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Genua -- Aubonne -- Göteborg

Gipfelinfo - Meldungen über globalisierte Solidarität
und die Proteste gegen unsolidarische Globalisierung
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- Genua-Verfahren Das GLF zieht in die Schlacht
- Zusammenfassung zum Thema: Wie verläuft ein Gerichtsverfahren in Italien?
- Rekonstruktion der Ereignisse vom 21. Juli 2001 in den Schulen Diaz, Pascoli
und Pertini
- Vorverhandlungen im Diaz-Prozess: Der Stand der Ermittlungen
- Die Wahre Geschichte der Blitzaktion in der Diaz-Schule
- Ein Messerstich, nein, jetzt, wo ich mir das genau überlege, waren es zwei...
- Aubonne Kampagne fuer Gerechtigkeit: der Kampf geht weiter
- Eurotop Göteborg: Maarten aus Amsterdam darf ausgeliefert werden
- Einladung zum Vorbereitungstreffen für eine gemeinsame Demonstration wegen der
Repression in Genua

Die folgenden, umfangreichen Texte sind am 7.7.2004 auf indymedia.de
veröffentlicht worden. Sie geben ein gutes Bild über die Verfahren gegen die
Polizei vor dem Gericht in Genua.

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Genua-Verfahren Das GLF zieht in die Schlacht

Ungefähr Tausend Tage dauerten die Ermittlungen, die jetzt zu den drei großen
Prozessverfahren wegen dem G8 in Genua führen. Die Anwälte von den Geschädigten
in den erst jetzt anlaufenden Verfahren Diaz und Bolzaneto und von den
Protestteilnehmern, die wegen \"Verwüstung und Plünderung\" seit dem 2. März vor
Gericht stehen jetzt vor einer extremen Herausforderung, weil der inhaltliche
Umfang des Gerichtsstreits schier kolossal ist. Deswegen gibt es Neues vom Genoa
Legal Forum und von Indymedia Italien.

Die drei großen Verfahren wegen des G8 in Genua kommen allmählich ins Rollen.
Der Prozess gegen 25 Protestteilnehmer läuft seit dem 2. März und am 26. Juni
hat das Vorverfahren gegen 29 Polizisten wegen der Diaz-Schule begonnen. Hinzu
kommt das Verfahren wegen den Misshandlungen in der Kaserne Bolzaneto. Alle
Verfahren werden sehr schwierig und komplex verlaufen. Genua gilt als das
meistgefilmte und dokumentierte Protestereignis des 20. Jahrhunderts.
Filmmaterial spielt besonders im Prozess gegen die 25 Protestteilnehmer eine
Rolle:

Eine DVD soll die Schuld der Angeklagten beweisen. Das gute Stück ist das
Ergebnis der Auswertung von vielen Hundert Stunden Rohmaterial. Einzelne Szenen
und Standbilder wurden aneinandermontiert. Die Anwälte der Verteidigung
protestierten vehement gegen die Zulassung der DVD als Beweismittel, weil der
Kontext der vorgeführten Szenen nicht berücksichtigt werden kann und weil die
Collage eine konstruierte filmische Botschaft vermittelt, die eine andere ist
als die in ihr aneinandergeklebten Situationen im eigenen Zusammenhang, doch
wies der Richter dies ab.

In den Fällen Diaz und Bolzaneto wird Filmmaterial hingegen eine geringere Rolle
spielen, wohl aber verschiedene sonstige Dokumente, die vom Betroffenenbericht
bis zum medizinischen Attest gehen und bis zu den unendlich langen Mitschriften
der Befragungen von Angehörigen der Polizeien, die von der parlamentarischen
Untersuchungskommission durchgeführt wurden oder zu den Pressespiegeln zu
einzelnen Ereignissen und/oder Vorfällen.

Das hyperdokumentierte Ereignis schlägt sich auch als ein wahres
Informationsgewirr in den Verfahren nieder und wird eine riesige Herausforderung
für die Anwälte werden, die aus einer schier unüberschaubaren Flut an
Informationen alles herausfiltern können müssen, was zu immer wieder
unterschiedlichen Details, die in den Verfahren zur Sprache kommen werden wie
auch immer von Bedeutung ist.

Das Legal Team ist auf ein möglichst überschaubares Archiv angewiesen, um
einzelne Verhandlungsgegenständen anhand des eigenen Archivs zu prüfen,
beispielsweise um etwaige Falschbehauptungen zu widerlegen oder um den Kontext
eines Filmauszugs auszuwerten. Deshalb wird das gesamte, unvorstellbar
umfangreiche Archiv neu Organisiert, damit ein effizienterer Zugriff auf
wichtige Materialien möglich wird. Soeben wurde eine erste Dokumentation zum
Stand der Ermittlungen vor dem Auftakt des Diaz-Vorfahrens für die
Öffentlichkeit fertiggestellt. Ein Blick in die Texte kann helfen, sich vor
Augen zu führen, wie kompliziert das Verfahren wohl ausfallen wird. Eine
Dokumentation zum Verfahren gegen die Prozessteilnehmer ist erst in einigen
Wochen möglich, aber es kann jetzt schon gesagt werden, dass hier der Aufwand
noch größer und der Gerichtsstreit noch schwieriger wird, wegen der unzähligen
Fotografien und Filmausschnitte, die man einbeziehen wird.

Damit die Arbeit geschafft werden kann, unterstützen nun Freiwillige das Legal
Team. In den nächsten Monaten werden sie sich in Vollzeit dieser Aufgabe widmen.
Damit Kost und Logis für die Freiwilligen und die nötige Ausstattung für die
Umorganisierung des Archivs angeschafft werden kann, wurde eine Kampagne
gestartet. Spenden sowie professionelle Übersetzung von in den Fällen Diaz und
Bolzaneto durchaus vorkommenden ausländischen Sprachen werden dringend
gebraucht. Die Verfahren werden Jahre dauern und ein harter Kampf werden.
Während die Protestteilnehmer mitunter sehr ernsthaft 8 bis 15 Jahre Haft
riskieren, könnten Beschuldigte aus den Verfahren gegen Polizeibeamte recht
glimpflich davon kommen.

Informationen sind auch in Deutscher Sprache [1] [2] [3] auf Indymedia Italy
zu finden.


Das Genoa Legal Forum hat zum Stand der Dinge heute folgende Pressemitteilung
herausgegeben:


Jetzt ist es so weit.

Die Verfahren in Genua haben begonnen oder stehen kurz davor zu beginnen. Alle
sind sie schwierige und komplexe Verfahren. Wie wir erwarteten - und sogar viel
mehr als das - befinden wir uns in der Situation, dass wir für die Arbeit im
Gerichtssaal eine unendliche Masse von papiernen Unterlagen, Videos und Fotos
studieren, austauschen und organisieren müssen. Eine gigantische Arbeit, die
zusätzlich erschwert wird, weil wir uns einen Gesamtüberblick über die
Ereignisse im Juli 2001 und über die inneren Zusammenhänge zwischen den selben
verschaffen müssen, um den Sinn von all dem womit wir uns befassen werden
verstehen zu können. Es handelt sich zudem um eine Aufgabe, die nach effizienten
und tiefgreifenden Synergien zwischen unterschiedlichen Kompetenzen und
Techniken verlangt. Von den rein juristischen bis hin zur Informatik oder zur
Fähigkeit, das filmische und fotografische Material zu studieren und zu
verarbeiten. In dieser Situation, die uns hätte überrollen können oder aber uns
hätte daran hindern können, alle AktivistInnen (sowohl jene, die beim G8 Opfer
von körperlicher Repression als auch jene, denen der Prozess als Verwüster
gemacht wird) auf die bestmögliche Weise zu verteidigen, unterstütze uns in
diesen Jahren unser technisches Sekretariat. Heute hat dieses Sekretariat
glücklicherweise einige Freiwillige dazu gewonnen (die vom Komitee Veritá e
Giustizia per Genova - Wahrheit und Gerechtigkeit für Genua eine
Aufwandsentschädigung erhalten) und weitere mehr, die ebenfalls als Freiwillige
von Indymedia in Genua abgestellt werden, um die Auswertung und Verarbeitung des
Videomaterials zu gewährleisten.

Darüber hinaus erlaubt uns die Einbeziehung des Indymedia-Netwerkes alle beinahe
in Echtzeit zu informieren, auch die Aktivisten und ausländischen Gruppen, die
von den Ereignissen in Genua Betroffen sind, durch eine fundamentale
Dokumentations- und Übersetzungsarbeit über das, was sich täglich in den
Verfahren ereignen wird. Ohne die Einbeziehung von diesen Menschen, die ihre
Häuser und persönlichen Beschäftigungen hinter sich gelassen haben, um sich
wenigstens über die ersten Monate hinweg in Genua niederzulassen, währen wir nie
in der Lage, unsere Arbeit auf die bestmögliche Weise zu machen. Uns bleibt
nicht anderes, als das zu nutzen, auf dass es uns möglich wird, unsere
Pflicht/unseren Willen als Anwälte zu tun, und euch alle zu bitten, euch mit
allen notwendigen Mitteln an dieser Arbeit zu beteiligen!

Für Spenden zur Unterstützung der juristischen Beistandsarbeit:

Conto Corrente Bancario (Girokonto): 61359/80, Kontoinhaber: Don Balletto

Banca (Bank) Carige sede centrale (Zentralsitz) - ABI 06175 - CAB 01400

Internationale Koordinaten:

swift code CRGEITGG040 iban IT45 H061 7501 4000 0000 6135 980

Verwendungszweck (bitte unbedingt angeben):

sottoscrizione da devolvere alla campagna internazionale indymedia per il genoa
legal forum (Spenden für die internationale Indymedia kampagne für das Genoa
Legal Forum)

paypal account:  donate-glf@indymedia.org


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Zusammenfassung zum Thema: Wie verläuft ein Gerichtsverfahren in Italien?

Das Gerichtsverfahren beginnt in Italien mit einer so genannten \"Notizia di
reato\", also mit einer \"Anzeige einer Straftat\", welche entweder durch die
\"Polizia giudiziaria\" (Justizpolizei) oder durch eine Klage oder Beschwerde
von Privatbürgern an den Staatsanwalt getragen wird.

Von dem Augenblick an, in dem die Person, welche Gegenstand von Ermittlungen
wird in das Register der \"Notizie di Reato\" (Anzeigenregister) aufgenommen
wird, gilt für den Staatsanwalt eine Ermittlungsfrist, die, je nach Schwere der
Straftat, zwischen sechs Monaten und einem Jahr betragen kann. Diese Frist kann
verlängert werden, wenn die Ermittlungen sich als besonders komplex erweisen
oder wenn sie teilweise im Ausland durchgeführt werden müssen oder wenn der
Staatsanwalt in die objektive Situation gerät, die Ermittlungen nicht
fristgerecht abschließen zu können.

Die äußerste Frist beträgt in jedem Fall 18 Monate oder zwei Jahre wenn die
Straftaten besonders schwerwiegend wird.

Die Ermittlungen können mittels allen Methoden der Beweissuche geführt werden,
zum Beispiel kann die Beweissuche durch Abhörmaßnahmen, Durchsuchungen,
Zeugenaussagen, Beschlagnahmen, Gutachten usw. erfolgen.

Im Laufe der Ermittlungen kann sich auch zutragen, dass ein Beweis schon vor dem
Gerichtsstreit als gerichtsverfahreneigener Beweis aufgenommen wird, weil er zu
einem späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich sein könnte, etwa wenn ein Zeuge im
Sterben liegt oder wenn ein Gutachten über einen verderblichen Gegenstand
erstellt werden muss. In solchen Fällen können der Staatsanwalt oder die
Verteidigung beantragen, dass mittels eines so genannten \"Incidente
probatorio\" (Zwischenbeweisaufnahme) eine vorgezogene Beweisaufnahme
vorgenommen wird. Es handelt sich dabei um eine regelrechte Vorwegnahme des
Gerichtsstreits, weil der Beweis (der im Laufe der eigentlichen
Gerichtsverhandlung nicht mehr nachträglich aufgenommen und diskutiert werden
kann) unter Wahrung der Gewährleistungsvorgaben im gerichtlichen Disput vor dem
eigentlichen Gerichtsstreit aufgenommen wird. Das bedeutet, dass vor Beginn des
eigentlichen Gerichtsverfahrens eine regelrechte gerichtliche Verhandlung in
Anwesenheit von sämtlichen Parteien stattfindet (Voruntersuchungsrichter,
Staatsanwalt, Verteidigung des Beschuldigten und Vertreter der Geschädigten
Parteien).

Die Audienz zur Durchführung einer Zwischenbeweisaufnahme findet vor dem Richter
für die Voruntersuchungen (GIP - Giudice per le Indagini Preliminari) statt, der
als Richter für die Voruntersuchungen im Ermittlungsverfahren tätig ist und sich
mit sämtlichen Akten der Staatsanwaltschaft befasst, die von einem dritten
Richter geprüft werden müssen (Durchsuchungen, Beschlagnahmen, Haftbestätigungen
u.a.).

Wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind, kann das Verfahren auf zwei
verschiedene und entgegensetzte Weisen zu Ergebnissen kommen:

1) Der Staatsanwalt kommt zum Schluss, dass er keine ausreichenden Beweise
zusammentragen konnte, um die Anklage vor Gericht zu vertreten (oder er kommt
zum Schluss, dass der Beschuldigte unschuldig ist...) und beantragt die
Einstellung des Verfahrens beim Untersuchungsrichter, der zustimmen oder die
Staatsanwaltschaft mit neuen Ermittlungen beauftragen kann (besonders wenn die
geschädigte Partei vom Recht auf Widerspruch gegen die Einstellung des
Verfahrens Gebrauch macht);

2) Der Staatsanwalt ist im Gegenteil zu (1) der Meinung, dass er über
ausreichende Elemente verfügt, um die Anklage vor Gericht zu vertreten und
beantragt beim Richter für die Voruntersuchungen die Zulassung des
Gerichtsverfahrens. Wenn das Verfahren aufgrund von minder schweren Straftaten
erfolgt und einem einzelnen Richter obliegt, erlässt der Richter einen
Beschluss, der das Gerichtsverfahren anordnet, wodurch es zum Prozessbeginn
kommt. Wenn hingegen wegen schwerwiegenderen Straftaten vorgegangen wird, die
dem Kollegialrichter obliegen (Ein Richter, der Teil eines Richterkollegiums
ist), legt der Richter für die Voruntersuchungen (GIP) die Vorverhandlung fest,
die vor dem gleichnamigen Richter für die Vorverhandlungen (GUP - Richter für
die Vorverhandlung) stattfindet und ein anderer als der Erste ist, weil er nicht
im Voraus die Verfahrensakten kennen darf. Im Laufe der Vorverhandlungen
präsentiert der Staatsanwalt die ermittelten Beweise, die er für tauglich und
ausreichend hält, um die Anklage vor Gericht zu vertreten, die Verteidigung kann
widersprechen. Der Richter für die Vorverhandlungen (GUP) entscheidet NICHT über
die Schuld oder die Unschuld des Angeklagten, sondern LEDIGLICH über die
Tauglichkeit der Beweise, die von der Anklage zusammengetragen wurden, um den
Prozess so zu führen, dass eine realistischen Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass
es zu einer Verurteilung kommen kann. Wenn der Richter für die Vorverhandlungen
(GUP) nicht zur Ansicht gelangt, dass die vom Staatsanwalt angeführten Elemente
ausreichend sind, verkündet er in einem Urteil, dass die Grundlagen für die
Durchführung eines Gerichtsverfahrens nicht gegeben sind. Wenn der Richter für
die Vorverhandlungen aber entscheidet - wie es fast immer der Fall ist - dass
der Staatsanwalt ausreichende Elemente besitzt, um die Anklage im
Gerichtsverfahren zu vertreten, legt er die Eröffnungsverhandlung des
Gerichtsverfahrens vor dem zuständigen Kollegium fest.

3) Während der Vorverhandlung kann der Angeklagte alternative Verfahrensformen
wie etwa die gütliche Einigung oder das beschleunigte Verfahren beantragen Erst
jetzt beginnt das eigentliche Gerichtsverfahren.

Die beiden Parteien (Anklage und Verteidigung) müssen mindestens 7 Tage vor
Prozessbeginn die Zeugenlisten vorlegen. Die Nichteinhaltung dieser Frist führt
zum Verfall der Zulässigkeit der in zu spät hinterlegten Listen angeführten
Zeugen. Weitere Zeugen können im Laufe des Verfahrens geladen werden, allerdings
nur zum Beweis des Gegenteils in einer konkreten Angelegenheit, in Zusammenhang
mit der es zur Anhörung von Zeugen der gegnerischen Seite kommen muss oder wenn
der Richter die Anhörung derselben am Schluss des Verfahrens zum Zweck seiner
Urteilsbildung für unerlässlich hält.
Die Verhandlung wird mit der Prüfung der Regelmäßigkeit der Parteienbildung im
Gerichtsverfahren (Staatsanwaltschaft, Verteidigung, Geschädigte) und von
weiteren Voraussetzungen (Kompetenz der Richter usw.) eröffnet.

