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München: "Sicherheitskonferenz" 2004: Die Macht der Medien!

"Sicherheitskonferenz" 2004: Die Macht der Medien!

"München rüstet für die Sicherheitskonferenz", so versucht die Süddeutsche
Zeitung (SZ) am 29.12.03 die öffentliche Debatte, ob die sogenannte
NATO-Sicherheitskonferenz als Friedens- oder Kriegskonferenz wahrgenommen wird,
zu eröffnen. "Es läuft in der Szene noch die Diskussion darüber", wird
Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer zitiert. Seltsam, in der Szene
selber ist über diese angebliche Auseinandersetzung nichts bekannt! Zwar gibt
es viele Bezeichnungen für die Münchner Konferenz - Kriegskonferenz,
Kriegstreiber-Treffen, Treffen der Weltkriegs-Elite, ... -jedoch als Friedenskonferenz wird sie lediglich von
Leuten wie dem Veranstalter Teltschik bezeichnet. Es zieht sich ein blutrot
eingefärbter Faden durch die Debatten im Bayerischen Hof, die seit der ersten
Konferenz 1962 vom Thema Krieg dominiert werden. Im letzten Jahr wurden auf
dieser Konferenz die Weichen für den Irakkrieg gestellt und in diesem Jahr
sollen, wie Herr Teltschik stolz verkündete, sämtliche Nato-Verteidigungsminister ihr Kommen zugesagt haben. Die Nato-Verteidigungsminister als Friedensminister, das könnte dem Orwellschen
Neusprech entsprungen sein.

"Die europäischen Kriegs- und Globalisierungsgegner schwören sich im Internet
gezielt auf München ein", behauptet der oberste Münchner Polizist weiterhin.
Wäre wünschenswert wenn Tausende europäische Kriegs- und Globalisierungsgegner
sich am ersten Februarwochenende auf den Weg nach München machen würden, aber
die angeblichen Erkenntnisse der Polizei haben sich schon in den letzten Jahren
als relativ substanzlos erwiesen. Und wie in den letzten Jahren geht es bei den
Panikmeldungen aus Polizeikreisen eindeutig darum bereits im Vorfeld der
Militär-Tagung, gegen OrganisatorInnen und DemonstrantInnen, eine negative
Stimmung in der Öffentlichkeit anzuheizen. Weitere seiner statements im SZ-Artikel erhärten
unsere Mutmaßungen: "Die Sicherheitsbehörden müssten sich auf einen
Proteststurm einstellen" wird festgestellt, von "erhöhtem Gefährdungspotential"
ist die Rede und "bislang gebe es keine Aufrufe zu gewalttätigen Aktionen". Die
Strategie der bayerischen Ordnungshüter, aufgestachelt von ihrem Souffleur im
Innenministerium, Beckstein, ist nicht originell, sondern ein Abklatsch der
letzten Jahre: Den Teufel ("Chaoten, Gewalttäter, ...") an den bayerischen
Himmel malen, um ihn mit dem Belzebub in Uniform auszutreiben!

Die klaren Freisprüche für den Münchner Friedensaktivisten Claus Schreer und
einen Demonstranten aus Göttingen, beide waren von der Polizei über Tage hin in
Gewahrsam genommen worden, bedauert Schmidbauer ausdrücklich. Denn die
Ingewahrsamnahme "unbequemer Protestteilnehmer", in dem SZ-Artikel auch als "einschlägig
bekannte Berufsdemonstranten" diffamiert, sei nach den beiden Richtersprüchen
in Zukunft angeblich nicht mehr so leicht möglich. Von einem "anderen" Plan ist
jetzt die Rede, mit dem möglicherweise gewaltbereite Demonstranten aus München
herausgehalten werden sollen. Gemeint ist damit die Einrichtung von Kontrollstellen an den Einfallstraßen nach München. Die Frage stellt sich welche rechtliche Grundlage das Aussortieren von sogenannten
"Berufsdemonstranten" überhaupt hat. Die Demonstrationsfreiheit ist nicht kontingentiert, jeder Mensch kann an so vielen Demonstrationen teilnehmen wie er möchte. Allerdings ist die Strategie des
Herrn Schmidbauer nicht neu, 2002 wurden Hunderte DemonstrantInnen genau an
solchen Kontrollstellen zurückgeschickt.

Das die Sicherheitsbehörden ihr Augenmerk auf die OrganisatorInnen der
Aktivitäten gegen die "NATO-Sicherheitskonferenz" und die zu erwartenden DemonstrantInnen
richten ist nachvollziehbar, das ist ihr Job und dafür werden sie bezahlt. Viel
beunruhigender ist, dass sich die SZ, eine angeblich liberale Zeitung, mit
ihrer tendenziösen Berichterstattung zum Sprachrohr des Münchner
Polizeipräsidenten macht und zudem Innegrit Volkhardt, seit 1991 Chefin im
Bayerischen Hof, in einem Interview feststellen lässt, dass "die
Medienberichterstattung über die Konferenz in der Regel positiv ist". Jedoch
wird kein einziges Wort über die Motivation der Proteste gegen eine Konferenz
verloren, die einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf den Weg gebracht
hat. - Ein Schelm wer anhand solch einer Berichterstattung die Unabhängigkeit
des Blattes anzweifelt!

