nadir start
 
initiativ periodika archiv adressbuch kampagnen aktuell

Berlin: Mit "Antideutschen" reden wir nicht - mit

Mit "Antideutschen" reden wir nicht - mit"Antideutschen" demonstrieren wir nicht?

Nachbereitung des antirassistischen-antisexistischen Blocks auf der 16.00 Uhr-Demo am 03.10 2003

Vorgeschichte - Wie kam es zum antirassistischen-antisexistischen Block?
Oder: Lassen wir uns die Daten wegnehmen?

Anlass für den Zusammenschluss zu einem antirassistischen-antisexistischen Block auf der 3.10.-Demo war eine Diskussion im Anschluss an die Demo gegen den "Tag der Heimat". Es stellte sich
unserer Meinung immer mehr die Frage, wie mit den massiven antideutschen Positionen und Positionierungen v.a. innerhalb der Antifa-Szene umgehen. Dies um so mehr, wenn diese wieder den selbstgewählten Elfenbeinturm ihrer Theoriezirkel verlassen und statt ihre Diskursinterventionen auf schriftliche Auseinandersetzungen und Veranstaltungen zu beschränken, anfangen Aktionsformen zu entwickeln, ihre Positionen "auf die Strasse", und besonders gerne "in linksradikale Demos", zu tragen. Selbst die Bahamas kommt aus ihrem Turm und verkauft munter rassistische und sexistische Pamphlete an die begeisterten "linksradikalen Antideutschen", ohne dass es noch jemanden stört.
Das herrausragendste Mittel diese Positionen "auf die Strasse" zu tragen, ist die Verwendung von
Nationalfahnen, in der Regel hier der Israel-Fahne. Geschickt platziert ist schon mit wenigen Fahnen eine starke Vereinnahmung des Aussenbildes und damit von allen, die sich solcher Mittel bewusst nicht bedienen, möglich. Diese Methode ist alles andere als neu und wird wegen ihrer Effektivität gerne von Linksruck und anderen K-Gruppen verwendet. Aber auch Demosprüche, wie "USA-Antifa" und "Bomber Harris - do it again", oder Redebeiträge sind hier zu nennen.
Wie also mit der Tatsache umgehen, dass zu wichtigen Ereignissen und auf linksradikalen Großdemonstrationen nicht mehr nur antideutsche Störaktionen am Rande zu erwarten sind, sondern dass die Gruppen die Vorbereitung einzelner Demos und vor allem ihr Außenbild massiv dominieren.
Des weiteren kommt hinzu, dass nicht mehr -wie noch vor einem Jahr- zu wichtigen Ereignissen zwei, drei, viele Demos stattfinden, die sich im Vorfeld explizit aufeinander beziehen bzw. voneinander abgrenzen. Die anfängliche starke Polarisierung der Positionen, hatte vielerorts zur Spaltung der Szene geführt und häufig sogar eine Verdoppelung der Aktivitäten bewirkt. Diese Zeit ist jedoch vorbei. Zunächst finden wir das nicht nur schlecht, da wir denken, dass es nicht sinnvoll ist, sich als eine derzeit grundsätzlich marginalisierte Linke auf verschiedene Kleinstdemos aufzusplittern. Jedoch hat dies auch zur Folge, dass mittlerweile Demobündnisse existieren, in denen zwar die antideutschen Positionen vertreten sind (v.a. eben im Antifa-Spektrum), aber keine "Alternative" mehr. Dies zeigt mal wieder, dass der hauptsächliche Verlust an Stärke durch solche Spaltungsdiskussionen scheinbar bei DEN linksradikalen Gruppen liegt, die versuchen, die Widersprüche nicht ganz wegzuleugnen, sondern mit ihnen umzugehen. Schon während des Irakkriegs war unserer Meinung nach ein deutlicher Rückgang von breiten Aktionen zu beobachten, der sich auch eben in dem abgenervt sein von der Antideutschen-Debatte begründete, wie vielerorts zu hören und zu lesen war.
Lange Rede, kurzer Sinn: die einen hatten genug und die anderen basteln an Strategien zur Gestaltung linker Großereignisse an zentralen Anlässen und Daten.

