Dokumentation --- Zensur von www.xs4all.nl
Text date: 16.09.1996
Author: eco e.V.
Quelle/Source: http://www.anwalt.de

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Online seit:
Tue Sep 17 20:54:52 1996
 

Mitteilung der Internet Content Task Force (ICTF)

RA Michael Schneider, eco e.V.

Seit unserer ersten Pressemitteilung sind nunmehr knapp zwei Wochen vergangen. In der Zwischenzeit haben die von der Sperrung betroffenen Betreiber ebenso auf die Maßnahme reagiert, wie Teilnehmer "aus der Mitte des Internet". Auch der Dialog zwischen eco und der Bundesanwaltschaft wurde fortgesetzt. Auf dieser Seite informieren wir Sie über den aktuellen Stand aus unserer Sicht.

Um den Umfang des Dokumentes zu reduzieren, haben wir einige Bestandteile auf gesonderten Seiten beigefügt.

Zum Inhalt der vorliegenden Mitteilung:

Aus aktuellem Anlaß weisen wir auf folgendes hin: Dieses Dokument darf zitiert, auf anderen Servern hinterlegt und geposted werden, wenn und so lange sichergestellt ist, daß der Text vollständig und unverändert wiedergegeben wird.


Mit Schreiben/Fax vom 09.09. haben wir der Bundesanwaltschaft folgende "Stellungnahme zum aktuellen Status" übermittelt (Auszug):

I.

Inzwischen haben wir zahlreiche Rückmeldungen zu der Sperrung erhalten und zwar sowohl von Vertretern der Presse, wie auch von Interessenverbänden "aus der Mitte des Internet". ...

Zu Ihrer Information führe ich einige Anfragen und Statements auszugsweise auf:

1.) Reaktion der XS4ALL-Betreiber

XS4ALL hat inzwischen weltweite Aufmerksamkeit auf sich gezogen und dokumentiert diese auf ihrem WWW-Server:

Die erwähnte Nachricht an mich gebe ich nachfolgend wieder (die Passagen mit vorangestellter eckiger Klammer bezeichnen - den Gepflogenheiten im Internet entsprechend - Zitate aus einer vorangegangenen Mail von mir):

/* den Beitrag finden Sie im Original auf dieser Seite */

2.) Reaktion eines deutschen Verbandes:

Es ist wieder soweit: Deutsche Internetanbieter beginnen mit elektronischer Bücherverbrennung ...

/* die vollständige Pressemitteilung finden Sie auf dieser Seite */

3.) Stimmen aus dem Internet

Hier einige Aussagen, die uns per Mail oder News erreichten. Die Beiträge wurden von mir annonymisiert und gekürzt:

/* Bitte lesen Sie die Zusammenstellung auf dieser Seite */

II.

Die Situation stellt sich aus unserer Sicht wie folgt dar:

  1. Die bisher ergriffenen Maßnahmen sind wirkungslos. Die Radikal-Ausgabe, die Gegenstand Ihrer Ermittlungen ist, wurde inzwischen so weit gestreut, daß es de facto unmöglich ist, zu verhindern, daß Kunden eines Internet-Service-Providers Zugriff darauf erhalten. Täglich werden neue sogenannte "Mirror-Sites" eingerichtet (zur Zeit sind es mindestens 20); die Radikal wurde und wird wohl auch weiterhin mehrfach in den News geposted und die Anbieter im Internet haben inzwischen mehrere Ansätze entwickelt, um eine eindeutige Identifizierung von Servern, welche die Radikal beherbergen, zu verhindern (Anonymous-Server, automatisierter Wechsel von Adressen). Die in der vergangenen Woche erfolgte und von den angeschlossenen Providern nach wie vor aufrecht erhaltene Sperrung führt daher nicht mehr zu dem gewünschten Erfolg.
  2. Selbst wenn wir erhebliche personelle Ressourcen zur Verfügung stellen könnten, um alle einschlägigen Aktivitäten im Internet auszuwerten, ließe sich die Verbreitung der Schrift nicht mehr wirksam eindämmen. Im übrigen werden Sie verstehen, daß wir es nicht als unsere Aufgabe ansehen, die ICTF angeschlossen ISPs selbst "bösgläubig zu machen" und sie auf diese Weise einem Strafvorwurf auszusetzen, der sie ohne unsere Tätigkeit nicht treffen würde.
  3. Die von uns vertretenen Provider sehen sich inzwischen einem öffentlichen Druck ausgesetzt, der in keinem Verhältnis zu dem Erfolg steht, den die Bundesanwaltschaft durch die Sperrung der maßgeblichen Hosts erreicht haben kann. Mit Befremdung haben wir darüber hinaus die - möglicherweise nicht zutreffenden - Behauptungen gelesen, wonach den ICTF nicht angeschlossenen Providern (das Forschungsnetz DFN bzw. die sogenannten "Online-Dienste" von DTAG, Compuserve und AOL) die Sperrung nicht aufgegeben worden sei.