www.sueddeutsche.de/sz/muenchen/red-artikel1968/

(weitere Informationen: www.no-nato.de)

PRESSEGRUPPE -Aktionsbündnis gegen die "NATO-Sicherheitskonferenz"


*** *** ***

dazu nochmals eine bereits veröffentlichte Presseerklärung der Roten Hilfe München:

München, 2. Januar 2004
„NATO-Sicherheitskonferenz“: Polizeiführung gesteht rechtswidriges Handeln gegen legitimen Protest ein

Der Münchner Polizeipräsident Schmidbauer räumt mit seinem in der
Süddeutschen Zeitung vom 29.12.2003 ausgedrückten Bedauern über die
„Freisprüche“ für Sicherheitskonferenz GegnerInnen endlich das
rechtswidrige Verhalten seiner Polizei ein und muss nun Konsequenzen
ziehen. Die Andeutungen Schmidbauers lassen bereits erahnen wie diese
aussehen werden: Die Polizei wird Kontrollstellen an den Einfallstraßen
errichten und „einschlägig bekannte Berufsdemonstranten - die Personalien
liefern die Verfassungsschutzämter – sollen hier herausgefiltert und
umgehend zurückgeschickt werden.“ (SZ S. 41, 29. Dezember 2003) Eigentlich
keine Neuigkeit, denn auch in den vergangenen 2 Jahren wurde München de
facto hermetisch abgeriegelt und bei tausenden Personen- und PKW-Kontrollen
hunderten Menschen die Anreise verweigert.

Der Verfassungsschutz: Zugleich Polizei- und Ermittlungsbehörde?
Nachdem die Lüge von den 3000 anreisenden „Chaoten“ (angebliche Erkenntnis
des Verfassungsschutzes), die 2002 zum totalen Demonstrationsverbot führte,
nicht mehr aufrecht zu erhalten ist, kreiert Schmidbauer nun das Feindbild
der „Berufsdemonstranten“. Jenen möchte er bereits im Vorfeld das Recht auf
Teilnahme an den legitimen Protesten gegen die sog. Sicherheitskonferenz
absprechen. Wer „Berufsdemonstrant“ sei, soll der Verfassungsschutz
bestimmen. Um jedoch in dessen Visier zu gelangen ist es nicht nötig
„rechtswidriges“ Verhalten an den Tag zu legen. Der Verfassungsschutz klärt
nicht „Straftaten“ auf, sondern dient der Bespitzelung politischer Gruppen
und Menschen. Damit reicht ein politisches Engagement (wie z.B. in der PDS)
aus um in dessen Dateien zu landen. Welche Daten dabei erhoben werden ist
für die Betroffenen nicht zu erkennen und eine Löschung de facto unmöglich
zu erreichen.

Es sei daran erinnert, das die soeben für rechtswidrig erklärten Festnahmen
und Ingewahrsamnahmen bei den Sicherheitskonferenzen 2002/2003 eben auf
diesen dubiosen Datensammlungen von Polizei und Verfassungsschutzämtern
basierten, jedoch nicht wie der Richter betonte, auf konkreten
Erkenntnissen über geplante Straftaten.

Die Kompetenz Schmidbauers zeigt sich auch an seiner Wahl des Begriffs
„Berufsdemonstrant“. Den einzigen Beweis seine Existenz findet er
vermutlich an den Stammtischen. Als gäbe es den Beruf eines „Demonstranten“
(von wem bezahlt?) und wenn es ihn gäbe wäre es auch kein „rechtswidriges“
Verhalten. Offensichtlich meint er damit Menschen, die häufiger von ihrem
Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gebrauch machen, als ihnen das die
Polizei zugestehen würde. Die Einschränkung des Grundrechts auf
Versammlungsfreiheit soll also damit begründet werden, dass man „zu“ häufig
an Versammlungen teilnimmt.

Illegale Überwachung der GipfelgegnerInnen?
Schmidbauer zur SZ: „Es läuft in der Szene noch eine Diskussion darüber, ob
die Sicherheitskonferenz als Friedens- oder Kriegskonferenz angesehen
werden soll.“ Woher ist Herr Schmidbauer so genau über interne
„Diskussionen der Szene“ informiert? Offensichtlich lässt Schmidbauer
oppositionelle Gruppierungen polizeilich bespitzeln und ausforschen.

Dazu Paula Schreiber, Pressesprecherin der Roten Hilfe e.V. – Ortsgruppe
München: „Mit der Diffamierung von GegnerInnen der Nato Kriegspolitik als
‚Berufsdemonstranten’, der Bespitzelung des Bündnisses gegen die NATO
Sicherheitskonferenz und die geplante massenhafte Verfolgung anreisender
DemonstrantInnen auf der Grundlage fadenscheiniger und nicht überprüfbarer
Verfassungsschutzbehauptungen zeigt Polizeipräsident Schmidbauer ein
weiteres mal, das es um die Verhinderung und Einschüchterung politisch
unliebsamen Protestes geht.

Paula Schreiber
Pressesprecherin der Roten Hilfe e.V. Ortsgruppe München

- - -
Rote Hilfe e.V. - Ortsgruppe München
Schwanthalerstr. 139, 80339 München
 muenchen@rote-hilfe.de
 http://www.rote-hilfe.de

 

02.01.2004
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