Daraufhin beginnt mit der Zusammenstellung der Verfahrensakte der
Gerichtsstreit. Das richterliche Kollegium muss nämlich per Gesetz
\"jungfräulich\" sein, d.h., es darf keinerlei vorherige Kenntnis der
Ermittlungsakten zum Verfahren besitzen. Zu den Gerichtsakten werden folglich
und per Gesetz nur die nicht wiederholbaren Akten genommen werden
(Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Verhandlungen im Rahmen einer
Zwischenbeweisaufnahme) und jene, die von den Parteien eingereicht werden,
sofern die Zustimmung der gegnerischen Partei vorliegt. Daraufhin beginnt die
Anhörung der Zeugen der Anklage, dann die Anhörung der Zeugen der Verteidigung
und dann, so diese es wünschen, die Anhörung der Angeklagten.

Die Anhörung der Zeugen findet wie folgt statt: die Fragen werden zuerst von der
Partei gestellt, welche den Zeugen geladen hat und dann von der gegnerischen
Partei oder von weiteren Parteien im Gerichtsverfahren (Nebenkläger).

Weitere Beweismittel, die Eingang im Verfahren finden und von den beiden
Parteien stammen, können Dokumente verschiedener Art sein (schriftliche
Dokumente, Videos und Fotografien) oder Gutachten und die Anhörung von
Sachverständigen der Parteien sein.

Am Ende des Gerichtsstreits verkündet der Richter (der ein Einzelrichter oder
ein Kollegialrichter sein kann) ein Urteil, das entweder einen Frei- oder einen
Schuldspruch für den Angeklagten beinhaltet.

Gegen das Urteil ersten Grades kann Widerspruch beim Appellgerichtshof erhoben
werden und gegen das Urteil des Appellhofs kann beim Kassationshof Widerspruch
erhoben werden.


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Rekonstruktion der Ereignisse vom 21. Juli 2001 in den Schulen Diaz, Pascoli und
Pertini

Der Schulkomplex Pascoli-Diaz-Pertini besteht aus zwei Gebäuden. (Über die drei
Namen hat immer eine große Verwirrung geherrscht, der Bequemlichkeit halber wird
die Schule, die als Schlafstätte benutzt wurde die Diaz-Schule genannt und jene,
in der das Medienzentrum untergebracht war Pascoli Schule).

Zum besagten Schulkomplex gehören also drei Schulen, die im Juli 2001 dem Genua
Social Forum zugewiesen wurden. Es sollten dort ein Medienzentrum, ein
Kommunikationszentrum und ein Trainingszentrum eingerichtet werden, letzteres
sollte verschiedenen Gruppen zur Durchführung von Vorbereitungstrainings für die
Kundgebung und Aktionen dienen und funktionierte auch als Schlafstätte (auch
wenn es sich hierbei um eine unregelmäßige Verwendung handelte, die zustande
kam, ohne dass es irgend möglich gewesen wäre, das zu verhindern).

In der Pascoli Schule waren über vier Etagen verteilt ein Presseraum und eine
Turnhalle und Erste Hilfe Stelle im Parterre, ein Raum für juristische und
medizinische Unterstützung und die Kommunikationsbüros des GSF im ersten Stock,
die alternativen Medien im zweiten Stock, Indymedia im Dritten und einige
Sekretariatseinrichtungen wie Kopiergeräte und so weiter im Vierten, von welchen
aus direkter Zugang zur Terrasse möglich war.

In der Diaz Schule war die Turnhalle für Trainings vorgesehen, ein kleiner
Korridor und eine kleine Kammer rechts vom Eingang dienten als öffentlich
zugänglicher Internetraum. Die Schule wurde schnell auch eine Schlafstätte für
Demonstranten die andernorts keine Übernachtungsmöglichkeit gefunden hatten.

In der Woche schmissen Dutzende Hacker und Medienaktivisten den Laden und
ermöglichten es so Medienmachern aller Art das, was in Genua geschah zu
erzählen.

Am Abend vom Samstag, den 21. Juli als zahlreiche Demonstranten, die in der
Diaz-Schule übernachteten bereits im Begriff waren zu entscheiden, ob sie noch
am selben heimkehren sollten, erschienen einige Polizeigruppen auf dem kleinen
Platz oberhalb der Via Cesare Battisti (Die Straße, in der sich die beiden
Schulen befinden).

Die Polizei startet im Marschschritt und stürmt sowohl die Diaz als auch die
Pascoli Schule. Während des Marsches bleibt ein Medienaktivist zwischen beiden
Schulen stecken, der blutig halb tot geschlagen und lebensgefährlich verletzt
auf der Straße zurückgelassen wird.

Wenn die stürmische Gewalt der Polizisten in der Pascoli Schule beinahe sofort
abebbte, nachdem sie sich außer auf Demonstranten, wenn auch gegen diese eher in
beschränktem Maße, auf den Rechnern der Anwälte, Ärzte und Medienaktivisten
entladen hatte, findet in der Diaz-Schule ein Gemetzel statt.

Die Nachricht macht schnell die Runden und die Straße vor den Schulen bevölkert
sich mit Journalisten, bis sich die Polizei aus der Pascoli und aus der Diaz
Schule zurückzieht.

Beim Rückzug aus der Diaz-Schule verhaftet die Polizei alle 93 Anwesenden
(Abzüglich derer, denen es auf wundersame weise gelang, zu flüchten). Das, nicht
bevor Dutzende verletzt und drei in außerordentlich schwerem Zustand
zurückgelassen wurden, von denen einer im Sterben lag.

Stundenlang dauert der Abtransport der Rettungsliegen und die Überführung der
Menschen, die in der Diaz Schule waren, in Gefangenentransportern, während der
Chor der Menschen, die draußen stehen Assassini, assassini ruft, besonders dann,
als die Ordnungskräfte einen schwarzen Sack mit dem gesamten beschlagnahmten
Material hinausbefördern, der mit einem Leichensack verwechselt wird.

Als es schon späte Nacht ist, ziehen sich die Ordnungskräfte zurück. Sie halten
eine Pressekonferenz in der sie die 93 bezichtigen, Teil einer internationalen
Organisation zu sein, die sich Verwüstung und Plünderung zum Ziel setzt und sie
behaupten, dass sie von bewaffneter Hand angegriffen worden seien und
gefährliche Waffen im Inneren der Schule gefunden hätten.

Binnen kürzester Zeit werden sich viele von diesen Behauptungen als falsch
erweisen. Der Fund zweier Brandflaschen und das versuchte Abstechen eines
Polizisten werden sich erst zwei Jahre später als nachweisliche Fälschung
herausstellen.


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Vorverhandlungen im Diaz-Prozess: Der Stand der Ermittlungen

Die historische Wahrheit steht im wesentlichen schon geschrieben.
Der Überfall auf die Diaz-Schule wurde am Abend des 21. Juli 2001 nach zwei
Tagen der Auseinandersetzungen, bei denen es einen Toten, Hunderte Verletzte und
wenige Verhaftungen gab, im Büro des Polizeipräsidenten Colucci bei einer
Besprechung auf den höchsten Ebenen der beim G8 in Genua anwesenden
Polizeispitzen beschlossen.

Vorsitzender der Versammlung war der mittlerweile verstorbene Präfekt (dem Amt
entspricht in Deutschland der eines Innensenators) Arnaldo La Barbera, Chef der
Präventionspolizei, der an jenem Nachmittag aus Rom angereist war. Anwesend
waren außer ihm Gratteri, Chef der Spezialgruppe SCO, sein Vize Calderozzi, der
stellvertretende Polizeipräsident von Bologna Murgolo, der Chef der genuesischen
DIGOS (politische Polizei) Mortola und ab 22,30 auch der Chef der römischen
Bereitschaftspolizei Canterini, allesamt Polizeifunktionäre, die man in der
Schule wiederfinden wird: Grünes Licht gab der oberste Chef der italienischen
Staatspolizei Gianni De Gennaro per Telefon.

Viel mehr als eine Durchsuchung, die man in Wirklichkeit nicht durchführte,
wurde eine Razzia beschlossen: angesichts von einer katastrophalen Bilanz der
Öffentlichen Ordnung hatten sie wohl die Absicht, so viele Verhaftungen wie
möglich durchzuführen. Es ist bekannt, dass der Vizechef der Polizei Ansoino
Andreassi Bedenken äußerte und dass er nicht an der operativen Besprechung Teil
nahm - wobei er dadurch, dass De Gennaro La Barbera nach Genua geschickt hatte,
praktisch nicht länger wirklich \"im Vertrauen\" stand. Es bleibt zu klären,
weshalb die 70 Männer der (mittlerweile aufgelösten) Spezialgruppe NOCS der
römischen Bereitschaftspolizei eingesetzt wurden und was wirklich hinter der
unerhörten Brutalität des Überfalls gesteckt hat, an dem sich zusätzlich noch
Dutzende weitere, zu anderen Einheiten gehörende Polizeibeamte in Uniform wie in
Zivil beteiligten.

Die offiziell mit einem angeblichen Steinhagel gegen ein Konvoi aus vier
Polizeiautos (zwei offizielle und zwei \"zivile\") begründete Operation endete
mit 61 Verletzten von 93 in der Schule angetroffenen Protestteilnehmern. Die
meisten von ihnen schliefen, als es geschah. Laut Begründung in der Anordnung
der Einstellung der gegen sie eingeleiteten Verfahren - leisteten sie entgegen
den Behauptungen der Polizei keinerlei nennenswerten Widerstand, abgesehen vom
Verschließen der Eingangstore zum Hof und zum Gebäude. Alle 93 wurden in jener
Nacht auf der Grundlage von Beschlagnahmeprotokollen wegen der Bildung einer
kriminellen Vereinigung zum Zweck der Verwüstung und Plünderung verhaftet. Diese
Beschlagnahmeprotokolle attestierten die Auffindung von als Waffe tauglichen
Gegenständen und von zwei Brandflaschen, aber die genuesischen
Untersuchungsrichter beschlossen, die Haftbefehle nicht zu bestätigen.

DIE ANKLAGEPUNKTE:

Die am Samstag, den 26. Juni wegen den Prügelorgien und den gefälschten Beweisen
eröffneten Vorverhandlungen im Diaz-Verfahren lassen das Innenministerium beben.
Unter den 29 Beschuldigten sind Männer, die dem obersten Polizeichef äußerst
nahe stehen, wie etwa Francesco Gratteri, der genau zur rechten Zeit an die
Spitze der Antiterrorpolizei befördert wurde, um als Sieger über die neuen Roten
Brigaden zu glänzen, Gianni Luperi, Leiter der europäischen Task Force, die
gegen anarchistische Gruppen ermittelt, Gilberto Caldarozzi (ex Vize Gratteris
bei der Spezialeinheit SCO), Filippo Ferri (der von der BPA La Spezia in die
SoKo, die wegen der Ermordung des Arbeitsministerberaters Biagi ermittelt) und
Fabio Ciccimarra (der sich zusätzlich auch in Neapel wegen Gewalttaten gegen bei
OECD-Gipfelprotesten verhaftete Personen in der Kaserne Rainero vor Gericht
verantworten muss). Es handelt sich bei allen um leitende Beamte, die jeweils
Dutzenden von Beamten vorstehen und mit Ausnahme von Luperi kommen sie alle aus
der Welt der Bereitschaftspolizeien und der Kriminalitätsbekämpfung (allgemeine
und organisierte Kriminalität), angefangen bei Gratteri und bei De Gennaro
höchstpersönlich. Die Beschuldigten müssen sich hauptsächlich wegen
gemeinschaftlicher Falschbeurkundung im Amt in Verdeckungsabsicht und wegen
gemeinschaftlicher schweren Anschuldigung - ebenfalls in Verdeckungsabsicht - in
Zusammenhang mit der Molotow-Affäre verantworten - zusammen mit den weiteren
Unterzeichnern der Verhaftungs- und Beschlagnahmeprotokolle in der Diaz-Schule,
von Mortola bis zum stellvertretenden Polizeipräsidenten Massimiliano Di
Bernardini (von der Raubüberfallbekämpfungsgruppe der römischen
Bereitschaftspolizei) bis zum stellvertretenden Polizeipräsidenten Pietro
Troiani, der zusammen mit dem ehemaligen Polizeimeister Alberto Burgio zuletzt
die Flaschen bei sich hatte, bevor sie in die Hände der leitenden Beamten
gelangten, die eine Kamera, die wohl der Himmel geschickt hat, in dieser
Situation im Hof der Schule filmte.

Wegen der körperlichen Gewalt im Inneren der Diaz-Schule müssen sich Vincenzo
Canterini, Michelangelo Fournier (Vize Canterinis bei der römischen BPA) und
acht Zugführern (Fabrizio Basili, Ciro Tucci, Carlo Lucaroni, Emiliano Zaccaria,
Angelo Cenni, Fabrizio Ledoti, Pietro Stranieri und Vincenzo Compagnone) der
gemeinschaftlichen, gefährlichen Körperverletzung durch Tun oder Unterlassen
unter Einsatz von Waffen im Amt verantworten. Kombiniert man die Aussagen der
Verprügelten - die in einigen Fällen in der Lage gewesen sind, Uniformen wieder
zu erkennen - mit den Bilddokumenten und mit den Aussagen Gratteris vor der
parlamentarischen Kommission und mit den Einsatzberichten, stellt man fest, dass
die römischen Bereitschaftspolizisten, die der kurz vor dem G8 eingerichteten
Aufstandbekämpfungssondereinheit angehörten als erste eintraten, aber dass sich
auch Dutzende weitere Polizisten in Uniform und in Zivil beteiligten, die nie
identifiziert wurden. Deswegen hat die Staatsanwaltschaft die Einstellung des
Verfahrens gegen die einfachen Mitglieder der Truppe Canterinis beantragt.

Einer von ihnen, Massimo Nucera, ist wegen Falschbeurkundung im Amt und wegen
schwerer Anschuldigung angeklagt, weil er behauptet hatte, dass ihm ein nicht
identifizierter Insasse der Schule bei der Operation einen Messerstich versetzt
habe.

Eine letzte Gruppe von leitenden und einfachen Beamten muss sich wegen
willkürlicher Durchsuchung von Personen, Hausfriedensbruch im Amt in
Verdeckungsabsicht, gemeinschaftlicher Sachbeschädigung durch Tun oder
Unterlassen mit Gewalt oder Drohung gegen Personen unter Missbrauch der
Befugnisse, die mit einem öffentlichen Amt verbunden sind, wegen
gemeinschaftlicher Amtsunterschlagung durch Tun oder Unterlassen und wegen
Körperverletzung verantworten, weil sie in die gegenüber von der Diaz liegende
Pascoli Schule einbrachen, wo das Medienzentrum des Genoa Social Forum
untergebracht war. Zerstörte Computer, entwendete Festplatten, beschlagnahmtes
Material. Die Angeklagten sind Salvatore Gava, Chef der Bereitschaftspolizei
Nuoros, (Stadt auf Sardinien), der Neapolitaner Alfredo Fabbroncini und der
römische Bereitschaftspolizist Luigi Fazio, der auch beschuldigt wird, einen
jungen Deutschen verprügelt zu haben. Während der Anhörung vor der
Parlamentarischen Kommission, die im Sommer 2001 eine Rekonstruktion der
Vorgänge versuchte, hatte Gratteri di Verantwortung für das, was in der Pascoli
Schule geschehen war übernommen, weil er es gewesen ist, der den Befehl gab,
auch dort zu durchsuchen.

