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Göttingen: DEMO am 15. Mai gegen rassistische Polizeigewalt

DEMO gegen rassistische Polizeigewalt in Göttingen am 15. Mai

Aktuell: Ordnungsamt verbietet Auftaktkundgebungsort wegen eines dort stattfindenden
Spargelfressens. Neuer Auftaktkundgebungsort wird so schnell wie möglich mitgeteilt


Demo: "gegen rassistische Polizeigewalt und Sondergesetze"

Aufruf:


STOPPT RASSISTISCHE POLIZEIGEWALT !!!!!

AUFRUF zur bundesweiten Demonstration am 15.5.04 um 12 Uhr
in Göttingen am Gänseliesel
Am 4.3.04. kam es im Göttinger Bahnhof zu einem Übergriff von sechs Polizisten gegen
einen 18jährigen Flüchtling, der an diesem Tag auf dem Weg zu seinem Göttinger Anwalt
war. Bei einer "verdachtsunabhängigen Kontrolle" durch den BGS wurde er derart verletzt,
dass er mehrere Stunden in der Notaufnahme verbringen musste. Noch immer leidet er unter
den Schmerzen. Statt Schmerzensgeld sieht er sich einer Anzeige wegen Verletzung der
"Residenzpflicht" (er ist in Worbis untergebracht ) und "Widerstandes gegen
Vollstreckungsbeamte" gegenüber.
Rassistische Polizeigewalt ist in Deutschland
keine Ausnahme!
Mehr als einmal wurde die BRD bereits vom Europarat und den Vereinten Nationen (UN)
wegen erheblicher Polizeibrutalität an AusländerInnen kritisiert. Im Januar 2004
veröffentlichte amnesty international einen Bericht über rassistisch motivierte Polizeigewalt in
Deutschland. Der Bericht verweist auf die hohe Zahl rassistischer Polizeiübergriffe, den
Unwillen von Staatsanwaltschaften gegen PolizeibeamtInnen zu ermitteln und die
routinemäßigen Gegenanzeigen von gewalttätigen PolizeibeamtInnen gegen ihre Opfer.
Durch diese Gegenanzeigen wegen angeblichen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte
wird das Opfer zum/zur Täter/in. Eine solche Verdrehung der Tatsachen funktioniert nur
durch rassistische Denkstrukturen.
Bei rassistischen Kontrollen werden Menschen anhand von phänotypischen Merkmalen
überprüft (Phänotyp= äussere Erscheinungsform z.B. Hautfarbe) und darin spiegelt und
manifestiert sich die rassistische Haltung der Gesellschaft. Ein Mensch mit schwarzer
Hautfarbe kann unmöglich Teil des deutschen Volkskörpers sein. Wenn der also von der
Polizei kontrolliert, festgenommen oder misshandelt wird, hat das schon seine Richtigkeit.
Deutsche Obrigkeitshörigkeit, rassistische Vorstellungen und völkische Ideologie greifen hier
ineinander über. Die Staatsmacht kann dann ruhig behaupten, sie sei angegriffen worden.
Wem wird hier wohl geglaubt werden: dem/der unerwünschten Nichtdeutschen, der /die
nach Meinung vieler sowieso in irgendwelchen kriminellen Strukturen steckt? Oder dem/der
ordentlichen deutschen Hüter/in von Recht und Ordnung?
Die Tatsache, das die AkteurInnen der Staatsgewalt Opfer zu TäterInnen machen können,
spiegelt die Unterdrückung hier lebender AusländerInnen wider. Der Schulterschluss
zwischen PolizeibeamtInnen, StaatsanwältInnen und RichterInnen ist ein Ausdruck der
rassistischen Organisation der Bundesrepublik Deutschland. Das bedeutet für hier lebende
AusländerInnen: sie können legal überfallen werden. Wenn sie sich dagegen wehren, wird
ihnen oft per Gerichtsbeschluss noch einmal klar gemacht, dass Übergriffe auf
Nichterwünschte mit dem deutschen Gesetz vereinbar sind: Die Polizei mit der Lizenz zum
Mißhandeln.
Deshalb verzichten Opfer von Polizeigewalt häufig auf Anzeigen, was auf eine sehr hohe
Dunkelziffer schließen lässt. Rassistische Polizeigewalt ist keine Ausnahme, sondern Alltag
für in Deutschland lebende Flüchtlinge und MigrantInnen. Die dokumentierten Übergriffe
haben zu unterschiedlich schweren Verletzungen bis hin zu Todesfällen geführt. Am
bekanntesten ist in der deutschen Öffentlichkeit der Fall von Aamir Ageeb, der bei seiner
Abschiebung durch BGS-Beamte zu Tode kam. Der zur Zeit stattfindende Prozess gegen die

tatbeteiligten BGS-Beamten wegen Körperverletzung mit Todesfolge ist aber als große
Ausnahme anzusehen. Bei den wenigen Fällen, in denen es zu Strafverfolgung der
TäterInnen kam, ist dies überwiegend auf das große öffentliche Interesse zurückzuführen.

