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Lübeck: Alternative verteidigen - Nazis angreifen !

Alternative verteidigen � Nazis angreifen !

Im April 2003 hat die CDU-Mehrheit der Lübecker Bürgerschaft beschlossen,
den Mietvertrag des selbstverwalteten Zentrums alternative (auch "Walli"
genannt), der Ende Februar 2004 ausläuft, nicht zu verlängern. Im Laufe der letzten
Monate fanden bereits mehrere Protestaktionen für den Erhalt der Walli
statt. Für den 30. August ruft nun die alternative zu einem Aktionstag gegen den
Sozialkahlschlag der CDU und für den Erhalt der Walli auf. Das "Bündnis Rechts
Lübeck" hat daraufhin am selben Tag eine Demonstration unter dem Motto
"Soziale Gerechtigkeit schaffen" angemeldet.

Die Walli ist bedroht
Die alternative existiert seit 25 Jahren als selbstverwaltetes Zentrum in
Lübeck und seit 19 Jahren am jetzigen Standort. Sie ist dabei völlig unabhängig
von der Stadt und zahlt dieser einen symbolischen Mietpreis von 50 Cent im
Monat. Auf der Walli gibt es neben einem breitgefächertem kulturellen Angebot
(Kneipe, Café, Konzerte) auch einen Bauwagenplatz, einen Infoladen, Räume für
politische Gruppen und vieles mehr. Gerade die politischen Aktivitäten, die
von hier ausgehen, waren der Stadt oftmals ein Dorn im Auge und sind es
offensichtlich immer noch. So hat die CDU, die seit den Kommunalwahlen im Frühling
die absolute Mehrheit in der Bürgerschaft stellt, beschlossen, den
Mietvertrag nicht über 2004 hinaus zu verlängern, sondern die alternative an einen
anderen Standort zu verlagern. Begründet wird dies mit dem wirtschaftlichen
Potential des Standortes, der als städtebauliches "Filetstück" bezeichnet wird.
Ein gleichwertiges innenstadtnahes Gelände, das ausreichend groß ist,
existiert aber nicht und wäre dann auch ebenso ein �Filetstück�. So hat es bereits in
den letzten Monaten Demonstrationen mit bis zu 1000 Teilnehmern, die
Blockade eines CDU-Kreisparteitags und viele andere Aktionen für den Erhalt der
Walli am jetzigen Standort gegeben. Inzwischen zeigt sich eine sehr breite
öffentliche Unterstützung (über 10 000 Unterschriften wurden bis jetzt gesammelt),
die CDU steht mit ihrer Position hingegen vollkommen isoliert da. Dennoch
zeigt sich die CDU stur, was es wichtig macht, den Druck jetzt noch einmal zu
intensivieren und über die nächsten Monate aufrechtzuerhalten.

Die Walli ist dabei bei weitem nicht das einzige Opfer der CDU-Politik:
Frauenbüro, Autonomes Frauenhaus und Gesamtschulen mussten massive Kürzungen
hinnehmen. Härter will die CDU auch gegen Sprüher und Punks vorgehen, geplant ist
die Videoüberwachung öffentlicher Plätze und Busse, um der Stadt ein
sauberes Image zu geben. Es ist deshalb wichtig, dass jetzt alle bedrohten sozialen
Einrichtungen und Gruppen gemeinsam Widerstand leisten.

Zu dreckich für den Rest
Lag die Alternative nach ihrem Umzug an den heutigen Standort Wallhalbinsel
noch auf einem wenig beachteten Areal vor den Toren der Stadt zwischen
Eisenbahnschienen und alten Hafenschuppen, ist das Gebiet seitdem stark entwickelt
worden. Heute ist die Walli umgeben von einer pompösen Musik- und
Kongresshalle, mehreren großen Hotels, einem Zentrum für "Neue Medien" und diversen
Parkplätzen. Die Walli stört als unkommerzielle Einrichtung zwischen diesen
Glitzerfassaden. Ursprünglich war eine Erweiterung dieses "Angebots" um eine
Messehalle geplant. Aufgrund der finanziellen Situation der Stadt hat sich die CDU
nun vom Bau einer Messehalle verabschiedet, weichen soll die Walli nun
Parkplätzen bzw. gegebenenfalls einer �mobilen Halle�. Hinter der Vertreibung der
Walli steht damit die kapitalistische Logik der Vertreibung von allem, was
sich nicht zu Geld machen lässt.

Die Walli stellt einen Freiraum für unkommerzielle Kultur, für linke,
antifaschistische Politik von unten dar. Ein oft leider nur teilweise realisierter
Freiraum beispielsweise von rassistischer und sexistischer Diskriminierung,
Konsumzwang und autoritären Strukturen. Für uns ist die alternative ein
Versuch, Teile unseres Lebens in die eigene Hand zu nehmen. Wichtig sind uns dabei
v.a. basisdemokratische Entscheidungsfindung und freiwilliges, unbezahltes
Engagement als Bestandteile einer gesamtgesellschaftlichen Utopie.

