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Hamburg: Aufruf gegen den Naziaufmarsch am 31.01.

Am 31.01.2004 wollen Nazis durch Hamburgs Straßen marschieren, um gegen
die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Institutes für Sozialforschung
(HIS) zu demonstrieren. Diese war nicht nur ein Publikumsmagnet für
Millionen von Deutschen, sondern auch Auslöser für eine Debatte, die
weder vor Bundestag noch dem heimeligen Familienidyll halt machte. Von
Beginn an war sie heftigen Anfeindungen von Rechts bis ganz Braun
ausgesetzt, die in einer der größten nazistischen Mobilisierungen der
letzten Jahrzehnte mündeten.
Mittlerweile ist sie fester Bestandteil der politischen Identität der
Berliner Republik: die konservativen Kritiker sind verstummt, nur der
besonders dumpfe deutsche Mob scheint die Zeichen der Zeit nicht
erkannt zu haben und stößt, so wie bei ihren Protesten in Peenemünde,
auf Unverständnis der Ausstellungsmacher: "Sie eigne sich (auf Grund
der Überarbeitung) auch nicht mehr als Zielscheibe gewalttätiger
Rechtsextremisten und berühre keine nationalkonservativen
Empfindlichkeiten" , so in einer Presseerklärung des H.I.S. zu den
Peenemündener Ereignissen.

Die Volksgemeinschaft in der Gruppentherapie

Auf den ersten Blick scheint es verwunderlich zu sein, dass eine
Ausstellung die explizit die Täter, den lieben Opi und seine Wehrmacht
als Teil des wahnhaften antisemitisch-völkischen Vernichtungskrieges
thematisiert, zu neuem deutschen Bewusstsein führt.
Als 1995 die erste Auflage der Ausstellung "Vernichtungskrieg -
Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" eröffnete wurde, entzündete sich
eine Debatte über den Mythos der "sauberen" Wehrmacht. Konservative wurden
schmerzlich an "die Geschichte , die nicht vergehen will" (Nolte)
erinnert - um so mehr wetterten sie im Bündnis mit Nazis gegen einen
"moralischen Vernichtungsfeldzug gegen das deutsche Volk..."
(Gauweiler,CSU-Funktionär,1997).So demonstrierten sie 1997 zu
Tausenden gemeinsam in München gegen die Ausstellung. Doch ihre Sorge
um nationale Identität war nicht berechtigt, denn diese neu zu
definieren hatten sich andere zur Aufgabe gemacht. Die dem
unheimlichen Aufmarsch in München folgende Bundestagsdebatte kam einer
Familientherapiesitzung gleich, es brach die Zeit der großen Gefühle
an: Christa Nickels, grüne Bundestagsabgeordnete, erzählte unter
Tränen von "Papa". Bei der SS sei er gewesen. "Was in Majdanek
passiert war", sei ebenso schlimm wie dass, "was man mit Männern, zu
denen auch mein Vater gehört hat, gemacht hat". Die Anerkennung der
Tatsache ,das es so was wie die "Verbrechen der Wehrmacht " gegeben
hat, war nicht umsonst. Im Tausch für das Eingestehen der Gräueltaten,
konnte nun vom Leid der Täter gesprochen werden. Johannes Heer, der
damalige Ausstellungsleiter, jammerte auch sogleich über deutsches
Leid, wie etwa "die ungeheuren Strapazen dieses Krieges, nicht nur die
physischen, auch die psychischen, etwa der Tod der Kameraden". Die
Therapie zeigt erste Erfolge. Das Schweigen zwischen der
Tätergeneration und deren Kinder wurde gebrochen. Im trauten
Familienkreis oder bei Guido Knopp als Zeitzeuge wurde mit den
Schlächtern von einst mitgefühlt und der Wunsch nach Versöhnung schien
erfüllt. Die 68er ,als Generation der Täterkinder, konnten das
deutsche Erbe antreten.


