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Berlin: Aufruf 1. Mai 18 Uhr

Nie wieder Frieden
Fight New World Order - fuck old europe

Nie wieder Frieden?

Frieden wäre schön. Weil die derzeitige US-Regierung Krieg zum
selbstverständlichen Bestandteil ihrer Politik macht und sich das mit ihrer
militärischen Überlegenheit leisten kann, wird sie oft für die Abwesenheit
von Frieden verantwortlich gemacht. Doch würde der Irak nicht bombardiert,
wäre dann Frieden? Hält sich die US-Regierung nur einfach nicht an die
aufgeklärten Regeln der westlichen Welt, die ein zivilisiertes Durchsetzen
der eigenen Interessen ermöglichen würden, ohne dass jemanden ein Leid
geschähe? Nach dem Verständnis der Bundesregierung, ihrer Verbündeten in der
Friedensbewegung und des Papstes wohl schon. Wenn die Linke dem US-Krieg im
Irak einfach empathisch Frieden entgegenhält, dann verdoppelt sie den Schein
eines herrschaftsfreien, gewaltfreien "westlichen" Systems und stellt nicht
die Frage, die ihr eigentliches Geschäft darstellt: Heißt kapitalistischer
Normalzustand Frieden?

Krieg war in allen Phasen kapitalistischer Gesellschaften und ihrer
staatsförmigen Organisation ein Mittel zur Interessensvertretung. Zwar endet
der Staat an seinen Grenzen, nicht aber seine Interessen. Die über die
Grenzen hinausreichenden Interessen müssen sich nicht in der Form des
konventionellen Krieges erfüllen: sie können in Kolonialisierung,
Vertragsabschlüssen, Einrichten von Freihandelszonen, Erpressen der Regierung
oder ähnlichem realisiert werden.
Freiheit und Gleichheit - Begriffe und Werte, die die jeweilige westliche
Welt in die jeweilige Feindkonstruktion hineinbomben will (USA gegen Irak und
Afghanistan, NATO inklusive BRD im Kosovo, Frankreich gegen Elfenbeinküste
etc.) - sind und waren Voraussetzungen für die Durchsetzung von
kapitalistischem Warentausch, Verwertung und Konkurrenz. Sie sind nicht das
unerreichte Ideal bürgerlicher Gesellschaft, sondern seine Existenzform und
werden im Kapitalismus gleichzeitig realisiert und unterlaufen.
Kapitalistische Verwertung produziert und reproduziert notwendig die
Entgegensetzung von Kapital und Arbeit. Zudem produziert sie bestimmte Formen
des Denkens über Gesellschaft: Dass Gesellschaft eine Ansammlung von
privaten, nur gegeneinander zu denkenden Interessen sei, dass
gesellschaftliche Verhältnisse nicht gemacht sind, sondern "natürlichen"
Eigenarten von Dingen und Menschen entspringen würden, dass
Gemeinschaftlichkeit auf solchen natürlichen Eigenarten basiere - der
Zugehörigkeit zu einer "Nation", "Kultur", "Rasse" oder ähnlichem. Diese
Denkformen verhindern es, die Widersprüchlichkeiten der Gesellschaft zu
denken und provozieren statt dessen den Bezug auf Zugehörigkeiten, was bis
zur Vernichtung der "Anderen" getrieben werden kann. Der Fanatismus,
Rassismus, Fundamentalismus, der in der westlichen Welt oft als "irrationales
Relikt" erscheint, das durch die Durchsetzung von Aufklärung / Kapitalismus
zu beseitigen wäre, entsteht innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft und
ihrer Zerrissenheit; ihre Überwindung bedeutet die Abschaffung des
Kapitalismus.

Selbstverständlich ist es ein Unterschied, ob man bombardiert wird oder acht
Stunden zur Arbeit geht. Der Krieg im Irak ist zu verurteilen, ebenso wie es
die Kriege in Tschetschenien, im Kosovo und in Ex-Jugoslawien sind. Er steht
nicht außerhalb des westlichen, zivilisierten Systems. Die Jahrzehnte nach
1945 waren nicht friedlich, weil sich die "Völkergemeinschaft" auf das
Völkerrecht geeinigt hat, sondern weil das Gleichgewicht des Schreckens
offene Kriegsführung zur allgemeinen Existenzbedrohung gemacht hat und sie
waren nicht friedlich: Stellvertreterkriege und low-intensity-wars (der CIA
sprach vom "World War 3") waren die Mittel der Wahl.
Ein Krieg zur Durchsetzung von kapitalistischen Verwertungsinteressen ist von
der Linken zu bekämpfen. Das linke Gegenkonzept kann aber nicht einfach
"Frieden" heißen. Zumindest nicht, solange Frieden nicht die Abschaffung des
Kapitalismus bedeutet. Wer vom Kapitalismus nicht sprechen will, soll vom
Frieden schweigen.

