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Tue Sep 17 20:32:10 1996
 

Anlage 4 zur Mitteilung der Internet Content Task Force (ICTF) vom 16.09.1996

Zur Dokumentation der Stimmungslage im Internet haben wir aus der großen Zahl von Mails und UseNet-Artikeln, die uns erreichten, das nachfolgende Stimmungsbild "compiliert" und der Bundesanwaltschaft in annonymisierter Form übermittelt. Bitte beachten Sie bei der Lektüre, daß wir in diesem Zusammenhang bewußt nur die kritischen Beiträge ausgewählt haben.


"Ihr und eurer "Anwalt" seit ein Haufen ängstlicher Hühnchen über die schnell die ganze Welt lachen werdet, so wie es schon bei CIS passiert ist. Da kommt ein kleiner Staatsanwalt und sagt "ja möglicherweise ...." und schon wird gehandelt. Gleiches Verhalten hat Herr Schneider ja schon bei dieser merkwürdigen "task force" gezeigt."

"Seit wann reagiert man auf eine "Empfehlung" ? Vorauseilender Gehorsam ?"

"Sie machen sich wirklich lächerlich mit Ihrer Sperrung von bestimmten Servern. Da lacht die ganze Welt drüber, nur am deutschen Wesen muss wieder die Welt genesen. Wenn Sie das wollen, werden Sie erfahren, dass das den umgekehrten Effekt hervorruft. Ich bin selbst Deutscher und muss mich sehr wundern. Aufsehen haben Sie erregt, aber sehr negatives. Wie naiv ! Hoffentlich kommen Sie zur Vernunft."

"I just read your statement on http://www.anwalt.de/ictf/p960901e.htm ... are you not aware that even I can just take articles from radikal and post the all over in German newsgroups? I'm not at all affiliated with that magazine I'm just shocked by this censorship. Also it's perfectly possible to mirror this site all over the world, would German providers have to block all those providers?"

"Schon diese Formulierung "an den ECO angeschlossene Provider" legt den Schluss nahe, dass bei der GBA nur Weichbirnen zu sitzen scheinen. Soll das etwa heissen, dass nicht an den ECO angeschlossene Provider keine Beihilfe im Sinne des GBA leisten wuerden? ... Ich koennte verstehen, dass jemand Muffe hat, die betreffenden Seiten von xs4all in DE zu spiegeln (haette ich auch bei der Rechtslastigkeit der deutschen Justiz). Ich kanns aber nicht verstehen, dass manche Provider scheinbar nicht zwischen passiver Bereitstellung von Datenwegen und aktiver Verteilung von Inhalten unterscheiden koennen."

"Die Geschichte der RADIKAL ist ja nun wirklich schon etwas älter. "Die Grünen" haben Journalisten, die von der Staatsanwaltschaft mit dem üblichen Einschüchterungssammelsurium verfolgt wurden, auf ihre Liste für's EU-Parlament gesetzt, als EU-Parlamentarier waren Klöckner und Härlin vor politischer Verfolgung geschützt. Selbst der TAGESSPIEGEL-Herausgeber hier in Berlin, ein jeder linken Regung unverdächtiger und sonst nur als neurotischer Gewerkschaftshasser aufgefallener Patriarch, hat die Prozesse zu finanzieren geholfen. Es gibt schon einen deutlichen Unterschied zwischen dem Rückgrat klassischer Verleger, wie sie durch die alliierten Lizenzen damals noch einmal entstanden sind, und dem Rückgrat vieler Internet-Provider. Dieser Unterschied wird wohl darin seine Ursache haben, daß es Menschen schlecht bekommt, wenn sie sich ausschließlich mit Bits und Bytes beschäftigen. Um Journalisten in die vierte Gewalt des Staates zu verwandeln, bedurfte es hochkomplizierter Beeinflussungsmechnismen. Bei vielen Internetprovidern reicht ein Fingerschnippen."

"Die Provider haben leider keine Lust, Geld für etwas auszugeben, was ihnen nichts einbringt ... Die eigene, rechtliche Situation scheint ihnen egal, solange die Staatsanwaltschaft auf Distanz bleibt. Ein verantwortungsloses Trauerspiel."