-Cornelius Yufanyi, Voice-Aktivist aus Göttingen wurde am 26. Januar 2003 nach einem
Treffen von The Voice in Jena unter dem Vorwand einer Personalkontrolle von PolizistInnen
angegriffen, verletzt und verhaftet. Ungefähr eine Viertelstunde lang ließen sie ihren
rassistischen Ressentiments auf offener Straße und unter den Augen von Unbeteiligten freien
Lauf. Bis heute leidet Cornelius Yufanyi noch unter den Folgen des Polizeiangriffes. Die
Anzeige gegen die drei PolizistInnen wurde von der Staatsanwaltschaft abgewiesen.
Stattdessen wurde gegen Cornelius Yufanyi Anzeige wegen Widerstandes gegen
Vollstreckungsbeamte und Verletzung der Residenzpflicht erstattet. Das Verfahren dauert
an.

-Gegen mehrere Polizeibeamten, die im Verdacht standen, den 31-jährigen Stefan Neisius
am 11. Mai auf der Kölner Polizeiwache Eigelstein mit Schlägen misshandelt zu haben,
wurde Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge erhoben. Die Polizei hatte den
jungen Mann am Abend des 11. Mai nach einem Familienstreit in seiner Wohnung
festgenommen. Als er auf der Wache ins Koma fiel, wurde er in ein Krankenhaus
eingeliefert, wo er am 24. Mai verstarb, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Der
Vorfall mutmaßlicher Polizeibrutalität kam ans Tageslicht, nachdem zwei Polizeibeamte einen
ihrer Vorgesetzten darüber informiert hatten, dass sie in der Nacht der Festnahme von Stefan
Neisius Zeuge geworden waren, wie fünf oder sechs ihrer Kollegen um den am Boden
liegenden und an den Händen gefesselten Häftling herumgestanden und ihm wiederholt
Fußtritte gegen Kopf, Körper, Arme und Beine versetzt hätten. Anschließend, so die beiden
Zeugen, hätten drei oder vier Polizisten Stefan Neisius an den Füßen gepackt und ihn durch
den Flur in eine Zelle geschleift, wo er erneut mit Schlägen und Fußtritten traktiert worden
sei, während er hilflos am Boden lag. Kurz nach Bekanntwerden des Vorfalls wurden sechs
Polizeibeamte vom Dienst suspendiert.

-Ende Juni schloss die Staatsanwaltschaft Hamburg ihre Ermittlungen im Fall des Todes
von Achidi John ab. Der 19-jährige Asylbewerber aus Kamerun war am 12. Dezember 2001
im Universitätskrankenhaus Eppendorf gestorben, nachdem ihm vier Polizeibeamte und eine
Ärztin gegen seinen Willen ein Brechmittel verabreicht hatten, um auf diese Weise Drogen
sicherzustellen, die der junge Kameruner verschluckt haben sollte. Als Todesursache wurde
Berichten zufolge »hypoxischer Hirntod« festgestellt, zurückzuführen auf eine vorbestehende
schwere Herzerkrankung von Achidi John. Die Staatsanwaltschaft erhob weder gegen die
vier Polizeibeamten noch gegen die Ärztin Anklage, da sie zu dem Schluss gelangte, ein
strafrechtlich relevantes Verhalten der Beteiligten sei zu verneinen. Die Praxis der
zwangsweisen Verabreichung von Brechmitteln zum alleinigen Zweck der Sicherstellung von
Beweisen für Drogenbesitz war Mitte 2001 in Hamburg eingeführt worden und richtete sich
in den allermeisten Fällen gegen SchwarzafrikanerInnen.