Krieg und Neue Weltordnung - Don't fight the player, fight the game

Globalisierung, Neoliberalismus, Ende der Blockkonfrontation - es gibt viele
Umschreibungen dafür, dass der Kapitalismus in den letzten zwanzig Jahren die
Form seiner Organisation und Reproduktion verändert hat. Die Grundlagen -
Warenproduktion, Wertvergesellschaftung, Antagonismus von Kapital und Arbeit
- bleiben. Abgestoßen wurde die Vorstellung, dass die Realisierung der Werte
auf Massenkonsum und Vollbeschäftigung basieren sollte. Gleiches gilt für die
Annahme, dass - zumindest in der "1. Welt" - die Integration breiter
Bevölkerungsschichten angestrebt werde und materiell möglich sei. Ideologisch
gewendet heißt das Ende des Fordismus damit das "Ende des Anspruchsdenkens",
die "Verschlankung" staatlicher Sicherungssysteme und Betonung der
"Selbstverantwortung" - und eine "Liberalisierung" der rigiden
Gleichmachungsforderungen des Fordismus. "Es lebe die Differenz" bedeutet für
die Menschen eine Befreiung von altbackenen Vorstellungen, allerdings um den
Preis existenzieller Verunsicherung.

Mit dem Zusammenbruch des fordistischen Modells ist der Vorstellung einer
allgemeinen, gleichgewichtigen, durch staatliche Regulierung angeleiteten
industriellen Entwicklung die Grundlage entzogen. Auf diese Verwertungskrise
des Kapitals folgte die Liberalisierung von Geld- und Kapitalmärkten mit
Internationalisierung von Produktion und Welthandel. Einerseits wurde der
kapitalistische Weltmarkt homogenisiert, gleichzeitig nimmt aber die
Fragmentierung der Weltgesellschaft zu. Die unmittelbare Konkurrenz von
Waren, von Arbeitsbedingungen und die verschärfte Konkurrenz der Standorte um
günstige Verwertungsbedingungen für internationales Kapital führen zur
Zuspitzung ökonomischer und sozialer Spaltungen.