III.

Nach alledem ergibt sich für mich folgende rechtliche Bewertung, die ich gerne mit Ihnen diskutieren möchte.

Wie Sie wissen, kommt im vorliegenden Fall nach unserer Ansicht ohnehin nur eine Strafbarkeit der ISPs durch Unterlassen in Betracht. Wenn man dann - was wir bezweifeln, worüber in der Literatur allerdings gestritten wird - davon ausgehen wollte, daß eine Garantenpflicht der ISPs besteht, ist eine Strafbarkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt unter zwei Gesichtspunkten nicht mehr gegeben:

  1. Selbst wenn eine Person nämlich kraft ihrer Garantenstellung zur Vornahme einer Handlung verpflichtet ist, muß als weitere Voraussetzung für ihre Bestrafung hinzutreten, daß sie eine zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes geforderte Leistung tatsächlich erbringen kann. Was objektiv unmöglich ist - und ein erfolgreiches Sperren aller inkriminierten Informationsquellen ist vorliegend nicht mehr umsetzbar - kann man nicht unterlassen. Die einzige wirklich wirksame Maßnahme, die ISPs zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch vornehmen könnten, wäre eine vollständige Sperrung des gesamten Internet-Zuganges für alle Kunden. Dies verbietet sich jedoch von selbst.
  2. Auch unter dem Gesichtspunkt der Ursächlichkeit scheidet eine Strafbarkeit der ISPs aus. Nach der gängigen Conditio-sine-qua-non-Formel ist es erforderlich, daß die rechtlich erwartete Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne daß der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Eine Handlung, welche diese Voraussetzungen erfüllt, ist für mich und auch für technisch versierte Dritte jedoch nicht mehr erkennbar.

Ich ziehe daher in Betracht, die in der vergangenen Woche namens der ICTF ausgesprochene Empfehlung zu widerrufen oder die Empfehlung zur Sperrung jedenfalls nicht über die darin genannten 28 Tage hinaus zu verlängern.

Allerdings vermag ich natürlich nicht auszuschließen, daß die Bundesanwaltschaft den ICTF angeschlossenen Providern Handlungsmaximen aufzeigen kann, die ich in meiner vorläufigen Bewertung übersehen habe.

IV.

Falls auch Sie keine wirksamen Handlungsalternativen sehen, die eine Verbreitung der aktuellen Radikal-Ausgabe effektiv einschränken können, biete ich Ihnen an, in einen Dialog darüber einzutreten, wie man Äußerungsdelikten im Internet anderweitig wirksam begegnen kann. Der eco e.V. hat unter anderem zu diesem Zweck den sogenannten "Internet Medienrat" eingerichtet. Einzelheiten können Sie aus dem Entwurf einer Resolution entnehmen, die wir im August formuliert haben und die dem Internet Medienrat in seiner konstituierenden Sitzung zur Diskussion vorlegen wird:

/* es folgt der Abdruck der Resolution, die in ihrer aktuellen Fassung auf dieser Seite wiedergegeben wird */

Wir sind der Ansicht, daß gerade das vorliegende Ermittlungsverfahren deutlich aufzeigt, wie nötig die oben beschriebene "neue Strategie" ist. Bitte seien Sie versichert, daß wir den Internet Medienrat nicht als "Debattierclub", sondern als eine ernsthafte Plattform betrachten, die organisations- und fachbereichsübergreifend praxistaugliche Lösungen entwickeln soll. Selbstverständlich sollen diese Lösungen den wesentlichen Grundsätzen unseres Rechtsstaates Rechnung tragen. Um dies zu gewährleisten, wäre eine mindestens mittelbare Beteiligung auch der Bundesanwaltschaft hilfreich - allerdings müßte dabei gewährleistet sein, daß die Ihnen im Rahmen der Diskussion gegebenenfalls zur Kenntnis gelangenden Einzelheiten strafrechtsrelevanter Vorgänge nicht zum Gegenstand von Ermittlungen gemacht werden.