DIE ERMITTLUNGEN

Die Untersuchungen über die Durchsuchung in der Diaz Schule wurden eingeleitet,
als sich die genuesischen Untersuchungsrichter nach Anhörung der Verhafteten
weigerten, Haftbefehle gegen diese zu erlassen und die Akten bei der
Staatsanwaltschaft zu hinterlegen. In der Zwischenzeit war De Gennaro gezwungen
gewesen, drei Sonderermittler zur Durchführung von ebenso schnellen internen
Ermittlungen zu nominieren: eine wegen der Gewalt in den Straßen, eine wegen den
Misshandlungen in der Kaserne von Bolzaneto und eine wegen der Diaz-Schule - die
dem damaligen Polizeipräsidenten Giuseppe Micalizio (heute Präfekt) anvertraut
wurde. In wenigen Tagen kam Micalizio zum Schluss, dass die Operation schlecht
organisiert worden sei und dass sich tatsächlich nicht zu rechtfertigende
Gewaltanwendungen ereignet hatten. Im Zuge von seinen Schlussfolgerungen werden
drei gewichtige Maßnahmen veranlasst. Der Vizepolizeichef Ansoino Andreassi, die
Nummer eins der Antiterrorpolizei Arnaldo La Barbera und der Polizeipräsident
Francesco Colucci - und damit praktisch all jene, die sich in jener Nacht gegen
die Bestürmung der Schule ausgesprochen hatten - wurden abgesetzt. Auch lag eine
Empfehlung vor, Canterini aus der Polizei zu entlassen. Unmittelbar danach
wurden De Gennaro, La Barbera, Gratteri und Canterini selbst von den
Parlamentariern des G8-Untersuchungskomitees angehört: daraus ergab sich nichts
oder fast nichts mehr als das, was auch die Staatsanwälte herausbekommen werden
- genug aber, um einen obersten Polizeichef in Schwierigkeiten, einen Gratteri,
der seinerseits absolut dezidiert die operativen Entscheidungen verteidigt und
einen La Barbera und ein Canterini zu erleben, die öffentlich aneinander
geraten, wobei der Erstere behauptet, von der Blitzaktion abgeraten zu haben,
ohne dass ihm Letzterer habe Gehör schenken wollen. \"Ich sagte ihm: `Lassen wir
es sein, denn es ist keine Sache´...\".

Bei der Staatsanwaltschaft hat es aber nicht gereicht, um sämtliche Beamte die
an der Blitzaktion beteiligt waren unter Anklage zu stellen. Anfänglich, im Juli
und August 2001, wird kein einziger in das Beschuldigtenregister eingetragen,
die Polizisten dürfen bestenfalls als Zeugen vernommen werden. Sofort beginnt
das Armdrücken zwischen dem vom Kollegen Francesco Lalla - der 2003 seinen Platz
einnehmen wird - unterstützten Oberstaatsanwalt Francesco Meloni, und den
stellvertretenden Staatsanwälten, die sich direkt mit dem Fall befassen, Enrico
Zucca und Francesco Pinto, zu denen Francesco Cardona Albini, Monica Parentini,
Stefania Petruziello und Vittorio Ranieri Miniati hinzukommen werden. Die
Polizei wird widerspenstig: bis heute existiert keine vollständige Liste der
knapp 300 Polizisten, die an der Razzia beteiligt waren. Bis zur Identifizierung
der vierzehn unterzeichner der Verhaftungs- und Beschlagnahmeprotokolle werden
Monate vergehen und eine der Unterschriften konnte bis heute nicht entziffert
werden, so dass lediglich 13 Verantwortliche bekannt sind. Einige Monate später
werden aber gegen Canterini und seine gesamte Einheit doch noch Ermittlungen
wegen Beihilfe zur Körperverletzung eingeleitet.

Zu einem nennenswerten Fortschritt kommt es im November 2001. Die Staatsanwälte
stellen fest, dass der Polizeipräsident von Gravina di Puglia (Provinz Bati,
Apulien) Pasquale Guaglione, der beim G8 im Dienst war, die Übergabe an
Polizeieinheiten von zwei Molotowflaschen gemeldet hatte, die von ihm während
den Straßenschlachten am späten Nachmittag des 21. Juli auf dem Corso Italia
aufgelesen wurden. Der gute Guaglione hatte dies in den Dienstbericht
geschrieben, es fehlte aber ein Protokoll über die Beschlagnahme der beiden
Bomben, die juristisch als Kriegswaffen eingestuft sind. Das Fehlen von jenem
Protokoll machte die Staatsanwälte Pinto und Zucca stutzig, woraufhin sie
beschlossen, bei der Staatsanwaltschaft Bari um Amtshilfe zur Vernehmung
Guagliones unter Verwendung eines kleinen ermittlerischen Tricks zu bitten. Dem
Beamten wurden die in der Diaz-Schule beschlagnahmten Flaschen gezeigt, ohne
deren Herkunft zu benennen. Man fragte ihn, ob es die Flaschen seien, die er auf
dem Corso Italia aufgefunden hatte. Guaglione erkannte sie sofort als
diejenigen, die sein Trupp entdeckt hatte, weil er sich an die Etiketten, welche
die von zwei bekannten Weinmarken waren erinnern konnte. Darüber hinaus gab
Guaglione den Staatsanwälten zu Protokoll, er habe sie nicht irgendeinem
Bereitschaftspolizisten übergeben, sondern dem hohen Beamten Valerio Donnini,
dem Schöpfer von jenem Aufstandsbekämpfungskommando, der die Schule enterte, der
in Genua oberster Befehlshaber von sämtlichen aufgestellten
Bereitschaftspolizeiabteilungen war. Im Laufe der Besprechung mit La Barbera am
Abend des 21. Juli rief der Polizeipräsident genau besagten Donnini an, um jenes
Kommando für das Entern der Schule zu mobilisieren. Die Molotows vom Corso
Italia, die einen Tag später in der Diaz-Schule in verleumderischer Absicht
vorgeführt wurden, waren am 20. Juli von Guaglione, der vergeblich seine
Vorgesetzten auf die Flaschen angesprochen hatte, um Anweisungen zu erhalten, im
Magnum-Jeep Donninis deponiert worden. Auf dem von Antonio Burgio gesteuerten
Jeep - mit an Bord war auch der stellvertretende Polizeipräsident Troiani -
kamen die beiden Brandflaschen in die Diaz-Schule. Die Staatsanwälte haben es
vom Fahrer erfahren, der den Jeep bereits am Vortag gesteuert hatte, als die
Flaschen auf dem Corso Italia in diesen abgelegt wurden. Der junge Mann hat für
die Tat, zu der er veranlasst wurde, Reue bekundet und ist deshalb aus der
Polizei ausgetreten, in welcher er sich andererseits bei weiterem Verbleib nie
vom Stempel des Verräters hätte befreien können.

Im Mai 2002 trifft bei den Staatsanwälten das Gutachten des RIS
(Kriminalwissenschaftliches Ermittlungsreferat der Carabinieri) über die Jacke
und die schusssichere Weste des Polizisten Nucera, der behauptet hatte, während
der Operation in der Diaz Schule von einem Demonstranten mit einem Messer
angegriffen worden zu sein. In dem vom Oberstleutnant Garofano unterzeichneten
Bericht ist auf Seite 16 zu lesen, dass \"die zum Versuch durchgeführten
Schnitttests im Gegensatz zu dem, was an den Asservaten festgestellt werden
konnte, ohne Ausnahme eine so gut wie perfekte Aneinanderreihung der Schnitte in
der Jacke und in der darunter liegenden Weste zum Ergebnis hatten.\" Im
Gegensatz zu diesen Erkenntnissen, schreiben die Carabinieri auf Seite 19,
\"erscheinen die Schnitte auf der Jacke als nicht in einer Reihe mit jenen auf
dem darunter liegenden Schulterschutz situiert. Es liegt daher eine
offensichtliche Inkompatibilität zwischen den Schnitten, die auf den
Kleidungsstücken vorhanden sind und jenen, die anhand von den Dynamiken, die
sich aus den Angaben des Nucera ableiten ließen im Testversuch produziert
wurden\".

Der Polizeimeister Nucera wird dann nichts anderes mehr tun können, als seine
Version zu ändern: am 7. Oktober 2002 wird er angeben, dass der Messerstich
nicht ein einziger gewesen war (wie er zuvor sehr deutlich erklärt hatte, zuerst
in einem Dienstvermerk und dann im Angesicht der Staatsanwälte, die ihn als
Geschädigten vernahmen), sondern dass es zwei waren. Aufgrund der Prozedur, die
für eine vorzeitige Beweisaufnahme (Incidente Probatorio) in das
Gerichtsverfahren vorgeschrieben ist, kam später ein weiteres Gutachten hinzu,
welches dem Richter Carlo Torre in Auftrag gegeben wurde, der bereits mit der
These, ein fliegender Putzbrocken habe das Projektil des Carabiniere Mario
Placanica umgelenkt und deformiert, für Verschleierung bei den Ermittlungen im
Mordfall Carlo Giuliani gesorgt hat. Nach Meinung Torres ist die zweite Version
Nuceras kompatibel mit den auf der Weste und dem Schulterschutz vorliegenden
Einschnitten. Nach Ansicht der Gutachter der Geschädigten, die vom Komitee
Veritá e Giustizia per Genova (Wahrheit und Gerechtigkeit für Genua) beauftragt
wurden, weisen die Kleidungsstücke Schnitte auf, die mindestens vier
unterschiedliche Stiche vermuten lassen.

Der Schwerpunkt der Ermittlungen ist inzwischen aber die Sache mit den
Brandflaschen. Im Juni 2002 fokussieren die Staatsanwälte eine Filmaufnahme des
genuesischen TV-Senders Primocanale, welche eine Gruppe von höchstrangigen
Beamten im Hof von der Diaz Schule mit dem hellblauen Plastikbeutel zeigt, in
dem die beiden Molotows enthalten waren.
Ein böser Schlag - es wird klar, in welche Hände die Flaschen gelangten, die von
Burgio auf Befehl Troianis dorthin gebracht worden waren. Das Video zeigt, wie
Luperi, Caldarozzi, Murgolo, Gratteri und Canterini um den hellblauen Beutel
versammelt sind und auch wie La Barbera vorbeikommt - bis dahin hatte keiner von
ihnen zugegeben, dass er die Flaschen im Hof zu Gesicht bekommen hatte. wenn
überhaupt, habe man diese zu einem späteren Zeitpunkt zu Gesicht bekommen und
zwar nicht im Beutel. Am 31. Juli lassen die Staatsanwälte jene Aussagen fein
säuberlich wiederholen, dann schalten sie das Licht aus und führen den
angesehenen Verdächtigen die Filmaufnahmen vor. Nach dem er die Szene gesehen
hat, ist Luperi sprachlos: von da an weigert er sich, zu antworten. Gratteri
gibt Antwort und greift gemäß der mit De Gennaro verabredeten Verteidigungslinie
die Einheit Canterinis an, bevor er schwarz vor Wut den Justizpalast verlässt -
er weiß, dass er einem Erscheinen vor Gericht nicht mehr entgehen kann. Der
einzige, der sich rettet, ist Lorenzo Murgolo, der einstige stellvertretende
Polizeipräsident, der heute in leitender Funktion beim militärischen
Geheimdienst Sismi ist: die Staatsanwälte beantragen die Verfahrenseinstellung,
weil Murgolo nur dort war, um den Präfekten Andreassi zu vertreten, so dass er
kein Glied in einer der beiden bei den Ermittlungen festgestellten Befehlsketten
war - die der Männer der Bereitschaftspolizeien unter Leitung der
SCO-Befehlshaber Gratteri und Calderozzi und die der Männer der Digos-Einheiten,
die von den Leitern der Präventionspolizei La Barbera und Luperi angeführt
wurden. Sie alle entgehen in jedem Fall den in Zusammenhang mit den
Gewaltanwendungen erhobenen Vorwürfen, weil es ihnen gelungen ist den
Staatsanwälten zu beweisen, dass sie erst nach der Erstürmung der Schule
eintrafen.

Die Vernehmungen haben geklärt, dass die Molotows in den Hof kamen, weil Burgio
sie auf Befehl Troianis dorthin brachte, von dem man bis heute nicht genau weiß,
was er eigentlich dort zu suchen hatte. Offiziell gehörte er nicht zu den
Teilnehmern der Operation, es klingt, als sei er dort hingegangen, als ginge er
zu einer Party. Nach Meinung Troianis, dessen Rechtsbeistand der ehemalige
Justizminister Alfredo Biondi ist, gelangten die Molotows in die Hände von
Massimiliano Di Bernardini, der mit gleichem Dienstgrad als stellvertretender
Polizeipräsidentschaftsadjunkt an der Spitze der
Raubüberfallbekämpfungsabteilung der römischen Bereitschaftspolizei ist. Di
Bernardini hat die Übernahme der Flaschen bestritten - zugegeben hat er
lediglich, dass er diese im Hof gesehen hat, in den Händen Anderer. Die beiden
sind bei unterschiedlichen Versionen geblieben, obwohl die Polizei alles
Erdenkliche tat, um zu erreichen, dass sie sich einigen: Als das römische
Polizeipräsidium Troiani die Vorladung der genuesischen Staatsanwälte übergab,
überreichte es die Handynummer die Bernardinis gleich mit. In jedem Fall steht
fest, dass die Flaschen bei Calderozzi ankamen, der Vize von Gratteri bei der
Spezialeinheit SCO und damit direkter Vorgesetzter Di Bernardinis ist (In der
Diaz Schule unterstanden die Männer der Bereitschaftspolizeien von Gratteri und
Calderozzi). Calderozzi erscheint in der Tat in der Filmaufnahme im Hof.
Natürlich verteidigen sich sämtliche Beschuldigte mit der Beteuerung, dass sie
in keiner Weise an einem verleumderischen Plan beteiligt waren. Es fällt ihnen
aber sehr schwer zu vertreten, dass sich keiner von ihnen, obwohl sie alle
hocherfahrene Beamte sind, nach der genauen Herkunft von jenen gefährlichen
\"Kriegswaffen\" erkundigt hat. Wo hatte man diese aufgefunden? Wer fand sie
auf? In den von Ciccimarra und Ferri verfassten Berichten, die auch von
Caldarozzi, unterzeichnet sind, lässt sich nachlesen, dass die Flaschen im
Inneren des Schulgebäudes aufgefunden wurden, in der Turnhalle im Erdgeschoss,
so dass sie als \"dem Dispositionsbereich der Demonstranten zugehörig\"
erschienen. Dies hat sich im Laufe der Ermittlungen als eine falsche und
verleumderische Behauptung heraus gestellt - die aber nicht die einzige ist: in
den Protokollen werden Rucksackleisten als (kampftaugliche) Stöcke bezeichnet
und ein reichhaltiger Katalog von weiteren Gegenständen, welche zum Zufügen von
Verletzungen geeignet sind, setzt sich aus Werkzeugen von einer Baustelle auf
dem Schulgelände zusammen, die bis zur Ankunft der Polizei verschlossen
geblieben war.

Sollte die Richterin Daniela Faraggi die Anklage der Staatsanwalt bestätigen und
so grünes Licht für ein Gerichtsverfahren geben, werden diese Dinge Gegenstand
der Verhandlung sein. Gratteri und die anderen werden vor Gericht erklären
müssen, warum sie vor Ort waren, aber nichts von den Falschbeurkundungen und
arglistigen Anschuldigungen mitbekommen haben. Wenn sie doch Kenntnis davon
besaßen, dann wäre es Kraft ihres Amtes ihre gesetzlich vorgeschriebene Pflicht
gewesen, diese zu unterbinden. Haben sie dies unterlassen, so werden sie nach
Artikel 40, Absatz zwei des italienischen Strafgesetzbuches juristisch denen
gleich gestellt, welche die materiellen Urheber der Taten waren. Es wird ein
Verfahren auf der Grundlage von Indizien sein, wie viele andere, aber er wird
auf etwas Soliderem fußen als bloß auf einigen Telefonaten, wie sie in einem der
vielen Ermittlungsverfahren, die diese Herren unterzeichneten, zu einer Anklage
wegen Bildung einer bewaffneten Bande führen könnten.

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Die Wahre Geschichte des Diaz-Überfalls

Im Januar 2003 schrieb der Journalist Alessandro Mantovani von der italienischen
Tageszeitung \"Il Manifesto\" einen Artikel über die Hintergründe des Überfalls
auf die Diaz-Schule während des G8 2001 in Genua - da er bis heute eine der
besten Arbeiten zum Thema ist, wurde er anlässlich der Eröffnung des
Vorverfahrens gegen 29 Polizeibeamte wegen den Vorfällen in den Schulen Diaz und
Pascoli für die deutschsprachige Öffentlichkeit übersetzt.