Die Fragmentierung der Weltgesellschaft - auch innerhalb der "1.Welt" -
forciert soziale Spaltungen und führt zu einem Auftrieb für
wohlstandschauvinistische, rassistische, völkische und faschistische
Bewegungen, die Gemeinschaftlichkeiten anzubieten haben, wo der
Neoliberalismus nur "Selbstverantwortung" zu bieten hat. In den Ideologien
erfahren sich die Menschen als handlungsfähig, sie verorten sich selbst in
der Gesellschaft und machen sich die Welt verstehbar. Die Ideologien
funktionieren dabei von "unten nach oben" wie auch von "oben nach unten" und
binden die Menschen, bzw. diese binden sich selbst, auf spezifische Weise in
herrschaftliche Interessen ein. Die Verschärfung von ideologischen
Gegensätzen - andere nennen es den Clash der Kulturen - nimmt dabei die
Fragmentierung der Weltgesellschaft wieder auf. War es früher die "rassische"
Unterlegenheit, in der die Kolonialisierung und Ausbeutung der "3. Welt"
abgebildet und mit bürgerlichen Werten versöhnt wurde, sind es heute die
Diktaturen, die Menschenrechtsverletzungen (die es gibt), ist es das
"insgesamt Unaufgeklärte", was das Gegenmodell zum vorherrschenden westlichen
Modell darstellt. Weltregionen, die durch die Fragmentierung der
Weltgesellschaft mangels interessanter Standorte und verwertbarer Bevölkerung
herausfallen (wie weite Teile des afrikanischen Kontinents), sind dabei
keines Krieges im Namen der Menschenrechte o.ä. wert. Weder die Ideologien
noch Armut und Elend sind durch Kreuzzüge für Kapitalismus zurückzudrängen.
Sein Bezug auf Gleichheit, Freiheit und Aufklärung bedeutet einerseits die
Durchsetzung von Rechtsverhältnissen. Gleichzeitig ist es die Freiheit der
Warenbesitzer und des Warenverkehrs, die Freiheit des Eigentums,
Vertragsfreiheit bei An- und Verkauf der Arbeitskraft und die Gleichheit der
Warenbesitzer, die sich gegenüberstehen und Äquivalenzen tauschen, die auf
seinen Fahnen stehen. Eine Kritik am Krieg, die sich bloß aufs Völkerrecht
bezieht, verdoppelt nur die Oberfläche von Vertragsfreiheit und der Fähigkeit
der bürgerlichen Gesellschaft, ihre Probleme im Rahmen der "freien
Marktwirtschaft" zu regeln. Zwar kann das Völkerrecht die
Verhandlungsposition der "Verliererseite" in der Weltgesellschaft stützen,
doch die Kritik am Krieg muss über die formalrechtliche Argumentation
hinausgehen. Die Linke muss die "Subjekte" des Völkerrechts, die Staaten und
ihre Interessen und Funktionen in der kapitalistischen Weltgesellschaft zum
Gegenstand ihrer Kritik machen.
Staaten müssen in der neoliberalen Weltgesellschaft einerseits ihre Standorte
sichern (verschärfte Sicherheitspolitik ohne Sozialpolitik). International
sind sie (auf der "Gewinnerseite") gewissermaßen "Sachwalter" von
Kapitalfraktionen, die den Weg für die Internationalisierung der Märkte
freimachen sollen und damit auch übergeordneten, "allgemeinen"
Kapitalinteressen dienen. Andererseits (auf der "Verliererseite") werden sie
wahrgenommen als Hemmschuh gegen diese Internationalisierung des betreffenden
Marktes, der zu entfernen ist, so er sich nicht auf vertragliche Regelungen
(Freihandelszonen etc) einlässt. Um diesen Forderungen nach der
Liberalisierung des Weltmarktes nachzukommen, stehen verschiedene Machtblöcke
und Staaten bereit, deren Einflussbereiche umkämpft sind (Deutschland
reklamiert den Balkan, Frankreich Nordafrika, die USA tendenziell alles).
Ihre Mittel sind unterschiedliche, so hatte die BRD bei der Zerschlagung
Jugoslawiens zunächst auf Verhandlungen gesetzt, später auf Angriffskrieg.

Der Kampf um die Einflussbereiche ist ein Kampf um internationale Hegemonie -
nicht nur um militärische Vorherrschaft, sondern auch um ökonomische
Hegemonie, also ob die vertretenen Kapitalfraktionen erfolgreich sind. Die
US-Regierung ist auf dem Weg, die Hegemonialposition in der Durchsetzung von
Kapitalinteressen und der Ordnung der Welt herbeizubomben. Der Kampf gegen
diesen Krieg darf sich nicht auf einen anderen Machtblock beziehen - wie etwa
Europa oder Deutschland.

Fuck old europe

Dass Europa und Deutschland im Zweifelsfall ihre Interessen ebenfalls mit
Angriffskriegen durchsetzen, hat sich zuletzt im Kosovokrieg gezeigt (aktuell
auch Frankreichs Einmarsch in der Elfenbeinküste). Als angebliche Leitbilder
der Umstrukturierung Ex-Jugoslawiens dienten Werte wie Humanismus und
Menschenrechte zur Transformation der Eliten, der Eigentumsverhältnisse und
der Wirtschaftsstruktur. "Old europe" steht seither mit größerer Berechtigung
für Kolonialismus und Faschismus und aktuell für die Entstehung eines eigenen
Machtblocks. Eine "Selbstethnisierung" der Europäer ist damit ideologischer
Scheiß, der mit der Sehnsucht nach Gemeinschaftlichkeit nicht brechen kann.
Wer sich über die Grundlagen des Krieges Illusionen macht, wird ihn nicht
bekämpfen können. Wer gegen ihn Gemeinschaftskonstruktionen in Anschlag
bringt, sei es das alte Europa oder eine nationale Befreiungsbewegung, der
bleibt dem ideologischen Reflex auf kapitalistische Herrschaft verhaftet.

Let's push things forward: Kapitalismus abschaffen!!!
Heraus zum revolutionären 1. Mai!
Rosa- Luxemburg- Platz: 16.00 Uhr Konzert mit MIA und ?
18.00 Uhr 1.Mai Demo
Für den Kommunismus!
Kritik&Praxis Berlin

 

08.04.2003
  [Aktuelles zum Thema: Soziale Kämpfe]  [Schwerpunkt: 1.Mai]  Zurück zur Übersicht

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