Die Konsequenzen daraus lassen sich besonders gut eben an der Demo gegen den „Tag der Heimat“ zeigen:
- die Demo ist, was das Außenbild angeht massiv antideutsch dominiert
- auch kommen immer weniger Leute, weil sie auf die sattsam bekannten „Provokationen“ keinen Bock haben
- die, die den Anlass so wichtig finden, dass sie trotzdem zur Demo kommen, sind die ganze Zeit genervt, gehen am Rand, distanzieren sich auf der Demo, gehen früher oder fangen an rumzustreiten und zu diskutieren mit ProtagonistInnen der antideutschen Positionen
- daraufhin gibt es grundsätzlich weniger Ketten auf Demos, als sonst schon immer, alles ist ein chaotischer Haufen, bis auf die wenigen organisierten Gruppen, es gibt kein Gefühl der Solidarität und wenn die Bullen in den „antideutschen“ Block oder umgekehrt in den „nichtantideutschen“ Block reinprügeln, könnte es sein, dass der Rest, statt zu unterstützen und zu intervenieren, klatschend daneben steht oder einfach geht, was es den Bullen super leicht macht: sie haben von den Demos nichts mehr zu befürchten (an die KP: das ist vielleicht der Grund, warum ihr am 3.10. durch
die Friedrichstrasse laufen durftet!).

Diese Entwicklungen finden wir wichtig aufzuhalten.
Die naheliegendste Konsequenz wäre, eigene Bündnisse für wichtige Ereignisse zu initiieren und Demos ohne antideutsche Positionen, oder mit klaren Absprachen, - was geht Ok und was nicht mehr- zu machen. Dies ist aber weder zum „Tag der Heimat“ passiert, noch im Vorfeld des 3.10. entsprechend diskutiert worden.


AntiraBlock oder Wir gehen?

Im Vorwort der Interim 580, die unmittelbar vor dem 3.10. erschien, wurde unsere Initiative für einen autonomen antirassistischen-antisexistischen Block als „Antirassistisches Feigenblatt“ für die Antideutschen Gruppen und die KP gewertet und dazu aufgerufen, die Demo geschlossen zu verlassen, sobald Israel- oder andere Nationalfahnen auftauchen. Unser Versuch einer Intervention in die Demo rein war also von Anfang an sehr umstritten. Nicht dass wir uns nicht auch mit der Frage rumgeschlagen hätten, ob wir nicht ungewollt das „Antirassistische Feigenblatt“ spielen. Und klar hatten wir uns auch überlegt, warum nicht ganz zu Hause bleiben? Doch unser kurzfristiger Versuch (nur drei Wochen vorher) begründete sich vor allem auf folgenden Überlegungen:

- nach der Demo am "Tag der Heimat" waren viele von uns angepisst. Erste Reaktionen gingen in die Richtung, zu einer derart von antideutscher Symbolik, Polemik und Inhalten dominierten Demo nicht mehr zu gehen. Die Frage, bei welchem Ereignis, dies das nächste Mal der Fall sein könnte, führte zwangsläufig zum "Tag der deutschen Einheit".
- der 3.10. ist ein wichtiges Datum, und wir wollten eine starke, große, linksradikale Demo. Eine Marginalisierung zur Schau zu stellen, war nicht unser Interesse. Antideutsche Demos werden in der Öffentlichkeit als linksradikale Demos wahrgenommen, ob wir/sie es wollen oder nicht.
- es werden viele Leute deshalb trotzdem hingehen, auch wenn das Bündnis antideutsch dominiert ist, gerade auch unorganisierte Leute, die sich aus diesen Szene-Debatten eher raushalten. Eine trotzt Marginalisierung des Vorbereitungsbündnisses große Demo könnten sich die „antideutschen“ Gruppen dann auch noch auf ihre Fahnen schreiben?! (hihi )
- durch einen Block könnte die Fahnenpräsenz auf der Demo real eingeschränkt und damit auch das Außenbild der Demo verändert werden
- durch Aufruf, Redebeitrag und Transpis könnte die Diskussion nach innen in die Szene (und die Demo/das Bündnis direkt) rein getragen werden und eine Alternative angeboten werden, also die Diskussion mit nicht oder nicht-ganz antideutschen Gruppen z.B. aus dem Jugendantifa-Spektrum geführt werden.