Keine Freiräume für Faschisten!
Doch nicht nur die CDU macht Ärger, auch die Lübecker Nazis haben sich in
die Auseinandersetzung um die Walli eingemischt. Am 28. Juni besetzten Nazis
aus Schleswig-Holstein eine leerstehende Villa in Lübeck, solidarisierten sich
dabei öffentlich mit der Walli und forderten ein eigenes �nationales
Zentrum�. Hinter dieser Aktion stehen sogenannte �Freie Nationalisten� um Jürgen Gerg
und Jörn Lemke, die bisher als Kader der NPD und des �Bündnis nationaler
Sozialisten� (bei der Kommunalwahl Anfang des Jahres) in Erscheinung traten. Die
auf den ersten Blick erstaunliche Tatsache, dass sich Nazis mit der Walli
solidarisieren, hat ihren Hintergrund in der Strategie der sogenannten
�Querfront�. Dabei handelt es sich um die teilweise Übernahme linker Parolen und
Symbole und die Propagierung einer Zusammenarbeit von Links und Rechts gegen das
kapitalistische System. So bezeichnen sich die Lübecker Nazis als �Projekt
undogmatische LinksnationalistInnen� und schwafeln von einer Zusammenarbeit
�antinationaler und nationaler Antifaschisten�. Die Nazis zielen dabei aber
nicht auf eine wirkliche Zusammenarbeit ab, sondern versuchen, Verwirrung zu
stiften und die öffentliche Stimmung für sich und ihr geplantes "nationales
Zentrum" zu nutzen.

Aber nicht alle Lübecker Nazis verfolgen diesen Ansatz. Das "Bündnis Rechts"
um Dieter Kern, das sich Ende 2002 mit der Gruppe um Gerg und Lemke
zerstritten hatte, hat sich zwar öffentlich noch nicht zum Thema "alternative"
geäußert, doch ist Dieter Kern nicht als Anhänger der Querfrontstrategie
einzuschätzen. Dieses Bündnis Rechts hat nun für den 30.8., dem Datum unseres
Aktionstages, einen Aufmarsch unter dem Motto �Soziale Gerechtigkeit schaffen�
angekündigt. In seinem Aufruf schwadroniert das Bündnis Rechts von einer
"zionistischen Oligarchie", in deren Interesse die deutschen Politiker arbeiteten. Neben
offenem Antisemitismus kennzeichnet den Aufruf eine extreme völkische
Demagogie.
Auftaktort für den Aufmarsch soll der Güterbahnhof hinter dem Hauptbahnhof
sein, wo sich die Nazis um 10 Uhr treffen und um 11 Uhr losmarschieren wollen.

Durch die Querfrontpropaganda der Gruppe um Gerg wie durch das Demomotto des
Bündnis Rechts scheinen die Unterschiede zwischen Links und Rechts zu
verschwimmen. Zentraler Bezugspunkt der Nazis bleibt aber immer die deutsche
Nation. Völkische, antisemitische Hetze und Angriffe auf Minderheiten wie
Nicht-Deutsche, Behinderte oder Obdachlose sind Bestandteile faschistischer Politik.
Dagegen richtet sich linker Antifaschismus, dem es demgegenüber um die
Befreiung der Menschen von rassistischen, sexistischen, autoritären und allen
anderen Formen von Unterdrückung zu tun sein muß. Eine emanzipatorische
linksradikale Politik ist mit �linksnationalistischem� Geschwafel unvereinbar. Zeigen
wir den Nazis, was wir von ihrem Antisemistismus und ihrer geheuchelten
"Solidarität" halten !

Deshalb rufen wir für den 30. August 2003 dazu auf, dem Naziaufmarsch
entschlossen entgegenzutreten und anschließend durch vielfältige, kreative und
laute Aktionen deutlich zu machen, dass die alternative bleibt, wo sie ist.

Ab 9. 30 Uhr: Antifa-Action um den Bahnhof und entlang der Naziroute. Achtet
auf weitere Ankündigungen:  http://www.antifa-luebeck.de

anschließend: vielfältige Aktionen in der City gegen die Politik der
Lübecker CDU

Ab 16.00 Uhr: Große Abschlussdemo vom Koberg durch die Innenstadt zur
alternative: Gegen Sozialabbau und Vertreibung!

danach Sommerfest auf der Walli mit zahlreichen Live-Bands
( http://www.treibsand.net )

nähere Infos:  http://www.walli-bleibt.de


Antifas aus Lübeck

 

31.07.2003
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