemeinsam mit einigen von diesen folgende Resolution:

/* bitte lesen Sie diese Seite */

Auch wenn wir uns dieser Resolution in Teilen nicht anschließen, macht sie doch sehr deutlich, welche Eingriffe in Rechte Dritter die Sperrung inzwischen verursacht und in welchem Umfang der gesamte Vorgang in das politische Umfeld hineineskaliert.

III.

Meinen bisherigen Ausführungen zur Wirksamkeit der Sperre habe ich im Grunde nichts hinzuzufügen.

Auch wenn man unterstellt, daß die uns angeschlossenen Provider in der Lage wären, den Zugang zu XS4ALL weiterhin zu blockieren, hat dies letztlich keinen Einfluß auf die Verbreitung der "Radikal". Inzwischen sind Wege gefunden worden, XS4ALL als Ausgangspunkt zu umgehen, wie auch der Sperrung durch deutsche ISPs auszuweichen, indem andere Kanäle für den Datentransport gewählt werden. Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß unter der URL http://www.xs4all.nl/ ~tank/radikal/ nunmehr ein neuer Zugangsweg eröffnet wird. Die Seite beginnt in ihrer Fassung vom Abend des 16.09. mit folgender Aussage:

How to get the Radikal

...

Phone: Call and login as "new"

So first dial the international number +31 (hollands international code) and then one of these numbers: ...

Angefügt ist eine Liste, die 10 Einwahlpunkte in Holland beinhaltet. In der Liste werden Telefonnummern und die technischen Protokolle angegeben, mit denen über die Einwahlpunkte ein Zugriff auf die Ressourcen von XS4ALL möglich ist. Die Kunden deutscher ISPs werden damit nach unserer Einschätzung in die Lage versetzt, unter Verwendung des vorhandenen Equipments (Zugangssoftware und Endgeräte) durch eine bloße Änderung der Telefonnummer in ihrer Konfiguration auf die Radikal zuzugreifen. Der Aufwand dafür ist gering und die entstehenden Mehrkosten sind angesichts der Tatsache, daß inzwischen auch eine komprimierte und daher schnell übertragbare Version der Radikal vorliegt, gering.

IV.

Vor dem Hintergrund des erheblichen Eingriffscharakters der von Ihnen veranlaßten Sperrung stellen wir folgende Forderungen auf:

  1. Das Legalitätsprinzip ist konsequent anzuwenden. Sofern - wie vorliegend geschehen - Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Verbreitung der Radikal aufgenommen und auf Carrier ausgedehnt werden, darf dies nicht auf die Anbieter von Internet-Zugängen beschränkt bleiben. Vielmehr erwarten wir, daß die in Deutschland tätigen Telefondienstanbieter abgemahnt und aufgefordert werden, den Zugang zu den von XS4ALL angegebenen Einwahlpunkten zu sperren.
  2. Alle Maßnahmen der Bundesanwaltschaft müssen erkennbar vom Grundsatz der Ermittlungsgerechtigkeit getragen sein. Ein differenzierendes Vorgehen dergestalt, daß an einigen ISPs "ein Exempel statuiert" wird, während andere nicht mit dem gleichen Nachdruck zur Sperrung aufgefordert werden, wäre aus unserer Sicht verfassungswidrig und auch unter Gesichtspunkten eines fairen Wettbewerbs bedenklich. Der guten Ordnung halber weise ich darauf hin, daß die vorstehende Aufforderung nicht die Unterstellung beinhaltet, es werde zur Zeit keine Ermittlungsgerechtigkeit geübt. Allerdings halten wir es - nicht zuletzt aufgrund einiger Presseberichte - für geboten, an den Stellenwert des Grundsatz zu erinnern.
  3. Alle Maßnahmen, die bisher ergriffen wurden oder die künftig noch ergriffen werden, müssen eine stringente argumentative Grundlage und ein auf dem gesetzlichen Auftrag der Bundesanwaltschaft basierendes Vorgehen erkennen lassen. Präventive Aspekte, die nach meiner Auffassung inzwischen sehr deutlich in den Vordergrund gerückt sind, müssen weitgehend unberücksichtigt bleiben oder an die dafür zuständigen Polizeibehörden des Bundes und der Länder delegiert werden.
  4. Alle Maßnahmen mit Eingriffscharakter bedürfen einer nachvollziehbaren Ermächtigungsgrundlage. Dabei kommt es weder darauf an, ob der Eingriffscharakter in der Ausgestaltung der Maßnahme sofort erkennbar wird, noch auf die Bezeichnung der Maßnahme als "Verwaltungsakt", "Verfügung", "Beschluß" oder "Anordnung". Entscheidend ist vielmehr, ob der Eingriff gewollt war und ob dem Adressaten de facto keine Wahl bleibt, als die Maßnahme umzusetzen.
  5. Wir erwarten, daß die Bundesanwaltschaft ihre Aufforderung zur Sperre binnen drei Tagen nach Zugang dieses Schreibens dem Ermittlungsrichter zur Prüfung und zur Konkretisierung vorlegt (Einzelheiten dazu weiter unten). Die Frist orientiert sich an dem Zeitraum, den § 100 Abs.2 für die Herbeiführung der richterlichen Entscheidung nach einer von der Staatsanwaltschaft unter dem Gesichtspunkt der "Gefahr im Verzuge" verfügten Beschlagnahme vorsieht.

