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Wehrpflicht im juristischen Fadenkreuz

Zwei Wochen nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz hat
das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße in einem am 23. März
veröffentlichten Beschluss ebenfalls Einberufungsbescheide zum
Wehrdienst für rechtmäßig erklärt. Vorausgegangen waren seit Ende
Dezember 2003 Entscheidungen des Kölner Verwaltungsgerichts, die
aufschiebende Wirkung anhängiger Klagen gegen Einberufungsbescheide
anzuordnen, weil die Einberufungspraxis rechtswidrig sei.
Ob jemand dienen muss, ist offenbar eine Frage des Wohnortes.

So entgegengesetzt die Beschlüsse der Gerichte auch sind, kritisieren
sie doch in gleicher Weise die Wehrpflichtpraxis. Das Neustädter Gericht
weist darauf hin, dass die Einberufungspraxis „möglicherweise“ nicht
mehr „wehrgerecht“ sei und Wehrpflichtige dadurch „möglicherweise
rechtswidrige Begünstigung“ erlangen. Seit Juli 2003, so das
Verwaltungsgericht Koblenz, „dürfte sich die Neuregelung der Einberufung
zum Grundwehrdienst ... als rechtswidrig erweisen“. Beide Gerichte heben
aber hervor, dass es keinen „Anspruch auf Gleichheit im Unrecht“ gebe.
Sie haben die Klagen der Einberufenen abgewiesen.

Das Verteidigungsministerium plant umfangreiche Änderungen des
Wehrpflichtgesetzes. Die mittels Erlass angeordneten weitreichenden
Wehrdienstausnahmen sollen gesetzlich geregelt werden. Mit diesem
Schritt hofft das Ministerium Ruhe an der juristischen Wehrpflichtfront
herzustellen.

In Sachen Wehrpflicht wird dabei Hoffnung zum Prinzip. Um
Wehrgerechtigkeit nachzuweisen, wird auf dem Rücken der jungen
Wehrpflichtigen getrickst und manipuliert. In aufwendigen Berechnungen
des Verteidigungsministeriums wird „nachgewiesen“, dass lediglich zehn
Prozent eines Jahrgangs nicht einberufen werden könnten.

Tatsächlich kann aber nur jeder zehnte Wehrpflichtige eines Jahrgangs
zum Grundwehrdienst einberufen werden. Trotz angestrebter historisch
einmaliger Ausmusterungsquoten von 25 Prozent wird mindestens jeder
Zweite, der einberufen werden könnte, verschont bleiben. Der Gang nach
Karlsruhe ist vorprogrammiert. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sich
das Bundesverfassungsgericht nach 2002 abermals mit der Wehrpflicht
auseinandersetzen muss.


Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße: 8 L 476/04.NM
Verwaltungsgericht Koblenz: 7 L 616/04.KO
Verwaltungsgericht Köln: 8 L 3008/03

 

24.03.2004
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