nadir start
 
initiativ periodika archiv adressbuch kampagnen aktuell

Berlin: 8 märz zweitausend vier -- Alles für alle statt Arbeit umsonst!

8 märz zweitausend vier
Alles für alle statt Arbeit umsonst!

FrauenLesbenTransgender across borders against borders

Der 8. März ist ein traditionelles Datum feministischer Kämpfe um Arbeitsverhältnisse.

Wichtige Errungenschaften dieser Kämpfe werden derzeit in einem atemberaubenden Tempo
beseitigt... deshalb nutzen wir den 8. März 2004 für eine Positionierung zu aktuellen und
künftigen Arbeitsverhältnissen. Letztere sind in den vergangenen Jahren weiter ins Zentrum
neoliberaler Verwertungslogik gerückt. Seitdem wirtschaftliches Wachstum nur noch
bedingt durch technologische Innovation garantiert werden kann, wächst der Druck auf
gewinnbringende Ausbeutung von Arbeitskraft. Anstatt sich kollektiv zurückzulehnen und den
gesunkenen gesellschaftlichen Arbeitsaufwand zu geniessen, wird mit Instrumenten wie
Hartz-Paket, Agenda 2010 und Gesundheitsreform eine systematische Arbeitsrepression
ausgeübt. Der Bezug von Sozialleistungen wird gekoppelt an Zwang zu Arbeit-fast-umsonst.

Zumutbarkeitsgrenzen hinsichtlich Art der Arbeit und Arbeitsweg werden so gut wie
abgeschafft. Gleichzeitig erfolgt eine Totalisierung von Lohnarbeit als Lebensinhalt und
Quelle gesellschaftlicher Anerkennung, der es alles unterzuordnen gilt - soziale
Zusammenhänge, persönliche Wünsche und Sehnsüchte oder Lebensvorstellungen, die von einer
Musterbiographie abweichen. Wer nicht arbeitet, soll – wie wir alle wissen – auch nicht
essen und erst recht nicht ins Kino gehen. Lohnarbeit ist mehr als ein ökonomisches Mittel.
Sie diszipliniert, normiert, kontrolliert und regelt den Zugang zu Ressourcen und Chancen.
Sie bedient sich gesellschaftlicher Hierarchien und stellt diese Hierarchien immer wieder
her. Es ist nach wie vor kein Zufall, dass Personen mit weiblicher Sozialisation,
nichtdeutscher Herkunft, nicht-heteronormer Identität in schlechter bezahlten und
ungesicherten Jobs beschäftigt sind. Es liegt in der Logik neoliberaler Ökonomie, dass die
Re-Privatisierung von Erziehungsarbeit – sprich Beseitigung von Kita-Plätzen – wieder mehr
Frauen zu Umsonst-Arbeit zwingt ... oder dass die Sexindustrie zunehmend von Migrantinnen
profitiert, die im Gegensatz zu Sexarbeiterinnen mit deutschem Pass auf keinerlei rechtliche
Absicherung zurückgreifen können.

In diesen Prozessen gibt es keine eindeutigen
Gewinnerinnen oder Verliererinnen. So hat der gesellschaftliche Aufstieg von Frauen seit
den 50er Jahren den Markt für Billigjobs in Privathaushalten vergrössert.
Die bis dahin ‚umsonst’ geleistete Hausarbeit erledigen jetzt nicht etwa Männer sondern
Migrantinnen – nicht mehr komplett ‚umsonst’, aber unter beschissenen Bedingungen. Gutes
Leben also für einige mehr aber längst nicht für alle. Ein Herrschaftsverhältnis aufzulösen
und gleichzeitig ein anderes strukturell zu stärken ändert bekanntlich nix am System.
Wenn ausgebildete Reinigungskräfte, Migrantinnen und jobsuchende StudentInnen um
unterbezahlte ungesicherte Jobs konkurrieren, gibt’s nicht zu wenig ‚Arbeit’ für die, die
leider Pech haben, sondern der Zugang zu einem guten selbstgewählten Leben wird kontrolliert
oder komplett verhindert....
und genau das wollen wir so nicht mehr haben.

Deshalb stehen Interventionen gegen das Zusammenspiel von Hierarchien in Lohnarbeitsverhältnissen im
Mittelpunkt unserer Aktionen. Es wird unter anderem um prekarisierte Arbeitsbedingungen
in Zusammenhang mit Geschlecht, Herkunft, Aufenthaltsstatus gehen, um deutschen
Kolonialismus als eine Bedingung für den materiellen Aufstieg Deutschlands und die
Zurichtung bislang ‚nicht-verwertbarer’ Personen für den kapitalistischen Markt, um
verwertungslogische Auslese von Migrantinnen und – mit einer Kundgebung von dem
Abschiebeknast Grünau – gegen die gewaltsame Zugangsverweigerung zu selbstgewählten
Lebensorten und Lebensbedingungen.
Was wir statt dessen wollen ist BLEIBERECHT FÜR ALLE und EIN GUTES SELBSTGEWÄHLTES LEBEN FÜR ALLE statt Greencard, Agenda, Hartz und Arbeitszwang.

