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Halle: Bericht vom 2. und 3. Prozesstag im 129a-Verfahren gegen drei Magdeburger

Prozeßbeobachtung - §129a Verfahren gegen 3 Magdeburger Linke

28.10.03 – 2.Prozeßtag

Etwa 40 BesucherInnen waren gekommen, um dem zweiten Prozeßtag
beizuwohnen und somit Daniel, Marco und Carsten solidarisch zur Seite zu
sitzen.
Es war the same procedure mit oder wegen der Sicherheit, was sich
freilich bis zum Ende der Verhandlungen auch nicht mehr ändern wird. Die
drei wurden in Handschellen gebracht und es wurde peinlich darauf
geachtet, daß sich Angeklagte und BesucherInnen nicht zu nahe kamen. Man
weiß ja nie!

Zunächst gab es keine Stellungnahme des Staatsanwaltes Dr. Hornick zu
dem Antrag der Verteidigung ihn als Sitzungsvertreter der
Bundesanwaltschaft (BAW) abzulösen.

So wurden dann die ersten Zeugen zu den verschiedenen Anschlägen
vernommen.
Den Auftakt machte der damalige Nachtwächter von „Automobil Flughafen“,
welches sich gegenüber der Daimler Benz Niederlassung Krumey befand. Bei
diesem Brandanschlag brannte von den vier ausgestellten Mercedessen eine
A-Klasse völlig aus und steckte die daneben geparkte E-Klasse an.
Außerdem schadete die entstandene Hitze der Fassade des Autohauses. Es
entstand ein Sachschaden von ca. 300 000 DM.

Dazu wurden auch die ermittelnden Kripobeamten der Polizeidienststelle
(PD) Magdeburg befragt. Diese waren damals mit der Spurensicherung
beschäftigt und fanden einen „Folienbeutel mit einer klebstoffartigen
Substanz“, platziert am rechten Hinterrad der E-Klasse, welcher nicht in
Brand geraten war, sowie Brandschutt in Kombination mit Löschwasser der
A-Klasse.

Aus dem Gutachten des LKA erfuhren wir, daß in der der klebstoffartigen
Masse brandbeschleunigende Stoffe gefunden worden, im Brandschutt
allerdings nicht. Ein technischer Defekt wurde ausgeschlossen.

Dazu wurde aus der „Interim“ verlesen wie Brandsätze gebaut werden und
ein BekennerInnenschreiben der „revolutionären Aktion für Carlo Guliani“
zu eben diesem Brandanschlag, weshalb der Staatschutz die weiteren
Ermittlungen übernahm.

Nach einer Pause ging es weiter mit den Zeugenvernehmungen zum
Brandanschlag auf zwei Telekomfahrzeuge die beim Berufsschulkomplex der
Telekom geparkt waren. Auch hier wurde ein technischer Defekt
ausgeschlossen, da die Fahrzeuge am Freitag abgestellt wurden und der
entsprechende Kleintransporter sowie der Golf erst am Montag des
18.02.02 vollständig in Flammen aufgingen bevor die Feuerwehr löschen
konnte. Der Kripobeamte aus Magdeburg Herr Peschke meinte, aufgrund
seiner „langjährigen Erfahrungswerte“ gleich gewußt zu haben, dass es
sich um Brandstiftung gehandelt haben müsse. Tatsächlich hatte er es bis
dato „leider“ jedenfalls nicht geschafft eine entsprechende Schulung zu
besuchen. Sein Kollege, der nach ihm in den Zeugenstand gerufen wurde,
war da kompetenter. Er hatte eine Direktschulung beim LKA gemacht. Ein
Nachrichtentechniker der Telekom erzählte, daß ein Schaden von ca.
27.000 Euro entstand.

Auch hierzu wurde ein BekennerInnenschreiben aus der „Interim“ welches
vom Kommando „Globaler Widerstand“ unterzeichnet war, verlesen. Das
Datum war anläßlich der Verschärfung des §129 am 17.02.76 gewählt
worden. Magdeburg der gewählte Ort wegen der sozialen Lage und die
Telekom weil auch dieser Konzern für Kommerzialisierung und
Profitmaximierung steht.

