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Halle: 1. Prozesstag im Magdeburger §129a-Verfahren

Prozessbeobachtung – 129a Verfahren gegen 3 Magdeburger Linke


21.10. – Bericht vom 1. Prozesstag


Der erste Prozesstag im §129a-Verfahren gegen drei Magdeburger Linke war
bereits schon nach wenigen Stunden, gegen 12.00Uhr beendet.

Ab 8.30 Uhr versammelten sich ca. 60 Menschen vor dem Justizzentrum in
Halle, um gegen diesen politischen Prozess zu protestieren. Ein
Transparent mit der Aufschrift: „Gegen die Kriminalisierung linker
Strukturen – Freiheit für Marco, Daniel und Carsten!“ wurde am Eingang
hochgehalten. Über Megaphon wurden Redebeiträge gehalten und während der
Prozess lief, gab es mehrere kleine Interviews mit VertreterInnen von
Presse und Radio.

Vor dem Gerichtssaal hatten sich dann ungefähr 40 Leute eingefunden,
welche den Prozess besuchen wollten. Jedoch erhielten sie vorerst keinen
Zugang, dieser war nur den verschiedenen MedienvertreterInnen
vorbehalten, um Aufnahmen von den Angeklagten und ihren AnwältInnen
machen zu können.
10 der BesucherInnen zogen sich vorher T-Shirts über, die zusammen die
Parole: „Leben, Lieben, Kämpfen!“ ergaben. Kurze Zeit später kündigten
Beamte des LKA an, jene aus der Verhandlung auszuschließen.

Gegen 9.05 Uhr wurde den Verlobten der drei Angeklagten mitgeteilt, dass
sie nicht den Prozess besuchen können, da sie als ZeugInnen geladen
werden und ihr Verlöbnis erst noch nachweisen müssten. Die Frustration
auf Seiten der Verlobten war dementsprechend groß. Bei den direkten
Verwandten reichte die Erklärung aus, von dem Recht auf
Aussageverweigerung Gebrauch machen zu wollen, um dem Prozess beiwohnen
zu können. Ab 9.10 Uhr erfolgte schleppend der Einlass, wobei alle
BesucherInnen durchsucht worden und ihren Personalausweis, sowie Handys
am Einlass hinterlegen mussten.

Der Gerichtssaal wies ca. 50 Plätze für BesucherInnen auf. Die ersten 2
Reihen waren für die MedienvertreterInnen vorgesehen. Eine befürchtete
Trennscheibe zwischen Gerichtssaal und Publikum war nicht vorgezogen,
jedoch gab es eine Kamera an der Decke des Saales. Gegen 9.20 Uhr waren
ca. noch 13 Plätze unbesetzt, obwohl sich noch einige Wartende vor dem
Gerichtssaal befanden, wurde die Verhandlung vom vorsitzenden Richter
Hennig eröffnet. Einer der Anwälte wies das Gericht daraufhin, dass noch
Plätze unbesetzt sind und sich draußen noch Personen befinden, die dem
Prozess ebenfalls beiwohnen wollten. Der Richter ordnete daraufhin an,
die restlichen Plätze noch besetzen zu lassen
Thomas Herzog, ein Anwalt von Daniel, machte darauf aufmerksam, dass die
vorgenommenen Personenkontrollen im Eingangsbereich nicht von
gewöhnlichen Justizbeamten vorgenommen wurden, sondern von Beamten des
Landeskriminalamtes des Landes Sachsen - Anhalt. Da in Vergangenheit bei
Berliner Verfahren die einkassierten Personalausweise doppelt kopiert
und neben der Polizei auch dem Verfassungsschutz „zur Verfügung
gestellt“ wurden, verlangte er sicherzustellen, dass dies hier nicht
geschehe. Richter Hennig gab den LKA Beamten Anweisungen dafür Sorge zu
tragen.

Szenenwechsel zum Eingangsbereich, den gerade zwei weitere BesucherInnen
passierten als die Anweisung des Richters weitergegeben wurde: „Die
hinterlegten Ausweise dürfen diesen Platz hier nicht verlassen.“
Erwiderung der Beamten: „Jeden Tag etwas Neues!“

Wieder im Gerichtssaal: Kurzes Personalienprozedere... Marco, Daniel und
Carsten nahmen vorerst von ihrem Aussageverweigerungsrecht gebrauch und
übergaben an ihre AnwältInnen.
Da bekannt ist, dass es neben den Dreien noch weitere Mitbeschuldigte
gibt, wurde dahingehend von den Anwälten eine Anfrage auf nähere
Informationen zwecks prozesstechnischen Angelegenheiten an die
Staatsanwälte gestellt. Demnach gibt es nun doch „nur“ 4 weitere
Beschuldigte, gegen die ein Ermittlungsverfahren angeblich erst seit dem
02. Oktober 2002 geführt wird.
Der Staatsanwalt Dr. Hornick begann dann das Konstrukt der Tatvorwürfe
wiederzugeben.

Einer der Anwälte forderte wenig später mehr Plätze für ZuschauerInnen,
da sich noch viele vor dem Eingangsbereich befanden. Nach einer
zwanzigminütigen Prozeßpause gab es dann drei zusätzliche Stühle, die
jedoch von Zivibullen okkupiert wurden.