V.

Die von Ihnen jetzt veranlaßte Sperrung bewegt sich materiellrechtlich wie prozessual in einem rechtlich weitgehend ungeklärten Umfeld. Ihren bisherigen Ausführungen entnehme ich, daß eines der Ziele, das Sie mit dem gegenwärtigen Vorgehen gegen die Verbreitung der Radikal im Internet verbinden, die Klärung der rechtlichen Verhältnisse auf der Basis geltenden Rechts (also insbesondere vor Inkrafttreten des Informations- und Kommunikations-Dienstegesetzes) ist.

Der Versuch, die dringend gebotene Klärung herbeizuführen, setzt nach meiner Auffassung jedoch am falschen Punkt an. Um Ihnen darzulegen, wieso ich zu dieser Einschätzung gelange und um zugleich die Ebene der akademischen Diskussionen um die rechtliche Einordnung des Internet zu verlassen, möchte ich das Problem anhand eines fiktiven, aber zur weiteren Analyse sehr geeigneten Parallelfalles darstellen.

Dabei gehe ich von folgenden tatsächlichen und rechtlichen Prämissen aus:

  1. Die Radikal wird im Ausland von einem Versender für Interessenten bereitgehalten. Potentielle Interessenten müssen per Post oder telefonisch eine Nachricht an den Versender übermitteln, der sodann in einem Umschlag, auf dem der Absender (nicht jedoch die Absendeadresse) ersichtlich ist, genau eine Ausgabe der Radikal an den Interessenten verschickt.
  2. Es gelingt Ihnen nicht, effizient gegen den Versender vorzugehen, da Sie aufgrund einer geschickten Weiterleitung der Post seinen Aufenthaltsort nicht kennen oder weil Ihnen der Staat, in dem sich der Versender aufhält, keine Amtshilfe gewährt.
  3. Gehen Sie schließlich davon aus, daß Ihnen das Instrument der Postbeschlagnahme (sei es nach § 99 StPO oder nach §§ 111b ff. StPO) als Folge einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht zur Verfügung stünde.

Die sich dann aufgrund der angenommenen Gesetzeslücke fiktiv ergebende Situation ist mit der vorliegenden in den wesentlichen Punkten identisch. Es besteht - nachvollziehbarer - Anlaß, die Verbreitung eines nach deutschem Recht strafrechtswidrigen Druckwerkes zu verhindern. Eine "Standardmaßnahme" dafür ist - jedenfalls im Strafverfahren - nicht verfügbar. In dieser Lage kommen nach meiner Ansicht genau drei Handlungsalternativen in Betracht:

  1. Die rechtsstaatlich unbedenklichste Möglichkeit besteht darin, den Versand der rechtswidrigen Zeitschrift so lange zu dulden, bis der Gesetzgeber eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen hat, die dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes genügt (zur Frage der Grundrechtsrelevanz Ihrer Sperrungsaufforderung nehme ich gesondert Stellung).
  2. In Ermangelung einer Ermächtigungsgrundlage kommt die Bildung einer Analogie zu bestehenden Vorschriften in Betracht, die Maßnahmen im Vorfeld von Ermittlungen oder im Verlauf von Ermittlungen ermöglichen.
  3. Die letzte Handlungsalternative ist die von Ihnen vorliegend ergriffene: In Ermangelung einer Grundlage für ein eigenes Handeln wird den beteiligten Dritten (in meinem fiktiven Beispiel betrifft das die Post AG, real sind es die von uns vertretenen Provider) aufgegeben, anstelle der Bundesanwaltschaft tätig zu werden. Zu diesem Zweck wird ihnen die Bestrafung als Mittäter in Aussicht gestellt, sofern sie die ihnen zugedachte Rolle nicht übernehmen.

Es ist sicher naheliegend, den unter (3) dargestellten Weg zu beschreiten. Gleichwohl wird dadurch nach meiner Einschätzung eine in doppelter Weise verfassungswidrige Sachlage hergestellt:

  1. Die in der StPO für wesentliche Eingriffe der Ermittlungsbehörden vorgesehene richterliche Überprüfung wird vollständig "ausgehebelt". Mehr noch: Das Fehlen der Ermächtigungsgrundlage führt vorliegend dazu, daß der Rechtsschutz der betroffenen Unternehmen über dasjenige Maß hinaus verkürzt wird, das in einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage vorgesehen worden wäre. Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes verkehrt sich damit ins Gegenteil.
  2. Die Adressaten Ihrer "Abmahnung" werden einer Pflichtenkollision ausgesetzt, die sie selbst nicht auflösen können. Auf der einen Seite müssen sie geschlossenen Verträge erfüllen, auf der anderen Seite sind sie aber gehalten, strafrechtlichen Sanktionen auszuweichen. Welches Verhalten letztlich de lege lata geboten ist, wird gegebenenfalls erst nachträglich ein Gericht entscheiden (und zwar der Strafrichter, sofern die Sperrung nicht erfolgt und im übrigen der Zivilrichter durch Inzidentprüfung, falls die Sperrung erfolgt und ihre Rechtmäßigkeit von einem Kunden angezweifelt wird). Einen geeigneten rechtlichen Hinweis kann auch die Bundesanwaltschaft zur Zeit nicht geben, da Sie selbst aus dem in der Literatur geführten Streit keine eindeutigen Handlungsmaximen entnehmen können.