Soweit zur Vorgeschichte und den Hintergründen für unseren Interventionsversuch. Nun stellt sich die Frage nach der Effektivität bzw. nach der Wirkung unserer Intervention. Hierfür muss in verschiedene Ebenen unterschieden werden:

1. Wirkung nach Innen in das Bündnis
2. Wirkung auf der Demo
3. Politik mit der KP machen?


1. Wirkung nach Innen in das Bündnis:

Das Bündnis war eindeutig antideutsch von der inhaltlichen Ausrichtung der Mehrheit der anwesenden Gruppen. Ob überhaupt antideutsche Inhalte in Redebeiträgen oder in Form von Israel-Fahnen auf der Demo repräsentiert würden, war daher nicht mehr verhandelbar. Es hat sich aber auf jeden Fall gezeigt, dass unsere Intervention die scheinbare Hegemonie antideutscher Positionen in dem Bündnis aufgebrochen hat. Bisher unhinterfragte Positionierungen mussten auf einmal wieder inhaltlich begründet werden und beispielsweise das Tragen von Nationalfahnen oder Demosprüche wie "USA - Antifa" oder "IDF (israelian defence force) in ramala „Autonome Antifa" waren nicht mehr unumstritten, es musste sich dafür auch innerhalb eines solchen Bündnisses plötzlich gerechtfertigt werden. Die Intervention war auch insofern erfolgreich, als dass eine klare Positionierung gegen Nationalfahnen auf der Demo (inklusive der Israel-Fahne) von Teilen des Bündnisses übernommen wurde, sowohl in der Vorbereitung als auch - zumindest in einer Durchsage - auf der Demo. Auch wurden Unterschiede und Brüche zwischen „antideutschen Gruppen und Postionen“ deutlich, an die sich unsererseits (auch zukünftig) anknüpfen lässt.


2.Wirkung auf der Demo:

Zur Wirkung auf der Demo gibt es unterschiedliche Einschätzungen von uns. Zunächst war der Block zu klein und es waren zu wenig organisierte Reihen. Auch konnten wir ohne eigenen Lauti nur wenig Inhalt (über Transpis und den Redbeitrag) rüberbringen, besonders im Vergleich zum Tiefladerlauti der KP, der die Demo insgesamt dominierte. Bei der Größe der Demo wäre ein eigener Lauti schon sehr schick gewesen, was aber angesichts der Kürze der Zeit, vor allem aber wegen der geringen Teilnahme an der Vorbereitung des Blocks nicht zu machen war. Die Frage der Wirkung ist besonders gegenüber einem Demokonzept wichtig, dass in der Kombination "Fahnenpräsenz antideutscher Gruppen" und "symbolischer Pop-Politik der KP" kaum Raum für differenzierte Positionen lässt. Hier sehen wir die Grenzen unsere Intervention.
Dennoch denken wir, dass die Umstrittenheit antideutscher Positionen eindeutig wahrzunehmen und das Demobild nicht als ganzes von diesen dominiert war. Damit war auch der Konflikt um antideutsche Positionen in der Linken auf der Demo wieder selbst präsent. Allgemein gab es eine positive Einschätzung zum Redebeitrag und der klaren Positionierung.
Als Konsequenz, vor allem mit Blick auf die Marginalität der Linken im allgemeinen, finden wir es sinnvoll, an alte Erfahrungen anzuknüpfen und bei inhaltlichen Differenzen auf das Konzept der Blöcke zurückzugreifen. Auch ein Frauenblock auf gemischtgeschlechtlichen Demos wäre kein Rückschritt.


