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„Polizei-Stadt Köln“ – Massenverhaftung und Überfall auf Grenzcamp | Presseerklärung vom Camp

Das 6. Antirassistische Grenzcamp wurde am letzten von insgesamt 10 Tagen durch ein massives Polizeiaufgebot brutal geräumt. Bereits gegen Mittag des heutigen Tages (9.8.2003) marschierte ein Aufgebot von rund hundert Polizisten in Kampfmontur am Eingang des Grenzcamps an den Poller Wiesen auf.
Die GrenzcamperInnen stellten sich ihnen entgegen und versperrten den Zutritt zum Camp. Polizeibeamte zeigten immer wieder auf einzelne Camper, die dann aus der Menge heraus gegriffen wurden. Unter dem Vorwand vermeintliche Straftäter verhaften zu wollen, eskalierte die Polizei die Situation am und um das Grenzcamp an den Poller Wiesen.


Das Verlassen und der Zugang zum Camp wurde unmöglich. Dies hat nichts mit dem „Schutz“ der 40 Neonazis zu tun, die sich um die Mittagszeit in Poll versammelten. Diese Freiheitsberaubung ist Ausdruck des repressiven polizeistaatlichen Vorgehens der Kölner „Ordnungshüter“. Dabei wurde unter anderem auch Tränengas eingesetzt, was bei knapp 40 Grad Celsius zu schweren Verbrennungen der Haut führt. Zusätzlich stellte die Polizei den 200 – 300 im Camp Anwesenden das Wasser ab, so dass auch die Verletzten nicht behandelt werden konnten. Nachdem Telefon- und Internetleitungen des Camps gekappt waren, wurden alle Anwesenden als verhaftet erklärt.
Die am Camp beteiligten Flüchtlinge sind durch die Räumung massiv gefährdet und von Abschiebung bedroht. Im Kessel haben die anderen Eingeschlossenen sich um die Flüchtlinge herum gestellt, um diese zu schützen. Parallel wurden Verhandlung für ihren freien Abzug geführt, u.a. durch Rechtsanwälte und die stellvertretende NRW-Landtagsvorsitzende (Bündnis 90/Grüne) Edith Müller. Von Seiten der Polizei gab es jedoch keinerlei Einlenkung.
Das Eindringen der Polizei auf das Campgelände ist ein eindeutiger Bruch der bisherigen Absprachen.
Das 6. Antirassistischen Grenzcamp, welches sich gegen staatlichen und alltäglichen Rassismus richtet, soll in der Öffentlichkeit als kriminell dargestellt werden. Angesichts von Abschiebungen in Folter und Tod sind Müll im Ibis-Hoteleingang sowie Störung der Flugabfertigungen wegen Beteiligung am Abschiebegeschäft Ausdruck von Zivilcourage und sollten nicht zu kriminellen Aktivitäten hochstilisiert werden. Die Aktionen des Grenzcamps sind in erster Linie symbolischer Natur und sollen irritieren und provozieren. Durch das „Einkesseln“ von Demonstrationen auf Kölner Straßen verursachte die Polizei immer wieder erhebliche Behinderungen – nicht die DemonstrantInnen. Eine weitere Antwort der Polizei auf Zivilcourage ist das strategische Erfassen von politisch Aktiven durch ständige Beschattung und dem massiven Fotografieren und Filmen vieler CamperInnen.


Schon am gestrigen Freitag kam es zu einer bewussten Provokation: Ein Motorrad-Polizist fuhr durch das Grenzcamp-Gelände, ein Akt wider alle Absprachen. Er wurde von AktivistInnen aufgehalten und zur Umkehr gezwungen, dabei sei angeblich eine Kamera entwendet worden. Auch diesen Vorfall inklusive der Behauptung, dass hier ein schwerer Raub begangen worden sei, sehen wir als Vorwand um ihren Einsatz rechtfertigen zu können.
Absurd: heute wurde ein junger Journalist festgenommen mit der Behauptung, er habe die Kamera gestohlen. Nachweislich filmt der junge Kollege jedoch schon seit einer Woche mit der Kamera eines Freundes.
Während des Angriffs auf das Camp hielt die Polizei eine Pressekonferenz ab. Nachdem einige JournalistInnen nach dem Verbleib des Kollegen fragten, wurde ihnen das von der Polizei vorbereitete Filmmaterial vorenthalten. Die meisten JournalistInnen mussten den Raum verlassen, bevor allein einige wenige ausgewählte lokale MedienvertreterInnen das Material zu Gesicht bekamen.
Den Polizeieinsatz verstehen wir als Angriff auf die antirassistische Bewegung in der BRD und deren internationale Vernetzung. Durch diesen Überfall zeigt die Stadt Köln wieder, dass sie mit ihren angeblichen Bemühungen bezüglich einer „ausländerfreundlichen“ und multikulturellen Stadt nicht ernst zu nehmen ist. Menschen, die selber aktiv werden um Institutionen und Orte von Verwertungspolitik und rassistischer Praxis herausstellen, werden mit polizeilichen Maßnahmen angegangen. Durch die erfahrene maßlose Machtdemonstration sollen die AktivistInnen eingeschüchtert und die Organisierungsprozesse behindert werden.

Noch während der Räumung des Camps fanden in Kiel, Dresden, Leipzig, Hamburg, Göttingen, Freiburg, Köln, Bielefeld, Frankfurt a.M. und im Wendland spontane Protestdemonstrationen statt. In Bremen wurde während einer Live-Übertragung der Kammerphilharmonie die Bühne geentert und eine Solidaritätserklärung gegen die massiven Polizeiübergriffe verlesen. Weitere Solidaritätsaktionen sind für den nächsten Tag angekündigt.
Zum aktuellen nächtlichen Zeitpunkt (3:03) sind über 200 Festnahmen bekannt. Immer noch werden CampteilnehmerInnen auf dem Gelände festgehalten sowie in der Stadt gejagt.


Informationen zum Selbstverständnis und Verlauf des Grenzcamps:  http://www.nadir.org/camp03
Videos:  http://www.kanalb.de

 

10.08.2003
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