Auf diese Weise wird ein von Art. 19 IV GG nicht gedeckter gerichtsfreier Raum geschaffen.

VI.

Dies ist besonders bedenklich, da von der Sperrungs-Maßnahme sowohl die Adressaten Ihrer "Abmahnung" wie auch Dritte in ihren Grundrechten tangiert werden.

Die sperrenden Provider werden in der von Art.12 GG geschützten Gewerbefreiheit betroffen. Die Notwendigkeit einer Sperrung beeinträchtigt sie ebenso in ihrem Recht, Zugang zu allen Ressourcen des Internet zu ermöglichen wie auch in ihrer wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit. Für einige Kunden ist die Tatsache, daß von Sperrungen aus technischen Gründen auch rechtmäßige Angebote erfaßt werden, Anlaß, den Provider zu wechseln. Weiterhin ist abzusehen, daß denjenigen Providern, die nicht der Sperrung unterworfen sind - dazu gehören insbesondere Anbieter mit Sitz im Ausland - aus diesem Umstand ein zusätzliches Argument für ihr Marketing erwächst. Schließlich ergibt sich als mittelbare Folge der Aussage aus Ihrem Telefax vom 13.09., wonach "sämtliche technischen Möglichkeiten auszuschöpfen" sind, "um einen Abruf der Druckschrift radikal Nr. 154 ... zu unterbinden", eine Verpflichtung zur Bereitstellung umfangreicher technischer und personeller Mittel. Dies kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn die Maßnahme gemäß Art.12 Abs.1 S.2 GG auf eine gesetzliche Regelung und auf ein verhältnismäßiges Maß zurückgeführt wird.

Im Hinblick auf die Kunden der Provider stellt sich die Sperrung als Eingriff in den Schutzbereich des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 I GG dar. Die Vorschrift schützt den Informationsaustausch zwischen räumlich voneinander entfernten Kommunikationspartnern, wobei nicht nur der Brief-, Post- und Fernmeldeverkehr, sondern jede Form der physikalischen, elektrischen oder elektronischen Übermittlung von Informationen erfaßt wird. Das Recht aus Art. 10 I GG ist immer dann betroffen, wenn - wie hier - in Telekommunikationsprozesse aktiv eingegriffen wird.

Weiterhin kommt ein Eingriff in Art. 5 I GG in Betracht. Die Vorschrift gewährleistet einerseits die freie Weitergabe von Informationen und andererseits die Möglichkeit, den jeweiligen Kommunikationspartner auszuwählen. Dies ist denjenigen Kunden der angeschlossenen Provider, die Internet-Teilnehmer erreichen wollen, welche von XS4ALL versorgt werden, zur Zeit nicht mehr möglich.

VII.

Nach alledem halten wir eine gerichtliche Überprüfung der Sperrung für unabdingbar. Wir stellen anheim, eine derartige Prüfung Ihrerseits zu veranlassen. Dies könnte durch Anrufung des Ermittlungsrichters - beispielsweise unter analoger Anwendung des § 99 StPO oder einer anderen Ermächtigungsgrundlage - erfolgen.

Sollten Sie diese Möglichkeit, der Sperrung eine rechtsstaatliche Grundlage zu verschaffen, nicht ergreifen oder sollte das angerufene Gericht seine Zuständigkeit verneinen, wird die ICTF den angeschlossenen Providern empfehlen, selbst um Rechtsschutz nachzusuchen. Da uns die Möglichkeit der Beschwerde nicht offensteht, werde ich empfehlen, zunächst im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG eine Klärung herbeizuführen und, falls auch das dafür zuständige Gericht eine Überprüfung der Maßnahme oder die Verweisung an den Ermittlungsrichter ablehnt, eine Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht anzustreben.

VIII.

Die von uns beabsichtigte gerichtliche Entscheidung sollte eine Regelung folgender Fragen vorsehen:

  1. Dauer der Sperre,
  2. Objekt der Sperre (wobei sich eine URL aus den bereits dargelegten Gründen nur bedingt als Objekt einer Sperrung eignet),
  3. Verfahren nach Ablauf der Sperrfrist,
  4. Kosten der Maßnahme.

Bezüglich der Kosten rege ich an, in entsprechender Anwendung des § 88 Abs.4 S.3 TKG die den Providern entstehenden notwendigen Mehraufwendungen der Staatskasse aufzuerlegen.