3. Politik mit der KP machen?

Eine Einschätzung ist auch, dass wir durch unsere Intervention den instrumentellen Umgang der KP mit dem Bündnis gestärkt und diesen uns zu nutze gemacht haben. Gleiches gilt auch für das Nichteinhalten von Bündnisabsprachen Seitens der KP. Dieser instrumenteller Umgang unsererseits war und ist falsch. So haben wir dadurch zwar unseren Block machen können ohne viel Diskussion, jedoch haben wir unsere inhaltlichen Differenzen zur KP komplett ausgeblendet und nicht in dem Bündnis thematisiert. Zumindest eine Konfrontation der KP, als einem der beiden Splitter der AAB, mit ihrer Position in der Vergewaltigungsdiskussion wäre mehr als sinnvoll gewesen. Wir wollen einen so einen Umgang in Bündnissen nicht. Vielleicht müsste der Umgang der KP mit Bündnissen mal grundsätzlich thematisiert werden.


Fazit:

Unser Ziel ist es genau nicht, eine weitere Spaltung voranzutreiben. Die Erfahrung im Umgang mit Gruppen, die Spaltungspolitik über klare FeindInnen-FreundInnen-Polarisierungen betreiben, hat unsere Meinung nach gezeigt, dass sich deren Methoden und die über sie vermittelten Inhalte nicht durch ignorieren, sondern vielmehr durch konsequentes Gegenpositionieren und Raum streitig machen, wieder diskutierbar machen und langfristig verändern lassen.
Auch wenn wir eine solche Intervention nicht unbedingt wiederholen würden und an einigen Stellen selbst Bauchschmerzen haben (kaum Außenwirkung der eigenen Inhalte, die Art der Zusammenarbeit mit KP), finden wir jedoch im großen und ganzen das wichtigste, zu zeigen, dass Positionen antideutscher Gruppen umstritten sind, ist deutlich rübergekommen.


Unsere inhaltlichen Positionen sind in Form unseres Redebeitrages zur 3. Oktoberdemo an den Text angehängt.

Ein Redebeitrag gegen den "Tag der Einheit" in Berlin
- von den Autonomen AntirassistInnen

