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Terror nennen was Terror ist!

Auch nach der Festnahme des ehemaligen Diktators Saddam Husseins geht der Terror im Irak weiter. Er scheint sich sogar noch zuzuspitzen. Aus dem Untergrund operierende Terroristen, meist Getreue Saddams, setzen den Krieg fort, den die USA im Frühjahr begonnen hatten. Jeden Tag Anschläge, Tote und Zerstörung. Und es geraten nicht nur alliierte Soldaten ins Visier dieser sogenannten Widerstandskämpfer, sondern auch Zivilisten, die Uno, das Rote Kreuz und vor allem "Kollaborateure", die nach Ansicht der Kämpfer die irakische Sache verraten und mit den Besatzern zusammenarbeiten.


Dennoch wächst die Sympathie für diesen Widerstand. Obwohl unverkennbar ist, dass er vor allem von aggressiv antiisraelischen Baathisten ausgeht, und obwohl er täglich neue Menschenleben kostet und die amerikanische Besatzung eher verlängert als verkürzt, halten einer NDR-Umfrage zufolge 26 Prozent der Deutschen diese Anschläge für "berechtigten Widerstand". Neben vermeintlich Linken propagieren auch Neonazis ihre Solidarität mit dem Terror. Die NPD in Frankfurt/Main etwa agitiert im Internet für den Widerstand gegen die Besatzung. Der rotbraune "Kampfbund Deutscher Sozialisten" veröffentlicht einen Aufruf Saddam Husseins aus dem Untergrund, in dem zu weiterer Gewalt aufgerufen wird. Einige "linke" Antiimps sammeln sogar Geld für die Kämpfer im Irak. "10 Euro für das irakische Volk im Widerstand" nennt sich eine Kampagne, die in einem "Antiimperialistischen Lager" im Sommer im italienischen Assisi beschlossen wurde.
Anwesend waren dabei auch Vertreter der Irakischen Patriotischen Allianz (IPA), an die das Geld fließen soll.

Hauptinitiatorin dieser Kampagne ist die Antiimperialistische Koordination (AIK) aus Wien. Diese AIK ist ein typisches Querfrontprojekt, das mit seiner einseitigen Stoßrichtung gegen die USA und Israel linken wie rechten Antisemiten Tür und Tor öffnet. In der Grundsatzerklärung der AIK heißt es, man wolle eine Bewegung gegen "das zionistische Monster" bilden. Eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten lehnen die Wiener Antiimperialisten ab: "Jede Lösung des Konflikts, die auf die Aufteilung des Landes beruht, ist nicht nur illegitim, sondern auch zum Scheitern verurteilt." Anders gesagt: Israel soll von der Landkarte verschwinden.

Gemeinsam mit ihrer "italienischen Sektion" veranstaltete die AIK am 13. Dezember eine Kundgebung in Rom zur Unterstützung des Terrors im Irak. In einem Demo-Aufruf wurde der irakische Widerstand als "nicht nur in moralischer, sondern auch in politischer Hinsicht absolut legitim" bezeichnet. Als Unterzeichner dieses Aufrufes fanden sich vor allem linke, aber auch rechte Antiimperialisten. Auch Faschisten. Wenn es gegen Amerika geht, sieht man über andere Meinungsverschiedenheiten eben gerne hinweg. Zuerst war mit einer riesigen Demo gerechnet worden, doch es kamen nur rund 300 Leute. Die Rifondazione Comunista hatte zum Boykott der Demo aufgerufen , weil man sich nicht mit baathistischen Mördern gemein machen wollte.

Auch irakische Linke lehnen den Widerstand genannten Terror strikt ab. Rashid Ghwielib etwa von der Kommunistische Partei Iraks, immerhin die größte irakische Partei, distanziert sich ausdrücklich von den arabischen Nationalisten und den Islamisten, von denen der tägliche Terror ausgeht: "Wir sind für die schnelle Beendigung der amerikanischen Besatzung unserer Heimat. Aber gegen die Besatzung zu sein, das heißt nicht, diese verbrecherischen Attentate, den sogenannten Widerstand im Irak, zu unterstützen." Die Anschläge würden die amerikanische Besatzung nur verlängern und mitnichten beim Aufbau eines
eigenständigen, demokratischen, emanzipatorischen und sicheren Iraks helfen. Und Aso Jabbar von der Arbeiterkommunistischen Partei Iraks (AKPI), eine kleine kurdische, rätekommunistische Organisation, die anders als die KPI nicht im Regierungsrat sitzt, erklärte in der Wochenzeitung Jungle World: "Nur weil Leute gegen die Besatzung sind, heißt das noch lange nicht, dass es sich dabei um eine fortschrittliche Bewegung handelt. Der Widerstand arabischer Nationalisten und des politischen Islam ist extrem reaktionär und menschenverachtend."