Auch außerhalb des Internet Medienrates halten wir eine Diskussion über neue Strategien für wünschenswert, die das staatliche Interesse an der Wahrung der Rechtsordnung umsetzen, ohne unverhältnismäßig in die Gepflogenheiten des Internet oder die Rechte von Teilnehmern und Providern einzugreifen. Unter der Voraussetzung, daß Dritten aus der Zusammenarbeit zwischen Ihnen und eco keine Nachteile erwachsen, stehen wir Ihnen gerne mit unserem Knowhow zur Verfügung.


Am Nachmittag des 09.09. ergab sich dann erneut die Gelegenheit zur Rücksprache. Dabei wurde deutlich, daß die Bundesanwaltschaft keinen Anlaß sah, ihre Strategie zu ändern. Das weitere Vorgehen werde zwar Gegenstand weiterer hausinterner Abwägungen sein, einstweilen bleibe es aber bei dem bekannten Standpunkt. Die ICTF nicht angeschlossenen Provider - auch die sogenannten Online-Dienste - seien von der Bundesanwaltschaft "ebenfalls abgemahnt" worden. Maßnahmen gegen diejenigen Provider, die der bereits in der ersten Pressemitteilung wiedergegebenen Aufforderung nach angemessener Frist nicht nachgekommen seien, würden nunmehr eingeleitet.

Dies betreffe auch die uns angeschlossenen Provider, über die XS4ALL wieder abrufbar sei. Ich habe erläutert, daß die Ursache für die erneute Erreichbarkeit von XS4ALL in dem Umstand liege, daß die Betreiber einen kontinuierlichen Wechsel der Abbildung des Rechnernamens auf die jeweils zugehörige IP-Adresse implementiert haben. Dazu wurde ich um weitergehende Ausführungen gebeten.


Die erbetenen Ausführungen wurden der Bundesanwaltschaft am Abend des 10.09. übersandt. Sie sind nachfolgend wiedergegeben (Auszug):

...

II.

Sie hatten mich weiterhin gebeten, darzustellen, aus welchem Grund der WWW-Server von XS4ALL - trotz der aufgrund unserer Empfehlung erfolgten Sperrung der Host-ID - über einige der angeschlossenen Provider gegebenenfalls wieder zugreifbar sei. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen in meinem letzten Schreiben und im übrigen auf folgendes:

Als Reaktion auf die Sperrung des Zugangs zu der IP-Nummer von XS4ALL hat der Betreiber des Servers nach den Feststellungen der ICTF einen kontinuierlichen Wechsel der Abbildung des Namens "www.xs4all.nl" auf IP-Nummern implementiert. Dieser Mechanismus setzt zum einen auf einer Rekonfiguration des Servers selbst auf, dem eine neue IP-Nummer entweder aus einem vorkonfigurierten Satz von Nummern oder nach dem Zufallsprinzip aus dem zugehörigen Class-C-Netz, potentiell aber auch aus einem anderen nur temporär zugeordneten Netz zugewiesen wird. Damit diese neue Zuordnung auch für Dritte wirksam wird, mußte der Domain-Name-Service (DNS) dergestalt modifiziert werden, daß die Abbildung des Namens auf die IP-Nummer in kurzen Intervallen auf den jeweils konfigurierten Wert geändert wird.

