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Gipfelinfo: Genua -- Thessaloniki -- Istanbul

Gipfelinfo - Meldungen über globalisierte Solidarität
und die Proteste gegen unsolidarische Globalisierung
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- Prozess in Genua - Zweiter Verhandlungstag
- Freiheit für alle!
- Türkei, Erklärung der Libertären Koordination gegen die NATO

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Prozess in Genua - Zweiter Verhandlungstag

Um 9,15 wurde am Dienstag in Genua der zweite Verhandlungstag gegen die 26
derzeit wegen des g8 2001 in Genua der Verwüstung und Zerstörung angeklagten
Protestteilnehmer fortgesetzt. Wieder einmal war die Verhandlung überwiegend
technischer Art, da es im wesentlichen galt, Regelmäßigkeit und Zulässigkeit der
Nebenklagenbildung zu prüfen. Das Gericht hat im Laufe der Verhandlung die Stadt
Genua als Zivilkläger nicht anerkannt. Ebenso wurden zwei im Finanzbereich
angesiedelte Firmen nicht als Nebenkläger zugelassen. Die nächste Verhandlung
findet am Dienstag, den 16. März Statt. Über eine etwaige Verlegung des
Verfahrens wird sich der Kassationshof erst in zwei Monaten äußern.

Demonstrationen, Kundgebungen und Informationsveranstaltungen fanden am
gestrigen Dienstag nicht Statt. Das Gerichtsgebäude war gleichwohl martialisch
bewacht. Hundestaffeln und polizeiliche Sprengstoffspezialisten suchten penibel
das Gebäude ab, die Staatsanwältin Canepa erschien zusammen mit ihrem Kollegen
Canciani unter Digos-Eskorte im Gerichtssaal. Sie sind die Unterzeichner der
Ermittlungsakte, die zur Anklage der 26 führte. Die Prozessbesucher nahmen nach
strengen Kontrollen erneut hinter den Absperrungen Platz, die den spärlichen
Raum abstecken, der ihnen zugedacht ist. Wie schon bei der Prozesseröffnung
wurden die Personalien der Prozessbesucher registriert und die Ausweispapiere
fotokopiert. Auch Journalisten mussten Durchsuchungen über sich ergehen lassen.

Bei der gestrigen Verhandlung handelte es sich erneut um eine Sitzung mit
ausgeprägtem technischen Charakter, da es um die Prüfung der Regelmäßigkeit und
Zulässigkeit der Nebenklagen ging. Zunächst bat der Anwalt, der die Stadt Genua
vertreten sollte darum, eine zusätzliche Eingabe bezüglich der Bildung der seit
Wochen vieldiskutierten Nebenklage durch die Stadt Genua vorstellen zu dürfen.
Anschließend trugen die Anwälte der Verteidigung Einwände gegen die Anträge der
Nebenkläger vor, als ebensolche antreten zu dürfen. Der Anwalt Roberto Lamma
berief sich umfassend auf die Nichterfüllung der für die Eingaben zur Bildung
einer Nebenklage vorgeschriebenen Formalitäten, insbesondere wies er das Gericht
darauf hin, dass eine konkrete Benennung der Tatbestände, wegen denen die Stadt
Genua als Nebenkläger antreten wollte, nicht vorhanden war. Auch wies er darauf
hin, dass dies besonders schwerwiegend sei, weil sich die Stadt Genua in den
Eingaben zur Bildung der besagten Nebenklage u.a. auf den Artikel 419 des
Strafgesetzbuches "Codice Penale" berufen hatte, der sich mit den
Straftatbeständen der Verwüstung und Plünderung als Gefährdung der öffentlichen
Ordnung befasst, wodurch ein Erheben bzw. eine Bekräftigung von
Schwerstvorwürfen mit der Unterlassung einer dringend erforderlichen
Spezifizierung von grundsätzlich auch Vorschriftsmäßig zwingend nötigen
Einzelheiten einherginge. Die Staatsanwälte hatte die Anwendung des Artikels 419
mit umfangreichen, mehrere Seiten umfassenden Argumentationen begründen müssen.
Den Einwänden des Anwalts der Verteidigung Roberto Lamma schlossen sich alle
übrigen Anwälte der Verteidigung an. Weitere Einwände bezüglich der Zulässigkeit
einer Nebenklagenbildung durch die Stadt Genua führte der Anwalt des Genoa Legal
Forum Taddei an, der auf ein Fehlen von realen Interessen der Stadt Genua
einging. Seinerzeit hatte die Stadt Genua 13 Milliarden Lire (6.713.939,69 Euro)
von der italienischen Regierung zu Entschädigungszwecken erhalten. Diese Summe
sollte von der Stadt auf die Geschädigten verteilen. Zu den Geschädigten, die in
zwei Kategorien aufgesplittet waren, zählten einerseits Privatpersonen und
Kleinunternehmen und andererseits öffentliche Einrichtungen und Verwaltungen und
Großunternehmen. Auch gegen weitere Nebenklagen erhoben die Anwälte Einwände,
denen in zwei Fällen Statt gegeben wurde. Hier waren zum Teil schwerwiegende
Formfehler Grund der Antragsabweisung. Zugelassen wurde die Nebenklage des
Anwalts des Carabiniere, der am Steuer des Jeeps saß, aus dem die Schüsse auf
Carlo Giuliani fielen, Filippo Cavataio, der für das zweimalige Überfahren des
Körpers des am boden liegenden Carlo Giuliani nie belangt wurde und auch die
Nebenklage von zwei Bankhäusern.