Doch die europäischen Unterstützer stört das offenbar nicht. Als bei dem sogenannten "Lager" der Antiimps in Assisi die 10-Euro-Kampagne beschlossen wurde, wurde ausdrücklich erklärt, dass man für nur 40 Euro schon eine Kalaschnikow bekomme. Auch in Deutschland stößt die Kampagne auf positive Resonanz. In Duisburg gehen junge "Antifaschisten" sogar auf die Straße, um Geld zu sammeln. Sie gehören einer Vereinigung namens "initiativ e.V." an, die das Geld später persönlich im Irak an die Terrorbanden übergeben will. Dass das Geld unter anderem für Waffen eingesetzt werden soll, ist dabei fest einkalkuliert.

Das weiß auch Joachim Guilliard, Buchautor und Sprecher des Antikriegsforums Heidelberg. Auch er hat schon zehn Euro gespendet und steht offenbar bedingungslos zum Terrorismus im Irak: "Widerstand, auch militärische Aktionen gegen die Besatzer, ist selbstverständlich legitim. Das hat mit Terrorismus im engeren Sinne nichts zu tun", erklärte er gegenüber dem NDR-Magazin Panorama. Und weiter: "Was die Iraker tun können, was ich auch für vernünftig halte, ist, den Besatzungstruppen entsprechende Verluste zuzuführen."

Claus Schreer aus München, ebenfalls ein wichtiger Akteur der Friedensbewegung, erklärte am Rande des 10. Friedenspolitischen Ratschlages am 7. Dezember in Kassel: "Ich halte jeden Widerstand gegen Besatzungsmächte für legitim und natürlich auch bewaffneten Widerstand, das ist völlig klar." Selbst ein Kreisverband des ehemaligen FDP-Jugendverbands JungdemokratInnen/Junge Linke gehört zu den Initiatoren der erwähnten 10-Euro-Kampagne. Und die sich selbst als marxistisch verortende Tageszeitung junge Welt lässt kaum einen Tag verstreichen, ohne den Daily Terror im Irak als "legitim" zu bezeichnen. "Es lebe der irakische Widerstand", jubilierte dort etwa ihr Autor Rainer Rupp. Besonders tut sich wie immer Kommentator Werner Pirker hervor. Und zwar nicht nur durch starke Worte, wie denen, dass der irakische Widerstand "nicht mehr und nicht weniger terroristisch" sei, "als es die französische Resistance war". Auch Pirker hat bereits zehn Euro an Saddams Kameraden gespendet.


Zwar behaupten alle diese "linken" Antiimps, dass auch Kommunisten hinter diesem Widerstand steckten, oder zumindest ein dubioser "linker Flügel der Baath-Partei". Doch wer steckt wirklich hinter diesem bewaffneten Kampf?

Auf Grund ihrer Ausbildung und Bewaffnung, und weil sie die meisten Privilegien verloren haben, sind ehemalige Militärs und die vor und während des Krieges in den Irak eingereisten arabischen Fedajin die tragende Kraft. Das wird von den Unterstützern auch gar nicht dementiert. AIK-Sprecher Willi Langthaler beschreibt den Widerstand so: "Das sind einerseits sunnitisch-islamische und schiitische Kräfte, hinzu kommen demokratische sowie arabisch-nationalistische Gruppen." Und ein palästinensischer Fedajin erklärte in der jungen Welt: "Es gibt baathistische bewaffnete Gruppen, einige sind loyal zu Saddam Hussein, andere sind es nicht. Es gibt natürlich auch Islamisten. Ungefähr die Hälfte der bewaffneten Kämpfer sind arabische Fedajin." Von der 10-Euro-Kampagne profitieren also vor allem die baathistischen Schlächter des untergegangen Saddam-Regimes.

Auch das stört die deutschen Spendensammler und angeblichen Friedensfreunde nicht. Joachim Guilliard:"Ich denke, wenn man den Widerstand unterstützt, würde ich natürlich niemandem vorschreiben, mit wem er dann zusammenarbeitet. Also, ich würde es auch unterstützen, wenn die Patriotische Allianz mit Baathisten zusammenarbeitet."