"...was halten den die Provider davon, eine (kleine) GmbH zu gründen, die exakt DM 50.000 Eigenkapitel hat. Diese erhält eine Standleitung, die nicht gesperrt ist. Dieses Zeug zu beschlagnahmen kann kein so großer Verlust sein, insbesondere, wenn sich die in der ECO oder ICTF zusammengeschlossenen Provider daran beteiligen. Ist hier erstmal etwas in Bewegung, dann kann man auch dagegen klagen. Im Zweifelsfall macht eine Selbstanzeige bei der Staatsanwatlschaft und stellt einen Linux-PC abholbereit auf ... Es kann nicht angehen, daß wir alle den Kopf in den Sand stecken. Wenn es der Sache hilft, dann macht eine Sammlung von Spenden. Ich denke, daß es einige geben wird, denen eine Klärung dieser Fragen ein paar Mark wert sind. ... Ihr unterdrückt hier z.B. Seiten von Scientologie-Kritikern. Verdammt, wäre ich Euer Kunde, so würde ich gegen Euch klagen, weil Ihr Eure vertraglichen Pflichten, nämlich mir ungehindert IP zu verkaufen, nicht nachkommt. ... schaltet den Zugang wieder frei. Schafft Fakten anstatt rumzulabern."

"Ist so eine Zensur eigentlich legal? Wenn der Staatsanwalt dem ZDF verbietet Berichte über Gaddafi zu machen, darf er das ? Jetzt mal nicht frust, sondern mal eine ganz ehrliche konkrete Frage: Auf welcher Grundlage handelt die Generalbundesanwaltschaft? Auf Paragraph 129a bei Providern?... Als nächstes kommt wahrscheinlich ein Generalbundesanwalt im Kofferraum mit im Urlaub, um zu verhindern, das Deutsche im Ausland Zeitungen lesen, die in Deutschland verboten sind. In Anlehnung an den Blitzkrieg schlage ich vor den begriff "Blitz-Zensur" einzuführen. ... Deutschland führt wieder Krieg im Ausland!"

"Die zensur ist sicherlich illegal. Der FoeBud bereitet bereits eine Anzeige vor, wie ich eben schon in einer anderen Gruppe las. Ebenso wird geprüft, ob der ICTF wegen verfassungsfeindlicher Umtriebe durch den Verfassungsschutz überprüft werden sollte (Bildung einer verfassungsfeindlichen Organisation."

"Irgendwer muss doch da irgendein Motiv haben, Zensur mit dem exkulpierenden Hinweis auf die ach so boesen und verfolgungswuetigen Staatsanwaelte zu legiimitieren... Da gab's doch so eine amerikanische Firma (irgendwo mit "Compu"... ach weiss der Himmel ;-), die eine "Anforderung von Polizei und Staatsanwaltschaft" sich aus den Finger sog, um dann arbitraer so gefaehrliche Gruppen wie gaynet.haushalt sperren zu koennen ?"

"... mit Abscheu lese ich von Ihren Bemühungen das, auch im deutschen Grundgestz verankerte, Recht auf Informationsfreiheit abzuschaffen. Gleichwohl es nur "Terroristen" einer bestimmten Richtung gelten soll, Nazis bleiben selbstverständlich verschont, zeigt Ihre Vorgehensweise keinerlei Demokratieverständnis. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen agieren sie unter einer URL "www.anwalt.de". Auch wenn die Verfehlungen der deutschen Justiz im sogenannten 3. Reich nie ernsthaft juristisch aufgearbeitet wurde, halte ich es für eine Beleidigung der Anwaltschaft das 4. Reich in ihrem Namen errichten zu wollen, wie ich es Ihren Aktionen entnehme."

"... www.anwalt.de Ja, diese so beliebte, so freiheisfreundliche Site. ... Das Fax finde ich nicht schlimm. Was der Kollege Schneider dagegen ueber die Besprechung in der Bundesanwaltschaft vom 3.9.1996 berichtet, klingt in der Tat unschoen. Wenn die dortigen Staatsanwaelte in der Tat solches vertreten haben, wie dort wiedergegeben, waere das ziemlich daneben. Michael Schneiders rechtliche Ausfuehrungen sind uebrigens ganz lesenswert; vielem darin wuerde ich zustimmen. Ich wuesste noch ein Motto fuer seine Organisation: "Freiwillige Zensur statt staatlicher Missbrauchsaufsicht" Waer doch was... zumindest ehrlich."

"Vielleicht eine etwas naive Frage, aber: Macht sich die Deutsche Post AG oder ein privater Paketdienst (z.B. UPS) strafbar, wenn er (mit oder ohne Kenntnis) strafrechtswidrige Dokumente befoerdert? Meines Wissens gab es vor einiger Zeit eine Entscheidung _gegen_ einen Brieftraeger, der sich weigerte, Post zuzustellen, die er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren konnte. Muesste es nicht eine ebenso geartete Entscheidung _gegen_ einen ISP geben, der den Zugriff auf bestimmte Hosts verweigerte?"