Nachdem es sich zur Beratung zurückgezogen hatte, verlas das Gericht folgende
Verfügung: "Das Gericht ? Verfügung ? In der Sache bezüglich der Bildung einiger
Nebenklagen merkt das Kollegium nach Anhörung der Parteien an, wie die am 2.
März 2004 hinterlegte Schrift zur Bildung einer Nebenklage seitens der
Stadtgemeinde Genua wegen des Fehlens von Mindestvoraussetzungen unzulässig
erscheint. Es fehlt nämlich vollkommen die Darlegung der Gründe, welche den
Antrag gemäß Artikel 78 Komma 1 Absatz b der Strafprozessordnung (Codice di
Procedura Penale) rechtfertigen. In jener Schrift wird allgemein auf den
Straftatbestand gemäß Artikel 419 des Strafgesetzbuches Bezug genommen und auf
die Absicht, die Entschädigung der moralischen und materiellen Schäden ? in
Anführungsstrichen: wegen der Beschädigung städtischer Einrichtungsgegenstände
und öffentlicher Eigentümer, die in den verschiedenen Gebieten gelegen waren,
auf die im Anklagepunkt hingewiesen wird ? zu erwirken, ohne dass spezifiziert
würde, auf welchen der zehn Anklagepunkte, die den Straftatbestand nach Artikel
419 betreffen, Bezug genommen wird. Es erscheint daher nicht möglich, in der
Schrift zur Bildung einer Nebenklage zu unterscheiden, wegen welchen
spezifischen Vorkommnissen und aus welchen spezifischen Gründen die
Stadtgemeinde Genua beabsichtigt, als Nebenkläger anzutreten. Die heutige
während der Audienz hinterlegte Eingabe, der eine abnorme, am 8. März
beglaubigte Spezialvollmacht ad unitem des Bürgermeisters von Genua beigefügt
ist, die dem Datum der Hinterlegung des Antrags auf Bildung einer Nebenklage
nachfolgend ist, muss daher an die Stadt Genua zurückgegeben werden. Die
Integration der Beibringungen kann nämlich dann zugelassen werden, wenn sie
Urkunden oder Dokumente betrifft, die zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Eingabe
über die Bildung einer Nebenklage bereits existent waren.

Was die Fragen bezüglich die Bildung von Nebenklagen durch die Bank Carige und
die Bank San Paolo?IMI angeht, merkt das Kollegium an, wie die durch Wirken
eines Dritten erfolgte eventuelle Entschädigung (staatliche Bereitstellung) ein
Interesse für die Bildung einer Nebenklage nicht entfallen lässt, sowohl weil
aufgrund des gegenwärtigen Aktenstands nicht erwiesen ist, dass diese in voller
Höhe erfolgt ist, als auch weil die angetretene Nebenklage in jedem Fall
Schadensersatz für den erlittenen moralischen Schaden als Schaden des Ansehens
einfordern kann, dessen Feststellung Gegenstand der Verhandlung selbst sein
können wird.

