nadir start
 
initiativ periodika archiv adressbuch kampagnen aktuell

Heidelberg: Für ein neues selbst verwaltetes Zentrum in Heidelberg! - Demo am 31.01.2004

Für ein neues selbst verwaltetes Zentrum in Heidelberg!
Demonstration am 31. Januar 2004
Treffpunkt 14.00 Uhr: Stadtbücherei Heidelberg
Im Anschluss an die Demo: Konzert auf dem Kornmarkt mit Chaoze One und
Mal Élevé

Am 1. Februar 2004 sind es genau fünf Jahre, dass das Autonome Zentrum
Heidelberg (AZ) geräumt wurde. Damit stellt es keineswegs einen
Einzelfall, sondern nur ein weiteres Beispiel für das repressive
Vorgehen der Stadtverwaltungen dar.

Entwicklung des Kampfes für selbstverwaltete Projekte
Entstanden aus den europäischen sozialen Bewegungen ab Mitte der 1960er
Jahre stellten Jugendhäuser und -zentren Kristallisationspunkte
linksradikaler Politik und unkontrollierter Gegenkultur dar. Sie hatten
damals - im Gegensatz zu späteren Jahren - verhältnismäßig großen
Rückhalt in regierungskritischen Teilen der Öffentlichkeit, der im Zuge
einer stetigen Entwicklung der Gesellschaft nach rechts allerdings immer
schwächer wurde.
Bereits die HausbesetzerInnenbewegung in der BRD der 1980er Jahren sah
sich nicht länger durch ein breites Bündnis Linksliberaler gestützt,
sondern konnte höchstens auf die Solidarität örtlicher
Stadtteilinitiativen und später fast ausschließlich linksradikaler
SympathisantInnen zurückgreifen. Damit wurden besetzte Häuser zunehmend
in die Notwendigkeit gedrängt, Zugeständnisse an die Stadtverwaltungen
zu machen und ihre Unabhängigkeit schrittweise aufzugeben (alles andere
hätte in manchen Fällen tatsächlich nur in militärischen Kategorien
beantwortet werden können).
Im Gegensatz dazu wurden SquatterInnen in einigen anderen europäischen
Ländern noch wohlwollend geduldet/ignoriert, beispielsweise in den
liberaleren Niederlanden oder in Großbritannien, wo die Nutzung leer
stehender Gebäude seit Jahrhunderten ein selbstverständliches
Gewohnheitsrecht darstellt. Auch in den ehemaligen Staaten des
Warschauer Pakts entwickelte sich ab 1990 mit der neu entstehenden
Punkszene eine Gegenkultur im Umfeld besetzter Häuser.
Im Laufe der 1990er Jahre wurde die oft schon vorher schwierige
Situation für selbstverwaltete und unabhängige Wohn- und Kulturzentren
europaweit noch bedrohlicher - eine Entwicklung, die sich in den letzten
Jahren weiter verstärkte und durch Absprachen zwischen den
EU-Mitgliedsstaaten vorangetrieben wird.
Die Innenminister haben sich dabei zum Ziel gesetzt, innerhalb möglichst
kurzer Zeit Wagenburgen vollständig aufzulösen, indem sie den Umbau und
das permanente Wohnen in Bauwägen prinzipiell verbieten. Ebenso sollen
andere in der legalen Grauzone existierende Einrichtungen entweder unter
städtischen Einfluss gebracht oder zerstört werden. Dahinter steht das
Konzept der "sauberen Innenstädte", das die Durchsetzung der "Inneren
Sicherheit" nicht nur in den nationalen Gesetzgebungen, sondern auch auf
kommunaler Ebene verwirklichen soll.

