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Genua: Update Verfahrenseinstellung im Mordfall Giuliani

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Update Verfahrenseinstellung im Mordfall Giuliani in Genua

Deutsche Fassung der Aktualisierung des aktuellen Features aus Indymedia Italy zur Einstellung des Verfahrens gegen die in der Ermordung Carlo Giulianis involvierten Carabinieri Mario Placanica und Filippo Cavataio am 5.Mai 2003 durch die genuesische Untersuchungsrichterin Elena Daloiso.

Piazza Alimonda, 21.07.2001 - Angehörige des Elitekorps Tuscania
Nichts, was eingestellt werden könnte.

Am Nachmittag des 5. Mai hat die Richterin Elena Daloisio entschieden: Einstellung des Verfahrens gegen Mario Placanica, dem des Mordes von Carlo Giuliani beschuldigten Carabiniere, und zwar nicht nur wegen "Notwehr", wie der Staatsanwalt Silvio Franz beantragt hatte: Daloisio geht einen entscheidenden Schritt weiter und spricht Placanica Kraft des Paragrafen 53 der Strafprozessordnung frei, dem Paragrafen, der den "legitimen Waffengebrauch" vorsieht. Ein gefährlicher Präzedenzfall: so, wie sich die Staatsanwaltschaft Genua anhört, tut ein Beamter, der dich beschießt, nur seine Pflicht.

Die Entscheidung der Untersuchungsrichterin Daloiso bedeutet, dass es KEINEN PROZESS WEGEN DER EREIGNISSE AUF DER PIAZZA ALIMONDA [1] GEBEN WIRD. Die Parameter des Absolution Placanicas sind grauenvoll: Daloiso hat die Ergebnisse der Gutachten in vollem Umfang angenommen, "Bezüglich der Korrektheit der angewandten Methodologien liegen keine Anhaltspunkte vor, um diese zu bezweifeln. Aber... hat denn Daloiso nie Recherchen über die Geschichte dieser Sachverständigen angestellt? (A.d.Ü: die liest sich nämlich wie ein Krimi).

"Es handelt sich um ein Ermittlungsverfahren (...) dessen Vollständigkeit keinen Zweifel lässt", insistiert die Untersuchungsrichterin weiter, die die These mit dem mörderischen Putzbrocken für gut befindet und es als bewiesen betrachtet, dass "Placanica in die Luft geschossen hat". ( A.d.Ü.: Die Patrone, die Carlo traf, soll dies getan haben, weil sie, nachdem Placanica sie in die Luft abgeschossen hatte, einen zwei Kilogramm schweren fliegenden Putzbrocken auf ihrer Bahn vorfand und deshalb auf Carlo umgelenkt wurde, wobei sie angeblich so zersplitterte, dass sie nie wieder gefunden wurde und das, bei einen Austrittsloch im Hinterkopf Carlos von gerade einmal drei Millimetern, was dafür spricht, dass das Geschoss noch im Schädel hätte stecken müssen!)

Aber war es wirklich der wehrpflichtdienstleistende Carabiniere Placanica, der Carlo Giuliani erschossen hat? (A.d.Ü.: Über die These vom vierten Mann, der durch Placanica gedeckt werden soll, wurde bereits berichtet, siehe:  http://de.indymedia.org/2002/12/36044.shtml)

Daloiso hat auch Filippo Cavataio freigesprochen, der zwei Mal mit dem Defender Carlo Giuliani überrollte: Letzten Endes, schreibt die Untersuchungsrichterin, habe er ihm nur "leichte Verletzungen" zugefügt. Der Beweis? Eine Obduktion die der Staatsanwalt selbst als "oberflächlich" bezeichnet hatte.

Die Wahrheit über Piazza Alimonda, wie sie die genuesische Staatsanwaltschaft erzählt, ist einfach und peinlich: nicht eine Spur eines Zweifels trotz der unzähligen dunklen Stellen und den unzähligen Widersprüchen, die während der Ermittlungen zu Tage kamen.

Und Placanica? "Er wird ein exzellenter Carabiniere sein", freut sich sein Anwalt. Andererseits hat auch keiner der involvierten Offiziere trotz der Lügen und der Aussageverweigerungen vor dem Parlament und der Staatsanwaltschaft seinen Posten verloren. Sie sind so gut gewesen, dass sie jetzt nach Iraq geschickt worden sind.

Die Einstellung des Verfahrens gegen Placanica schließt nicht nur die ermittlungen im Mordfall Giuliani ab, sondern sie versucht, die Verantwortlichkeiten derer, die auf der Piazza Alimonda die öffentliche Ordnung organisierten und der Paläste der Macht. Mit dem sehr konkreten Risiko, dass dieses Urteil zum Maßtab für die weiteren Verfahren in Zusammenhang mit Genua werde.

