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Neustadt/Weinstraße: Der Verfassungsschutz hat´s mal wieder probiert!

Rote Hilfe e. V.
Ortsgruppe Heidelberg

Heidelberg, 26.11.2003


Presseerklärung: Der Verfassungsschutz hat´s mal wieder probiert!

Anfang November hat der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz in
Neustadt/Weinstraße versucht, einen seit Jahren aktiven linken Mann für
seinen
Geheimdienst anzuwerben.

Da der Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Innenministeriums bei einem
ersten
Besuch am späten Nachmittag des 04.11.2003 nur die Mutter des Aktivisten
antrifft und nach seltsamen Andeutungen ihr gegenüber unverrichteter
Dinge von
dannen ziehen muss, taucht er am 06.11.2003 zwischen 8.00 und 8.30 Uhr
erneut
auf. Nachdem er sich von der Mutter des von staatlicher Repression
Betroffenen
nicht hat abwimmeln lassen („Ich gehe nicht, bevor ich Ihren Sohn nicht
gesprochen habe!“), kommt der Betroffene noch verschlafen zur Tür, um
sich nach
dem Grund dieses unerwarteten Besuchs zu erkundigen.

Da steht er nun, ein etwa 40jähriger Mann mit schwarzem, nach hinten
gegeltem
Haar und stellt sich als Hagen Bossdorf vom Innenministerium
Rheinland-Pfalz
vor. Er habe „eine Information“ für ihn. Ziemlich überrascht, bittet ihn
der
soeben aus dem Bett Geholte ins Wohnzimmer seiner Eltern. Dort zeigt ihm
Herr
Bossdorf einen Ausweis, der ihn wohl als Innenministeriumsmitarbeiter
autorisieren soll. Dann verwickelt er ihn in ein lapidares Gespräch, das
schließlich in den Hinweis mündet, dass er als Mitglied
einer „Sicherheitsbehörde“ für den Bereich „Rechtsextremismus“ tätig
sei. Und
eben dieser „Sicherheitsbehörde“ sei er „als aktive Person aufgefallen, die
sich gegen rechts engagieren würde“. Das könne er nur „gutheißen“, das
sei im
Übrigen auch die Meinung des Innenministeriums. Und da es in und um
Neustadt/Weinstraße ein massives Problem mit Nazis gebe, sei es ja nur
logisch,
dass auch er in deren Visier geraten sei. Sie hätten vor allem die zu
Beginn
des Jahres stattfindenden linken Anti-Kriegs- Kundgebungen und
-Demonstrationen
dazu genutzt, die linke Szene auszuspähen und an exponierter Stelle
stehende
AktivistInnen fürs faschistische Recherchearchiv abzulichten. Und weil
aus der
Akte des von den Geheimdienstbehörden Beobachten zu erfahren sei, dass
er „schon mal einem Nazi auf die Nase gegeben hätte“, kenne er die
Nazi-Szene
ja wohl zur Genüge. Jetzt müsste er sich schon denken können, worauf er mit
diesem Gespräch hinaus wolle. Nach mehrmaligem Abweisen macht der VSler das
Angebot, auf Wunsch des Betroffenen sofort zu gehen, woraufhin dieser
ihn zur
Tür begleitet. Dort äußert der ungebetene Besuch noch die Hoffnung, dass
der
Angesprochene irgendwann doch zur Mitarbeit bereit sei, und steigt dann
in ein
Auto ein, in dem ein anderer VSler die ganze Zeit auf ihn gewartet hatte.

