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Hamburg: Kein Ersatzgrundstück – Kein Grund umzuziehen!

Kein Ersatzgrundstück – Kein Grund umzuziehen!

Zur bevorstehenden Räumung des Wagenplatzes Wendebecken: Am 1. September diesen Jahres will der SPD/GAL–Bezirk Hamburg-Nord das Wendebecken in Barmbek räumen. Ein Ersatzgelände wurde uns zu keinem Zeitpunkt angeboten. Begründet wird die Räumungsabsicht mit dem Auslaufen des Nutzungsvertrags für das Gelände und der geplanten Errichtung einer Grünanlage. Da wir uns aber nicht in Luft auflösen können und wollen: kommt und unterstützt uns Ende August!

Seit unserem letzten Gespräch mit VertreterInnen des Bezirks im Februar diesen Jahres hat sich deren Vorstellung von der Zukunft des Platzes nicht geändert: Fünf von uns „dürfen“ mit ihren Wagen auf Borribles, den anderen Wagenplatz in Barmbek, ziehen; die restlichen 12 sollen still in Wohnungen verschwinden. Das großzügige Angebot, „zeitweilig“ die Existenz zweier Rest-/Wagenplätze auf einem Gelände zu tolerieren „steht unter dem Vorbehalt einer Gesamtlösung (...), zu der auch gehört, dass die restlichen BewohnerInnen den Platz (das Wendebecken) fristgerecht räumen.“ (aus einem Brief des Bezirksamts an das Wendebecken) Die Suche nach einem Ersatzgrundstück für alle 20 Wagen wurde von vornherein mit dem Verweis auf ein „leider“ für Nord geltendes Bürgerbegehren gegen neue Bauwagenplätze abgelehnt. Juristisch ist es so, dass Bürgerbegehren grundsätzlich nicht in gesetzlich geregelte Fragen und Bereiche eingreifen dürfen. Da es in Hamburg das „Wohnwagengesetz“ gibt und ein Bürgerbegehren gegen neue Bauwagenplätze also in einen gesetzlich geregelten Bereich eingreift, wäre es dem Bezirk möglich, es juristisch anzufechten.
Bezüglich eines Ersatzgeländes für das Wendebecken in Nord hat der Bezirk also durchaus mehr Handlungsspielraum, als er nach außen vermittelt. Auch die Frage, ob ein solches Ersatzgelände gleichbedeutend mit einem neuen Platz wäre, ist noch nicht geklärt. Seitdem wir dem Bezirk in einem Brief mitgeteilt haben, dass wir weiterhin im Wagen zusammen wohnen wollen und deshalb Wohnungen für uns nicht in Betracht kommen, hat es trotz Bemühungen unsererseits keine weiteren gemeinsamen Gespräche gegeben. In einem Schreiben an unsere Anwältin wurde allerdings noch einmal betont, dass an der Räumungsabsicht festgehalten wird.

Und die Anderen: Auch wenn es zunächst so scheint, hat sich an der Linie des Senats, bis 2006 alle Wagenplätze räumen zu lassen, bislang nichts geändert. Zwar laufen gerade Verhandlungen über einen Vertrag für den Wagenplatz Henriette – jedoch nur für einen Zeitraum von 18 Monaten, der – rückwirkend - am ersten April `04 beginnen soll. In den Koalitionsverträgen von CDU und GAL in Altona steht, dass die Verträge der Wagenplätze Gaußstraße und Rondenbarg verlängert werden sollen, allerdings nur, solange es für die Gelände keine anderen Nutzungskonzepte gibt. Über die Dauer der Verlängerung ist ebenfalls noch nichts bekannt und nicht zuletzt wurde den BewohnerInnen der beiden Plätze bezüglich dieser neuen Möglichkeit bisher noch gar nichts mitgeteilt.
Genauso wenig wurde es vom Senat für nötig befunden, auf einen Brief zu antworten, in dem wir unsere Forderung nach einem Ersatzgelände mitteilten. Inzwischen ebenfalls vollständig ignoriert werden die in den letzten Jahren geräumten Plätze. Von den im Jahr 2001 geräumten drei Plätzen Schützenstraße, Paciusweg und Bambule hat keiner je ein Ersatzgelände erhalten. Seit Jahren wird die tatsächliche Anzahl von Stellplätzen für Wagen und Lkw kontinuierlich reduziert. Der Platz wird für Leute, die in Hamburg im Bauwagen wollen zunehmend enger. Aus all dem wird deutlich, dass nach wie vor Wohnen im Wagen nicht dauerhaft geduldet wird. Kurzfristige Zugeständnisse, wie die Aussetzung der Räumung der Henriette, werden lediglich aus taktischen Gründen gemacht.