Alessandro Mantovani - 07.01.2003
Aus den Vernehmungen der genuesischen Staatsanwälte kristallisieren sich die
Verantwortlichkeiten einer Gruppe von leitenden Polizeibeamten aus, die im Juli
2001 im Schulgebäude intervenierten. Die römischen Bereitschaftspolizisten
müssen sich wegen 61 Schwerverletzten verantworten, die übrigen Funktionäre
wegen den in der Diaz-Schule aufgefundenen Molotow-Flaschen auch der Fälschung
und der Verleumdung. Sie riskieren den Abschied von der PS ((Polizia di Stato -
Staatspolizei)). Zwei Vizequästoren ((Vizepolizeipräsidenten)) bringen die
Flaschen den Vizechefs des Sco ((Sondereinheit \"Squadra centrale operativa\" -
\"Zentrale operative Einheit\")) und der Antiterrorpolizei Caldarozzi und
Luperi. Gratteri, La Barbera und Murgolo waren da, sie schliefen aber. Und
hinter dem \"Reuigen\" und dem \"Judas\" zeichnet sich der Schatten des Chefs
der Chefs der Celere ((Bereitschaftspolizei)) Valerio Donnini ab, dem Vater des
Nucleo Speciale Antisommossa ((Nocs, eine Art SEK für die Aufstandsbekämpfung)).
Sie produzierten unter schlafenden Menschen einundsechzig schwer Verletzte, in
dem sie gnadenlos auf Köpfe und, bis hin zum Milzbruch, auf Leiber einschlugen.
Sie manipulierten Beweise, wie die beiden berühmten Molotows, um 93 Unschuldige
verhaften zu können. Nun übergibt uns die Untersuchung, welche die Staatsanwälte
veranlasste, selbst Gianni De Gennaro (den obersten Chef der Polizia di Stato)
als Zeugen zu vernehmen, diese prominenten Polizisten, die jede Tatsache
leugnen, sich widersprechen, die Richtlinien der Verfahrensordnung mit Füßen
treten und sich darin überschlagen, alle Schuld auf den römischen Reparto Mobile
(ex Celere) ((vergleichbar mit der deutschen Bereitschaftspolizei, aber nicht
kaserniert)) von Vincenzo Canterini abzuladen.

Keiner von ihnen will gesehen haben, dass ein Schlagstock erhoben wurde. Von
Canterini bis hin zum Präfekten Arnaldo La Barbera wollen Alle das Gebäude
\"hinterher\" betreten haben, \"mit den Letzten\", in \"hinterer Position\",
\"als die Situation bereits eingefroren war\" ((\"Situation eingefroren\" =
\"Lage unter Kontrolle\")). Und das Verhalten eines ganz Großen wie Gianni
Luperi (ex Ucigos)(()), Nummer Zwei der Antiterrorpolizei im Innenministerium
und während des G8 verantwortlich für die Sala Internazionale delle Polizie ((
ein spezieller Saal in der Einsatzzentrale, der eigens für die Zusammenarbeit
von und mit ausländischen Polizeien eingerichtet wurde)), ist unglaublich.
Im Juli (2002) hat sich Luperi geweigert, den Staatsanwälten Rede und Antwort zu
stehen - eine Haltung, die den Privatbürgern (oder Silvio Berlusconi)
zugestanden wird, aber für einen leitenden Polizeibeamten, dem die Staatsanwälte
den Film vorführen wollten, der ihn mit der Tüte mit den Flaschen in der Hand im
Hof zeigt, sicher wenig opportun ist. Der außerordentliche Vizequästor, der jene
Tüte brachte, der 37-jährige Pietro Troiani, der geständig ist, weil ihn ein
Polizist, der vierunddreißigjährige \"Superzeuge\" Michele Burgio, der sich
inzwischen von der Polizei verabschiedet hat, festnagelte, verweigert
seinerseits die Gegenüberstellung mit dem Kollegen Massimiliano Di Bernardini
von der römischen Squadra mobile ((MEK)), dem er behauptet, die Flaschen
übergeben zu haben. Di Bernardini ist der gleiche Beamte, der auch hat zugeben
müssen, dass er nie dem berühmten \"Steinhagel\" ausgesetzt war, der als
offizieller Vorwand für die \"Durchsuchung\" am Abend des 21. Juli 2001 diente
((was er zuvor behauptet hatte)).

Der Chef des Sco ((Servizio Centrale Operativo - )) Franco Gratteri, Spitzenmann
im Kampf gegen die Mafia und Augapfel De Gennaros, macht die Figur desjenigen,
der da war, aber vielleicht gerade schlief: es sei alles Schuld der Celerini
((der Bereitschaftspolizei)), sagt Gratteri, der nur so viel Zeit verliert, wie
nötig, um Erklärungen über das Trüppchen abzugeben, das er \"versehentlich\" in
das Medienzentrum in der gegenüber liegenden Schule schickte (zerstörte Rechner,
gestohlene Festplatten...) versucht, so gut er kann, sich selbst zu berichtigen,
nach dem er den Film gesehen hat, der ihn wenige Meter von (seinem Vize)
Gilberto Caldarozzi entfernt zeigt, während dieser mit der Tüte in der Hand
Luperi tuschelt.

Es ist ratsam, zu wissen, was sie erzählt haben, weil niemand voraussehen kann,
wie die hauptermittlung zum G8 2001 ausgehen wird. In Genua beginnt nämlich der
erste Grad des Justizverfahrens, der vollständig eine staatsanwaltschaftinterne
Angelegenheit ist. Die stellvertretenden Staatsanwälte Francesco Albini Cardona,
Monica Parentini, Vittorio Ranieri Miniati, Francesco Pinto und Enrico Zucca
müssen nun ihre Arbeit vor dem Chefstaatsanwalt Francesco Lalla schützen, der
von Anfang an der Polizei gegenüber der \"Verständnisvollste\" war. Angesichts
der Unmöglichkeit, die einzelnen Schläger zu identifizieren, (über die
Zugehörigkeit oder die Nichtzugehörigkeit zur römischen Einheit hinaus), weil
fast Alle vermummt waren, kommt die Beschuldigung der schweren Körperverletzung
auf Grundlage des Artikel 40 Absatz zwei des Strafgesetzbuchs zustande, der den
Polizisten dafür bestraft, dass er eine Straftat nicht verhindert hat - ein
Rechtsprinzip, das von der Rechtswissenschaft untermauert wird, aber von Lalla
relativiert werden könnte. Andererseits wären die rund Hundert, die der
Körperverletzung angeklagt waren bereits frei gesprochen, wenn die Staatsanwälte
nicht die Inszenierung mit den Molotows aufgedeckt hätten, wegen der gegen die
dreizehn Unterzeichner des Verhaftungsprotokolls und die weiteren anwesenden
Funktionäre (neunzehn insgesamt) zusätzlich der Verdacht der mittelbaren
Falschbeurkundung und der Verleumdung hinzu gekommen ist.

Donnini, der Geistergeneral

Auch hierfür muss man bei den beiden Molotows anfangen, die am Nachmittag
während der Zusammenstöße auf dem Corso Italia vom Vizequästor Pasquale
Guaglione aufgefunden wurden, der später den Staatsanwälten gegenüber angab,
dass er diese \"wiedererkennen\" würde. Aus dem Vernehmungsprotokoll erfährt
man, dass Guaglione die Flaschen Valerio Donnini übergeben hatte, einer hohen
Führungskraft im Innenministerium und Vorgänger Canterinis an der Spitze der
römischen Bereitschaftspolizei, Vater der Spezialeinheit für Aufstandsbekämpfung
Nocs. Der alten militärischen Schule zu Ehren nent ihn mancher Polizist immer
noch \"General\". Und beim G8 oblag dem General Donnini die \"logistische und
operative Koordination der Kontingente der mobilen Einheiten, der Flugeinheiten,
der Seeeinheiten und der Spezialkräfte\" (aus der Anordnung des
Innenministeriums). Er war kurzum der Chef der Chefs der Bereitschaftspolizei,
eine Art \"Geistergeneral\", um es mit dem Manifesto vom 12. August 2001
auszudrücken, der als erster seinen Namen öffentlich machte.

Guaglione zufolge soll Donnini gesagt haben: \"diese nehme ich weil sie wichtig
sind\". Der \"General\" leugnet, gibt aber zu , dass er sie in den Magnum legte,
dem Jeep, auf dem er sich zusammen mit dem Fahrer Burgio bewegte. Der junge Mann
hat von einer ruppigen Antwort erzählt: \"Als der Dottor Donnini angekommen ist,
habe ich ihn darauf aufmerksam gemacht, dass es diese Flaschen gab und er hat
sich auf sonderbare Weise an mich gewandt, als hätte ich eine dumme Frage
gestellt oder eine, die ich grundsätzlich nicht hätte stellen sollen\" erklärt
Burgio am 4. Juli 2002. Immer am 4. Juli leugnet Donnini: \"Ich schließe aus,
dass ich auf eine Anmerkung von ihm, an die ich mich überhaupt nicht erinnere,
eine derartige mehrdeutige Antwort gegeben habe, die, mit Verlaub, auch die
Frucht einer listigen Unterstellung ist, als wäre ich an einer formgerechten
Übergabe nicht interessiert gewesen. Jene Pflicht oblag Burgio\".
Burgio arbeitete als Fahrer für die Logistik. Zuerst fuhr er Donnini durch die
Gegend und am Abend brachte er Troiani zur Diaz-Schule. Und am 10. Juli
bestätigte er: \"Ich erinnere mich, dass ich mit Dottor Donnini über die
Flaschen gesprochen habe und dass er mir grob und genervt antwortete\".
Guaglione erklärte weiter: \"Ich war wegen der Anwesenheit der Flaschen besorgt.
Auch ich hätte für die Abgabe der Flaschen im Polizeipräsidium sorgen können und
müssen; weil man mich aber seit ich in den Streifendienst getreten war daran
gewöhnt hatte, dass man bei jeder Angelegenheit Anweisungen vom anwesenden
Vorgesetzten einzuholen hat und ich zuerst Dottor Donnini und dann Dottor
Troiani um Anweisungen gebeten hatte, die ich nicht bekam, beschloss ich, keine
Initiative zu ergreifen\". Die Initiative, die wird Troiani (allein?) ergreifen.

Burgio, der \"Reuige\" - Troiani, der \"Judas\"

Am Abend mobilisiert Donnini persönlich die Aufstandsbekämpfungsgruppe für die
\"Durchsuchung\", wenn auch Andere diesen unerklärlichen Rückgriff auf die
\"Celere\" mittragen. Die Molotows liegen noch im Jeep, Burgio hat sie Bloß in
die Gepäcklade verlegt. Da triit Troiani aufs Parkett, der sich des selben
Fahrers bedient, weil er dem operativen Abschnitt zugeteilt ist, der Donnini
untersteht (von dem er wiederum ein \"dankbarer\" Ex-Schüler ist) In die Diaz
Schule müsste Troiani eigentlich gar nicht gehen. Sein Name ist in den ersten
Unterlagen auch nicht zu finden. Burgio ist es, der seinen Namen ins Spiel
bringt.
Als Troiani am ersten August als Zeuge gehört wird, leugnet er - er gibt an, man
habe die Molotows außerhalb des Gebäudes gefunden: \"Mein Fahrer, Burgio,
spricht mich an und erzählt mir, dass im Auto oder in unmittelbarer Nähe, ich
weiß nicht ob von ihm oder von Anderen, zwei Molotow-Flaschen gefunden worden
waren [...] Ich habe sie sofort Di Bernardini gebracht und bin dann
weggegangen\". Ald der Staatsanwalt ihn darauf hinweist, dass \"in Widerspruch
zu den Aussagen Di Bernardinis steht\" fügt Troiani hinzu: Ich weiß, Di
Bernardini habe ich gesagt, dass meine Leute sie auf dem Schulhof gefunden
hatten, oder auf der Treppe zum Eingang. Der Staatsanwalt \"merkt an, dass im
Beschlagnahmeprotokoll eine andere Variante über die Umstände der Auffindung
hervorgehoben wird\" (darin steht \"in\" der Schule, nicht \"außerhalb\", A. des
Redakteurs). Daraufhin sagt Troiani: \"Ich bin mir meiner Leichtsinnigkeit
bewusst, mein Problem war nur, wie ich diese Flaschen `loswerden' könne\". Er
gibt auch freimütig zu, dass die selbe Bereitschaftspolizeiabteilung der Di
Bernardini angehört ihn mit diesem in Verbindung gebracht hat: \"Frau Doktor
Manti (eine Kollegin aus seiner Abteilung, A.d.Ü.) hat mir die Nummer des
Kollegen gegeben - nein, noch mehr: sie hat selbst die Nummer gewählt. Danach
habe ich mich auch mit Burgio unterhalten\". Aber zu dem Zeitpunkt ist Troiani
bereits ein Beschuldigter - für die Polizia di Stato wird er \"der Verräter\";
der Judas, der auf dem Frontispiz des Septemberberichts der genuesischen DIGOS
ist der Judas von Giotto (Giotto ist ein mittelalterlichen Maler, der als erster
die Perspektive als grafisches Mittel einsetzte und u.a. die weltberühmte
Franziskus-Kapelle in Assisi mit Fresken versah, d. Ü.) - sein Anblick lässt
einem sofort Troiani in den Sinn kommen. Di Bernardini behauptet, dass er
Troiani auf Calderozzi verwies, ohne Erkundigungen über die Herkunft der
Flaschen einzuholen. Die beiden sind zusammen in der Ausbildung für den
gehobenen Dienst gewesen, es scheint, als würden sie nach einer abgestimmten
Version suchen, man telefoniert und schickt sich sms zu. Als Di Bernardini aber
die Gegenüberstellung mit Troiani will, weigert sich dieser. Und die Molotoes
landen wirklich bei Caldarozzi, ein weiteres hohes Tier, das zuerst leugnet und
nach Ansicht der Filmszene auf dem Hof sagt: \"Ich nehme zur Kenntnis, dass die
Aussagen von Troiani und Di Bernardini durch den Film Bestätigung zu finden
scheinen. Ich bekräftige, dass ich mich nicht erinnern kann, den Beutel in der
Hand gehabt zu haben\".

Das Video nagelt die Zweithöchsten fest

Es ist halb eins, das Massaker ist vollbracht. Es ist der Augenblick, der von
dem privaten TV-Sender Primocanale dokumentiert (in den Akten mit dem Titel Blue
sky 1 und 2 registriert) und am 30. Juli den Beschuldigten gezeigt wurde. Am
Eingang (der Schule, d. Ü.) stehen: Luperi und Caldarozzi mit dem Beutel, nicht
weit entfernt stehen der Chef der genuesischen DIGOS Spartaco Mortola,
Canterini, Gratteri aber auch Giovanni Murgolo, welcher de facto den Präfekten
(sprich: Innensenator, d.Ü.) Ansoino Andreassi vertrat, der wegen seinen
\"Bedenken\" im Polizeipräsidium zurückgeblieben war. Murgolo telefoniert lange
mit ihm aus dem Schulhof. Beide, die gegenwärtige Nummer zwei des Sisde
(Staatsschutz) Andreassi und der Vikarpolizeipräsident von Bologna Murgolo
kommen aus der Antiterrorpolizei Marke PCI (Partito Comunista italiano, die
heute so nicht mehr existierende KPI) während fast alle anderen aus der Welt der
Bereitschaftspolizeien (und De Gennaros) kommen. Trotz der hohen Zahl an
versammelten \"Superhirnen\" - allesamt erfahrene Ermittler - soll keiner etwas
unternommen haben, um in Erfahrung zu bringen, wo denn zum Teufel diese Flaschen
her kommen, die sich niemandem zuordnen lassen. Sie dienen bloß der Propaganda.

Murgolo aber macht sich die Hände so wenig schmutzig wie möglich, wie auch
Gratteri und der gute Präfekt Arnaldo La Barbera, der vor wenigen Monate
verblichene ehemalige Ucigos-Chef. Sie machen aber eine elende Figur. Gratteri
muss stammeln: \"Vielleicht würde ich das, was ich für einen Fehler halte, also
dass ich in die Diaz-Schule gegangen bin, nicht wiederholen\". Sehr viel
schwieriger ist die Lage von Calderozzi, Luperi und besonders vom Genuesen
Mortola: er ist es, der die Ortsbegehung macht und das Startzeichen für die
Operation gibt, in dem er meldet, dass man ihn aus Kreisen des Genoa Social
Forum habe wissen lassen, dass die Schule inzwischen in den Händen von wer weiß
wem sei. Schwerwiegend auch die Vorwürfe gegen Filippo Ferri und Fabio
Ciccimarra, den beiden jungen stellvertretenden Polizeipräsidenten, die nach
Angaben von Di Bernardini und Mortola die Verfasser des später von dreizehn
Personen unterzeichneten Verhaftungsprotokolls (die Unterschriften waren 14,
aber eine bloß ein unleserliches Gekritzel, das nie zugeordnet werden konnte, d.
Ü) waren. Ferri, Jahrgang '68, leitet die Bereitschaftspolizeiabteilung von La
Spezia (Stadt in Ligurien); Ciccimarra (Jahrgang '70) leitete die
Raubüberfallbekämpfungsgruppe von Neapel und war der Chef der Polizisten, die
wegen den Gewalttaten in der Rainero-Kaserne nach dem Global Forum vom 17. März
2001). Sie erzählen, dass sie den Vorwurf der kriminellen Vereinigung später auf
dem Polizeipräsidium beschlossen haben - natürlich zusammen mit allen leitenden
Beamten - und dass sie auf diese Weise allen 93 (Verhafteten, d. Ü.) die
Molotows anhängten. Der Richter für die Voruntersuchungen und die
Staatsanwaltschaft selbst werden das nicht akzeptieren: die Inhaftierungen wird
nicht bestätigt und genau dadurch kommt es dazu, dass Ermittlungen eingeleitet
werden.