Für Änderungen der Abbildung sieht das DNS standardmäßig vor, herausgegebene Informationen mit einer Lebensdauer (time to live, TTL) zu versehen, die anzeigt, wie lange die Information als gültig betrachtet werden kann. Nach Ablauf der Lebensdauer sind Anwendungen im Internet gehalten, die Informationen neu zu laden. XS4ALL hat zur Zeit die Lebensdauer der Abbildung des Namens auf die IP-Nummer auf ~ 30 min. gesetzt. Nach Ablauf dieser Frist laden die von potentiellen Interessenten verwendeten Systeme automatisch eine neue Abbildung (die sich nicht notwendigerweise von der alten unterscheiden muß, dies aber im Falle von XS4ALL häufig tun wird).

Sodann greifen die Clients, ohne daß dieser Vorgang für den Endanwender sichtbar wird, unter Verwendung der neuen IP-Nummer auf den Server zu. In den beigefügten Sitzungsmitschnitten wurden Anfragen an das DNS dokumentiert. Die TTL ist dabei direkt hinter dem Namen des Servers (hervorgehoben durch Fettdruck und eine Unterstreichung) zu erkennen. Die Einstellung des Mechanismus auf zur Zeit ~ 30 min. kann seitens des Betreiber durch Änderungen in seinem Directoryservice ohne weiteres auf wenige Minuten oder gar Sekunden reduziert werden.

Ein Provider, der einem solchen Mechanismus folgen wollte, müßte die jeweilige Abbildung des Namens auf eine IP-Nummer kontinuierlich überwachen, was sich nicht manuell sondern nur durch eine zu diesem Zweck zu erstellende Software realisieren ließe. Hinzu kommt, daß eine permanente Rekonfiguration der in Produktion befindlichen Router erforderlich wäre. Derartige Maßnahmen beeinträchtigen die Performance der gesamten Infrastruktur eines Providers und sie sind sogar geeignet, die für einen unter kommerziellen Rahmenbedingungen arbeitenden Provider überlebenswichtige Servicequalität zu beeinträchtigen (durch Reduzierung der Gesamtverfügbarkeit des Systems, die sich aufgrund von Inkonsistenzen ergeben kann, die bei häufigen Rekonfigurationen typischerweise auftreten).

Eine Alternative zu dem geschilderten aufwendigen Verfahren besteht allenfalls darin, die für die Zone XS4ALL.NL zuständigen Nameserver zu blockieren, was aber dazu führen würde, daß die Namen aller anderen dort verwalteten Systeme dann ebenfalls nicht mehr aufgelöst werden könnten. Davon wären vermutlich zahlreiche von XS4ALL verschiedene Organisationen betroffen (die Maßnahme wäre der Löschung einer Postleitzahl aus dem Zustellsystem der Post AG vergleichbar).

Hier nun die erwähnte Dokumentation der Anfragen:

/* es folgt der Inhalt dieser Seite */

III.

Der niederländische Betreiber von XS4ALL teilte uns inzwischen folgendes mit (Auszüge):

Today we got the first cancellations of accounts and webservers at Xs4all. One of them sent us a fax that Germany is of large economic value to his business, and that he cannot afford to be blocked. If this goes on, we'll have to consider recovering these damages. This could mean that Xs4all will have to start litigation against both Germany and the ICTF. I seriously hope we will not be forced into that situation.

We can prevent further damage to Xs4all by sending out a press-release in the following days, that states that Xs4all is no longer being blocked, and that the recommendation to censor the whole host was cancelled. If we can send this message out quickly enough, then further damages will be avoided, and we'd not be forced to start litigating. Even 28 days of censorship is costing us customers. Please keep me updated on any developments.

Someone at Human Rights Watch emailed me today, requesting the (email and snailmail) address of the Prosecutor General. Could you please send it to me, they want to send him a letter of protest.

Today Elly Plooij, liberal delegate in the European Parliament, asked a whole list of question about this case to the comission. ...

Ich habe mitgeteilt, daß ich der angedrohten Klage keine Erfolgsaussichten beimesse und darauf hingewiesen, daß nicht ICTF den Anlaß für den gegenwärtigen Vorgang gegeben hat, sondern die Tatsache, daß die ermittlungsgegenständliche Ausgabe von "Radikal" über dern XS4ALL-Server zugänglich gemacht worden sei.