Cavataio Filippo geht, wie nach der unten in der vom Verteidiger Anwalt Pruzzo
auch in der Eigenschaft eines Vertreters unterzeichneten
Nebenklagenbildungsurkunde angefügten Prokura als Nebenkläger hervor, der über
einen Spezialprokurist angetreten ist. Es handelt sich daher nicht um eine
persönlich vorgenommene Nebenklage, daher war die persönliche Anwesenheit der
die Nebenklage begründenden Partei bei der Audienz nicht notwendig. Was die
Darlegung von Gründen angeht, durch die eine Nebenklagenbildung eintritt, ist
die Bekundung des Willens, Ersatz für sämtliche materiellen und moralischen
Schäden nicht der Pflicht unterworfen, selbige wie in Artikel 78 der
Strafprozessordnung (Codice di Procedura Penale) vorgesehen auf spezifizierte
Weise zu quantifizieren, da die Feststellung des Vorliegens und des Ausmaßes des
Schadens der Verhandlung vorbehalten werden kann.

Die Nebenklagenbildungseingaben seitens ABC Service und Area Banca erscheinen
unzulässig, weil sie bar jedweder Unterschrift am unteren Rand sind, darüber
hinaus weist die Urkunde von ABC Service am Rande ein generisches Mandat des
selben auf, in dem jedweder Hinweis auf den gegenständlichen Strafprozess fehlt
und auch die Vollmacht zur Bildung einer Nebenklage in diesem Verfahren. Auch in
diesem Fall gehören die bei der heutigen Audienz hinterlegten Eingaben an die
beiden Parteien zurückgewiesen. Es wird der Ausschluss der Nebenklage der Stadt
Genua, von der Aktiengesellschaft Area Banca und von Abc Service wegen
Unzulässigkeit der jeweiligen Nebenklagenbildungsurkunden verfügt. Die übrigen
Fragen werden abgewiesen".

Eine Anwältin erläuterte die Verfügung gegenüber Radio Global wie folgt:
"Angesichts der Einsprüche und angesichts der Nebenklagenbildung durch die Stadt
Genua, die nicht nur offensichtlich undefiniert war, hat die Verfügung des
Gerichts im wesentlichen die offensichtliche Unzulässigkeit der Eingabe
festgestellt, vor Allem in formaler Hinsicht, aber auch unter Hinweis auf die
Undefiniertheit der Schäden, die von der Stadt Genua in diesem Verfahren beklagt
wurden. Der Schadensersatz ist unter Anderem die grundlegende Voraussetzung für
die Bildung einer Nebenklage, zunächst weil sie aufgrund des Vorliegens eines
effektiven und konkreten Schadens, den man beklagt und vor Gericht trägt erst
zulässig wird und weil die Bildung einer Nebenklage in einem Strafverfahren die
Eingliederung eines zivilrechtlichen Gangs innerhalb eines Strafverfahrens
darstellt. Hierüber möchte ich einige zusätzliche Worte verlieren, zusätzlich zu
dem, was in der Presse zum Vorschein getreten ist und zu den Rechtfertigungen,
die von der Stadt Genua bezüglich dieser Eingabe angeführt worden waren, die
diese für einen geschuldeten Akt hielt, also bezüglich der
Schadensersatzforderung innerhalb eines Strafverfahrens. Die Stadt Genua hatte
erklärt, wenn ich nicht irre, durch Aussagen des Bürgermeisters aber auch
einiger Stadtabgeordneter, die jenen die Nebenklagenbildung im Strafverfahren
autorisierenden Beschluss unterzeichnet hatten, dass die Nebenklagenbildung
nichts Anderes zu bedeuten hatte als den Bezug einer Stellung als Beobachter im
Inneren des Verfahrens. Dem ist nicht so, weshalb die nicht zustande gekommene
Zulassung, über die Formalitäten hinaus, die vorgeschrieben sind, um in einem
Urteilsverfahren gegen die Angeklagten vorzugehen, geradezu dem Fehlen eines
spezifischen Titels geschuldet ist. Das heißt, die Bildung von Nebenklagen ist
nicht ein sozusagen neutraler Akt nach dem Motto: "Ich komme, um zu sehen was
passiert", sondern sie ist ein ziviler Akt, den ein Privater oder eine
öffentliche Institution innerhalb eines Strafverfahrens anstrengen, in dem sie
Schäden beklagen, die grundsätzlich verursacht wurden oder die man im
Strafverfahren als von den Angeklagten verursacht feststellen wird. Das, um den
auch wenig glaubwürdigen Rahmen der politischen Erklärungen zu verdeutlichen,
die mit dieser Nebenklagenbildung einher gingen, die eben gerade wegen der
offensichtlichen Unzulässigkeit in der Sache und der Form des eigenen
Bildungsakts wegen ausgeschlossen wurde".