Der Vorwurf des Franco Gratteri

Donnini war seinerseits nicht in der Diaz Schule. Der \"General\"ist ein Zeuge,
kein Beschuldigter. Sein Schatten ist aber beunruhigend, selbst Gratteri
sscheint dies Nahe zu legen. Am 30. Juli 2002 sagt er nämlich den
Staatsanwälten: \"Verursacher des Chaos im Inren der Schule könnte jemand von
der bereitschaftspolizeilichen Abteilung oder von anderen Abteilungen gewesen
sein, so wie die Episode mit dem vorgetäuschten Messerangriff dazu gedient haben
kann, die Gewaltexzesse zu verdecken, zu denen es gegen einige Insassen kam; ich
glaube, dass auch die Episode mit den Flaschen konstruiert wurde, um das, was
geschehen war zu rechtfertigen. Ich bin der Meinung, dass es wichtig wäre, zu
bestimmen, wer Troiani befohlen hat, in die Diaz Schule zu kommen\" insistiert
Gratteri - \"es ist möglich, dass er sich unter die anderen gemischt und das
getan hat, was die anderen von der Bereitschaftspolizei auch getan haben und
dass er sich gedacht habe, das, was vorgefallen war zu verdecken. Viele könnten
die konkreten Motive seitens von einer Komponente der Polizei sein, die ich für
nicht repräsentativ halte\". Es ist die Linie der Spitzen: die ganze Schuld
liegt bei der Abteilung von Canterini, das Massaker, die Molotows und der
vorgetäuschte Messerangriff (Gratteri gibt zu: \"Simuliert\") Und wenn Troiani,
auch wenn er nicht dazu gehört, sich als Mann aus dieser Abteilung bezeichnet
(\"wir von der Abteilung\", sagt er), ist sein Chef Donnini die Seele, das
Gedächtnis und die wahre Nummer eins von ihr.

Eine Reaktion auf den Steinhagel?

Abgesehen von der Messerattacke auf den Polizisten Massimo Nucera, für den eine
vorgezogene Beweisaufnahme am 18. Februar (2003, d.Ü.) angesetzt ist, prüfen die
Staatsanwälte gerade die einzelne Position der Funktionäre. Bezüglich der
Molotows müssen sie die gemeinsame Beteiligung am verleumderischen Vorhaben und
das ist nicht immer einfach. Auch wenn die gefälschten Beweise so wie es scheint
erst später konzipiert wurden, um das vergossene Blut zu verdecken.
Die Durchsuchung hingegen wurde am Reißbrett organisiert, die ihrerseits mit der
Geschichte mit dem Steinhagel gegen eine \"gemischte Großstreife\" (vier
Polizeiautos in der Gruppe, zwei reguläre und zwei zivile, d. Ü.) begründet
wurde, wie sie am Abend des 21. Juli von Caldarozzi auf Befehl Andreassis und
Gratteris und mit Unterstützung vom General Donnini organisiert wurden. Niemand
hat je Namen und Nachnamen der (angeblich mit einem Steinhagel... d. Ü.)
Angegriffenen gemacht. Nicht einmal Di Bernardini, der zuvor den Dienstbericht
verfasst hatte als wenn er dem Steinhagel selbst ausgesetzt gewesen sei und am
Schluss gestammelt hat: \"Ich weiß nicht, was ich sagen soll, ich habe das
wiedergegeben, was ich\" - er weiß nicht von wem - \"`de relato' erfahren
hatte\". Mit der größten Selbstverständlichkeit reden sie alle von der
\"Durchsuchung\" als eine \"Reaktion\" auf die Steinwürfe. Und von dort bis zum
\"Vergeltungsakt\" ist es nicht weit, besonders für die \"Komponente\" von der
Polizei, die der Chef des SCO nicht liebt

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Ein Messerstich, nein, jetzt, wo ich mir das genau überlege, waren es zwei...
Aus den Vernehmungsprotokollen im Fall Diaz mit den Aussagen des Polizisten
Nucera.

Aus dem Dienstvermerk des Angehörigen der Polizia di Stato Nucera Massimo, im
Dienst der inzwischen aufgelösten VII. experimentellen
Aufstandsbekämpfungseinheit der 1. Abteilung der Bereitschaftspolizei Rom mit
Datum 22. Juli 2001 (03.00 Uhr, DIGOS-Büros im Polizeipräsidium Genova):

\"Nachdem wir die Tür beim Ruf \"Halt! Polizei!\" eingetreten hatten, trat ich
zusammen mit dem Hauptinspektor Panzieri schwungvoll als erster in den dunklen
Raum. Plötzlich stand ein junger Mann vor mir, von etwa 1,70 m. Körpergröße -
von dem ich nur sagen kann, dass er einen dunklen Pulli trug - der mir mit
undeutlichem Schreien und mit einem Messer in der Hand entgegentrat, welches er
mit gestreckten Arm in Richtung von meiner Kehle hielt.

In dem ich mich des Schlagstocks bediente und ihn mit selbigem am Oberkörper
schlug, gelang es mir, den Angreifer zu entfernen und ihn zurückweichen zu
lassen. Letzterer traf mich dennoch mit einer blitzartigen Bewegung kraftvoll am
Oberkörper, während er gleichzeitig einen Sprung rückwärts tat.

Die Kollegen, die dicht hinter mir folgten, unter denen sich der Hauptinspektor
Panzieri befand, griffen zu meiner Unterstützung ein und blockierten den
Unbekannten, nachdem sie ihn zuvor am Boden fest gesetzt hatten. Derselbe wurde
anschließend und unverzüglich von den anderen Kollegen übernommen und zur
Sammelstelle im Erdgeschoss gebracht.

Unmittelbar nach dem die Person hinausgeführt worden war, stellte ich dank dem
Reflex des Lichts, das aus dem Flur einfiel fest, dass in Übereinstimmung mit
der Stelle an der sich die geschilderten Vorfälle ereignet hatten jenes Messer
lag, welches die Person, die mir entgegengetreten war in der Hand hielt und
welches ich folglich auflas.

Nach dem ich auch in den Raum mit den Sanitären Einrichtungen einen Blick
geworfen hatte, stieg ich wieder zum Parterre ab, aber als ich auf Höhe der
ersten Etage gelangt war, fiel mir beim Wiederanbringen des Schlagstocks an den
Gürtel ein sichtbarer Schnitt auf der Jacke von meiner Uniform auf.

Ich steckte daraufhin sofort die linke Hand auf Höhe des Schnitts in das Innere
der Jacke und spürte deutlich auch auf der Schutzweste aus Kunststoff eine
Kerbe. Folglich öffnete ich besagte Jacke und stellte zwei Kerben fest, davon
eine mit einer Länge von etwa 7 bis 8 Zentimetern, und eine andere, die viel
kleiner war, mit einer Länge von etwa einem Zentimeter. In dem ich mit dem, was
zuvor geschehen war kombinierte, wurde ich mir bewusst, dass ich mit der Spitze
des Messers, mit dem man mich bedroht hatte, getroffen worden war\".

Im Protokoll der Vernehmung Nuceras (als Zeugen) vor dem Staatsanwaltschaft
Francesco Lalla am 30. Juli 2001 ist zu lesen:

\"Ich habe den, der mich getroffen hat, nicht identifizieren können, weil sich
der Vorfall gleich nach dem ich einen dunklen Raum im zweiten Stock betreten
hatte ereignete. Ich habe meinen Angreifer daraufhin aus den Augen verloren.
Erst später, als ich mein Schlagstock wieder anlegte, habe ich die Beschädigung
meiner Schutzweste bemerkt. Weitere Versuche, den Angreifer zu identifizieren,
waren zwecklos. Ich habe nur seine Körpergröße angeben können, die ich im
Vergleich zu meiner eigenen geschätzt hatte\".

[....]\"Man nimmt zur Kenntnis, dass der aus einer Schachtel bestehende Corpus
delicti, in der eine leichte Jacke in dunklem Blau enthalten ist, welche der
Nucera als jenes Kleidungsstück erkennt, das er bei dem geschilderten Anlass
benutzte. Die Jacke weist einen Riss im linken vorderen Teil auf, senkrecht,
nahe der mittleren Naht, von der Länge von etwa 10 cm. In der Schachtel ist auch
eine Schutzweste, welche der Nucera unter der oben beschriebenen Jacke trug,
eine Schutzweste aus Hartplastik, stabil, mit einem quer liegenden Riss von etwa
sieben Zentimetern...\".

Die Aussage Nuceras als Zeuge vor dem Staatsanwalt Enrico Zucca am 12. Dezember
2001 lautet:

\"Die Tür war verschlossen. Mit einem Fußtritt habe ich sie eingetreten. Ich bin
während ich: \"Halt, Polizei!\" schrie eingetreten, zum Selbstschutz hielt ich
den Schlagstock seiner ganzen Länge nach vorneweg. Im Zimmer war es fast
vollständig Dunkel, zumindest im Vergleich zu dem Raum aus dem ich kam. Ich habe
einen Schatten vor mir gesehen, ich habe ihn instinktiv geschlagen und
gleichzeitig einen Schlag an der Brust verspürt. Der Schatten hatte einen nach
vorn ausgestreckten Arm, er hat geschrieen. [...] Ich war mir nicht klar
darüber, ob er etwas in der Hand hielt und speziell ein Messer, auch wenn die
Geste unverwechselbar war. In diesem Sinne präzisiere ich das, was ich in meiner
schriftlichen Erklärung ausgesagt habe. Auf meinen Schlag hin ist die Person zu
Boden gefallen, einige von meinen Kollegen, die diese dann auch abführten,
griffen sofort ein, ich bin weitere zwei Schritte gegangen, um das Zimmer zu
erkunden. Ich habe mich umgedreht und an der Stelle der vorherigen
Auseinandersetzung mit der Person, die gegen mich zugeschlagen hatte, habe ich
ein Messer gesehen, welche ich in meine Tasche ablegte. Ich bin hinausgegangen.
Wenige Sekunden bevor ich über Funk den Befehl vom Kommandanten Fournier
vernahm, das Gebäude zu verlassen, habe ich die Zeit gehabt, das anliegende Bad
zu untersuchen. Ich habe dann Gelegenheit gehabt, mir des Geschehenen gewahr zu
werden, als ich die Treppen hinabstieg, da habe ich mir an der Jacke gefasst und
bemerkt, dass sie einen Schnitt aufwies. In der Tat war ein sichtlicher Riss
fest zu stellen. Bei Inaugenscheinnahme derselben konnte man einen
unregelmäßigen Schnitt feststellen, in der Schutzweste darunter waren wiederum
zwei Schnitte vorhanden, ein größerer und ein kleinerer, wie ich sie im Bericht
beschrieben habe. [...]\".


Am 23. Mai 2002 tritt im Auftrag von Zucca die Investigative
Spurensicherungsabteilung der Carabinieri mit dem vom Leutnant Luciano Garofano
(Kommandant) und vom Kapitän Adolfo Gregori unterzeichneten Gutachten auf den
Plan.

Auszüge:

\"Die durchgeführten Schnitttests haben im Gegensatz zu dem, was an den
Untersuchungsobjekten festgestellt wurde, eine nahezu perfekte Überlagerung der
Schnitte auf der Weste und jenen, die darunter liegend auf dem Schulterschutz
vorhanden waren hervorgebracht. Nach den Dynamiken, die es möglich war, aus den
Behauptungen des Nucera abzuleiten, liegt zwischen den auf den zu untersuchenden
Kleidungsstücken vorliegenden Schnitten und denen, die im Versuch erzeugt wurden
eine offensichtliche Inkompatibilität vor\". (Seite 19)

Nun kommt die zweite Version - nicht ein Messerstich, sondern zwei.

Auszüge aus dem Verhör Nuceras durch die Staatsanwälte E. Zucca und Dr. F.
Cardona Albini am 7. Oktober 2002:

\"Die Tür war verschlossen, es handelte sich um eine Holztür mit zwei Flügeln.
Ich habe sie mit einem Tritt eingetreten und bin als erster hinein, in kurzem
Abstand folgten meine Kollegen. Ich fand mich in einem vollkommen dunklen
Klassenzimmer wieder. Im Korridor war hingegen hinreichend Licht, in dem Sinne,
dass einige Glühbirnen brannten, aber der Großteil des Lichts fiel von außen
ein. Im Inneren des Raums stand in einem Abstand von zwei Metern eine Person vor
mir, die etwa 1,70 groß war, von der ich es nicht vermocht habe die Gesichtszüge
gut zu erkennen, sowohl weil es dunkel war, als auch weil ich den Schutzhelm
trug, der das Sichtfeld stark einschränkte. Diese Person fing an zu schreien,
aber ich habe es nicht vermocht zu verstehen was, weil sie vielleicht eine
ausländische Sprache sprach, die ich nicht erkannt habe. Zur gleichen Zeit
richtete sie den rechten Arm gegen mich. Da bin ich ihm entgegen getreten, in
dem ich ihm mit nach vorne gebeugtem Körper und mit dem Tonfa, den ich mit der
rechten Hand am Griff und mit dem linken Arm beim längeren Teil hielt, in den
Brustkorb schlug. Ich habe aber das Gefühl gehabt, dass auch ich getroffen
worden war, vielleicht gerade weil ich meinen Körper zu weit nach vorn gebeugt
hatte. Während die Person immer noch mit gestrecktem Arm zurückwich, war sie
kurz davor, das Gleichgewicht zu verlieren; sie versuchte, sich an mir
festzuhalten, an meinem Arm, ohne dass es ihr gelungen wäre, wobei sie es aber
vermochte, mir in der Zwischenzeit einen weiteren Hieb zu versetzen, der mich
erneut im Frontalbereich erreichte. Sie fiel schließlich zu Boden und ich
kletterte im Eifer des Gefechts über sie hinweg, woraufhin meine Kollegen ihn
bewegungsunfähig machten, davon schleppten und gänzlich entfernten. Ich schritt
noch einige Meter nach vorn und untersuchte den Raum, der sich aber als leer
erwies und kehrte um. Genau in der Nähe von der Tür konnte ich beim hinausgehen
an der beleuchteten Stelle ein Messer erkennen, woraufhin ich gedacht habe, dass
es der Gegenstand sei, mit dem ich angegriffen worden war. Ich bog nach Rechts
und stieg die andere Seite der Treppen ab, weil ich in der Zwischenzeit über
mein Ohrknopf den Befehl Fourniers vernommen hatte, aus dem Gebäude zu treten.
Ich bin schnell die Treppen hinabgestiegen. Beim Absteigen habe ich Fournier
gesehen und ich erinnere mich nicht an weitere Kollegen. Unter Ausnutzung der
besseren Beleuchtung habe ich, während ich meinen Tonfa an den Gürtel legte,
instinktiv auf meine Jacke geschaut und den vorhandenen Riss bemerkt und so auch
in der darunter liegenden Schutzweste, den ich mit der Hand spürte [...]\".


Immer noch während des selben Verhörs wird ein Film vorgeführt, die Betrachter
sind Nucera und die beiden Staatsanwälte. Im Folgenden einige Auszüge dessen,
was Nucera von sich gibt:

\"[...] Wenn man sich vorstellt, dass das die Tür ist, so habe ich sie durch
einen Tritt eingetreten, dann packte ich mit der rechten Hand meinen Tonfa, also
in dieser Stellung und mit der linken Hand die längere Spitze des Schlagstocks.
Also fand ich als ich hereintrat in etwa 1,50 Metern Abstand diese Gestalt vor,
mit dem zu mir hin ausgestreckten Arm. Da schritt ich hervor, mit dem
Oberkörper, ich schlug ihn auf diese Art, sehr schnell, am Oberkörper und weil
meine Aufgabe darin bestand, ihn am Boden festzusetzen, schritt ich immer weiter
voran und schlug ihn auf diese Art und schubste ihn weg. Er verlor das
Gleichgewicht. Ich verspürte einen Hieb hier am Brustkorb. Nach dieser Bewegung
überholte ich ihn auf diese Art und ging dann zur rechten Seite über, weil sich
das Zimmer auf jener Seite öffnete [...]