Die Irakische Patriotische Allianz (IPA), jene Organisation, an die das Geld übergeben werden soll, ist alles andere als eine in Opposition zu Saddam stehende linke Gruppe, wie ihre deutschen und Wiener Unterstützer zuweilen behaupten. Und es ist auch keine linke NGO oder Friedensgruppe. Vor laufender Kamera eines ORF-Teams brüsteten sich Kämpfer dieser IPA: "Vor gut einem Monat haben wir sieben Militärfahrzeuge gesprengt. Wie viele Tote weiß ich nicht, aber lebend rausgekommen ist jedenfalls keiner." Und dann zeigen die vermummten
Terroristen stolz ihre Waffen in die Kamera. Ganz unvermummt treten leitende Funktionäre dieser IPA in Deutschland auf. Zusammen mit Saddam Hussein gründeten sie vor Jahrzehnten die Baath-Partei. Zwischendurch fielen sie beim Diktator in Ungnade, doch in den letzten Jahren, spätestens seit 1992, haben sie wieder mit dem Folterregime kooperiert.

Awni al-Kalemji ist in Europa der Ansprechpartner der IPA für die antiimperialistischen Unterstützer. Er erklärte gegenüber Panorama: "Wenn man die Besatzer schlagen will, gibt es nur einen Weg: einen Guerilla-Krieg, bewaffneten Kampf. (...) Die Leute, die mit der Besatzung kooperieren, etwa Polizisten, alle diese Leute sind Ziele für uns." Die Kooperation der Patriotischen Allianz mit Saddam Husseins Baath-Partei hat den Krieg offenbar überlebt. Awni al-Kalemji: "Ob Schiiten, Kurden, Fedayin oder auch die Baath-Partei - wir arbeiten mit allen zusammen, die unsere Ziele teilen, Hand in Hand." Bei ihrem Kampf handele es sich um einen "heiligen Krieg gegen die zionistisch-imperialistische Koalition".

Und der Vorsitzende der IPA, Jabbar al-Kubaysi, erläuterte: "Die Nichtbaathisten, die 35 Jahre vom politischen Leben ferngehalten wurden, waren zum Widerstand nicht bereit." Und so erkläre sich, dass der "militante Widerstand" "eng mit der Baath-Partei und ehemaligen irakischen Militärs verbunden" sei.
Und das scheint auch für al-Kubaysi selbst zuzutreffen. Funktionäre der Irakischen
Kommunistischen Partei, die den Terror strikt ablehnen, kennen den IPA-Boss noch aus alten Zeiten. Al-Kubaysi habe sich nie von seinem alten Freund Saddam Hussein abgewandt, erklärten sie gegenüber der Jungle World. Er sei bereits 1963 Mitglied der Baath-Partei und an dem ersten Putsch Saddams beteiligt gewesen. Al-Kubaysi sei damals überdies Mitglied der Miliz gewesen, die für das Massaker verantwortlich war, bei dem innerhalb einer Woche 17.000 Menschen ermordet wurden, darunter 5.000 Kommunisten. Kein Wunder, dass irakische Kommunisten mit diesen "Widerstandkämpfern" nichts zu tun haben wollen. Ganz anders als einige deutsche Genossen offenbar.

In der deutschen Friedensbewegung sind die Meinungen geteilt. Die DFG/VK distanzierte sich nach dem Panorama-Beitrag in scharfem Ton von den Aeußerungen Guilliards. Und Angelika Claussen von den Ärzten gegen Atomkrieg (IPPNW) erklärte: "Ich habe im Irak mit vielen Leuten über Saddam und die Vergangenheit gesprochen. Alle Menschen, die ich getroffen habe, sind nur froh, dass Saddam
endlich weg ist. Also kann es auch keine Aufgabe der Friedensbewegung sein, irgendwelche Leute von Saddam, oder die mit diesen Leuten von Saddam zusammenarbeiten, zu unterstützen." Hans Brandscheid von medico international zeigte sich über die Unterstützung für die faschistischen Terrorbanden derart empört, dass er sowohl die AIK als auch die junge Welt bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main angezeigt hat. Wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung und Aufrufs zur Gewalt. Und das Neue Deutschland berichtete vom "Streit in der Friedensbewegung", den der Panorama-Bericht ausgelöst habe.

