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Hamburg: Wie peinlich ist diese Stadt eigentlich? Demonstration für Dana Horakova – gegen die Kunst

Presseerklärung:
Kein Rechtspopulismus in der Kulturlandschaft Hamburgs! Wider dem Kulturbegriff des Kleinbürgers! Solidarität mit selbst bestimmter Kunst!

KX und Kampnagel – eine lange Story: 1998 wurde das Areal mit Wohn- und Bürohäusern umbaut, die Hallen wurden saniert. Die Kulturfabrik bekommt jährlich 3,1 Mio. Subventionen. Das hindert aber nicht daran, eigenständige Ansätze aus merkantilen Erwägungen heraus zu schließen. Kein privater Vermieter kann es sich erlauben, eine Miete um 1500 Prozent zu erhöhen. Genau das aber hat Kampnagel gegenüber dem einzigen Verein gemacht, der auf dem einst als Kulturzentrum weltberühmten Gelände an der Jarrestraße noch Aktivitäten entfaltet, die nicht der zentralen Theaterleitung unterstellt sind. Im Juli 2002 war das Ende der erfolgreichen Ausstellungstätigkeit des Künstlervereins KX. Jetzt gibt es vermutlich ein neues Büro in der Geschäftsstadt Nord am Mexikoring. Ganz klar ist das noch nicht.

Die selbst verwaltete Künstlerinitiative war ein Ergebnis jener Aktivitäten, die Mitte der 80er die Lage der bildenden Kunst in Hamburg verbessern sollten und auch zur Einrichtung von Atelierhäusern und sogar den Deichtorhallen führten. In der schwierigen Phase zwischen künstlerischer Ausbildung und späterer Professionalisierung war KX fünfzehn Jahre lang einer der wenigen Ausstellungsorte gleichermaßen für hiesige junge Kunst und internationalen Künstleraustausch.

Das Problem: Eine wesentlich von der Kulturbehörde abhängige Institution ist hier formaler Untermieter einer anderen, ebenso abhängigen. Und wenn das Geld knapp wird, bricht eben die Solidarität ein. Pikanterweise steckt auch hier, wie bei den Mietsteigerungen im Kunstverein, Kunsthaus und der freien Akademie, die Sprinkenhof AG dahinter, ein Unternehmen der Stadt Hamburg.

Auch den dreifachen Ruf nach Hamburg und ans Thalia Theater durchzieht ein politischer Unterton – der der Hamburger Kultursenatorin Dana Horakova, inzwischen nun auch schon mehr als Jahr ahnungslos im Amt, in den Ohren klingen soll, wenn sie jetzt gerade höchst populistischen Umfragen zum "allgemeinen Kulturbedürfnis" das Wort redet; und sich angesichts absehbarer Ergebnisse wird fragen lassen müssen, ob sie denn – sagen wir mal- auch Holocaust-Gedenkstätten abwickeln würde, sobald danach keiner mehr "ein Bedürfnis" verspürt. Auch Kultur aber ist eben keine Bedürfnisanstalt. Dana Horakova, die lange als Journalistin das Feld der Kultur beackert hat, ist der heiße Tipp. Als ehemalige Ressortleiterin für Kultur in der Bild-Zeitung verfügt sie sicher über große Erfahrung, welche Kunst das Volk will. In der Welt am Sonntag hat Dana Horakova als stellvertretende Chefredakteurin gearbeitet, und zuletzt schrieb sie als freie Autorin. Seit einem Jahr steht die Kulturbehörde unter Führung der ehemaligen Bild-Kolumnistin Dr. Dana Horáková. Ob Beust mit dieser Personalentscheidung immer noch glücklich ist, bleibt ein Geheimnis, da der Bürgermeister in der Kulturpolitik (wie sonst auch) vermeidet, sich allzu sehr in die Politik der Stadt einzumischen.

Alles fing damit an, dass die Senatorin das erste dreiviertel Jahr ihrer Regentschaft damit verbrachte, Nachfragen zu den von ihr in die Runde geworfenen neuen Ideen ("Hamburg soll glänzen...") mit dem Satz: "Man wird sehen!" zu bescheiden. Falls Frau Senatorin nicht so regelmäßig im Kulturausschuss der Bürgerschaft ihre Mitarbeiter wortlos und mit Fingerzeig anweist, die an sie gerichteten Fragen zu beantworten. Diese politische Pantomime hat sich bis heute gehalten und ist durchaus einen Besuch in einer der öffentlichen Sitzungen wert.