Gemeint sind wir alle: Der Konflikt um die Bauwagenplätze ist nur einer von vielen, die durch die zunehmend restriktive Politik des Hamburger Senats aufbrechen. Es wird heftig gekürzt, geschlossen, geräumt und umstrukturiert. Umstritten ist beispielsweise die neue Kita- Verordnung, die massive Verschlechterungen in der Kinderbetreuungsarbeit mit sich bringen wird. Von Kürzungen betroffen sind auch die Hamburger Frauenprojekte. Im Rahmen des 150- Millionen-Euro Sparprogramms wird von der Behörde für Bildung & Sport der komplette Frauentitel gestrichen. Für vier Projekte bedeutet dass das sofortige Aus. Außerdem soll zum Ende des Jahres das erste HH Frauenhaus geschlossen werden. Begründet wurden die Kürzungen vor einiger Zeit lapidar mit „vollendeter Gleichstellung“. Dass sich die Hamburger Regierung steigender Abschiebezahlen rühmt, ist nicht neu und so erscheint es auch nur konsequent, dass die Hamburger Innenbehörde, als eine der ersten bundesweit, Afghanistan als sicheres „Rückreiseland“ für hier lebende Flüchtlinge erkannt und mit den Vorbereitungen für massenhafte Abschiebungen begonnen hat. Selbstverständlich wird in der Stadt auch umstrukturiert und „modernisiert“. Deutlich wird dies an den hier nur stellvertretend genannten Punkten: dem geplanten Verkauf des Wasserturms im Schanzenpark, der Schließung des Druckraums Fixstern im Schanzenviertel, sowie an den dort stark ansteigenden Mietpreisen, der Schließung der HWP und der Enteignung von Landwirten und Obstbauern im Alten Land zugunsten einer weiteren Rollbahn für das dort ansässige Airbuswerk. Doch allerorts regt sich Unmut. Über 500 Menschen verhinderten eine Ausschusssitzung zur Kita-Politik, in der Innenstadt laufen Aktionen gegen die Kürzungen bei Frauenprojekten, diverse Demos sprachen sich für den Erhalt des Schanzenparks in der jetzigen Form aus. Für uns reiht sich die Räumung der Wagenplätze in den allgemeinen Sozialabbau-Trend ein. Das konsequente Einsparen nach Möglichkeit aller Sozialausgaben, das mit der geschürten Krisenstimmung, mit einem „wir können uns das nicht mehr leisten“ legitimiert wird, geht einher mit der Zerstörung von Schutz- und Freiräumen. Wagenplätze stellen für uns einen solchen Raum dar.

Vorwärts: Am 21. August werden wir deshalb zum tausendsten Mal gegen die Hamburger Regierung und vor allem für Wagenplätze demonstrieren. Die Auftaktkundgebung findet ab 15.00 Uhr auf dem Hachmannplatz am Hamburger Hauptbahnhof statt. Knapp eine Woche später, ab dem 27.08. richten wir dann in der Stadt die ersten open-end Aktionstage rund um die Räumung des Wendebeckens aus. Zentrales Ziel soll sein, die Räumung zu verhindern, daneben wollen wir aber versuchen, zusammen mit anderen Initiativen und Gruppen in andere soziale Konflikte zu intervenieren. Geboten wird: Aktionen, Spaß und ein echtes Räumungsszenario.
Gesucht werden Menschen (und Fahrzeuge; bewohnt, zum ziehen oder...) mit Hang zum Aktionismus, mit Ideen, einem Händchen für Basteleien mit Schrott, Begeisterung für gute Küche, denen das Wort Selbstorganisation kein ganz fremdes ist und die unsere (persönliche) Abneigung gegen Homo- und Transphobie teilen.
Kommt und unterstützt uns!

29.Juli Infoveranstaltung um 19.30 Uhr in der roten Flora
21.08. bundesweite Demonstration, 15.00 Uhr Hachmannplatz
ab dem 27.08. open-end Aktionstage rund um das Wendebecken
28.08. Schanzenfest und abends Wagenplatzsoliparty in der roten Flora
31.08. letzter Tag des Wendebeckens unter Vertrag

weitere Informationen unter: www.wendebecken.org

 

29.07.2004
Wagen-Soli-Plenum   [Aktuelles zum Thema: Soziale Kämpfe]  Zurück zur Übersicht

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