Ein Anwalt erhob noch einmal Einspruch wegen der Unmöglichkeit, die Konstruktion
einer Verteidigungslinie seines Mandanten vorzunehmen, weil die Staatsanwälte
einige grundlegende Details nicht eingebracht hätten, die für die Verteidigung
überaus relevant seien. Konkret sprach er die unterlassene zahlenmäßige
Quantifizierung von städtischen Einrichtungsgegenständen wie Müllcontainer,
Recycling?Tonnen und Abfallbehälter, die sein Mandant beschädigt haben soll.
Darüber hinaus bemängelte der Anwalt, es sei von den Staatsanwälten nicht das
genaue Nummernschild eines Carabinieri-Jeeps beschrieben worden, welches
ebenfalls durch sein Mandant beschädigt worden sein soll. Er wies darauf hin,
dass die Polizia genaue Aufstellungen der beschädigten Fahrzeuge geliefert
hätte, während dies bei den Carabinieri nicht der fall gewesen sei. Dem Einwand
wurde nicht Statt gegeben.

Mit der Abwicklung der Zulässigkeitsfragen und der Beratung über die
anwaltlichen Einwände beschäftigte sich das Gericht bei dieser Verhandlung die
meiste Zeit. Anschließend wurden neue Zeugenlisten hinterlegt, da jene, die am
3. März hinterlegt wurde umgehend vom Gericht revidiert worden war. Weiterhin
äußerte sich die Verteidigung über die aus ihrer sicht zu empfehlenden
Modalitäten der Bewertung der Abhörmaßnahmen, welche die die Ermittlungen
unterzeichnenden Staatsanwälte einige der Angeklagten betreffend vorbringen
werden. Ebenso trug die Verteidigung ihre Vorstellungen über die Bewertung von
Filmaufnahmen und Fotografien, die sowohl die Anklage als auch die Verteidigung
vorbringen werden. Die Staatsanwaltschaft behielt sich allerdings sämtliche
Aufnahmen vor, die in der Ermittlungsakte liegen und damit sämtliche visuellen
Materialien. Anderes Material existiert nach Angaben einer diesbezüglich
befragten Anwältin nicht. In der verbliebenen Zeit kam es dann zur eigentlichen
offiziellen Eröffnung des Verfahrens, da zuvor lediglich prozedurale und
technische Formalitäten erledigt worden waren. Die Verhandlung wird am Dienstag,
den 16. März um 9,00 Uhr fortgesetzt. Im Mittelpunkt wird aller Voraussicht nach
die Diskussion um die Zulassung der Beweise der Anklage und der Zeugenlisten stehen.

[indymedia.de, von rf - 10.03.2004 00:56]


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Freiheit für alle!

In Griechenland wurden die Anklagen gegen zwölf Personen, die während des
EU-Gipfels im Juni 2003 verhaftet wurden, fallen gelassen.
von harry ladis, thessaloniki

Manchmal bist du unterwegs und musst pinkeln und es gibt keine Toilette.
Plötzlich taucht eine nette Kneipe auf und du denkst: »Gibt es denn Gott?«.

In Thessaloniki waren 12 Angeklagte inhaftiert, wollten raus und hatten keine
Aussicht auf einen Freispruch. Doch dann bekamen sie vom Richter ein gründlich
durchgearbeitetes Urteil und sie dachten: »Gibt es denn eine Gerechtigkeit?«

Vor zwei Wochen veröffentlichte das zuständige Amtsgericht in Thessaloniki seine
Entscheidung zu den Anklagepunkten gegen die Personen, die während des
EU-Gipfels im Juni verhaftet worden waren. Die große Überraschung für alle
Beteiligten war, dass die Anklage gegen zwölf von ihnen fallen gelassen wurde.
Man hatte allgemein erwartet, dass den Richtern, wie bisher immer in ähnlich
gelagerten Fällen, die widersprüchlichen und von sonstigen Beweisen nicht
untermauerten Belastungsaussagen der Polizisten genügen würden, um die
Verhafteten vor ein Geschworenengericht zu bringen. Dort hätten ihnen
Haftstrafen von fünf bis 20 Jahren gedroht.

Doch dem war nicht so.

Das Bemerkenswerte an den Freisprüchen ist, dass die Richter den Aussagen der
Polizisten keinen Glauben schenken, dass sie die Widersprüche und Lücken in
deren Aussagen nicht ignorieren und dass sie stattdessen große Teile der
Argumentation der Verteidigung übernehmen.