Die Verwandlung der Innenstädte in konsumgeprägte Sicherheitszonen
Als nicht kontrollierte und autonome Orte stellen selbstverwaltete
Projekte zum Einen ein prinzipielles Hindernis auf dem Weg zur
vollständigen Überwachung dar und gewähren zum Anderen als
nicht-kommerzielle Treffpunkte und Wohnorte ansonsten ausgegrenzten
Gruppen eben jenen Raum, den die Stadtverwaltungen ihnen nicht gewähren
wollen. Somit sind diese Zentren selbstbestimmten und alternativen
Lebens - zunächst unabhängig davon, wie ausdrücklich sie politisch
Stellung beziehen und ob sie offenen Widerstand gegen die städtischen
Vertreibungen leisten - durch ihre bloße Existenz ein Dorn im Auge der
örtlichen OrdnungsfanatikerInnen.
Folglich wurde den zuvor erkämpften Freiräumen in den letzten Jahren
überall der Kampf angesagt. Waren bis dahin etwa Wagenplätze von den
Stadtverwaltungen zähneknirschend geduldet und in abgelegene Vororte
verbannt worden, fallen sie nun in immer größerer Zahl den städtischen
Umstrukturierungsmaßnahmen zum Opfer, wie etwa der Wagenplatz in
Frankfurt-Rödelheim im Sommer 2003. Dass sich die städtischen
Saubermänner und -frauen nicht einmal mehr durch breite und massive
Proteste davon abhalten lassen, jeden Ansatz von unabhängigen
Lebensentwürfen und alternativen Nischen zu zerstören, zeigt das
Beispiel der Bambule-Räumung in Hamburg. Ähnliche Repressionen treffen
auch ehemals besetzte Häuser, die durch Legalisierung zunächst teilweise
entpolitisiert und in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zur Stadt
gebracht wurden, was nun die Kündigung der zuvor halbwegs sicher
erscheinenden Mietverträge erleichtert.
Noch klarer tritt diese Entwicklung bei selbstverwalteten linken
Kommunikationszentren zu Tage, die mit ihrem ausdrücklich politischen
Anspruch ihren Widerstand gegen die städtischen "Säuberungsmaßnahmen"
und die dahinter stehenden Prinzipien von Restriktion und Überwachung
klarer formulieren.
Aktuelle Beispiele sind das seit der städtischen Kündigung des
Mietvertrags von der Räumung bedrohte Wohn- und Kulturprojekt Ex-Steffi
in Karlsruhe oder die Alte Feuerwache in Saarbrücken, die durch
überhöhte Mietforderungen der Stadt zur Aufgabe gezwungen werden soll.

Selbst städtisch bezuschusste soziokulturelle Zentren wie das JuZ
Friedrich Dürr (in Selbstverwaltung) Mannheim oder das DemoZ in
Ludwigsburg sehen ihre Arbeit durch Kürzungen des Budgets und weitere
Einschränkungen bedroht.

Das Autonome Zentrum in Heidelberg
Die Zerschlagung eines erfolgreichen selbstverwalteten Projekts und der
weiterhin andauernde Kampf für neue Räume lässt sich beispielhaft anhand
des Autonomen Zentrums (AZ) Heidelberg aufzeigen: Nachdem durch eine
Reihe von Hausbesetzungen 1990 der Druck auf die Stadt gewachsen war,
entstand 1991 das AZ in der Alten Bergheimer Straße 7a und wurde
zunächst von der frisch gewählten SPD-Oberbürgermeisterin Beate Weber
geduldet, um das von ihr damals angestrebte Image Heidelbergs als
liberale und weltoffene Stadt zu unterstreichen und damit einen
öffentlich wahrnehmbaren Bruch mit der reaktionären Politik ihres
Vorgängers zu vollziehen.
Das nicht-kommerzielle Zentrum wurde schnell zu einem viel genutzten
Treffpunkt, in dem linke Gruppen und Einzelpersonen zu einer Vielzahl
von kulturellen und politischen Themen unentgeltlich arbeiteten. Mit
mehr als 25 Events im Monat und niedrigen Eintritts- und Getränkepreisen
gehörte das AZ zu den aktivsten und billigsten Veranstaltungsorten im
gesamten Rhein-Neckar-Raum.
Den offen vertretenen politischen Anspruch des AZ wussten viele Menschen
zu schätzen, die in anderen Einrichtungen sexistischen oder
rassistischen Übergriffen und Pöbeleien ausgesetzt sind.
Bereits Mitte der 1990er Jahre versuchte die Stadt Heidelberg erstmals,
dem Autonomen Zentrum die Räume zu kündigen, sah sich aber auf Grund des
breiten Protests gezwungen, den Vertrag mehrfach zu verlängern. Mit
vielfältigen Kleinaktionen und mehreren Demonstrationen mit bundesweiter
Beteiligung sowie einer Hausbesetzung konnte der Druck auf die Stadt
aufrechterhalten werden. Angesichts der drohenden Umstrukturierung des
gesamten Stadtviertels verlagerte sich der Kampf 1998 auf die Forderung
nach einem gleichwertigen Ersatzgebäude, das im Jahr zuvor von der
Oberbürgermeisterin versprochen worden war.