[...] Als ich ihn auf diese Art getroffen habe, bin ich nach vorn geschritten,
er hat mich hier getroffen, um seinen Widerstand zu überwinden habe ich diesen
gemacht, ich habe versucht, ihn fortzuschieben, in dem ich mit diesem Arm hier
vorantrat. Er verlor das Gleichgewicht. Er hat versucht, sich festzuhalten, an
diesem Arm, er hat ihn bloß mit einer Hand gestreift, auf diese Art. Während er
fiel bin ich auf diese Weise über ihn her, also lag er unter mir, er ist mit
dieser Hand abgerutscht und mit der anderen hat er mich erneut getroffen. Ich
habe ihn daraufhin überwältigt und bin dann weiter. Das ist die Bewegung\".

Nun erstellt Carlo Torre im Rahmen eines so genannten Incidente Probatorio, d.h.
im Rahmen einer vorgezogenen gerichtlichen Beweisaufnahme, ein weiteres
Gutachten für den Richter für die Voruntersuchungen. Es ist der selbe
Sachverständige, der bereits Urheber der Theorie vom tödlichen Putzbrocken ist,
durch die im Verfahren wegen der Tötung Carlo Giulianis alle Schuld vom
Todesschützen genommen wurde, weil angeblich erst ein fliegender Putzbrocken die
tödliche Patrone auf Carlo umlenkte, die ihn tötete.

Auszüge:

\"Im Dienstvermerk vom 22. Juli 2001 wird ein einziger vom Polizisten Nucera
wahrgenommener Hieb erwähnt. Wie man bereits erwähnt hat, lässt sich die auf den
Kleidungsstücken festgestellte Schädigung auf zwei unterschiedliche Messerstiche
zurückführen. Daraus folgt, dass der Inhalt des Dienstvermerks nicht als
kompatibel mit dem, was bei der Erstellung von diesem Gutachten festgestellt
hat, beurteilt werden kann. [...]

Das Verhörprotokoll vom 7. Oktober 2002 fällt detaillierter aus; darin ist von
zwei unterschiedlichen Stichen die Rede, von denen einer (in der Anfangsphase
der Begegnung der beiden Personen) aus einer Art Zusammenstoß zwischen der
Person mit dem Messer und der Brust des Polizisten, die sie sich nach vorne
beugte heraus und der andere während die unbekannte Person, die gleichzeitig
versucht hat, sich am Arm Nuceras festzuhalten, nach hinten stürzt und dabei
noch einmal zum Hieb ausholt, entstanden sein soll. Massimo Nucera fügt Details
über seine Position hinzu: darüber, wie er sein Tonfa hielt und darüber, dass er
seinen Oberkörper nach vorn gebeugt hatte. (Aus der Abschrift der betreffenden
Tonaufnahme sollen auch Angaben über die Richtung der Hiebe hervorgehen - von
unten - zumindest in Zusammenhang mit dem zweiten Hieb. Weitere Hinweise, die
zur Bewertung des Falls dienlich sein können kamen aus der Ansicht und aus dem
Abhören der Videoaufnahme, die am selben Tag erstellt wurde.
[...]
Die bei diesem Gutachten festgestellten technischen Erhebungen zeigen, dass es
sich um zwei unterschiedliche Aktionen handelte, die mit der Klinge eines
Messers durchgeführt wurden. Beide sollen als ein frontaler Hieb begonnen haben,
von unten her und von links nach rechts, von vorne nach hinten. Es besteht also
eine Möglichkeit der Kompatibiltät zwischen den objektiven Daten und den Angaben
des Polizisten Nucera: er spricht von zwei Stichen durch ein Messer, welches mit
der rechten Hand von der Person gehalten wurde, die ihr entgegengetreten war.
Die Richtung passt gut zu einer solchen Dynamik, so wie die Tatsache gut passt,
dass die Waffe so gehalten wurde, dass die Klinge nach unten gerichtet war (und
ein wenig nach links): Das Messer wird auf \"natürliche Weise\" gehalten. Auch
die auf dem Schulterschutz vorliegenden Spuren sind kompatibel mit dieser
Erzählung [...]

Ich glaube, im Ergebnis folgern zu müssen, dass zwischen dem, was am 7. Oktober
2002 vom Polizisten Nucera beschrieben (und vorgetragen) wurde und dem, was im
Laufe dieses Gutachtens festgestellt wurde, Kompatibilität besteht\".

Ein Fall wurde im Diaz-Verfahren abgekoppelt und zum 20. Juli vertagt, weil der
Beschuldigte derzeit in einem Krankenhaus liegt - im künstlichen Koma nach einem
Motorradunfall. Der wenige Tage vor Beginn der Vorverhandlungen verunglückte
Polizist, der in Rom als Leiter der Raubüberfallbekämpfungsgruppe der
Bereitschaftspolizei arbeitet, ist ein gewichtiger Zeuge, weil er 2002 als
erster gegenüber den ermittelnden Staatsanwälten zugab, dass die Molotow
Flaschen, deren Besitz den Schulinsassen per Verhaftungsprotokoll untergeschoben
werden sollte, auf ganz anderem Weg in die Schule kamen - durch Polizistenhand.

Der kranke Polizist ist allerdings NICHT der, der die Flaschen bereits am Vortag
an einem ganz anderen Ort aufgelesen hatte, wie einige wohl meinen. Der heißt
Guaglione und ist kerngesund. In der Diaz Schule war er gar nicht. Dennoch
verbindet ihn einiges mit dem nun verunglückten Massimiliano Di Bernardini. Dass
ausgerechnet Di Bernardini sechs Tage vor Prozessbeginn verunglückt, hinterlässt
einen gewissen Eindruck, weil der Polizist im selben Verfahren auch ein
wichtiger Belastungszeuge ist, da er im sagenhaften Gewirr aus widersprüchlichen
Aussagen seit dem Auffliegen der Molotowaffäre im Sommer 2002 wenigstens in
einem Punkt vor den ermittelnden Staatsanwälten standhaft bei einer Aussage
blieb, die für einen weiteren Beschuldigten im selben Verfahren sehr schwer
wiegt. Jener Beschuldigte heißt Pietro Troiani, ein Mann, dem es zunächst über
eine lange Zeit gelungen war, sich der Aufmerksamkeit der ermittelnden
Staatsanwälte zu entziehen.

Bis zum Juni 2002 war der Name Troianis in keiner Aussage und in keinem
Protokoll aufgetaucht und seine Unterschrift gehörte auch nicht zu denen, die
das Beschlagnahmeprotokoll besiegelten, in das diese Flaschen als Teil eines
angeblichen Arsenals der Demonstranten so aufgeführt wurden, dass zunächst alle
93 Schulinsassen der Bildung einer kriminellen Vereinigung bezichtigt wurden.
Doch ist er es wohl gewesen, der die Flaschen in das Gebäude brachte. Als
Troiani in die Bredouille kam, nahm er sich keinen Geringeren als den ehemaligen
Justizminister Biondi zum Anwalt. Dieser ist Parlamentarier und hat als solcher
besondere Rechte. Von diesen Sonderrechten machte er gleich zu beginn der zum 3.
Juli angesetzten zweiten Sitzung im Vorverfahren zum Prozess gebrauch: die
Verhandlungssitzung wurde kurzfristig vertagt, weil Biondi zu einem EU-Termin
musste.

Die Geschichte des kurz vor Beginn der Vorverhandlungen im Fall Diaz
verunglückten Polizisten Di Bernardini steht exemplarisch für das Lügengeflecht,
das sich durch die gesamte Diaz-Affäre zieht. Sein Name steht in Verbindung mit
mindestens zwei spektakulären Enthüllungen I, Laufe der sehr schwierigen
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Fall Diaz. Nach wie vor gilt, dass nur
ein Bruchteil des Geschehenen überhaupt strafrechtlich Folgen haben wird und
dass eine politische und gesellschaftliche Aufarbeitung gänzlich ausfällt obwohl
Genua für weltweite sehr bedenkliche Trends in der Sicherheitspolitik der
Staaten steht. Die blanke Gewalt, die jeder mit der Diaz-Schule assoziiert, wird
im Einzelnen nicht bestraft werden, so viel steht fest. Die Polizei und weitere
italienische Institutionen mauerten im Endergebnis also doch weitgehend
erfolgreich - die Schlägertrupps werden ungeschoren davon kommen, soweit es
Verfahren gab, hat die Staatsanwaltschaft mangels Identifizierbarkeit der
einzelnen Täter die Einstellung der selben beantragt. Den Schwerpunkt im Diaz-
Verfahren werden nun viel mehr die Lügen bilden, mit denen die Polizeiaktion
zuerst begründet und dann wegen ihrer Gewaltsamkeit gerechtfertigt werden
sollte, als die bestialische Prügelattacke.

Der Verlauf der Ermittlungen zur Molotowinszenierung spricht Bände. Erst 10
Monate nach den Ereignissen im Juli 2001 kommt Bewegung in die unbequeme
Untersuchung, die sich für die ermittelnden Staatsanwälte von Anfang an als ein
einziger Hürdenlauf erweist: die Polizei und der Staat mauern durch und durch -
woran sich drei Jahre lang nichts ändern wird - die Identifizierung von
Vorgängen, Tätern und sicherheitspolitischen Verantwortlichen wird stark
erschwert; die meisten Medien schweigen, Widersprüche und unbequeme Fragen
werden (mit einigen Ausnahmen) in der Berichterstattung eher glattgebügelt oder
gänzlich ausgeblendet uns selbst die Vernehmung der Zeugen gestaltet sich
äußerst hürdenreich, um ganz zu Schweigen von den Angriffen auf die
Staatsanwaltschaft seitens der Regierungsparteien (Gianfranco Fini voran), die
ebenfalls von den Median transportiert und aufgegriffen werden. Zahlreiche Opfer
des Überfalls sind Menschen, die im Ausland leben. Viele können nur in den
jeweiligen Heimatländern vernommen werden, weil sie mit Einreiseverboten in das
italienische Land belegt sind, es gibt Sprachbarrieren und auch andere Probleme:
das Trauma macht es für viele Opfer schwer, über das Erlebte zu sprechen,
darüber hinaus lehnen einige von ihnen aus Prinzip jede Aussage gegenüber der
Justiz ab.

Die eigentliche Wahrheit ist längst in unzähligen Betroffenen- und
Medienberichten aus der Zeit der Ereignisse festgeschrieben. Die skandalösen
Vorkommnisse sind daher umfangreich dokumentiert - aber auf strafrechtlicher
Ebene zählt nur die eidliche Aussage, und die ist Schwer zu kriegen. Die
Staatsanwälte wälzen amtliche Unterlagen und sondieren jedes Detail im eher
spärlichen und extrem widersprüchlichen Redefluss der zur Sache vernommenen
Personen. Sie vergleichen Berge von einzelnen Sätzen aus allen möglichen
Vernehmungsprotokollen, sie suchen nach Widersprüchen und sammeln Indizien. Im
Frühsommer 2002 stoßen sie auf ein Dienstvermerk über die Auffindung von zwei
Molotow Flaschen in Zusammenhang mit Auseinandersetzungen am Vortag des
Überfalls auf die Schule irgendwo in der Stadt. Das Fehlen eines
Beschlagnahmeprotokolls macht sie stutzig. Die ermittelnden Staatsanwälte
beschließen, der Sache auf den Grund zu gehen. Ein seidener Faden, der sie aber
auf die richtige Spur bringen wird - durch die Vernehmung des
Vizepolizeipräsidenten von Gravina di Puglia (Provinz Bari, Apulien) Pasquale
Guaglione. Am 10. Juni 2002 erkennt Pasquale Guaglione die Flaschen, die in der
Asservatenliste mit den in der Diaz Schule beschlagnahmten Gegenständen
angeführt werden als die selben, die er mehr als 24 Stunden vor der Operation in
der Schule im Gebüsch auf einem Beet im Corso Italia aufgelesen hatte. Er gibt
auch zu Protokoll, dass er die Flaschen irgendwann in ein Fahrzeug der römischen
Squadra Mobile (Mobile Einheit - eine Art Bereitschaftspolizei) deponierte.

Nun wissen die Staatsanwälte, dass die Flaschen in dem römischen BPA-Jeep auf
die Reise gingen. Nicht etwa in die Asservatenkammer, sondern in die
Diaz-Schule. Es ist die erste handfeste Spur, die zur Truppe des nun ebenfalls
angeklagten Vincenzo Canterini führt, der jene Einheit leitete, zu der das
Fahrzeug gehörte, in welches Guaglione die Flaschen deponierte. Parallel kommt
über andere Indizienketten der Verdacht auf, dass auch bestimmte Vorfälle, die
als Vorwand dienten um die Schule zu stürmen frei erfunden waren und dass die
Verantwortlichkeiten auf höchster Ebene liegen. Als Begründung für den Einsatz
in der Diaz-Schule war ein ursprünglich offenbar von Massimiliano Di Bernardini
angezeigter, aber tatsächlich nie erfolgter Angriff mit Steinwürfen auf
Polizeiautos vorgegeben worden. Die Fragen, mit denen sich die Staatsanwälte in
diesem Frühsommer 2002 beschäftigen lauten: Wer türkte die Karten in der
chilenischen Nacht? Wer wusste außer Di Bernardini dass es gar keinen Steinhagel
auf Polizeiautos gegeben hatte? Handelten Beamte später gezielt, um künstliche
Beweise zur Untermauerung der Einsatzbegründung zu produzieren? Welcher
Polizeihandschuh deponierte die beiden Brandflaschen aus dem
Beschlagnahmeprotokoll fein säuberlich im Schuleingang?

Der erste Beamte, der in der Molotowangelegenheit von den Aussagen Guagliones
eingeholt wird, ist der jetzt verunglückte Di Bernardini. Die Staatsanwälte
haben den Angehörigen der Abteilung organisiertes Verbrechen im römischen
Polizeipräsidium schon wegen der (zu dem Zeitpunkt noch zu beweisenden) Lüge im
Visier. Bei der Vernehmung konfrontieren ihn die Staatsanwälte mit der Tatsache,
dass zwei Polizisten angegeben haben, dass \"die beiden Molotows\" ihrer
Erinnerung nach \"in den Händen des Vizepolizeipräsidenten waren, der als erster
den Steinhagel vor der Diaz-Schule angezeigt hatte\" (die Angelegenheit, wegen
der bereits in Schwierigkeit ist, weil auch dieser Steinhagel gelogen war) - in
seinen Händen, also.

Als er wegen den Brandflaschen in Bedrängnis kommt, belastet er weitere
Polizisten. Er gibt detaillierte Aussagen zu Protokoll, die sich mit den Angaben
Guagliones decken und/oder diese ergänzen. Die brisanteste Aussage ist, dass er
einen \"römischen Polizisten\" von der Bereitschaftspolizei, den er konkret
benennt, IM INNEREN der Schule mit den in einer Plastiktüte verhüllten Flaschen
in der Hand gesehen haben will. Damit ist Di Bernardini ist der erste, der an
dem Einsatz in der Diaz Schule beteiligt war, der zugibt, dass der Weg der
Flaschen ein anderer gewesen, als in den Polizeiberichten angegeben. Und er
bringt den misteriösen Römer ins Gespräch, von dem die Staatsanwälte bis dahin
nichts wussten. Der besagte römische Polizist ist Pietro Troiani, der selbe, der
schon am Vortag in dem Jeep saß, in dem die Molotows lagen. Es ist der Anfang
von der Spur auf der die Staatsanwälte in der Molotow-Affäre den Roten Faden
finden werden, der sie bis hin zur Anklage gegen die jetzt vor Gericht
erscheinenden Beamten und eben zur Identifizierung des Vizequästors Pietro
Troiani als denjenigen, der die Flaschen im Gebäude deponierte fühert.

Pietro Troiani - der gar nicht hätte in der Diaz Schule sein sollen. In Genua
war er der logistischen Einsatzkoordination unter Leitung des Generals Donnini -
der auch in dem Jeep kutschiert wurde, in den am 20. Juli auf dem Corso Italia
die Molotows deponiert wurden. Troianis Rolle im logistischen Koordinationsstab
ist die des Kontaktbeamten zwischen dem Polizeipräsidium und den
Bereitschaftspolizeien in den einzelnen Einsatzgebieten. Er gehört also gar
nicht zu der vom ebenfalls wegen der Diaz angeklagten Vincenzo Canterini
angeführten Einsatzmannschaft, die zur Diaz Schule geschickt wird. Trotzdem
kennt er die Truppe - und vor allem ihren Leiter gut: Canterini hat ihn in eben
dieser Truppe geformt, er ist eine Art polizeitechnischer Ziehvater Troianis.
Der römische Polizist gehörte noch wenige Monate vor dem G8 der Canterini-Truppe
an. Nur will sein Meister - der selbst unter Druck ist, es findet gerade der
Versuch statt, alle Verantwortung auf seine BPA -Truppe abwälze, obwohl weit
mehr als nur seine Leute in der Schule waren - nichts von ihm wissenlässt seinen
Schüler im Stich, er distanziert sich. Als er telefonisch um ein Statement zu
den neuen Entwicklungen gebeten wird, antwortet er: \"Ach was? Troiani? Was hat
der denn da überhaupt gesucht? Sicher war er nicht bei mir und meinem
Befehlsstab. Gott sei Dank klären sich die Dinge langsam auf. Wenigstens wird
man nicht sagen, dass er zu den Meinen gehörte\".