Der spektakulärste Fall im Zusammenhang mit den eingestellten Verfahren ist der
des Engländers Simon Chapman. Ihm wurde ein Rucksack voller Molotowcocktails in
die Schuhe, genauer vor die Schuhe, geschoben. Zufällig bekam ein Reporter der
Nachrichtenagentur Reuters die Manipulation von Beweismitteln mit. Er
dokumentierte den Vorgang auf einem Videoband. Die fünf Monate später vom
Bundesstaatsanwalt befohlene Untersuchung wurde jedoch mit der unglaublichen
Begründung eingestellt, der Reporter habe das Video montiert.

Die Amtsrichter in Thessaloniki haben mit ihrer Entscheidung, das Verfahren
gegen Chapman einzustellen, zwar die Möglichkeit offen gelassen, die Polizisten
hätten sich im entstandenen Chaos geirrt, die Zurückweisung der Anklagen, gilt
aber als das erste gerichtliche Dokument, das eine polizeiliche Intrige
offiziell nahe legt.

Elf Verhaftete müssen allerdings weiterhin in den nächsten Monaten mit einem
Verfahren rechnen. Ihnen werden Straftaten wie schwerer Landfriedensbruch und
die Teilnahme an einer gewalttätigen Demonstration vorgeworfen, die Haftstrafen
bis fünf Jahre mit sich bringen könnten, die aber wahrscheinlich zur Bewährung
ausgesetzt werden. Die Angeklagten befinden sich nicht mehr in Untersuchungshaft
und erhielten auch keine Meldeauflagen. Weitere fünf Personen, die sich im
November an einem Hungerstreik beteiligten hatten, bleiben in Haft. Sieben
Hungerstreikende entließ das Amtsgericht bereits Ende November mit Meldeauflagen
aus der Haft. (Jungle World, 50/03)

Der spanische Anarchosyndikalist Carlos Martin Martinez beteiligte sich auch an
dem Hungerstreik. Er ist einer derjenigen, denen weiterhin ein Verfahren droht.
Allerdings wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen. Martinez war anfänglich
von der griechischen Presse zu einem »international gesuchten baskischen
Anarchisten« stilisiert worden. Er wurde willkürlich wegen des angeblichen
Besitzes und Gebrauchs von Explosivmaterialien angeklagt. Dafür saß er fünf
Monate in Untersuchungshaft. Die griechische Polizei versuchte , eine
erfolgreiche Zusammenarbeit mit ihren spanischen Kollegen zu präsentieren. Das
Ganze entpuppte sich jedoch als große Blamage für die Griechen. (Jungle World,
41/03)

Im Moment läuft eine Untersuchung der Vorwürfe, Martinez sei gefoltert worden.
Als der Hungerstreikende am 6. November als erster in ein Krankenhaus
eingeliefert wurde, begleitete ihn ein großes Polizeiaufgebot. Darunter befanden
sich auch mehrere Antiterror-Einheiten. Beamte, die Hasskappen trugen -
bezeichnenderweise gilt für die Antiterror-Einheiten kein Vermummungsverbot -
fesselten Martinez während der Nacht an einen Stuhl. Zudem hinderten sie ihn am
Schlafen, in dem sie das Licht an- und ausmachten, die Fenster öffneten und
schlossen und indem sie ihn schlugen. Martinez erklärte, dass vor seinen Augen
gegessen, Kaffee getrunken und geraucht wurde. Immer wieder hätten sie so getan,
als ob sie ihn zum Essen einladen wollten. Dieses Verhalten wird gemeinhin als
Folter bezeichnet.

Martinez erstattete Anzeige, allerdings ist es sehr fraglich, ob die
Staatsanwaltschaft in diesem Fall die Ermittlungen aufnehmen wird. In den
vergangenen 20 Jahren, seit in Griechenland die Folter gesetzlich verboten ist,
wurde kein einziger Polizist deswegen verurteilt.

Die überraschende Entscheidung des Amtsgerichts in Thessaloniki kann dennoch
nicht als einmaliger Vorgang angesehen werden. Sie ist kein Werk von ein paar
netten Richtern in Anbetracht der Tatsache, dass die Vorgänge um den EU-Gipfel
monatelang für Schlagzeilen sorgten und zu einer Regierungskrise führten. Man
könnte vielleicht annehmen, wenige Wochen vor den Parlamentswahlen wolle die
Regierung keine neuen Spannungen provozieren. Doch diese Erklärung greift nicht
weit genug, da dies leicht hätte umgegangen werden können, wenn die Entscheidung
einen Monat später gefallen wäre.