Marco, Daniel und Carsten verlasen nun jeweils ihre Prozesserklärungen,
die sich aufeinander bezogen.( wird demnächst veröffentlicht! ) Nach dem
Carsten den ersten Teil vorgelesen hatte gab es Standing Ovations in den
BesucherInnenreihen, welche eine Drohung des Richters zur Folge hatten.
Als Daniel seine Rede beendet hatte, schwung dennoch ein solidarischer
Besucher ein Transparent mit der Aufschrift: „Wir grüßen euch. Viel
Liebe und viel Kraft! Reißen wir die Mauern ein, die uns trennen!“,
welcher dann aus der Verhandlung verbannt wurde.
Nach den Prozesserklärungen der Drei, folgte eine Erklärung einer
Anwältin von Carsten, in der sie unter anderem die Dürftigkeit der
Beweise hervorhob und feststellte, dass es sich hier um eine reine von
Behauptungen geprägte Anklageschrift handelt. Es werde noch nicht einmal
der Versuch gemacht, die Vorwürfe auch zu beweisen. Jedes
Observationsergebnis sei in „ein enges Korsett“ gedrückt worden, ganz
nach dem Belieben der Ankläger, welche die eigentlichen Urheber
terroristischer Vereinigung seien.
So trug sie u.a. einen amüsanten, von mehreren BKA–Beamten vorgenommenen
Auswertungsvermerk einer beschlagnahmten handschriftlichen Skizze vor:

„Die terroristische Einstellung des Marco H. wird u.a. anhand einer
kleinen Strichzeichnung belegt.
Diese ist in zwei Teile gegliedert; der erste Teil stellt offensichtlich
den Zustand einer Person, eines Gebäudes sowie eines Baumes bei Tag (=
vorher) dar, wohingegen es sich bei dem zweiten Teil (= nachher) um die
Beschreibung des Zustandes abends / nachts nach einem – wie auch immer
gearteten – Eingriff – vermutlich einem Anschlag – handelt, da
augenscheinlich die Person, das Gebäude und der Baum umgefallen bzw.
zerstört sind.“

Der zweite Anwalt von Daniel beantragte hiernach daraufhinzuwirken, den
Staatsanwalt Dr. Hornick aus verschiedenen Gründen als Sitzungsvertreter
der BAW abzulösen und ihn nicht mehr an den Verhandlungen teilnehmen zu
lassen. Die Verteidigung wolle ihn in den Zeugenstand rufen. Er hatte
beispielsweise als ermittelnder Staatsanwalt der BAW am 26.11.2002 die
anstehenden Verhaftungen und Durchsuchungen in Magdeburg bei der
dortigen PD und dem BKA bekannt gegeben. Dabei hätte er den
Ermittlungsrichter des BGH übergangen, den er nicht einmal versuchte
telefonisch davon in Kenntnis zu setzen. Gefahr im Verzuge hätte eben am
27.11.2002 nicht vorgelegen. Desweiteren solle er als Zeuge Auskunft
darüber geben, ob er wärend der Ermittlungen durch Drohungen und
Einschüchterungen Aussagen erpreßt habe und diese, vorschriftswidrig,
nur stichpunktartig protokolliert lassen habe (diese Aussagen tauchen
jetzt - teilweise stark verändert – ausformuliert in den Akten auf).
Staatsanwalt Dr. Hornick selbst wirkte ziemlich angespannt und nahm
still und leise den Antrag der Verteidigung entgegen. Auf sein Kontra
müssen wir uns dann bis zum nächsten Dienstag, den 28.10. gedulden.

Der letzte Tagesordnungspunkt blieb dann somit der jeweilige persönliche
Werdegang von Marco, Daniel und Carsten.
Tabellarische Lebensläufe wurden vorgelesen. Zu Daniel verlas der
Richter die Kriegsdienstverweigerungserklärung, bei der einige
PressevertreterInnen hellhörig wurden, als dort neben seiner
pazifistischen Haltung unter anderem auf sein Engagement bei den Jusos
und der SPD hingewiesen wurde.

Über ´Sieben` Brücken musst Du gehen:
Um den schulischen und beruflichen Werdegang von Marco zu erhellen,
wurde eigens der BKA-Beamte Sieben aus Meckenheim beordert, der nichts
anderes tat, als einen tabellarischen Lebenslauf vorzutragen. Wir können
sehen, es werden keine Kosten und Mühen für die Aufdeckung von längst
bekannten Tatsachen gescheut.

Der nächste Verhandlungstag am 22.10.03 wurde gecancelt, damit dem Dr.
Hornick genug Zeit bleibt, auf den Antrag der Verteidigung zu reagieren.

Fortsetzung folgt.......am 28.10.03

--
Freiheit für Marco, Daniel und Carsten!!! Freiheit für alle politischen Gefangenen!!!

Solidarität ist eine Waffe!

Rote Hilfe Magdeburg
Postfach 320115
39040 Magdeburg

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Nummer: 0391-408 290 87

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Für Spenden im Magdeburger §129a-Verfahren:
Rote Hilfe
Kto.: 37 151 949
BLZ: 810 53 272
Stadtsparkasse Magdeburg
Verwendungszweck: Soligruppe
(Bitte vergeßt an den entsprechenden Stellen das Kennwort nicht!)


 

22.10.2003
Rote Hilfe / Ortsgruppe Magdeburg   [Aktuelles zum Thema: Repression]  [Schwerpunkt: 129a-Verfahren in Sachsen-Anhalt]  Zurück zur Übersicht

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