"Halten wir fest: Es wird ermittelt. Man macht sich moeglicherweise strafbar, *wenn man weiterhin* (also nicht erst nach BEWEIS der Illegalitaet!!) den Abruf dieser Seiten ermoeglicht. Ich nenne sowas "kriminalisieren", denn: nicht etwa die Provider, sondern der unmittelbare Anbieter ermoeglicht den Abruf der Seiten von seinem System. Dass Provider den Abruf *aller* Seiten im Netz ermoeglichen, liegt in der Natur der Sache: es ist ihr Businnes. Daraus eine kriminelle Handlung oder gar Absicht der _Provider_ ableiten zu wollen, ist IMHO Schwachsinn hoch drei."

"Am heutigen Sonntag, 08.09.1996 habe ich als Btx-Mitbenutzer unter dem Account XXXt@t-online.de die in der BRD "verbotene" Zeitschrift RADIKAL 154 ... insbesondere die Seite www.xs4all.nl/~tank/radikal/154/94.html gelesen und ausgedruckt ("Kleiner Leitfaden zur Behinderung von Bahntransporten aller Art"). Nach Auskunft eines mir bekannten Bahnmitarbeiters stellt der Beitrag (abgesehen von Sachbeschaedigung) keine Gefaehrdung dar. Interessant und korrekt empfinde ich es, dass im Head der Index-Seite von RADIKAL der Hinweis "forbidden in germany" steht und damit dem Abrufer Gelegenheit gegeben wird, vom Betrachten abzusehen ;-) Ein Witz ist es jedoch, wenn die ... Service-Provider von eco eV anwaltliche "Empfehlung" erhalten, "mit sofortiger Wirkung" den Zugang zur RADIKAL zu sperren, wenn dadurch dem größten Marktteilnehmer ein Marktvorteil verschafft wird, weil dort keine Sperrung stattfindet und das Dr. Sommer-Team auch nicht wegen (durch meinen Abruf nachweisbarer) Unterstuetzung einer kriminellen Vereinigung ins Gefaengnis gesteckt wird ;-)"

"Anscheinened sperren ja durchaus nicht alle kommerziellen Provider den xs4all-Server. Natürlich liegt die Haupt-Verantwortung bei der Bundesanwaltschaft. Aber ... die Rolle der ICTF-Provider (ist) keine besonders rühmliche ..."

"Was mir auch Sorgen macht, ist, daß auf diesem Server auch Kritiker der Scientologen aktiv sind. Weiß man überhaupt, wem man damit alles einen Gefallen tut? Plakativ: Die deutschen Internet-Provider verhindern den Zugriff Informationen von den Kritikern der Church of Scientology. Der Zugriff auf den WWW-Server der CoS ist weiterhin ungehindert möglich"

"...wenn jetzt durch die Sperrung auch Informationen gegen Scientology und von Kurdengruppen gesperrt werden (weil die auch auf X4SALL liegen), dann kann sich ein Provider sehr wohl AUCH Aerger einhandeln. Wenn das Internet in bestimmten Bereichen zur einzigen Informationsquelle wird, sehe ich doch Parallelen zum BVerG-Urteil wo Vermieter sehr wohl auslaendischen Mitbuergern die Sat-Schuessel (trotz Kabelanschluss) nicht verbieten koennen, wenn es die einzige Informationsquelle aus ihrer Heimat ist."

"...due to your local laws an international art object ... http://www.xs4all.nl/~oertijd/index.html should be censored because an unknown neighbour in xs4all HD space provided (germany) illegal texts. ... Please be aware of the opposites effects of censorship and the negative side effects. ..."

"... Die rufen nicht zu Terrorakten auf und sind um Klassen harmloser als die rechtsradikalen Stormfront-Leute. Von den amerikanischen Milizen mal ganz zu schweigen ..."

"Man kann stattdessen ueber http://www.anonymizer.com/ auf die Dinger zugreifen. Der Anonymizier ist ein freier, oeffentlicher Proxydienst, der von Community Connexion Inc. (c2.org) betrieben wird."

"Es gibt aber auch sehr konkrete Nachteile, naemlich der internationale Wettbewerb. Deutsche Firmen sind im Internetbereich haeufig international wettbewerbsfaehig, wenn nicht sogar fuehrend. Beispielsweise habe ich die Internet Praesenz des ... aus New York gemacht. Seit voriger Woche habe ich einen Server zusaetzlich in den USA und biete Unternehmen also auch dort Praesentationsplaetze an. Nun kommt die liebe BAW mit ihrer Aktion. Es ist voellig normal, dass nun die auslaendischen Kunden ankommen und sagen, dass sie nicht auf einen Server liegen wollen, wo wg. Zensur anscheinend deutsche Behoerden ganz schnell eine Sperre veranlassen koennen und damit ihre Erreichbarkeit nicht mehr gewaehrleistet ist. Und damit haben die Kunden auch recht, den aus amerikanischer Sicht ist die Sperrung von Radikal, genau wie von NSDAP/AO Informationen ja nunmal "Zensur", weil sie dazu eine andere Mentalitaet haben. Wie soll ich bitte schoen unter diesen Bedingungen noch international Kunden gewinnen?"