Der 3. Oktober als "Tag der deutschen Einheit" ist ein
Datum, an dem deutscher Nationalismus,
Großmachtsbestrebungen, Kriegspolitik und
Geschichtsrevisionismus abgefeiert werden. Für uns als
Linke ist dies weder ein Tag noch ein Grund zu feiern.
Es gibt keinen besseren Anlass, der "deutschen
Nation", die ihre Zugehörigkeit trotz der Realität als
Einwanderungsgesellschaft immer noch über das
"Blutsrecht" regelt, gemeinsam den Kampf anzusagen.
Denn so wird die Bevölkerung trotz einer anderen
Wirklichkeit anhand behaupteter ethnischer Kriterien
aus Herrschaftszwecken gespalten. Die derzeitige
ökonomische Umbau offenbart sich vor allem in dem
Abbau sozialer Sicherungssysteme und schließt immer
größere Teile der Bevölkerung von einer Teilhabe an
den gesellschaftlich produzierten Reichtümern aus.
Gleichzeitig werden mit dem neokonservative Roll-Back
patriarchale, rassistische und antisemitische
Ausgrenzungsmechanismen verschärft. Die Unterscheidung
von Menschen nach kapitalistischer Logik in die noch
Ausbeutbaren und so genannte "SchmarotzerInnen" oder
so genannte "Überzählige“, die sich nicht verwerten
lassen können oder wollen, nimmt weiter zu. Durch
öffentliche Diffamierungen wird das Problem von
Arbeitslosigkeit individualisiert und der Druck, immer
schlechter bezahlte Jobs anzunehmen, erhöht. Ein fein
ausdifferenziertes Sortiment von Arbeitsamtmaßnahmen
zwischen nervtötender Scheinfortbildung und nur auf
dem Papier stattfindender Beschäftigung soll eine
weitere Verinnerlichung der scheinbaren eigenen
Unbrauchbarkeit vorantreiben. Auch die Ausbeutung der
Nichtzugehörigen zur „deutschen Nation“ funktioniert
über eine Unterscheidung in erwünschte und
unerwünschte, in eine Selektion in brauchbare und
unbrauchbare. Hoch qualifizierte EinwanderInnen sind
erwünscht, solange sie nur ein paar Jahre bleiben und
perspektivisch wieder verschwinden. Als ökonomisch
unbrauchbar werden nun vor allem die politischen
Flüchtlinge klassifiziert. Da die Wirtschaft weiterhin
viele flexible und schlecht bezahlte ArbeiterInnen
benötigt, werden vermehrt Illegalisierte produziert.
Die ausländerrechtlichen Regelungen bilden hierbei die
Rahmenbedingungen, sich unbequem gewordene Menschen
ohne Papiere schnell und einfach vom Hals schaffen zu
können. Zur Kontrolle weltweiter Migrantionsbewegungen
wurde so in den letzten Jahren ein nach ökonomischen
Kriterien ausgerichtetes Migrationsregime installiert.
Zentrale Institution ist hierbei die IOM, die
International Organisation of Migration, die mittels
westlicher Gelder in den Herkunftsländern der
Flüchtlinge Lager aufbaut und verwaltet, Lagerpersonal
schult und Rückführungsprogramme erarbeitet und
durchführt. So rühmt sich die IOM damit, in die
Geschicke von 11 Millionen Menschen eingegriffen zu
haben, wobei sie allein im Jahr 2000 die als
Rückführung verharmloste Abschiebungen von 430.000
Menschen betrieb, davon der größte Anteil aus
Deutschland. Parallel organisiert die IOM im Auftrag
der deutschen Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und
Zukunft« die Entsorgung deutscher Geschichte durch die
Verweigerung und Verzögerung der
Entschädigungszahlungen für nichtjüdische
ZwangsarbeiterInnen in einigen LändernIn der BRD hat
sich ein umfassendes System institutionalisiertem
Rassismus herausgebildet, erkennbar an der
Residenzpflicht, den Abschiebeknästen, den
Gemeinschaftsunterkünften oder den neuen
Ausreisezentren für nicht abschiebbare Flüchtlinge.
Dieses System muss umfassend bekämpft werden denn es
spaltet die Gesellschaft in Menschen mit verschiedenen
gesetzlich verankerten Rechten.
Linke Politik muss den Anspruch haben, diese
Verwertungslogik kapitalistischer Vergesellschaftung
zu durchbrechen und Möglichkeiten einer anderen,
herrschaftsfreien Welt aufzuzeigen. Dabei dürfen die
verschiedenen Unterdrückungsmechanismen, die sich
überschneiden, ergänzen oder scheinbar ausschließen
nicht isoliert betrachtet werden. Sie müssen sowohl
analytisch durchdrungen als auch in der konkreten
Praxis angegriffen werden. Denn sie sind es, die
individualisieren und die Gesellschaft in sich selber
bekämpfende Fraktionen spalten mit dem Ziel, die
Unterdrückung zu verdecken. Diese Widersprüche machen
auch nicht vor der Linken halt. Dies zeigt sich sowohl
in den zahlreichen internen Auseinandersetzung über
die Verschränkung und gegenseitige
Instrumentalisierung von Herrschaftsstrukturen als
auch in der Aufsplitterung der einzelnen politischen
Ansätzen.

