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Berlin: Der 6. Tag im Weinrich-Prozess

"Es kann auch in der Zeitung gestanden haben"

Weinrich-Prozeß; Ex-MfS-Oberst sagt aus

Im Verfahren gegen Johannes Weinrich, der vor dem Berliner Landgericht wegen Beteiligung an sechs Bombenanschlägen in Frankreich, Deutschland und Griechenland zwischen 1975 und 1983 angeklagt ist, wurde am 6, Verhandlungstag der ehemalige MfS-Oberst Günter Jäckel als Zeuge vernommen. Die Anklage stützt sich im Wesentlichen auf Unterlagen der ehemaligen Staatssicherheitsdienste der DDR und Ungarns.

Jäckel war Anfang der achtziger Jahre stellvertretender Leiter der Hauptabteilung XXII (Terrorismusabwehr) und dort auch zuständig für die Betreuung der "Organisation Internationaler Revolutionäre", besser bekannt als "Carlos-Gruppe". Weinrich soll laut Anklage als Mitglied der Gruppe jahrelang von Ost-Berlin aus Anschläge, sowie logistische Hilfsleistungen für andere linksradikale Gruppen koordiniert haben.

Der heute 68-jährige Jäckel erklärte, daß das MfS mit solchen Gruppierungen kooperiert habe, um einerseits Informationen über sie zu erlangen und andererseits solche Gruppen davon abzuhalten, Anschläge in der DDR zu verüben. Dabei gab es einen Austausch mit den Staatssicherheitsdienste befreundeter sozialistischer Staaten.

Der Zeuge war auch zuständig für untergetauchte RAF-Mitglieder in der DDR. Dafür saß er 1991 fünf Monate in Untersuchungshaft. Dort wurde er seinerzeit mehrfach von BKA-Beamten auch zur Carlos-Gruppe vernommen. Auf Vorhalte aus seinen damaligen Aussagen durch Richter, Staasanwaltaschaft und Verteidigung reagierte er meist ausweichend: "Ich weiß das nicht mehr genau", "Wenn es dort so steht, wird es wohl so gewesen sein" und "Es kann auch sein, daß ich das aus der Zeitung habe" waren in der fünfstündigen Befragung die häufigsten Antworten. An Details, die nichts mit den hier angeklagten Fällen zu tun haben, konnte sich der Zeuge deutlich erinnern. So trug er insgesamt wenig Erhellendes zur Aufklärung der Weinrich vorgeworfenen Taten bei.

Nachdem in diesem Verfahren bereits zwei Zeugen der Anklage die Aussage verweigert haben, tritt die Staatsanwaltschaft in ihrem Bemühen derzeit auf der Stelle.

Nächster Termin: Mittwoch, 16. 04., 10 Uhr, Turmstr. 91, Saal 500

 

05.03.2003
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Repression]  Zurück zur Übersicht

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