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Argentinien: Repressionswelle | Indymedia Argentina und besetzte Fabrik Brukman geräumt. Brutalste Polizeiangriffe gegen Solidaritätsdemo

Los sueños no se desalojan!
Vorbereitungstreffen für Solidaritätsaktionen in Hamburg:
Treffen am Montag, den 28. April 2003, um 18 Uhr
Von-Melle-Park 5, WiWi-Bunker (AStA), Raum 0039

Nach dem "Argentinazo", dem Aufstand der argentinischen Bevölkerung am 19. und 20. Dezember 2001, der als ein Signal für die Krise des Kapitalismus um die ganze Welt ging, haben sich in Argentinien vielfältige neue soziale Bewegungen entwickelt. Arbeitslos gewordene Menschen haben sich nicht mit ihrem Schicksal abgefunden, sondern haben sich entweder als "Piqueteros" (Straßenblockierer) organisiert oder angefangen, ihre verlassenen Arbeitsstätten zu besetzen und wieder in Betrieb zu nehmen. Außerdem gründeten sich hunderte "Asambleas barriales", Stadtteilversammlungen, die teilweise leerstehende Gebäude besetzten, und es entstanden Tauschmärkte, in denen eine alternative Ökonomie praktiziert wird.

Seit Ende Februar dieses Jahres allerdings scheint sich die Regierung von Buenos Aires zum Ziel gesetzt zu haben, diese Bewegungen zu zerstören und es begann eine Welle der Räumungen besetzter Gebäude. Letzte Woche wurde der bisherige Höhepunkt erreicht: Am Montag, dem 14. April wurde die ehemalige "Banco Mayo" gewaltsam geräumt. Dieses Bankgebäude war nach jahrelangem Leerstand vor etwa einem Jahr von der Stadtteilversammlung "Asamblea Lezama Sur" besetzt worden und in ein Kulturzentrum verwandelt worden, in dem auch Indymedia Argentinien Räume zum Arbeiten fand. Die Räumung der Bank war somit auch ein Angriff auf alternative, autonome Kommunikationsstrukturen und auf das Fenster der restlichen Welt zu den argentinischen Bewegungen.

Doch es sollte noch härter kommen: In der Nacht zum Freitag, dem 18. April begannen 250 schwer bewaffnete Polizisten, die seit dem 18. Dezember 2001 von den ArbeiterInnen besetzte und in Eigenregie betriebene Textilfabrik Brukman in Buenos Aires zu räumen. Brukman ist die weltweit bekannteste besetzte Fabrik und somit auch ein Symbol für den gesamten antikapitalistischen Widerstand in Argentinien. Im letzten Jahr bereits zweimal geräumt, konnte die Fabrik jedoch erneut besetzt werden – dieses Mal erhielten die Einsatzkräfte allerdings die Anordnung, eine Wiederbesetzung der Fabrik zu verhindern, um sie den "Besitzern", die damals die Fabrik verschuldet hinterlassen hatten, zurückzugeben. Die 58 ArbeiterInnen von Brukman erfahren jedoch eine große Solidarität auch der anderen sozialen Bewegungen. Seit Beginn der Räumung haben sich tausende Menschen vor den Absperrungen versammelt, um die ArbeiterInnen zu unterstützen, die währenddessen versuchten, mit Anwälten zu einer friedlichen Lösung zu gelangen, aber auch Pläne der Rückeroberung der Fabrik vorbereiteten. Am Montagnachmittag begann die Polizei plötzlich, mit Tränengas, Knüppeln, Gummi- und sogar Bleigeschossen auf die rund 7000 Demonstranten loszugehen, verletzte über 30 Menschen und verhaftete etwa 120 Personen, darunter Journalisten und Abgeordnete. Zeugen ziehen Vergleiche zur letzten Militärdiktatur, aber die Mobilisierung geht weiter. ( Mehr Infos zu Brukman:  http://www.nadir.org/nadir/aktuell/2002/12/19/13621.html )

Diese massive Repression geschieht im Zeichen des argentinischen Präsidentschaftswahlkampfes. Am Sonntag, dem 27. April findet die erste Wahlrunde statt, die allerdings höchstwahrscheinlich einen zweiten Wahlgang zur Folge haben wird, da wohl keiner der Kandidaten über 20 Prozent erhalten wird.

Der Widerstand und Protest in Argentinien findet zwar in einer regional und historisch spezifischen Situation statt, aber trotzdem lassen sich Verknüpfungen zu den hiesigen Kämpfen, z. B. gegen Räumung und Vertreibung von Bauwagenplätzen, Sozialabbau und autoritäre Formierung, feststellen. Die neuen argentinischen Bewegungen haben Formen entwickelt, die auch für die Entwicklung von Widerstand hier interessant sind: die Selbstorganisation von unten, die Aneignung sozialer und ökonomischer Räume und darin die Entwicklung solidarischer Beziehungen und nicht zuletzt ein Nebeneinander vielfältiger Formen von Widerstand.
In der aktuell stark repressiven Situation ist es von zentraler Bedeutung, die sozialen Kämpfe in Argentinien zu thematisieren und solidarisch zu unterstützen.


Mehr Infos:

 http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/regierung-stuerzen/diskussion_argentinia_soli.html

 http://www.wildcat-www.de/dossiers/argentina/arg2002.htm

 http://www.nadir.org/nadir/aktuell/schwerpunkte/argentinien.html

 http://de.indymedia.org/2003/03/44613.shtml#aktuell

 

23.04.2003
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