Während wir uns danach zu einem türkischen Imbiß aufmachten, mußten
Daniel, Marco und Carsten mit Knaststullen vorlieb nehmen. Es gab noch
einen kleinen Zwischenfall, als einer der Justizbeamten Carsten abführen
wollte und dabei grob wurde, woraufhin sich sofort die Anwälte
einschalteten. Der Mann mit der Aufschrift „JUSTIZ“ auf seiner dunklen
Uniform kam damit nicht klar und beschwerte sich auf dem Gang bei seinen
Kollegen über die rüden Anwälte.

Den dritten Brandanschlag behandelte das Gericht nach der Mittagspause.
Es war der gegen das LKA Sachsen-Anhalt, wo laut Gutachten
Molotowcocktails benutzt wurden und geringer Sachschaden entstand.
Hierzu wurden sechs Zeugen befragt. Einer davon, ein Kioskbesitzer,
dessen Kiosk nahe des LKA steht, sah eine völlig schwarze Person mit
zwei Flaschen unter dem Arm, von denen er annahm es wären vielleicht
Spraydosen für Graffiti als er auf dem Weg zu seinem Kiosk war. Auf
seinem Rückweg hätte es einen Knall gegeben, er sah Feuer und die
gleiche „schwarze“ Person kam gerannt und rief auf magdeburgisch: „Hau
ab! Gleich geht die Hölle los!“.
Interessant war die Aussage des LKA Beamten Schulze, der von einem Auto
sprach was am Folgetag vorfuhr, aus dem eine Person ausstieg den Tatort
fotografierte und wieder wegfuhr. Das Kennzeichen: ..-.. 66 oder 99 .
Für beide Kennzeichen wurden die Halter ermittelt, wobei es sich bei
einem um eine Firma handelte. Bei dem anderen um ein Auto, welches schon
bei verschiedenen Demonstrationen aufgefallen war ebenfalls im
Zusammenhang mit Fotografieren, weshalb nicht weiter ermittelt wurde.
HÄ?
Falls dazu doch weitere Ermittlungen gemacht wurden, wüßte er es nicht,
da der Fall an das BKA abgegeben wurde.

Das Ende des 2.Verhandlungstages leitete die Stellungnahme der
Staatsanwältin Rieger auf den Antrag der Verteidigung vom 21.10. 03, Dr.
Hornick als Zeugen zu laden und ihn wegen Befangenheit durch einen
anderen Staatsanwalt ersetzen zu lassen, ein. Der Antrag der
Verteidigung möge zurückgewiesen werden, da es keine rechtliche Handhabe
zur Ablösung eines Staatsanwaltes gibt. Das käme erst in Frage, wenn der
Zeuge B. (bei dem er durch krude Verhörmethoden aufgefallen war) gehört
worden ist. Er hätte sich nichts zu Schulden kommen lassen, da er
verfahrensmäßig vorgegangen wäre.
Am 27.11.02 wurden nach Anordnung von Dr. Hornick ohne richterlichen
Beschluß -und damit rechtswidrig- die Wohnungen von Daniel und Marco
durchsucht.
Die Verteidigung sah auch wegen dieser Hausdurchsuchungen die
Unbefangenheit des Staatsanwaltes für nicht gegeben. (die entsprechenden
Anträge finden sich in Kürze auf www.soligruppe.de).


Prozeß gegen Marco, Daniel und Carsten wegen §129a

29.10.03 – 3. Prozeßtag

Auch diesmal war der Saal gut gefüllt mit ZuschauerInnen und wir haben
uns gefreut, die drei Angeklagten wieder zu sehen. Inzwischen hat sich
Richter Hennig wohl auch daran gewöhnt das zu Beginn der Verhandlungen
niemand aus dem Publikum aufsteht.

Es ging los mit Zeugenvernehmungen zum fehlgeschlagenen Brandanschlag
auf einen BGS-Bus in Magdeburg. Den Anfang machten drei Beamte der
Magdeburger Dienststelle, die das nichtgezündete Paket entdeckt hatten
bzw. damit dann beschäftigt waren. Es ging um ein gelbes Postpaket in
dem zwei große Plasteflaschen mit gelblicher Flüssigkeit,
Kurzzeitwecker, Flachbatterie und Drähte vorgefunden worden sind.