"Das ganze hat schon erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. Ich habe zuerst in Deutschland Web-Space gemietet und bin mit der Technik und Leitungen sehr zufrieden und die Preise sind halt deutsches Niveau aber ok. Da bei mir Links auf die Home-Pages anderer Leute gesetzt werden und ich nur einmal den Inhalt pruefe, kann mein Link nun morgen auf wer weiss was zeigen. Da aber auch bezahlte Werbung ueber meine Web-Site laeuft waere ein "Ausfall" aus welchen Gruenden auch immer sehr teuer. Damit mir das nicht passiert betreibe ich eine Web-Site in den USA und die deutsche Web-Site dient jetzt nur noch als Mirror,gleichzeitig habe ich den Sitz meiner Firma nach London verlegt, da ich von dort aus auch vergleichende Werbung betreiben kann. Wenn die Provider und Web-Shops durch diverse Aktionen an ihrem normalen und ehrlichen Geschaeft gehindert oder beeintraechtigt werden, koennen einige demnaechst ihren Laden zumachen. Es sehe ja jetzt schon wieviele ihre Web-Sites in die USA verlegen, viele aus wirtschaftlichen Gruenden aber einige schon aus politischen Gruenden."

An einen der angeschlossenen Provider, der eine eigene Pressemitteilung zu der Sperrung herausgegeben hat:

"... ich fand ... zum Thema "Sperrung von WWW-Servern durch Contrib.Net": ... Ihre Pressemitteilung ... und bin erschrocken bis erbost. Sachlich gesehen reicht Ihnen also eine Dritte-Hand-Empfehlung aufgrund eines eingeleiteten Ermittlungsverfahrens, um diverse WWW-Seiten für Ihre Kunden zu sperren. Soweit ich ersehen kann, liegt KEINE richterliche Verfügung vor! Doch Sie gehen gar so weit, Ihr Rückgrat in einem Maß zurückzubiegen, daß kein Organismus vertragen könnte: Sie schreiben ausführlich, warum das eigentlich alles falsch ist (die Sperrung), um sie unter Protest vorzunehmen. Ich glaube nicht, daß Sie sich selbst oder gar der Internet-Gemeinschaft oder auch nur Ihren Kunden in irgendeiner Weise damit dienen, wenn Sie versuchen, die Ihnen mangelnde Zivilcourage an ominöse höhere Stellen zu delegieren. Wenn Sie wirklich, wie Sie schreiben, sich als Leitungsanbieter verstehen, dann unterlassen Sie die inhaltlichen Eingriffe! Viele andere haben wie ich den von Ihnen zitierten Herrn Michael Schneider versucht klarzumachen, daß eine solche Aktion eben genau erst eine inhaltliche Verantwortung, die Sie als Leitungsanbieter an sich nicht haben, erzeugt. Dennoch springen Sie und das ITCF nun auf diesen Zug. Mit Verlaub, dafür kann es an sich nur zwei Gründe geben: Sie sind dem Fakt gegenüber ignorant. Oder aber sie streben ein presseähnliches Konstrukt an und stellen sich die Zukunft genau so vor: Das alles, was ich und die vielen anderen nicht explizit als MAIL deklarieren von Ihnen als Inhaltlich verantwortlich betrachtet wird - mit allen Konsequenzen der Entmündig der letzlich Millionen Autoren im Meta-Netz. Das Eine wie das Andere erscheint mir bekämpfenswert."

An die Kunden von angeschlossenen Providern:

"... liebe Kunden der deutschen Möchtegern-Zensoren, aufgrund vorübergehender Schwierigkeiten ist der WWW-Server des niederländischen Providers XS4ALL ... über Ihren Netz-Zugang derzeit nicht direkt erreichbar. Aber selbstverständlich stellt Ihr Provider Ihnen diverse Möglichkeiten zur Verfügung, mit denen Sie dennoch auf diesen Server zugreifen können (und wenn er selbst das nicht weiß, sollte er vielleicht doch lieber Gebrauchtwagen verkaufen). Eine kleine Auswahl dieser Möglichkeiten: ... Eine klick-bare Version ... dieser Anleitung finden Sie im WWW. ... http://www.c2.net/~um/zensur.html"