In einer weiteren Stellungnahme gibt XS4ALL die aktuelle Situation dann wie folgt wieder:

... if this goes on, then ICTF will have to block hunderds of sites, censor newsgroups, email-lists et cetera. The more censorship the more protest from the internet-community. It's a neverending spiral of blocking and recreating information. There are no winners in such a game, only losers."

Dieses Szenario beschreibt die jetzt bevorstehende Entwicklung aus unserer Sicht zutreffend. Zu den erwähnten "losers" gehören auch und gerade die von uns vertretenen Provider.

IV.

Danach ist folgendes festzustellen:

  1. Die der ICTF angeschlossenen Provider haben die Sperrung nicht wieder aufgehoben, sie ist lediglich aus Gründen, die nicht in ihrem Einflußbereich liegen, hinsichtich XS4ALL nicht mehr wirksam.
  2. Wir halten an den im letzten Schreiben gemachten rechtlichen Ausführungen fest, wonach eine Beihilfe der Provider unter den gegebenen Bedingungen nicht mehr gegeben sein kann.
  3. Wir teilen nach wie vor Ihre rechtliche Einschätzung hinsichtlich der Strafrechtswidrigkeit der maßgeblichen Ausgabe von "Radikal". Unabhängig von der rechtlichen Beurteilung scheitert allerdings jeder äußere Eingriff in das Internet und auch jede Form der Selbstkontrolle, wenn der Urheber einer Schrift nicht Kunde eines im Geltungsbereich der deutschen Rechtsordnung tätigen Service-Providers ist und wenn er sich darüber hinaus auf eine netzweite Solidarität berufen kann (was bei Straftaten mit politischem Hintergrund wesentlich regelmäßiger der Fall sein wird, als beispielsweise bei der Verbreitung "harter" Pornographie).

Wir ziehen daher weiterhin in Betracht, die von ICTF in der vergangenen Woche ausgesprochene Empfehlung zu widerrufen. Sofern im Falle eines solchen Widerrufes von Ihren erwogen würde, die Ermittlungen auf einzelne Provider auszuweiten, weise ich vorsorglich darauf hin, daß ein Strafverfahren gegen die uns angeschlossenen Provider nicht zur Verurteilung führen kann. Wenn sich diese nämlich nach einer Abwägung aller Argumente entschließen, unserem fachlich fundierten Rat zu folgen, entfällt für sie der Vorsatz (auch in der Form des dolus eventualis). Richtiger Beschuldigter wäre daher - wenn überhaupt - eco/ICTF als Organisation bzw. ich als Person, da ich die Provider zur Aufhebung veranlaßt und damit im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel die letzte Ursache dafür gesetzt hätte, daß die Kunden der Provider wieder auf die "Radikal" zugreifen können.

V.

Ein konstruktives weiteres Vorgehen können wir uns nur auf der Basis folgender Alternativen vorstellen:

  1. Die Bundesanwaltschaft konzentriert ihre Ermittlungstätigkeit auf diejenigen, die sich an der Verbreitung der Schrift aktiv beteiligen. Zugriffssperrungen erfolgen nicht mehr vor der Datensenke, sondern - wenn überhaupt - an der Datenquelle. Wir sind der Ansicht, daß der Aufwand, dies im Wege der Amtshilfe zu erreichen - jedenfalls im Falle von XS4ALL - geringer ist, als der oben dargestellte Programmier- und Implementationsaufwand.
  2. Wenn Sperrungen durch deutsche Provider - entgegen unserer Ansicht - nach wie vor als realisierbar und erforderlich angesehen werden, ist ein allgemeiner Hinweis wie der aus Ihrem Telefax vom 30.08. dafür keine geeignete Grundlage. Stattdessen benötigen wir konkrete Angaben darüber, auf welche Host-IDs sich die Maßnahme erstrecken soll. Zur Übermittlung der Host-IDs sollten wir eine geeignete Schnittstelle vereinbaren (z.B. die Übersendung von E-Mails, die in geeigneter Weise formatierte Bodies enthalten), damit eine Prüfung durch uns - ebenso wie die sich dann anschließende Sperrung - ohne zeitlichen Verzug und weitgehend automatisiert erfolgen kann.
  3. Wesentlich sinnvoller als die beiden vorgenannten Alternativen erscheint es uns jedoch, im gegenwärtigen Stadium der Eskalation die Sperrungen zunächst wieder aufzuheben, die Vorgänge zu dokumentieren und in einem Strafverfahren gegen einen der Beteiligten (genauer: Einen Beteiligten, der dem Haupttäter näher ist, als ein Provider, der Daten nur als IP-Pakete transportiert) eine grundlegende rechtliche Klärung der im Internet und in der juristischen Fachliteratur umstrittenen Frage der Inhaltsverantwortung zu suchen.