Da wir den 3.10 als ein Anlass betrachten, gemeinsam
»Deutschland« aus allen Perspektiven anzugreifen,
haben wir uns trotz inhaltlicher Differenzen dazu
entschlossen, an dieser Demo aktiv teilzunehmen. Der
deutsche Nationalstaat ist wie alle anderen
Nationalstaaten abzulehnen. Die Nation bildet ein
Kernstück der derzeitigen weltweiten
Herrschaftsorganisation, sie dient zur
Aufrechterhaltung des weltweiten Kapitalismus, zur
Stärkung der patriarchalen Strukturen in den einzelnen
Gesellschaften und der rassistischen Differenzierungen
unter den Menschen. Dies war in der Linken lange
selbstverständlich und sollte weiterhin gemeinsamer
Bezugspunkt sein. Indem Sinne haben auch
Nationalfahnen und Fahnen nationalistischer Bewegungen
auf linksradikalen Demos nichts zu suchen, egal ob
us-amerikanisch, jugoslawisch, israelisch,
palästinensisch oder sonst irgend einer Couleur. Die
Antideutsche Linke nimmt in dieser Argumentation gerne
die israelische Nationalfahne heraus und benutzt diese
als Provokationsmittel gegenüber einer antisemitischen
Gesellschaft. Wer aus einer linken Perspektive ein
Problem mit der israelischen Nationalfahne habe, sei
strukturell antisemitisch. Wir halten es für
analytischen Unfug, die durch Provokation
hervorgerufenen Reaktionen als Grundlage für eine
Gesellschaftsanalyse zu benutzen. Eine Vermittlung
oder konstruktive Auseinandersetzung ist so nicht mehr
möglich. Ein Problem dabei ist auch, dass durch die
Überbetonung der deutschen Perspektive linke globale
Herrschaftsanalysen bewusst reduziert werden.
Deutschland ist nicht der Nabel der Welt.

Leider ist die sinnvolle Problematisierung von
gesellschaftlichen Antisemitismus in letzter Zeit mit
der massiven Präsenz von Inhalten, die sich auf
psychoanalytische Konzepte und der Kategorisierungen
in Mob und Elite beziehen, verbunden worden. Auch wird
viel mit rassistischen Verallgemeinerungen gegenüber
islamischen Gesellschaften gearbeitet und regelmäßig
von Volk gesprochen. Dies hilft weder weiter, diese
oder andere Gesellschaften analytisch aufzuschlüsseln
noch emanzipative Handlungskonzepte zu erarbeiten. Ein
unkritischer Bezug auf Freud mystifiziert
gesellschaftliche Zusammenhänge. Elitäre Konzepte von
Seiten privilegierter Studierenden oder die Analyse
islamischer Gesellschaften als per se patriarchaler
und antisemitischer als die westlichen sind immer
reaktionär. Sie wurden in der letzten Zeit sogar dafür
benutzt, den eigenen Sexismus wissenschaftlich zu
rechtfertigen. Eine Verschleierung von
Unterdrückungsmechanismen jeder Art lehnen wir ab,
deshalb sind wir heute hier, am 3. Oktober.

Es wird Zeit, sich innerhalb der Linken wieder
miteinander auseinander zusetzen und wo es möglich
ist, Differenzen sachlich zu klären, um weiter
handlungsfähig zu bleiben! In diesem Sinne
demonstrieren wir heute hier gemeinsam gegen
Deutschland, gegen Mackerstrukturen und
Nationalchauvinismus, gegen rassistische Sondergesetze
und für offene Grenzen! No borders, no nation, Stopp
deportation!

Wir sind sehr an inhaltlichen Stellungnahmen, Kritik
oder Ergänzungen interessiert. Wir werden jedoch nicht
das Internet als Diskussionsforum nutzen und bitten
deshalb um Zusendung der Beiträge unter
 autonomeantirassistinnen@yahoo.co.in


 

16.11.2003
autonome antirassistinnen   [Aktuelles zum Thema: Kritik d. Antisemitismus]  Zurück zur Übersicht

Zurück zur Übersicht