Doch selbst durch eine auf vielen Ebenen geführte Kampagne, die von der
Beteiligung eines "AZ-Kandidaten" bei der OB-Wahl über große
Demonstrationen bis hin zu einer Reihe von "Test Your
AZ"-Besetzungsparties reichte und das Thema über viele Monate hinweg zum
Tagesgespräch machte, konnte das Ende des Projekts nicht abgewendet werden.
Mit dem Abriss des Gebäudes am 01.02.1999 endete der achtjährige Betrieb
entgegen früherer Zusagen ersatzlos. War anfangs noch ein konkretes
Gebäude Gegenstand der zähen, aber zunächst Erfolg versprechenden
Verhandlungen gewesen, fiel die von der SPD mit getragene Entscheidung
des Stadtrats im Sommer 1999 letztlich klar gegen ein neues Autonomes
Zentrum aus.
Allerdings wurde die Hoffnung der Stadtverwaltung, das Gedächtnis und
die Ausdauer der AZ-SympathisantInnen seien zu schwach für eine
Fortsetzung des Kampfes, enttäuscht. Mit vielen Aktionen,
Demonstrationen und mehreren teilweise symbolischen Besetzungsaktionen
tragen die AZ-AktivistInnen weiterhin ihre Forderung an die
Öffentlichkeit. Seit es am 12. Februar 2000 in der Nacht nach einer von
1200 Menschen besuchten AZ-Demo zu militanten Aktionen in der Innenstadt
gekommen war, werden Versuche von Seiten des AZ, wieder Verhandlungen
über mögliche Gebäude zu führen, regelmäßig abgeblockt.

Der Kampf geht weiter!
Doch das AZ (im Exil) gibt nicht auf! Inzwischen sind zu den AZlerInnen
viele jüngere Menschen dazugekommen, die das alte AZ nicht mehr kannten,
und ein Ende der Bewegung für neue selbstverwaltete Kulturräume ist
trotz städtischer Spaltungsversuche und Repressionsmaßnahmen nicht
abzusehen. Spätestens mit den AZ-Aktionstagen in der Heidelberger
Altstadt im Sommer 2003, die sich auf eine ständige Präsenz vor dem
Rathaus mit zahlreichen Aktionen und Veranstaltungen konzentrierten,
wurde die Diskussion um ein neues Zentrum wieder stärker in den
Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. An diesen Erfolg soll
auch die Demonstration anlässlich des fünfjährigen Abrisses des Gebäudes
anknüpfen, die der Stadtverwaltung erneut vor Augen führen soll, dass
die Idee autonomer Zentren auch Jahre später noch nicht zerstört ist.
Doch das Heidelberger AZ ist nur eines von vielen unabhängigen
Projekten, die zerstört wurden oder sich derzeit bedroht sehen.
Angesichts der Zusammenarbeit und Koordination der Kommunen auf
überregionaler und Bundesebene sowie der europaweiten Abstimmung
derartiger Repressionsmaßnahmen wird es immer wichtiger, auch den Kampf
für Freiräume überregional zu führen und den Widerstand gemeinsam zu
leisten.

Für ein neues Autonomes Zentrum in Heidelberg!
Für selbst verwaltete Freiräume und Projekte überall!
Gemeinsam gegen die Umstrukturierung vorgehen!


Kontakt: Autonomes Zentrum (im Exil) - Postfach 104520 - 69035 Heidelberg
www.autonomes-zentrum.org - Email


 

03.01.2004
Autonomes Zentrum Heidelberg   [Aktuelles zum Thema: Soziale Kämpfe]  Zurück zur Übersicht

Zurück zur Übersicht