Wir halten im übrigen unser Angebot aufrecht, im Dialog an weiteren Strategien zu arbeiten, die eine mildere Form der Ahndung von Äußerungsdelikten im Internet ermöglichen.


Am Nachmittag des 11.09. wurde uns folgende Information übermittelt:

„As you can see we removed the radikal 154 from www.serve.com. We demand you to send a message to all ISP in Germany to stop filtering ip-traffic to and from www.serve.com. You have to cc: this message to webmaster@mail.serve.com and to tank@xs4all.nl. We have put a new index-file instead describing the situation and also list servers where the radikal 154 is now mirrored. We demand you to either block all servers or to stop blocking access to www.xs4all.nl."

Wir haben die Angaben überprüft und fanden sie zu diesem Zeitpunkt bestätigt. Daraufhin haben wir der Bundesanwaltschaft mitgeteilt, daß der Grund für eine Sperrung aus unserer Sicht entfallen sei. Zugleich haben wir den angeschlossenen Providern empfohlen, die Sperrung von www.serve.com aufzuheben.


Nach weiteren Gesprächen teilte uns die Bundesanwaltschaft am 13.09. per Telefax folgendes mit:

"Sehr geehrter Herr Schneider,

den Erhalt der o.a. Schreiben bestätige ich.

Was den inzwischen teilweise wieder möglichen Zugang zu der URL "http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/154/" betrifft, reicht es meines Erachtens nicht aus, den Zugang zu einer einzeln festgelegten IP-Nummer zu unterbinden, sofern der Betreiber des Servers, wie wohl inzwischen geschehen, einen kontinuierlichen Wechsel der Abbildung des Namens "www.xs4all.nl" auf unterschiedliche IP-Nummern implementiert.

Mein Telefax-Schreiben vom 30. August 1996 bezog sich ausdrücklich auf die vorgenannte URL und nicht auf eine einzelne IP-Nummer. Daher scheinen mir die Betreiber, welche bislang nur eine IP-Nummer gesperrt haben, ihrer Verpflichtung nicht vollständig Genüge getan zu haben, sofern hierdurch mögliche strafrechtliche Konsequenzen vermieden werden sollen.

Vielmehr erscheint es hierzu notwendig, sämtliche technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um einen Abruf der Druckschrift "radikal Nr. 154" über die o.a. URL zu unterbinden.

Hochachtungsvoll
Im Auftrag ..."

Aufgrund weiterer Nachforschungen stand für ICTF fest, daß erste Ermittlungsverfahren gegen ISPs zu diesem Zeitpunkt bereits eingeleitet worden waren. Allerdings waren und sind die von ICTF vertretenen Provider nach unseren Erkenntnissen (zum Zeitpunkt dieser Pressemitteilung) davon nicht betroffen.


Die ICTF hat daraufhin empfohlen, die Maßnahmen gegen XS4ALL auszuweiten. Einzelheiten können wir zur Zeit nicht bekanntgeben. Eine Bewertung der jetzt ergriffenen Maßnahmen wird im Verlaufe der Woche erfolgen. Sodann werden wir eine Entscheidung über weitere Schritte treffen.


Die URL, deren Sperrung wir ursprünglich abgelehnt hatten, ist nach wie vor nicht blockiert:

http://ourworld.compuserve.com/homepages/angela1/radilink.htm

Allerdings ist der Inhalt am Mittwoch durch den Betreiber des Hosts gelöscht worden. Wir haben uns erlaubt, die maßgeblichen Seiten vorläufig zu spiegeln.



Kommentare und Anregungen senden Sie bitte an: webmaster@anwalt.de.
Copyright © 1996 Rechtsanwalt Michael Schneider
Letzte Änderung am 15. September 1996