Hier hat sich erneut gezeigt, dass jedeR politisch Aktive oder bisweilen in
linken Zusammenhängen Anzutreffende damit rechnen muss, angequatscht zu
werden
(selbst wenn sie/er schon längere Zeit „dabei ist“). Oftmals geschieht dies
sogar unter Einbeziehung der Eltern. Beim oben aufgeführten Fall war es
wieder
einmal so, dass die „politischen Feinde“ der Linken als Grund für eine
Anquatsche vorgeschoben wurden. Dabei versuchen die
VSlerInnen, „Gemeinsamkeiten“ zwischen ihnen und den vermeintlichen Antifas
herzustellen, die ja eigentlich das Gleiche (wie die „wehrhafte
Demokratie“)
wollten, nämlich gegen Nazis vorzugehen, aber eben „andere Mittel“ zur
Durchsetzung ihrer Ziele hätten. Das „Beobachten“ bzw. „Ausspionieren“ der
Antifas (durch FaschistInnen) diene ja ausschließlich dem Ziel, die
Observierten zu günstigeren Zeitpunkten physisch zu attackieren. Und das
müsse
von staatlichen Organen und den HüterInnen der freiheitlichen
demokratischen
Grundordnung schließlich verhindert werden. Dass es dem VS in diesem
Fall aber
primär darum geht, an Informationen über Linke heranzukommen, die aktiven
Widerstand (auch militanten) gegen FaschistInnen leisten, und eben nicht um
präventiven Schutz der physischen Unversehrtheit staatsfeindlicher Linker,
dürfte klar sein.

Die einzige richtige Reaktion auf Anwerbeversuche kann nur das sofortige
Ablehnen jedes Gesprächs sein, denn jede noch so nebensächlich erscheinende
Information kann für VerfassungsschützerInnen ein wichtiger Baustein in
ihrem
Bild von euren Zusammenhängen oder sogar für abenteuerliche
Anklagekonstruktionen gegen dich und deine GenossInnen sein (oder gegen
Menschen, mit denen du früher mal etwas zu tun hattest).

Immer gilt:

1. Als von staatlicher Repression Betroffene trifft euch keine Schuld,
ihr habt
nichts „falsch“ gemacht; ihr seid nicht mit den „falschen“ Leuten zusammen
gekommen; ihr seid aus den unterschiedlichsten Gründen vom staatlichen
Repressionsapparat „ausgewählt“ worden.

2. BeamtInnen des Verfassungsschutzes, deren Arbeit sich im Gegensatz zum
Staatsschutz ausschließlich auf geheimdienstliche Erkenntnisse bezieht,
haben
keinerlei Befugnisse, eine Aussage oder Mitarbeit zu verlangen; sie
haben keine
Macht, juristischen oder sonstigen Druck auf dich auszuüben (auch wenn
sie in
Extremfällen damit drohen); deshalb verweist mensch sie am Besten gleich
des
Hauses.

3. Die betroffene Person meldet den „Anquatschversuch“ am Besten sofort
der „Roten Hilfe e. V.“ (oder irgendeiner anderen Anti-Repressionsgruppe
in der
Nähe) und erklärt sich einverstanden, diesen Vorgang zu veröffentlichen,
denn
nichts ist dem Verfassungsschutz unliebsamer als eine Öffentlichkeit,
die seine
Arbeit kritisch wahrnimmt und ans Tageslicht befördert.

4. Bei VSlerInnen handelt es sich immer um geschultes, professionell
ausgebildetes Personal, das euch in jeder Hinsicht immer um mehrere
Schritte
voraus ist. Zu denken, ihnen bei einem Gespräch etwas „vorspielen“, sie auf
falsche Fährten locken zu können, ist fatal - ihr wurdet ja eben deshalb
ausgewählt, weil sie genauestens über euch, euren (ehemaligen)
Freundeskreis
und über euer Freizeitverhalten Bescheid wissen. Ihr werdet niemals
zufällig
ausgewählt.

Die Rote Hilfe e. V. Heidelberg protestiert hiermit zum wiederholten Male
ausdrücklich gegen die Anwerbeversuche des Geheimdienstes.

Rote Hilfe e. V.
Ortsgruppe Heidelberg
Postfach 10 31 62
69021 Heidelberg
Fax: 06221/657162
E-Mail:  heidelberg@rote-hilfe.de

 

27.11.2003
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