Wichtiger ist, auf den koordinierten Kampf der hungernden Gefangenen hinzuweisen
und auf ihre Unterstützer, in Verbindung mit einer breiten internationalen
Solidarität. Von Besetzungen von öffentlichen Gebäuden und Medienzentralen bis
zu sehr gut besuchten Solidaritätsdemonstrationen ist vieles passiert, um die
Öffentlichkeit für die Freilassung der Gefangenen zu gewinnen. Zumindest
teilweise scheiterte daran auch der Versuch der griechischen Regierung, vor den
Olympischen Spielen im Sommer 2004 sichtbare Ergebnisse im Bereich der inneren
Sicherheit zu präsentieren.

jungle world Nummer 11 vom 03. März 2004


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Türkei, Erklärung der Libertären Koordination gegen die NATO

Unsere Träume werden mit jedem Tag dunkler. Wir fühlen uns ohne Hoffnung.
Einige Menschen wollen, dass wir uns so fühlen. Die Kontrolle über unser Leben
wird uns genommen, um das Kapital einiger Leute mehr und mehr werden zu lassen.
Die ChefInnen beuten die ArbeiterInnen aus, die Geld- Besitzenden die Armen,
reiche Länder nutzen den Rest der Welt aus. Dies ist der Auftrag des Geldes, des
Kapitalismus.
Seit vielen Jahren behilft sich der Kapitalismus mit Organisationen wie dem IWF
und der NATO. Die NATO dient heute als größte Armee des Systems. Diesesmal soll
das NATO - Gipfeltreffen der Herren des Universums in Istanbul stattfinden, um
Entscheidungen in unserem Namen zu treffen. Die NATO, welche von der Regierung
der USA und ihren Verbündeten organisiert wurde, ist eine globale Organisation,
die bereit ist, alles abzuschlachten für die Existenz des Kapitalismus.
Die USA ist einerseits der Staat, der den größten Profit aus dem Systemschlägt,
auf der anderen Seite leben in den USA sehr viele Obdachlose und arme Menschen.
Ein Staat vertritt nicht uns, sondern nur die Herrschenden und er beschütztden
Kapitalismus, dessen Steuern er als Basis benötigt. Für uns ist der Kampf,
zusammenzukommen und sich zu organisieren ein Aufstand, eine Welt ohne
Ausbeutung zu schaffen. Diese Auseinandersetzung wäre ohne Basis, wenn es nicht
darum geht, dass die Produktionsmittel in die Hände der Produzierenden direkt
übergeht. Das heißt, dass eine Gesellschaft, die ihre Existenz daraus gründet,
dass die Dinge konsumiert werden, die die Ausbeutung ausmachen, nicht frei sein
kann.
Wir glauben nicht daran, dass die Lösung ein Wechsel der BesitzerInnen der
Autorität sein kann. Wir wollen eine Welt ohne Autoritäten. Die ChefInnen, die
Kommandierenden, die FührerInnen, die Ehemänner und die Älteren machten uns
glauben, dass sie besser Entscheidungen in unserem Namen treffen können.
Aber wir glauben, dass niemand die Autorität hat, Entscheidungen in dem Namen
anderer Menschen zu fällen. Wir denken, dass es nötig ist, organische Kollektive
zu schaffen, in denen Menschen ihre Entscheidungen zusammen fällen. Wir
unterstützen Menschen, die probieren, diese Art von Kollektiven zu schaffen. Der
Weg eine Welt ohne Autoritäten und Ausbeutung zu schaffen ist nur möglich über
einen Aufstand, welcher durchgesetzt wird von den Menschen, deren Arbeit
ausgebeutet wird, deren Kultur und Sprache geplanterweise zerstört werden soll,
die verletzt werden aufgrund ihrer sexuellen Identität oder Orientierung...

Libertäre Koordination gegen die NATO
 http://haziran2004.cjb.net
 antiotoriter2004@yahoo.com

[source:  finn37@so36.net]

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gipfelsoli infogruppe

Die AutorInnen der Beiträge, so sie nicht von uns verfasst sind, sind
mit eckigen Klammern versehen. Wir können leider keine Verantwortung
für die Richtigkeit der Beiträge übernehmen. Auch geben die Beiträge
nicht zwangsläufig unsere Meinung wieder.

Kontakt, Kritik, Beiträge:  gipfelsoli@nadir.org

 

10.03.2004
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