Programm (FrauenLesbenTransgender only)

mittwoch 3. märz
19.00h Diskussion über Interventionsstrategien gegen prekarisierte Arbeitsverhältnisse von
Frauen
A6, Adalbertstr.6, U-Bhf. Kottbusser Tor, Berlin-Kreuzberg

samstag 6. märz
16.30 Demo und Kundgebung am Abschiebeknast in Grünau mit Infos, Musik, Film und Essen - Treffpunkt S-Bhf. Köpenick

20.30 Veranstaltung zu "global women strike" in der Schokofabrik, Mariannenstr. 3, Berlin-Kreuzberg

ab 21. 00 Party im SO 36 Oranienstr., Berlin-Kreuzberg

sonntag 7. märz
FrauenLesbenTransgender-Filmtag im Kato U-Bhf. Schlesisches Tor, Berlin-Kreuzberg
Vernetzung--Globalisierung--Kolonialismus--Verwertung--Neoliberalismus

Im Rahmen der 8. März-Aktivitäten wollen wir Euch einladen, den 7. März mit uns bei Kaffee,
Kuchen, Filmen und Diskussionen zu verbringen. Das Kato haben wir an diesem Tag ganz für
uns.
Mit den Filmen haben wir einige Aspekte der globalen Gewalt- / Geschlechterverhältnisse
aufgegriffen und möchten gerne, je nach Lust (und Bedarf), gemeinsam über feministische und
antipatriarchale Perspektiven reden: In welchem Verhältnis steht die Verschärfung der
Lebensituationen hier zu den zerstörerischen globalen Prozessen? Wie lässt sich das Ausmaß
von Krieg, Militarisierung, Zerstörung und Menschenverachtung begreifen und was lässt sich
dagegen tun? Wie lässt sich gegen eine gesellschaftliche Stimmung vorgehen, die die
neoliberalen Arbeits-/Verhältnisse - Profit um jeden Preis, jede Lebensäußerung wird der
Verwertung unterworfen - längst zum Normalzustand gemacht hat? In welchem Zusammenhang
stehen Rassismus und Sexismus hier, Individualisierung, "Ich-AGs", Existenzängste ... zu
Kriegen, Ausbeutung und Zerstörung in anderen Teilen der Welt? Wo gibt es Parallelen und
welche (gemeinsamen) Handlungsperspektiven gibt es überhaupt noch gegen die tiefgreifenden
globalen Zerstörungsprozesse, wie wir sie gerade erleben?

13.00 bis 15.00 "Videoletters"
"Videoletters" ist ein internationales Projekt, entstanden nach dem 11. September 2001.
Frauen aus verschiedenen Teilen der Welt stellen in kurzen Beiträgen ihre Sicht auf Krieg
dar, eine Sicht, die in den Mainstreammedien keinen Platz hat.
Im Frühjahr 2002 gab es die erste Runde. Wir zeigen die eben fertiggestellte neue Ausgabe.

15.00 bis 17.00 Zweigeschlechtlichkeit und Krieg
Permanenter Krieg - Geschlechterverhältnisse und Zweigeschlechtlichkeit: Krieg ist nicht nur
da, wo Bomben fallen: Wir befinden uns global längst in einem permanenten Kriegszustand:
Unser Frieden hier heißt Krieg anderswo + dort wo Kriege aufhören, fangen sie oft erst
richtig an ... Ob in Afghanistan, im Kosovo, im Irak - die Entrechtung von Frauen gehört zur
Normalität der Nachkriegsgebiete, die Zuspitzung patriarchaler Verhältnisse ist überall dort
zu sehen, wo sich Verhältnisse militarisieren. Was hat das mit der Normalität zweier
Geschlechter zu tun? Wir zeigen erste Filmausschnitte vom
antipatriarchal-feministisch-queeren Bus zur Anti-Nato-Tagung nach München am 6./7. Februar
von AK Kraak, Filminterviews von einer irakischen Frauenrechtlerin und von Deserteuren aus
der US-Armee.

17.00 bis 18.30 "Anti-patriarchale Perspektiven auf dem Weltsozialforum 2004 in Mumbai"
Wir zeigen Interviews und Impressionen von dem WSF, das im Januar zum ersten Mal in Asien
stattfand, und haben soziale Bewegungen auf dem Land besucht. Die Privatisierung der letzten
Ressourcen (wie z.B. Wasser) und die Vertreibung der Bevölkerung vom Land gehen einher mit
der Einführung von patriarchalen und kapitalistischen Ausbeutungsverhältnissen, nicht
zuletzt im Interesse einer (rot-grünen) Regierungspolitik.

19.00 bis 21.00 "Wir hatten eine Dora in Südwest"
Film über deutsche Frauen, die als Siedlerinnen im heutigen Namibia leben. Sie zeigen, wie
tief das koloniale rassistische Denken gesellschaftlich verwurzelt war und ist, wie
funktional es sich mit der Geschlechterrolle verknüpft hat. Koloniale Mentalitäten haben
sich bis heute tradiert und bilden eine zentrale Grundlage aktueller globaler Kriege. Des
weiteren wollen wir die antikoloniale Afrika-Konferenz Berlin 2004 vorstellen.

21.30 bis 23.00 "Arbeiterinnen dieser Welt"
Wenn es noch Zeit gibt und Interesse besteht, können wir einen Film über "Jeans-Produktion"
und Arbeitskampf in Belgien anschauen. Die globalen Produktionsverhältnisse leben davon,
dass sie die ArbeiterInnen gegeneinander ausspielen: Lohndrücken, Verlagerung der
Produktion, Standortkämpfe. Der Film zeigt die Lebens- und Arbeitsbedingungen und v.a. die
Kämpfe der belgischen Levis-Arbeiterinnen und die globale Produktionsrealität, früher
internationale Arbeitsteilung genannt.

montag 8. märz
14.00 Kundgebung, S-Bhf. Hackescher Markt mit Musik, offenem Mikrofon, Performance, Info-Ständen
ab 21.00 Party im XB-Liebig Liebigstr. 34, Berlin-Friedrichshain

 

24.02.2004
FrauenLesbenTransgender across borders against borders   [Aktuelles zum Thema: Gender & HERRschaft]  Zurück zur Übersicht

Zurück zur Übersicht