In der Zeit vom 17. Juni bis zum 4. August Vernehmen die Staatsanwälte am
laufenden Band. Erstmals wird auch Pietro Troiani vorgeladen, hier noch als
Zeuge. Es ist der 1. Juli 2002. Bei der Vernehmung erklärt er wo und wie er die
Flaschen gesehen hat: \"Mein Fahrer Michele Burgio kommt auf mich zu und
erzählt, dass im Auto oder in der unmittelbaren Umgebung zwei Molotows gefunden
wurden. [...] Ich habe die Flaschen dem Dottor Massimiliano Di Bernardini
gebracht und bin dann gegangen\". Di Bernardini hat aber gesagt, dass er ihn mit
dem Beutel im Inneren der Schule gesehen hat - dort, wo sie vor der inszenierten
Auffindung deponiert wurden. Troiani verlässt die Staatsanwälte drei Stunden
später, die Staatsanwälte verabschieden ihn mit der Empfehlung, sich rechtlichen
Beistand zu verschaffen. Am 4. Juli wird Burgio gehört, der Fahrer des
Magnum-Jeeps, auf dem Stabsbeamte kutschiert wurden. Von ihm erfahren die
Staatsanwälte, dass der Leiter des logistischen Koordinationsstabes Donnini am
20. Juli am Ort der Auffindung der Molotows war: \"Als der Dottor Donnini
eingetroffen ist, habe ich ihn darauf aufmerksam gemacht, dass es diese Flaschen
gab und er hat sich mir in erregtem Ton zugewandt, als hätte ich eine dumme
Frage gestellt [...]\" Der Finder der Flaschen Guaglione wird die Aussagen
Burgios in vollem Umfang bestätigen. Danach bat er vergeblich seinen
Vorgesetzten Donnini um Anweisung, was mit den Flaschen zu tun sei.

Für Donnini gibt es deswegen keine Konsequenzen. Wohl aber für Troiani. Dieser
gerät durch die Aussagen Burgios zur Diaz Schule immer tiefer in die Bredouille.
Burgio sagt über ihn aus: \"Vor der Schule herrschte ein Großes Durcheinander...
Nach einer Weile habe ich einen Anruf vom Dottor Troiani bekommen, der mir
gesagt hat, dass ich diese Sachen, die wir gefunden hatten, herbringen sollte
und er meinte dabei die beiden Flaschen. Ich habe den Beutel genommen und dann
habe ich mir einen Weg durch die Menge gebahnt... ich habe den Inspektor Tucci
erkannt, der mein Gruppenführer gewesen war. Ich habe ihn gefragt, wo Troiani zu
finden sei und er hat ihn mir gezeigt; [...] ich erinnere mich, dass er im
Gespräch mit zwei weiteren leitenden Beamten war [...] in der Tat kann es sein,
dass ein erster Funktionär, an den sich Troiani unter Vorführung des Beutels
gewendet hatte, diesen mitgenommen und sich mit anderen Beamten verständigt
hat\". Sechs Tage später erkennt Burgio den besagten Beamten auf einem Foto. Es
ist Massimiliano Di Bernardini. Gegen vier Journalisten, von denen je zwei für
die Tageszeitungen Repubblica und il Secolo XIX arbeiten, wird Anzeige
erstattet, weil sie Auszüge aus den Vernehmungsprotokollen veröffentlicht haben.
Burgio tritt binnen kurzer Zeit aus der Polizei aus. Es heißt, das Klima in
seiner Kaserne sei für ihn unerträglich geworden. In einem Interview teilt er
mit: \"Ich glaube an bestimmte Werte und Verhaltensformen, die wie mir scheint
in der Polizei heutzutage nicht mehr existieren\" und sieht sich rückblickend
als ein von den Vorgesetzten missbrauchter Untergebener.

Am 9. Juli ist wieder Troiani an der Reihe - dieses Mal als Beschuldigter - Er
gibt zu Protokoll: \"Ich nehme zur Kenntnis, dass Burgio der Justizbehörde
gegenüber erklärt hat, dass er einen Anruf von mir bekommen hat, bei dem ich ihm
wörtlich gesagt haben soll, `diese Sachen´ herzubringen\". Weiterhin sagt er:
\"Ich glaube, dass es möglich sein könnte, dass jemand mir bevor ich das
Polizeipräsidium auf dem Weg zur Diaz Schule verließ, etwas von der Anwesenheit
der Flaschen erzählt hat [...] ich sagte zu Di Bernardini, dass diese Flaschen
im Fahrzeug waren [...] und Di Bernardini sagte mir, dass ich sie herbringen
lassen sollte, ich Glaube, dass vorne auch Caldarozzi dabei war. Als ich die
Flaschen gebracht habe, hat er mich gefragt, wo ich sie denn gefunden hätte und
ich habe gesagt, dass sie im Hof oder in der unmittelbaren Umgebung der Stufen
zum Eingang lagen. Das war meine Leichtfertigkeit und ich bin mir bewusst, dass
ich diese los werden wollte, statt ein Beschlagnahmeprotokoll zu schreiben...
\". Wo die Staatsanwälte auch nur hinsehen, überall türmen sich die Widersprüche
in den Aussagen der Polizisten. Doch hat Troiani immerhin irgendwie eingeräumt,
dass er die Flaschen auf den Hof bringen ließ und dass er sie leitenden Beamten
vor Ort weitergab. Imkmerhin zeichnet sich ab, auf welchem Weg die Flaschen den
Schulinsassen untergejubelt wurden. Die Prüfung der Verbindungsnachweise der
Handys Burgios und Troianis bestätigt, dass sie drei Mal telefonierten, um 00.
34, um 00.52 und um 00.59 Uhr. Die ermittelnden Staatsanwälte werden mit Hilfe
von weiteren Indizien später schlussfolgern, dass der Befehl, die Flaschen in
den Hof zu bringen um 00.34 Uhr gegeben wurde.

Während sich die Polizisten immer heftiger gegenseitig den Schwarzen Peter
zuschieben und die Öffentlichkeit beginnt, aufzuhorchen, werten die
Staatsanwälte Filmaufnahmen von mehreren TV-Sendern aus, die sich zur Diasz
Schule begeben hatten. Dabei stoßen sie auf bis dahin unbekannte Aufnahmen, die
ein Jahr lang verborgen geblieben waren. Als der Sender erfährt, dass der scoop
des Jahres in den eigenen Archiven liegt, beschließt er, damit auf Sendung zu
gehen. Die Staatsanwaltschaft kommt dem aber zuvor. Sie ordnet die Beschlagnahme
des Originals beim TV-Sender Primocanale an und verbietet, dass das Material
ausgestrahlt wird.

Die Aufnahmen zeigen, wie all die hohen Polizisten um den Beutel mit den soeben
aus dem Jeep eingetroffenen Flaschen versammelt sind. Das 22 Sekunden lange
Telefonat an Burgio, den Troiani anweist, ihm die Flaschen zu bringen, findet
laut Verbindungsnachweis um 00.34 statt. Die filmisch festgehaltenen Handlungen
setzen sieben Minuten später ein, um 00:41 Uhr und dreißig Sekunden und dauern
fünf Minuten. Die erste Szene zeigt wie die mittlerweile angeklagten
Polizeidirektoren um den blauen Beutel versammelt sind: Luperi, der mit seinem
Vorgesetzten, dem Präfekten La Barbera telefoniert und Canterini, Mortola,
Gratteri, Caldarozzi, Troiani. Luperi scheint in diesen Aufnahmen der zu sein,
der das Sagen hat. Er befiehlt, disponiert, gestikuliert. Neben ihm steht
Caldarozzi, Vize von Gratteri (Heute Chef der Antiterrorpolizei), der Beutel mit
den Flaschen ist in den Händen Caldarozzis. Immer wieder schauen die beiden in
den Beutel. Sie grinsen. Vor Caldarozzi steht wiederum Mortola, damals Chef der
genuesischen Digos (politische Polizei), der die Flaschen aus dem Beutel zieht.
Neben Mortola steht Murgolo, Vikar des Polizeipräsidiums von Bologna und etwas
abseits sieht man den damals 40-jährigen Gratteri, der von der Front der ganz
harten Mafiabekämpfung kommt und sich in ihr einen Namen gemacht hat. Etwas
weiter weg steht Canterini, der einen Blick wirft. Troiani steht seitlich im
Abseits von der Gruppe und schaut zu. Als Mortola die Flaschen aus dem Beutel
nimmt, fangen fast alle an, zu telefonieren.
Die Verteidiger von den Beschuldigten toben und drohen, doch hilft alles nichts:
für die Staatsanwälte ist diese Versammlung im Hof der Beweis, dass die
illegitimen Maßnahmen in jener Nacht in jenem Kreis abgesprochen wurden und auch
der angebliche Steinhagel am früheren Abend soll nach ihren Erkenntnissen als
Begründung für den Einsatz noch mal abgesprochen worden sein. Die damals
offiziell kursierende Version der Polizei über den angeblichen Steinhagel
lautete, dass am Abend des 21. Juli um 21,30 Uhr aus einer Gruppe von \"ungefähr
200 Personen, von denen viele wie die black block schwarz gekleidet waren\"
heraus in der Nähe vom Eingang zum Hof von der Diaz Schule vier Polizeiautos,
von denen zwei zivil waren, mit einem Stein- und Flaschenhagel angegriffen
worden seien. In den Autos, Di Bernardini, Beamte der politischen Polizei Digos
von Genua und von der Abteilung präventive Kriminalitätsbekämpfung. Daraus wird
eine Gefahrenprognose konstruiert, die den Verdacht formuliert, dass sich in der
Diaz-Schule \"bewaffnete\" Angehörige der \"kriminellen Vereinigung Black
Block\" aufhalten. Damit soll der Einsatz begründet werden. Die Molotows sollen
ihrerseits zusammen mit einer ebenfalls erfundenen Messerattacke auf einen
Polizisten die Gewalt rechtfertigen und die Verhaftungen ebenso.

Um den angeblichen Flaschen- und Steinhagel endgültig als Unwahrheit zu
offenbaren werden die Staatsanwälte aber noch schwer kämpfen müssen. Erst im Mai
2003 wird engültig geklärt, dass es diese Steinwürfe auf ein Polizeiauto nie
gab. Die Ermittlungen im Fall Diaz sorgen in jenen Monaten (Sommer/Herbst 2002)
für manchen Schweißausbruch im Innenministerium und werden spätestens im Herbst
durch ein immer gespalteneres Klima in der Staatsanwaltschaft stark gebremst. Es
ist das Ermittlungsverfahren, welches die höchsten Etagen der italienischen
Inneren Sicherheit und den italienischen Staat am stärksten in Bedrängnis bringt
und wird bald das Verfahren werden, über das am wenigsten gesprochen wird. Im
Oktober erreicht aber doch noch etwas die Öffentlichkeit, dass einmal mehr
bestätigt, wie arglistig die Polizei gehandelt hat: mittlerweile gibt es vier
Filmaufnahmen, die in Zusammenhang mit den Vorgängen auf dem Schulhof brauchbare
Bilder liefern. Ein Detail kommt ans Licht, das die Spurensicherungsgruppe RIS
der Carabinieri trotz der akribischen Auswertungsarbeit zuvor übersehen haben
will. Der inzwischen berühmte Troiani hat sich bevor er sich in das Schulgebäude
begeben hat, um die Flaschen zu deponieren, von seinen goldenen
Dienstgradabzeichen befreit. Minuten später taucht er dann wieder mit
Dienstgradabzeichen auf, als er mit der Truppe Canterinis nach Beendigung der
Operation abmarschiert. Warum hat sich Troiani die Dienstgradabzeichen
abgenommen? War es ein Dritter, der ihm dazu riet, oder handelte er auf eigene
Faust? Eine schlichte \"Leichtfertigkeit\" kann es nicht gewesen sein.

Die Staatsanwaltschaft wird im Laufe der Verhandlungen im Vorprozess erstmals
ihren aktuellen Kenntnisstand Preis geben. Die hier angeführten
Ermittlungsergebnisse sind nur ein Bruchteil der Tatsachen in Zusammenhang mit
den verleumderischen Konstrukten, mit denen der Richter sich in den kommenden
Monaten befassen wird, um zu entscheiden, ob es für eine Anklage reicht. Es darf
mit bis dato der Öffentlichkeit nicht preisgegebenen weiteren Details gerechnet
werden. Der Tanz auf dem Vulkan wird also jetzt vor Gericht fortgeführt.


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Die ersten 29
Drei Jahre nach dem G 8-Gipfel in Genua erscheinen vor Gericht 29 leitende
Polizisten, die am Überfall auf die Diaz-Schule beteiligt waren. von andrea
perugini und steffen vogel

Das Gerichtsgebäude unweit des Palazzo Ducale in Genua ist von der Polizei
weiträumig abgeriegelt. Die als Nebenkläger auftretenden Opfer müssen sich durch
mehrere Kontrollen in einen bunkerähnlichen Gerichtssaal begeben. Sie kommen aus
Berlin, Zaragoza, Zürich, London. Viele sind zum zweiten Mal in Genua; zum
ersten Mal kamen sie im Juli 2001, um an den Protesten gegen den G 8-Gipfel
teilzunehmen. Das Gerichtsgebäude ist fensterlos und enthält die aus den
Prozessen gegen die Brigate Rosse und die Angehörigen der 77er-Bewegung
bekannten Gitterkäfige. Doch diesmal sind die Gitter weg. Eine räumliche
Trennung zwischen Angeklagten und ihren Opfern gibt es bei diesem Prozess nicht.
Nach einer für italienische Verhältnisse kurzen Zeit von drei Jahren hat in
Genua am 26. Juni das Vorverfahren gegen 29 leitende Polizisten begonnen, die am
Überfall auf die Diaz-Schule beteiligt waren.

In der Nacht des 21. Juli 2001 stürmten Einheiten der Carabinieri und der
politischen Polizei (Digos) die von Globalisierungskritikern und Journalisten
als Unterkunft und Medienzentrum genutzte Schule Armando Diaz. Ohne Vorwarnung
prügelten sie auf die zum Teil bereits schlafenden Menschen ein und nahmen 93
Personen fest. Die schreckliche Bilanz dieses Polizeieinsatzes waren 61
Verletzte, von denen einige nur dank eilig durchgeführter Notoperationen die
Nacht überlebten. Für andere ging der Terror in der Polizeikaserne von Bolzaneto
weiter, in der sie ohne Angabe von Gründen einen Tag und eine Nacht lang
festgehalten wurden. Die anwesenden Polizisten zwangen ihre Gefangenen zum
Absingen faschistischer Lieder, erniedrigten und folterten sie.

Die Verstrickung des italienischen Vizepremiers Gianfranco Fini von der
postfaschistischen Alleanza Nazionale (AN) in die Koordination des
Polizeieinsatzes in Genua ist mittlerweile gut dokumentiert. So befanden sich
Fini und andere hochrangige AN-Politiker während des Gipfels über längere Zeit
in der Einsatzzentrale der Polizei.

Da die Täter in der Diaz-Schule fast alle vermummt waren, ist es schwer,
einzelnen Beamten bestimmte Handlungen nachzuweisen. Die Anklage argumentiert
deshalb, die anwesenden Polizisten hätten, so sie denn nicht selbst geschlagen
haben, zumindest die Schläge verhindern müssen. Dennoch sind die Anklagepunkte
konkret. Sie reichen von versuchtem Totschlag bis zur Vortäuschung einer
Straftat. Der letzte Anklagepunkt bezieht sich auf das polizeiliche
Einschmuggeln von zwei Molotow-Cocktails in die Schule, die als Beweis für die
gewalttätigen Absichten der Demonstranten benutzt werden sollten.

Zu den Angeklagten zählen hochrangige Beamte wie der Polizeipräsident von Genua,
Francesco Gratteri, der Leiter der Informationszentrale der Antiterrorpolizei
von Bologna, Giovanni Luperi, und Spartaco Mortola, ehemaliger Chef der Digos.
Zu ihrer Verteidigung sind über 40 Anwälte aufgeboten, darunter auch Prominenz
wie Alfredo Biondi, Abgeordneter der Berlusconi-Partei Forza Italia und
ehemaliger Justizminister. Die Verteidigung gibt sich siegessicher. Die Schule
sei als Krankenlager genutzt worden, die Verletzungen stammten von den
Demonstrationen des Vortages und seien nicht durch ihre Mandanten verursacht
worden, so die Version der Anwälte.