Aus der Krankheit eine Waffe machen
Dass "noch unverfrorener als die Verharmlosung der Vergangenheit
nur der Wille ist, aus einer nicht verharmlosten Vergangenheit nationales
Selbstbewusstsein zu schöpfen", stellte schon der Publizist Wolfgang
Pohrt anlässlich des Historikerstreites in den 80er Jahren fest und
nahm damit rot-grüne Geschichtspolitik vorweg, die aus einem scheinbar
negativen Geschichtsbezug nationale Identität begründet. Die
Wehrmachtsausstellung ermöglichte den "Dialog der Generation", der in
der Versöhnung mit den Tätern endete. Die Vorraussetzung, das Erbe der
Nazigeneration anzutreten wurde geschaffen. Mit dem rot-grünen
Regierungswechsel wurde erfolgreich der geschichtspolitsche Reformstau
angegangen: Großdeutsche Außenpolitik
wurde nicht mehr trotz, sondern wegen Auschwitz geführt. Unter der
Kohl-Regierung schien ein Krieg gegen ein Land, wo die Wehrmacht
Hundertausende massakriert hatte, noch unmöglich und außenpolitische
Ambitionen konnten nur sehr vorsichtig formuliert werden. Rot-Grün
besaß dagegen jene Glaubwürdigkeit, die nötig war, um die deutsche
Vergangenheit zu entsorgen, und sie gleichzeitig für die Propaganda
eines Angriffkrieges zu recyceln : Im Kosovo-Krieg wurde nicht ein souveräner
demokratischer Staat angegriffen, sondern das Spiegelbild des
Nationalsozialismus bzw. "die Fratze der eigenen Geschichte" (Rudolph
Scharping). In Ex-Jugoslawien besiegte man also erfolgreich die eigene
Vergangenheit. Aus der Frage nach deutscher Schuld wurde die Frage
nach deutscher Verantwortung. Wie kriegskompatibel die
Wehrmachtsausstellung ist, zeigte sich bei der Eröffnung in Köln
während des Kosovokrieges. Obwohl einer ihrer Schwerpunkte der
Vernichtungskrieg der Wehrmacht auf dem Balkan war, konnte die
damalige Oberbürgermeisterin Canisius (SPD) unwidersprochen "unsere
Bundeswehr" abfeiern, die versuche "mit Waffengewalt eine Schneise zum
Frieden zu schlagen. Lassen Sie uns auch in diesem Geiste des Schutzes
der Menschenwürde die heutige Ausstellung betrachten".


Ein Kessel Buntes deutscher Gefühle
Auf dem Höhepunkt der Versöhnung der Generationen und vor allem mit sich
selbst, fanden konservative Kritiker wieder Gehör. Die Ausstellung
hatte ihre Schuldigkeit getan und wurde erst einmal in Revision geschickt.
Herauskam eine abgemilderte, weniger polarisierende Neuauflage, die nun
auch in das bunte Geschichtspotpourri von Peenemünde passte.
Peenemünde war die vorletzte Station der Ausstellung und zugleich Spiegelbild der
aktuellen geschichtspolitischen Debatten. Mit einem "Kombi-Ticket"
konnte man dort deutsche Ingenieurskunst der V2-Raketenschmiede und
deutsche Kriegskunst in der Wehrmachtsaustellung bewundern. Das
Rahmenprogramm bot zudem noch die Gelegenheit deutsches Leid auf
Veranstaltungen wie "Stalingrad - Erzählen aus dem Kessel" oder
"Erinnern an Bombenkrieg und Vertreibung" zu bedauern. Die Opfer des
deutschen Wahns kommen nur am Rande vor, wie etwa die 20.000 Toten
Zwangsarbeiter, die für den Raketenbau ihr Leben lassen mussten.


Keine Träne für Deutschland
Wenn am 31.01.2004 die Nazis wieder marschieren wollen, so ist das
kein folkloristischer Beitrag im bunten Rahmenprogramm der
Ausstellung. Mit ihrem ungebrochen positiven Bezug auf den
Nationalsozialismus ist mit ihnen zur Zeit keine deutsche Realpolitik
zu machen. Ihre strikte Ablehnung der "abstrakten Schuldanerkenntnis"
(Jacob/Sznaider) hat ihren Preis: Sie können nicht glaubhaft, wie Jörg
Friedrich, es in seinem Buch "Der Brand" tut, deutsche
Luftschutzkeller zu "Krematorien" und "Gaskammern" verwandeln. So sind
sie nicht andockfähig an die Prämissen der Berliner Republik. Ihnen
bleiben zur Zeit nur ihre "nationalbefreite Zonen", wo sie jene jagen
und ermorden, die nicht in ihre kleine Streichholzkastenwelt passen.
Überall, wo sie öffentlich auftreten, gehören sie bekämpft, da die
Affirmation des Nationalsozialismus das offensivste Bekenntnis zu
Deutschland und gegen die Menschheit ist.

Damals wie Heute - Game Over Krauts!

Naziaufmarsch verhindern!

Bringt Radios mit und hört FSK 93.0 ab 9 Uhr!

#Infos unter www.antifa-hamburg.com und FSK 93.0

bad weather- antifaschistische gruppe hamburg //dezember 03

 

21.12.2003
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