Guilliard, der initiativ e.V. und die junge Welt, sie alle haben nach dem Panorama-Beitrag mit einer Aneinanderreihung trostloser Lügen versucht, den Fernsehbeitrag als unseriös zu diffamieren. Nichts von ihren Vorwürfen, bei den Aufnahmen getäuscht worden zu sein, ist wahr. Und inhaltlich haben sie sich bisher mit keiner Silbe von den gezeigten Ausführungen distanziert. Offenbar wurden ihre O-Töne eben nicht aus dem Zusammenhang gerissen, sondern zeigen genau den Kern ihrer Überzeugungen.

Alles in allem zeigt diese Koalition "linker Kriegsgegner" und deutscher Neonazis mit faschistischen Terrorbanden im Irak, dass dumpfer Antiamerikanismus zu kruden und politisch höchst gefährlichen Bündnissen führt. Wenn Antiimperialismus nicht mehr ist, als blanker Antiamerikanismus, bleibt nur die rotbraune Querfront übrig. Die große Resonanz, die Worte wie "Widerstand gegen die Besatzer" ausgerechnet in Deutschland auslösen, gibt zusätzlich zu bedenken. Da haben wohl viele Deutsche den Amis immer noch nicht die Besatzung ihres Landes verziehen. Gegen den Krieg im Irak gewesen zu sein, bedeutet nicht, jetzt den Terror gutzuheißen. Es sei denn, es geht einem nicht um das Wohl der irakischen Bevölkerung, sondern ausschließlich um den eigenen Hass gegen die USA.

Dass ausgerechnet die AIK und die junge Welt auch jene Kräfte sind, die nun die Unterstützung der serbischen Rechstexremisten um Seseljs SRS fordern, verwundert da kaum noch. Ganz offen warb Werner Pirker in der jungen Welt für die rot-braune Querfront von Milosevics Anhängern und Seselj. Die AIK behauptet gar, die SRS sei gar nicht Rechts. Dass die Partei mit Schirinowski, Le Pen und anderen faschistischen Parteien ein Bündnis geschlossen hat, und nur großserbischem Nationalismus und Chauvinismus und nichts Fortschrittliches ihrem Programm zu bieten hat, scheint die ach so linken Antiimperialisten nicht zu erschüttern.

Zurück zum Irak: Was die Irakerinnen und Iraker jetzt brauchen, ist der Aufbau von zivilen Strukturen, die eine möglichst baldige Souveränität in Demokratie und Freiheit ermöglichen. Dazu bedarf es nicht der Amerikaner oder der Briten. Je geringer ihr Einfluss ist, umso besser. Aber was verheerend wäre, jetzt das alte baathistische Regime wieder an die Macht zu bomben. Und diese Gefahr besteht durchaus. Auch wenn Saddam keine Rolle mehr spielen wird, nach 35 Jahren der absoluten Herrschaft, und der Mundtotmachung aller politischer Abweichler (bzw. ihrer Ermordung), sind sämtliche Strukturen, Institutionen, ist das gesamte gesellschaftliche Leben von Baathisten durchsetzt. Ein sofortiger und bedingungsloser Abzug der Besatzer würde nicht zum Frieden führen, sondern zu einem Kampf um die Macht, den die Baathisten vermutlich gewinnen würden.
Es geht also darum, eine Situation zu schaffen, die nach einem möglichst schnellen Abzug der Besatzer eine stabile politische Situation unter Ausschluss der ehemaligen Folterknechte ermöglicht. Und in der linke Gruppen und Parteien einen möglichst großen Einfluss haben. Wenn also Geld spenden, dann für Infrastruktur, die eine demokratische Gestaltung der Gesellschaft ermöglicht, und für Krankenhäuser, Frauen-Einrichtungen etc. und nicht für Gangster, die ohne Rücksicht auf Zivilisten weiter das Land in Angst und Schrecken versetzen.

Der Vergleich der 10-Euro-Kampagne für den irakischen Widerstand mit der Kampagne Waffen für El Salvador in der 80er Jahren trifft nicht im Geringsten zu. Diemals wird nicht für emanzipatorische Linke gesammelt, sondern für rechte Verbrecher. Auch der Vergleich des irakischen Widerstands mit dem antifaschistischen Widerstand z.B. in Frankreich in den 40er Jahren ist absurd. Eher vergleichbar wäre es, hätte man nach der Verhaftung Pinochets für seine Gefolgsleute Geld und Waffen gesammelt. Unvorstellbar für deutsche Linke? Dass sie es jetzt für Saddams Killertruppen tun, ebenso.


 

04.01.2004
Ivo Bozic    Zurück zur Übersicht

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