\"Die Verteidigung der Polizei ist normal für die reaktionären Kräfte. Der Kampf
für Law and Order ist typisch für die Rechte, einfach aus ideologischen
Gründen\", kommentiert Emanuele Tambuscio, ein Anwalt der Nebenkläger. Dass
überhaupt ein Verfahren stattfindet, wertet er als Erfolg. \"Dies ist ein ganz
besonderer Prozess. Es ist schwer, die Polizeichefs eines Staates auf die
Anklagebank zu bekommen und zu verurteilen.\" Einen einfachen Prozess erwartet
er nicht: \"Wir werden auf große Widerstände treffen. Die Staatsanwälte hatten
große Schwierigkeiten, diese Ermittlungen durchzuführen, der politische Druck
ist enorm.\"

Das verwundert nicht, läuft doch die bisherige juristische Aufarbeitung der
Ereignisse in Genua eher gegen die Regierung Berlusconi. Zwar endete der Prozess
um den Tod des von einem Polizisten erschossenen Carlo Giuliani für die Polizei
mehr als glimpflich, doch von den angeklagten Gipfelgegnern konnten bislang nur
wenige verurteilt werden. Wohl auch deshalb laufen derzeit verstärkt
Ermittlungen gegen 50 Demonstranten aus Italien, Österreich und Deutschland, die
in den nächsten Wochen mit einer Anklage unter anderem wegen Verwüstung und
Plünderung rechnen müssen. Ihnen drohen im Fall einer Verurteilung acht bis 15
Jahre Haft (Jungle World, 24/04).

Während den Nebenklägern aus der Diaz-Schule von der Stadt Genua Unterkünfte
gestellt wurden, sollten andere, die als Angehörige des ominösen \"Black Block\"
gelten, als \"böse\" Demonstranten herhalten. Doch die Diaz-Leute lassen sich
auf diesen Spaltungsversuch nicht ein. Einen Empfang beim Bürgermeister sagten
sie ab, stattdessen kritisierten sie auf einer Pressekonferenz seine Rolle als
Nebenkläger gegen 26 italienische Aktivisten, die derzeit in Genua vor Gericht
stehen und mit denen sie sich ausdrücklich solidarisieren.

Weniger solidarisch zeigen sich Teile der italienischen Linken. Von der
parlamentarischen Mitte-Links-Opposition kommt keine Unterstützung. Tambuscio
führt dies auf politische Vorbehalte zurück: \"Die Personen aus der Diaz-Schule
sind politisch nicht einzuordnen, das heißt, sie gehören keiner Gruppe der
traditionellen Linken an, deshalb werden sie von der offiziellen Linken auch
nicht unterstützt. Wären es Aktivisten, die der Gewerkschaft CGIL, dem Circolo
Arci - einem großen, den Linksdemokraten nahe stehenden Kulturverein - oder dem
katholischen Netzwerk Lilliput angehören, würden sich die Linksparteien anders
verhalten. Als wir Rechtsanwälte die CGIL oder den Arci für kleine
organisatorische Dinge um Hilfe gebeten haben, haben sie uns immer
zurückgewiesen.\"

Zudem haben die Mitte-Links- Parteien Schwierigkeiten mit eindeutiger
Polizeikritik. \"Die italienische Linke trifft Mitschuld an der faschistischen
Kultur der Polizisten und des Polizeiapparats, da sie nie versucht hat, die
Polizei mit zu kontrollieren, und auf die Demokratisierung des Polizeiapparates
gänzlich verzichtet hat\", so Tambuscio. \"Der amtierende Polizeichef und die
wichtigsten Polizeibeamten, die jetzt auf der Anklagebank sitzen, wurden von der
letzten Mitte-Links-Regierung eingesetzt. Deshalb wollen sie zu diesen Leuten
nicht Stellung nehmen. Sie haben uns nicht geholfen. Im Gegenteil, ich wurde
sogar von der linksliberalen Zeitung La Repubblica angegriffen.\"

Unterstützung leisten hingegen die Kommunisten von Rifondazione Comunista, die
auch stark im Komitee \"Wahrheit und Gerechtigkeit für Genua\" vertreten sind.
Allerdings erschienen nur wenige Aktivisten der sozialen Bewegungen zum
Prozessauftakt. Auch die Presse hielt sich stark zurück: Außer der linken
Tageszeitung il manifesto und der La Repubblica kamen nur Regionalzeitungen, die
konservativen wie auch die von Berlusconi dominierten Medien ignorierten das
Ereignis.

Für die weitere Entwicklung des Prozesses lassen sich weniger klare Aussagen
treffen. Zu erwarten ist, dass die Verteidigung versuchen wird, den Prozess in
die Länge zu ziehen. Mit einem Urteil wird dann auch erst in fünf Jahren
gerechnet.

[ http://www.jungle-world.com/seiten/2004/28/3473.php]


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Aubonne Kampagne fuer Gerechtigkeit: der Kampf geht weiter

Drei Anti- G8 AktivistInnen sind am Montag in der Schweiz u.a. wegen
\"Gefährdung des Lebens Dritter\" schuldig gesprochen worden. Sie blockierten
zusammen mit einer Gruppe von 15 weiteren DemonstrantInnen Anfang Juni letzten
Jahres mit einem Kletterseil die Autobahn auf der Aubonne Brücke. Ziel der
Aktion war es, einer Delegation des G8 Gipfels den Weg zu versperren. Ein
Polizist kappte damals das Seil, was beinahe den Tod der beiden KlettererInnen
zur Folge hatte.

Dennoch sind Martin Shaw (englisch) und Gesine Wenzel (deutsch) am Montag in
Nyon (Kanton Waadt) sowie ein weiterer Aktivist zu bedingten Haftstrafen von 20
Tagen auf 2 Jahre Bewährung verurteilt worden. Die Strafe für Martin S. wurde
wegen der erlittenen Verletzungen fallen gelassen, das Strafmass fuer Gesine W.
wurde wegen posttraumatischem Stress auf 10 Tage reduziert.

Sowohl die Verurteilten, als auch die Unterstützungsgruppe halten die
Verurteilung für inakzeptabel. Sie bestätigten am Montag ihre Entschlossenheit,
den \"Kampf fuer Gerechtigkeit\" fortzusetzen , \"vor Gericht und auf der
Strasse\". Sie betonten, dass von Seiten der AktivistInnen alle möglichen
Sicherheitsmassnahmen durchgeführt wurden, während sie selber durch das Handeln
der Polizei beinahe ums Leben kamen.

In seiner Zeugenaussage vor Gericht bestätigte der als Zeuge vorgeladene
Einsatzleiter schliesslich dass die Kommunikation der auf der Brücke eingesetzen
Polizisten wegen Sprachproblemen praktisch nicht möglich war. So konnte sich der
Polizist der das Seil durchtrennte nicht mit seinem Einsatzleiter verändigen
weil der eine nur französisch, der andere hingegen lediglich deutsch spricht.
Ausserdem musste er eingestehen, dass er sich keinen ausreichenden Uberblick
über die Situation vor Ort verschaffte und nicht das Gespräch mit den
AktivistInnen suchte. Trotz der verheerenden Folgen für die AktivistInnen liegt
bis Dato keine Anklage gegen die verantwortlichen Beamten vor. Die Justiz
versucht allem Anschein nach, das Verfahren in die Länge zu ziehen bzw. zu
umgehen.

PressevertreterInnen, Anwälte aus ganz Europa, ein Parlamentarier des EU-
Parlaments aus Spanien, die Mutter des in Genua beim G8 Gipfel 2001 von der
Polizei erschossenen Carlos Giulliani, Heidi G., kamen, am Montag nach Nyon, um
das Verfahren zu beobachten. Weitere 100 Menschen kamen schon früh morgnds vor
der Gericht zusammen, um gegen das illegitime Verfahren und eine Verurteilung
lautstark zu protestieren. Die Kampagne machte ein weiteres Mal deutlich, dass
sie sich durch die rapide wachsende Repression nicht einschüchtern lässt,
sondern sich statt dessen darauf konzentriert, Netzwerke und Gruppen zu stärken
um der Repression während des G8 Gipfels nächstes Jahr in Schottland einhalt zu
gebieten.

Weitere Zitate während der Pressekonferenz am vergangenen Montag:

Martin Shaw (angeklagt, englisch, Elektriker): \"Unser Fall, in dem eindeutig
die Polizei die Schuld trägt, steht stellvertretend für ein System der
Ungerechtigkeit, das durch die G8- Staaten alleinig ihrem Vorteil dienend,
global reproduziert werden soll. Sie versuchen diejenigen zu terrorisieren und
einzuschüchtern, die Widerstand leisten gegen die globale und verheerende
Politik der G8 Staaten. Unter neuster Eu- Gesetzgebung werden selbst gewaltfreie
Proteste zunehmend zu Terrorismus umgedeutet und es ist erschreckend die Zunahme
an Repression gegen zivilen Ungehorsam zu erleben\".

Jean- Pierre Garbade (Hauptanwalt): \"Gemäss Art. 66 des schweizer Strafrechts
werden diejenigen die bereits gelitten haben nicht zusätzlich bestraft\".

David Hammerstein (im EU- Parlament für die Grünen, Spanien): \"Gegenüber
Polizeibrutalität und der freien Meinungsäusserung stecken die schweizer
Behörden den Kopf in den Sand\".


Heidi Giulinani (Mutter des erschossenen Carlo G. aus Genoa): \"Martin und
Gesine hatten Glück, aber es muss endlich Schluss sein mit der Immunität der
Polizei bevor noch mehr AktivistInnen zu Tode kommen.\"

[aubonne update]


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Eurotop Göteborg: Maarten aus Amsterdam darf ausgeliefert werden
Presseerklärung
1.Juli 2004, Amsterdam

Heute traf der definitive Beschluss des niederländischen Justizmnisters Donner
bezüglich der Auslieferung des 23-jährigen Amsterdamer Fahrradmechanikers
Maarten Blok an Schweden ein. Am 29. Juni 2004 wurde beschlossen, dass Maarten
an Schweden ausgeliefert werden darf. Um gegen diese Entscheidung zu
protestieren, wird am Freitag, den 2. Juli, ab 20 Uhr eine Kundgebung von
empörten SympathisantInnen in Amsterdam stattfinden.

Schweden fragte um Auslieferung Maartens im Zusammenhang mit den Ereignissen
während des Eurotops in der Stadt Göteborg im Jahre 2001. Er soll einen
Polizeibeamten geschlagen haben. Maarten hat dies stets abgestritten, ZeugInnen
und Videobilder bestätigen seine Unschuld. Die Auslieferung ist umstritten wegen
der Mißstände im Göteborger Gericht. Unter anderem Amnesty International,
schwedische Anwälte/Anwältinnen und eine schwedische Komission äußerten Kritik
an dem Verfahren.

Für weitere Informationen und Hintergründe von Maartens Verfahren:
Postbus 10591
1001 EN Amsterdam
Niederlande
E-Mail:  info@steunmaarten.org

Kurzer Hintergrund der Ereignisse:

Am Morgen des 14. Juni 2001 begann der Eurotop in der schwedischen Stadt
Göteborg. Maarten war in der Nacht zuvor in der Stadt angekommen und hatte einen
Schlafplatz in einer von der Gemeinde zugewiesenen Schule gefunden. Die Schule
wurde an diesem Morgen (14. Juni) von der Polizei in genau dem Moment umzingelt,
als der amerikanische Präsident Bush eintraf; alle anwesenden Personen - mehr
als 450 - wurden festgenommen. Auch Maarten wurde aus unklaren Gründen (' Du
bist gekommen, um Probleme zu machen') festgenommen und in die Niederlande
deportiert.

Ungefähr vier Monate später bekam er einen Bericht von einer schwedischen
Gruppe, die sich für diejenigen einsetzt, die nach dem Eurotop angeklagt wurden;
er soll international gesucht werden wegen schwerer Störung der öffentlichen
Ordnung und Gewalttätigkeit gegenüber einem Polizisten.

Obwohl der Fall kaum untermauert ist, Aussagen der Polizisten sich widersprechen
und hinreichend Beweis für Maartens Unschuld ist (Videoaufnahmen und ZeugInnen),
droht Maarten nun doch an Schweden ausgeliefert zu werden. Die bislang geführten
Prozesse im Zusammenhang mit dem Eurotop in Göteborg sind umstritten. So wird
für schwedische Maßstäbe ungewöhnlich hoch gestraft, war die Beweislage in den
meisten Fällen äußerst mager und wurde nachweisbar mit den 'Beweisen'
gepfuscht. Unter anderem Amnesty International und eine von der schwedischen
Regierung gegründete Komission haben Kritik am Verlauf der Verfahren geäußert.

Keine Auslieferung von Maarten!

--

www.steunmaarten.org
www.supportmaarten.org
www.stödmaarten.se
Postbus 10591
1001 EN Amsterdam
e-mail:  info@steunmaarten.org

[indymedia.de, von Steunmaarten - 02.07.2004 15:30]


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Einladung zum Vorbereitungstreffen für eine gemeinsame Demonstration wegen der
Repression in Genua

Im Juli 2001 fand in Genua ein Treffen der G8 statt. Trotz massiver
Einschüchterungsversuche im Vorfeld beteiligten sich über 300.000 Menschen an
den Protesten. Auch in der BRD mobilisierten verschiedene linke Spektren nach
Genua. Neben dem großen Erfolg blieb Genua vielen aber auch in anderer
Erinnerung: Hunderte von ProtestteilnehmerInnen wurden verhaftet und z.T. schwer
misshandelt. Carlo Giuliani wurde von Carabinieri erschossen.

Seit dem 2. März findet in Genua ein Prozess gegen 26 italienische AktivistInnen
statt, die im Dezember 2002 verhaftet wurden. Ihnen wird Plünderung und
Verwüstung vorgeworfen und drohen damit Haftstrafen von 8-15 Jahren. Weitere
Prozesse gegen 50-60 Leute hat die Staatsanwaltschaft schon angekündigt.
Betroffen sind, mit derselben Strafandrohung, diesmal auch Menschen aus anderen
europäischen Staaten: Die Volkstheaterkarawane, zwei Gruppen aus Deutschland,
die beim Verlassen der Stadt verhaftet wurden, und Menschen, die angeblich auf
Filmmaterial identifiziert werden konnten.
Am 26. Juni 2004 wird der Prozess gegen einige Polizisten stattfinden, die an
der Stürmung der Diaz-Schule beteiligt waren. Auch wegen Misshandlungen in der
Kaserne Bolzaneto soll es Anklagen geben.

Obwohl den 26 AktivistInnen unglaubliche Haftstrafen drohen, ist das Interesse
für diesen Prozess sowohl in der Öffentlichkeit, als auch in der Linken noch
sehr gering. Wir sind der Meinung, dass eine breitere Solidaritätsbewegung nötig
ist, um die Leute, die jetzt stellvertretend für die ganze Bewegung verurteilt
werden sollen, wirkungsvoll zu unterstützen. Durch die Konstruktion einer
kriminellen Vereinigung, was de facto im Moment an den 26 Italienischen
Angeklagten versucht wird, lässt sich zukünftig jeder Widerstand in der EU im
Keim ersticken. Die Staatsanwaltschaft definiert den Organisierungsgrad von
willkürlich ausgesuchten Menschen. Damit sind, auch wenn nur einzelne Leute
betroffen sind, wir alle gemeint.
Wir rufen daher alle Gruppen auf, die damals in Genua waren oder nach Genua
mobilisiert haben, sich nicht ihrer Verantwortung zu entziehen. Wir wissen um
die Konflikte, die es über verschiedene Protestformen in der Bewegung gibt. Wir
denken, dass dies für eine Soli-Arbeit keine Rolle spielt und es möglich sein
muss, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen: Keine Kriminalisierung von
Globalisierungsprotesten. Wir laden daher alle interessierten Gruppen zu einem
Vorbereitungstreffen ein, um eine öffentlichkeitswirksame Demonstration zu
organisieren, die die Vielfältigkeit der damaligen Mobilisierung wiederspiegelt.

Solidarität mit den angeklagten AktivistInnen von Genua!
Erstes Treffen: Mittwoch, 21. Juli 2004
19 Uhr
Reichenberger Strasse 63a [Berlin]
HH-Keller


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gipfelsoli infogruppe

Die AutorInnen der Beiträge, so sie nicht von uns verfasst sind, sind mit
eckigen Klammern versehen. Wir können leider keine Verantwortung für die
Richtigkeit der Beiträge übernehmen. Auch geben die Beiträge nicht zwangsläufig
unsere Meinung wieder.

Kontakt, Kritik, Beiträge:  gipfelsoli@nadir.org

 

20.07.2004
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