Es wird aber nicht ein obszönes Richterliches Urteil sein, das dieses Kapitel abschließen wird: Genua wird nicht hiermit abgeschlossen und die Arbeit der Gegenermittlungen geht weiter. Wir wollen die Wahrheit und wir werden keinen Frieden finden, solange dieser Augenblick nicht erreicht sein wird. Ohne Gerechtigkeit wird es für eich keinen Frieden geben.

(Feature-Ende)

Infos über die Spezialisten für Auslandsmissionen:  http://de.indymedia.org/2003/02/42915.shtml

Am 4. Dezember gab es eine Verhaftungswelle gegen mehrere Personen, die derzeit mit unterschiedlichen aber allesamt sehr schweren Beschuldigungen wegen der Ereignisse in Genua auf ihre Prozesse warten. Unter ihnen, der "Mann mit dem Brett", dessen Bild nach der Tötung Carlo Giulianis um die Welt ging. Er besteht von Anfang an darauf, dass sich vier und nicht drei Personen zum Zeitpunkt der Erschießung Carlo Giulianis im Defender aus dem die Schüsse fielen, befanden.

Massimiliano, so sein Name, hat sich von Anfang an erhobenen Hauptes und fair mit der Sache auseinandergesetzt und sich nie versteckt. Er war nicht einmal ein sonderlich "politischer", als es passierte,wie viele, die ihn kannten, seinerzeit bestätigten. An diesem Tag in Genua hatte er lediglich, wie viele andere auch, auf die mörderischen Kriegsinszenierungen zum G8 reagiert.

Massimiliano hat zum Zeitpunkt des Todes Carlos so guten Einblick wie kaum ein anderer gehabt, so viel steht fest. Auszug aus einem Interview der Tageszeitung "Il Secolo XIX" vom Dezember 02 mit Massimiliano zum Thema "Vierter Mann" im Carabinieri-Jeep":


DER MANN MIT DEM BRETT BESCHULDIGT DEN STAATSANWALT

"ER HAT DIE REKONSTRUKTION VERFEHLT"

Auszüge aus dem Interview:
(...)
Massimiliano Monai, der genuesische Kellner, der sich mit einem Brett am 20. Juli 2001 am Defender der Carabinieri befand, klagt Silvio Franz [2] an. Er beteuert nicht seine Unschuld, im Gegenteil. Aber er verwirft die Rekonstruktionen des Staatsanwaltes.

Dann bekräftigt er die These: "Im Jeep waren sie zu viert, nicht zu dritt"

Monai, warum solche Beschuldigungen?

Seine Position ändert sich nicht. Außerdem beruht die Rekonstruktion der Ereignisse auf "imposantem Videofotografischem Material." Wie leugnen? "Ich weiß genau, dass ich bald einen Prozess haben werde, und dass diese Details nichts ändern werden. Aber dieser Unterschied zwischen der Wahrheit, so schwer sie auch für mich ausfällt, und die Rekonstruktion ist unbegreiflich. Die Geschichte, die der Staatsanwalt erzählt, ist eine andere Geschichte."

(...)

Was meinen Sie zum Defender?

"Dass ich überzeugt bleibe: auf dem Jeep waren sie zu viert. Als ich mit dem Brett dort ankam, war ein Carabiniere am Steuer, der mit der Pistole und ein anderer, der ihm Deckung gab. Aber es gab noch einen weiteren, der genau unter dem Fenster kauerte, gegen das ich das Brett richtete.

Es würde nicht viel ändern...

"Das muss man sehen. Aber warum sieht der Staatsanwalt nicht, was wir alle gesehen haben?" Seit einem Jahr erzählen wir immer das Gleiche. Ohne Angst, eines Tages verurteilt zu werden. In Zehn Jahren wird die Geschichte immer noch die selbe sein. Andere haben ihre Version mindestens zehn Mal geändert."

Wer?

"Der Carabiniere Mario Placanica. Zuerst hat er geschossen, dann hat er nicht geschossen, dann hat er die Pistole mit dem Halfter abgedeckt, dann hat ihm der andere geholfen. Er hat Geschichte und Anwalt gewechselt. Ich bin immer dabei geblieben."

[1] Piazza Alimonda hat sich in Italien als Überbegriff für den Tod Carlo Giulianis etabliert.

[2] Der Staatsanwalt, der die Ermittlungen geleitet und die Einstellung des Verfahrens gegen Placanica beantragt und durchgesetzt hat.

[indymedia.de, von r.f. - 06.05.2003 10:06]


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06.05.2003
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