Die jüngsten Schlagzeilen zum Amtsjubiläum betreffen das von der Kultursenatorin untätig begleitete Scheitern der Verhandlungen um die neue Intendanz der Kammerspiele sowie den Weggang des Generalmusikdirektors Metzmacher. Er hat vor Horákovás kulturpolitischen Auffassungen kapituliert und wird wohl nicht der letzte Hamburger Verlust bei einer Senatorin, die sich bei den Kulturschaffenden mit der Bemerkung eingeführt hat, es fehle an Glanz, die Hamburger hätten wenig, worauf sie stolz sein könnten. Ihr Weg ist demzufolge gesäumt von einer derart miserablen öffentlichen Meinung, dass, wenn die Senatorin ihren Satz: "Wir müssen herausfinden, welche Kultur der Steuerzahler (!) braucht und wünscht" ernst nähme, zurücktreten sollte. Doch der zitierte Satz zeigt etwas anders. Nämlich dass es um mehr geht es um mehr als um Stilfragen, Tatenlosigkeit oder Unfähigkeit.

Es geht um Rechtspopulismus, der von Horáková in der Kulturpolitik eingeführt wurde, und der in der Kulturszene Hamburgs für massiven Schaden sorgt. Nichts gegen Kultur, die sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert. Nur ist es eben etwas anderes, ob man von Bevölkerung spricht, oder von Steuerzahler, um unterschwellig verbreitete Vorurteile über "Subventionskünstler" zu bedienen. So hat die Senatorin es sich zur Aufgabe gemacht, solche Kulturbereiche kaputt zu sparen, die im Verdacht stehen, irgendwie progressiv zu sein. Ein besonders unappetitlichen Manöver nach dem Prinzip teile und herrsche war in diesem Sinne die Halbierung der Mittel für Kunst im öffentlichen Raum und Kürzungen bei der Frauenkultur - zur Finanzierung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, wie in der entsprechenden Pressemitteilung der Kulturbehörde hervorgehoben wurde!

Der Senatorin schweben Künstler vor, die als Teil des Senats-Konzeptes "wachsende Stadt" für angenehme Freizeitbedingungen der umworbenen Hochqualifizierten bereitstehen. An der bestehenden Szene, etwa im Bereich der Geschichtswerkstätten, der Stadtteilkultur, der musikalischen Off Szene hat die Senatorin demgegenüber ein geradezu zur Schau getragenes Desinteresse. So trägt sie massiv zu einer Verschlechterung des kulturellen Klimas in der Stadt bei, es ist eben gerade bei leeren Kassen wichtig, ob man den Kulturschaffenden wenigstens den Eindruck vermittelt, ihre Arbeit werde geschätzt.

Diese Entwicklung ist dramatisch, auch weil sie sich in ihrer ganzen Tragweite als langfristige Entwicklung niederschlagen wird, auch wenn Horáková besonders schnell darin ist, Porzellan zu zerschlagen. So stammt vieles von dem, was die Senatorin derzeit als ihre Erfolge verkauft, aus der letzen Legislaturperiode, etwa die Neu-Einrichtung eines Haushaltstitels zur Förderung der Kinder- und Jugendkultur. Senatorin H. provinzialisiert das kulturelle Klima der Stadt und schafft eine Atmosphäre des Mistrauens. Die Klimaverschlechterung wiegt umso schwerer, als es für die Lebendigkeit von Kultur erheblich auf Austausch, auf Kommunikationsbereitschaft ankommt. In diesem Sinne ist die Senatorin eine wirkliche Herausforderung für die politische Substanz der Hamburger Kultur.

Hamburgs Kulturszene stöhnt in seltener Einigkeit unter Kultursenatorin Dana Horakova. Die Querelen um die Kammerspiele, die ungeschickten Angriffe auf Schauspielhauschef Tom Stromberg, die ungeklärte Nachfolge des Deichtorhallendirektors wie auch ihre abstruse Idee, aus Musikhalle und einem Aquarium ein Aquadome zu fertigen, dazu noch ihr kasernenhofartiger Regierungsstil, das sind nur die Spitzen der Eisberge, die sich auf Höhe der Landungsbrücken festgesetzt haben. In verblüffender Schlichtheit bedient Horakova den Kulturbegriff des Kleinbürgers, wonach Kunst niemals allzu kompliziert sein darf und vor allem mit Rückgriff auf die derzeit herrschende Verteilungsdebatte die Künstler in die Pflicht zu nehmen sind, den ihnen zugeteilten Geldern mit nützlichen Werken zu entsprechen. Wir rufen auf: Unterstützt die satirische Demonstration für Frau D.H. am 10. Mai 2003!

10. Mai 2003 – Demonstration für Dana Horakova – gegen die Kunst. Treffpunkt 18.30 h Jarrestraße 20, Kampnagel, 18.45 h Kundgebung, 19 h Abmarsch zum Mexikoring

Stadtteilkollektiv Rotes Winterhude, 24. April 2003

 

08.05.2003
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