Rassistische Sondergesetze
sind Gesetze, gegen die nur AusländerInnen verstoßen können. Sie dienen dazu, die Lüge
von den kriminellen AusländerInnen durch Statistiken zu belegen , in der BRD nicht
erwünschte Menschen zu kriminalisieren, und sie dadurch einfacher abschieben zu können.
All diese Vorfälle wären ohne die bestehenden rassistischen Sondergesetze in diesem
Umfang nicht möglich. Durch die Gesetze werden rassistische Polizeikontrollen und die damit
oftmals verbundenen Mißhandlungen, ob in Bahnhöfen, Innenstädten, im Grenzgebiet oder
sonstwo erst legitimiert. Die rassistische Sonderbehandlung, die im Ausländergesetz und
wohl bald auch im Zuwanderungsgesetz festgeschrieben ist, zwingt Flüchtlinge beispielsweise
sich nur in einem ihnen zugewiesenen Landkreis zu bewegen (Residenzpflicht). Dadurch
haben Polizei und BGS die Erlaubnis "nicht deutsch aussehende" Menschen
verdachtsunabhängig überall zu kontrollieren, um zu überprüfen, ob sie sich an jenem Ort
aufhalten dürfen.
Die rassistischen Sondergesetze beschränken sich allerdings nicht auf die Abschaffung der
Bewegungsfreiheit, sie spiegeln sich in den unterschiedlichsten Alltagssituationen wider. So
haben die Betroffenen nur Anspruch auf reduzierte Sozialhilfe (80%), welche oftmals in
Gutscheinen oder in Form eines Chipkarten-Systems ausgezahlt wird. Damit dürfen die
Flüchtlinge nur in bestimmten Geschäften einkaufen und sind auf ein limitiertes Sortiment
beschränkt Der Gesetzgeber bestimmt, was ein Flüchtling kaufen darf und was nicht.
Kulturelle Veranstaltungen sind beispielsweise nicht mit Gutscheinen zu bezahlen. Dadurch
werden Flüchtlinge ganz gezielt aus vielen Teilen des Alltagslebens der Restbevölkerung
ausgeschlossen. Trotz aller anderen Verlautbarungen ist vom Gesetzgeber die Integration von
Flüchtlingen nicht erwünscht. Aber auch das Arbeitsverbot, die Zuweisung von (oftmals viel
zu kleinem und schlechtem) Wohnraum, rigide Meldeauflagen und andere Schikanen sind
durch Sondergesetze abgesichert. Dass diese Schikanemaßnahmen von obersten deutschen
Gerichten abgesegnet werden, verdeutlicht vielen in Deutschland lebenden AusländerInnen:
Sie sind hier unerwünscht und es gibt keine Chance auf eine Verbesserung ihrer Situation.
Im Gegenteil: In Europa einmalige Gesetze wie die Residenzpflicht sollen noch verschärft
werden und dienen als Vorbildcharakter für den Rest der ´Festung Europa`. Die staatliche
Gewalt und Ausgrenzungspolitik gegenüber vielen AusländerInnen dient ferner als Vorbild
für Repressionsmaßnahmen gegen weitere unerwünschte Bevölkerungsgruppen: Die
Säuberung des Stadtbildes von Obdachlosen, DrogenkonsumentInnen, PunkerInnen usw.
sowie Gutscheinsysteme und Arbeitszwang für SozialhilfeempfängerInnen machen sehr
deutlich wohin die Reise geht.

Wir fordern:
-eine unabhängige Untersuchungskommission für rassistische Polizeiübergriffe
-Abschaffung aller rassistischen Sondergesetze
-Bei Übergriffen nicht wegsehen, sondern einmischen


Aktuelle Infos unter www.abschiebemaschinerie-stoppen.de

Zur Demonstration rufen auf:

* AK Asyl, Göttingen * [a:ka] * Antirassismus Plenum Göttingen * Antirassistisches Telefon
Marburg (ART) * Arbeitskreis Solidarische Welt/Weltladen e.V. Göttingen * Autonome Antifa
[M] * Autonomes Infobüro im JuzI * Basisgruppe Biologie (Uni Göttingen) * Basisgruppe
Ethnologie (Uni Göttingen) * Basisgruppe Medizin (Uni Göttingen) * Basisgruppenliste (Uni
Göttingen) * Buchladen Rote Straße * Fantifa Göttingen * Flüchtlingsrat Hamburg *
Glasmoorgruppe Hamburg * gr.appa, Bremen * Gruppe gegen rassistische Polizeigewalt,
Göttingen * Gruppe Gegenstrom Göttingen * Gutscheingruppe Göttingen * Infoladen Bremen *
Initiative Schwarze Menschen in Deutschland ISD-Bund e.V. * Medizinische Flüchtlingshilfe
Göttingen * Offene Linke Alles für Alle (OLAfA) * offenelinkeliste (oll) an der Uni Potsdam * res
publica * Roma-Soli, Bremen * Schöner Leben Göttingen * [´solid] Duisburg * Soziales
Zentrum Göttingen * The Voice Göttingen * www.hiergeblieben.de

 

10.05.2004
diverse Gruppen   [Aktuelles zum Thema: Antirassismus]  Zurück zur Übersicht

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