Bevor dann weitere Vernehmungen stattfanden, stellte die Verteidigung
Anträge zu Staatsanwalt Dr. Hornick. Die Anträge können wie schon
erwähnt in Kürze bei www.soligruppe.de nachgelesen werden. Kurze
Wortgefechte zwischen der Anklage- und der Verteidigerbank (…„wir haben
ja jetzt schon mitbekommen, daß man nicht alles auf die Goldwaage legen
darf, was die BAW so von sich gibt“ …) wußte Ri Hennig zu unterbinden
und bat alle sich auf das „Sachliche“ zu konzentrieren. Jedoch, die
Stimmung im Gerichtssaal war zuweilen etwas „knisternd“, besonders als
es um die Anträge der Verteidigung bzgl. der Ladung des Dr. Hornick als
Zeugen wegen der nicht rechtmäßig durchgeführten Vernehmung von B. gi=
ng.
So meinte der Bundesanwalt, daß es ja klar sei, daß B. sich jetzt
rechtfertigen wolle, schließlich habe er seine Freunde verraten. Dieser
süffisante Kommentar Dr. Hornicks blieb im Publikum natürlich nicht
unbeantwortet, warum wir wiedermal vom Richter verwarnt wurden.

Die Anschlagserklärung des Kommando „Freilassung aller politischen
Gefangenen“ zum LKA und dem Postpaket unterm BGS-Bus bezog sich auf eine
Demonstration anläßlich des 6. Todestages von Frank Böttcher, bei der=
es
zu Übergriffen seitens der Polizei gekommen war und die sich gegen die
wachsende Polizeibrutalität richteten. Kurz vor der Mittagspause gab es
noch eine Bastelanleitung aus der Radikal Nr. 156 zum Bau eines
„zeitverzögerten Brandsatzes“.

Gegen 13.30 Uhr ging´s weiter…
Eine Spurensicherungsbeamte der PD Magdeburg brachte ein Stück des
Postpaketes mit, auf dem angeblich Daniels Fingerabdruck gefunden wurde.
Auf dem eigentlichen Paket waren allerdings noch mehr Fingerabdrücke,
die offenbar für die Ermittler bisher keine Rolle gespielt hatten, nicht
mal in den Akten erwähnt wurden. Bisher ist wohl auch nicht klar, wie
das Gutachten zur Übereinstimmung der Fingerabdrücke, welches durch das
LKA erstellt wurde, zustande kam. Aus diesem geht offenbar nicht hervor
auf welcher wissenschaftlichen Grundlage die Übereinstimmung
festgestellt wurde, weshalb die bisherige Verwertung des Gutachtens
fraglich ist.

Zwischendurch lehnte Ri Hennig den Antrag der Verteidigung Dr. Hornick
in den Zeugenstand zu rufen ab.

Weiter im Text: Vernehmung einer weiteren Kriminalbeamte, die die
Asservierung der beschlagnahmten Sachen aus Marcos Wohnung vorgenommen
hatte und auf die Frage der Verteidigung, ob die Gegenstände (Lötzinn,
Draht, Batterie, …) ausreichen würden, um einen zeitverzögerten
Brandsatz zu bauen, verneinen mußte.

Als Abschluß des dritten Verhandlungstages wurden Daniels Mutter und ihr
Freund Herr R. aufgerufen, wobei Daniels Mutter ihr Recht auf
Aussageverweigerung in Anspruch nahm.

Am 17.03.2002, so sagte Herr R., hatte er Geburtstag und auch Daniel war
bei der Feier in Quedlinburg. Zu später Stunde wären alle gegangen, er
konnte sich aber nicht erinnern wann genau. Herr R. gab auch an, daß ihn
zwei Herren von der Polizei („ein Herr Achilles und ein Brockmüller“)
schon dazu befragen wollten. Als er dies ablehnte, schlugen sie einen
„rauhen Ton“ an und meinten „Wir können auch anders!“ Allerdings =
ließ
sich Herr R. nicht einschüchtern, bestand auf eine Vorladung bekam sie
und reagierte nicht.

Abschließend erteilte Ri Hennig auf Nachfragen der Verteidiger die
Auskunft, daß er über den Antrag Dr.Hornicks Eignung als
Sitzungsvertreter der BAW überprüfen zu lassen nach der Vernehmung des
Zeugen B. entscheide.

Das wird dann also am 4.11.03 sein, was gleichzeitig der nächste
Verhandlungstag ist (Beginn 9.00 Uhr).

 

16.11.2003
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Repression]  [Schwerpunkt: 129a-Verfahren in Sachsen-Anhalt]  Zurück zur Übersicht

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