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Kiel: Text des linksradikalen Antikriegsplenums

Deutschlands Frieden heißt Krieg

Der Krieg gegen den Irak ist längst beschlossene Sache, nur der letztgültige
Vorwand und der genaue Anfangstermin wurden noch nicht bekannt gegeben. Die
Ergebnisse der Waffeninspektoren werden an dieser Entscheidung nichts ändern.
Weltweit gehen Millionen von Menschen auf die Straße, um zu zeigen das
dieser Krieg nicht ihr Krieg ist. Übersehen wird bei diesen Protesten bewußt (z.B.
von rot/grün) oder oft unbewusst, dass sich der Westen seit dem ersten Krieg
gegen den Irak in einem permanenten offenen Kriegszustand befindet (seit dem
12.11.01 sogar offiziell). Bei dem Nein der Bundesregierung gegen den
Irakkrieg geht es eben nicht um eine Verurteilung des Krieges als Mittel der
Außenpolitik, sondern nur um diesen speziellen Krieg, bei dem es für Deutschland
nichts zu gewinnen, sondern nur zu verlieren gibt. Wir dürfen also nicht den
Fehler begehen, uns in die Logik derer zu begeben, die nur zwischen nützlichen
und unnützen Kriegen unterscheiden, die durch ihre "Globalisierung" (früher
hieß das Imperialismus) Millionen von Menschen töten und Milliarden im Elend
leben lassen. Wir müssen diese Verhältnisse bekämpfen und dieser Kampf wird
länger dauern als der Irak Krieg.

Mit diesem Flugblatt wollen wir deutlich machen, warum wir eine komplett
andere Anti-Kriegshaltung haben, als die Bundesregierung und manche anderen
"FriedensfreundInnen" und warum wir doch auf die Straße gehen werden.
Um die jetzige Situation und vor allem die deutsche Politik zu verstehen,
wollen wir einen kurzen Abriss über die offenen Kriege des Westens seit 1991
machen.
Die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verschwimmen zusehends: Unter dem
Stichwort "langandauernder Krieg gegen den Terror" werden
militärisch-polizeiliche Präsenz und kriegerische Einsätze zu einem flexiblen System der globalen
Kontrolle verschmolzen - der ständige Ausnahmezustand und Krieg wird zum
scheinbaren Frieden.

Die Begründungen für die Kriege, die seit `91 stattfanden, wechselten, die
Ziele waren aber die gleichen, es ging um Macht und Einfluß. Deutlich wird
dieses, wenn wir uns die Ergebnisse anschauen, die nach den Militäraktionen in
den Regionen übrig geblieben sind. Der Golfkrieg 1991 war unter anderem eine
Machtdemonstration des Westens gegenüber dem ´89 implodierten Ostblock und der
restlichen Welt. Die Botschaft lautete: "Wir können und werden unsere
Interessen weltweit auch militärisch durchsetzen." Die Tatsache, dass die
Alliierten Saddam zu diesem Zeitpunkt nicht entmachteten, zeigte, dass die Parole
"Kein Blut für Öl" der Friedensbewegung zu kurz gegriffen hatte. Es ging
nicht nur um die Sicherung des Zugangs zu den Ölvorkommen, sondern um die
Zementierung einer neuen Weltordnung. Auch gab es keinen Ersatz für Saddam,
jemanden, der für "Sicherheit" in der Region sorgen würde und die USA konnten es
sich finanziell und politisch nicht leisten auf unbestimmte Zeit das Land zu
besetzen. Die konkreten Ergebnisse waren u.a. Millionen Tote (durch
Kampfhandlungen oder die direkten Folgen von Sanktionen ums Leben gekommen), das
Wiedereinsetzen der Monarchie in Kuwait, die Einrichtung eines dauerhaften
Stützpunktes,
der bis dahin verweigert wurde, durch die USA in Saudi Arabien, die
Verseuchung großer Teile des Iraks durch Urangeschosse (ca. 10.000 US-Soldaten sind
bis heute am sogenannten Golfkriegssyndrom gestorben, 40000 Iraker sind durch
die Folgen der Urangeschossen umgekommen, die Krebsrate hat in manchen
Regionen Iraks um 300% zugenommen ) und die Zerstörung der gesamten Infrastruktur (
z.B. 28 zivile Krankenhäuser und 52 Gesundheitszentren). Der schnelle
Waffenstillstand, wurde von General Powell (heute Außenminister der USA)
ausgerufen, weil KurdInnen im Irak einen Aufstand machten. Dieser Austand konnte nach
Beendigung des Krieges unter Aufsicht des Westens von der Irakischen Armee
blutig zerschlagen werden. Das lag ganz und gar im Interesse des Westens,
da jeder kontrollierbare Disput für sie besser ist, als ein Aufstand von
unten. Bei diesem Krieg war Deutschland einer der drei größten Geldgeber ( 17
Milliarden DM). Spätestens ab diesem Zeitpunkt begann in Deutschland der Prozeß
der Remilitarisierung der Außenpolitik.
Der Weg führte über die Angriffe mit deutschen Bodentruppen in Somalia,
einem der ärmsten Länder der Welt, bis zur Zerschlagung Jugoslawiens, das mit dem
offenen Krieg der NATO endete. Für uns war dieser Krieg, anders als der
Golfkrieg, ein Deutsch / Europäisches Projekt. Er begann mit der massiven
militärischen Unterstützung und dem deutschen Alleingang der Anerkennung Kroatiens,
welches ein Signal an alle nationalistischen Gruppen in Jugoslawien war einen
Bürgerkrieg anzufangen. Wo es keine starken Gruppen gab, wurden sie von
Deutschland mit aufgebaut, so geschehen mit der UCK deren erste Bewaffnung aus
alten NVA Waffen bestand. Der Angriffskrieg der NATO, der am 24.03.99 begann,
musste uns damals noch als unabwendbar verkauft werden und keiner konnte
dieses so gut wie das "Gewissen der Nation", J. Fischer. Er redete von Völkermord
und KZ`s im Kosovo, er begründete den Krieg mit dem unmöglichen Vergleich mit
Auschwitz. Es wurde ihm geglaubt und die NATO hatte freie Hand. Die realen
Ergebnisse der Zerschlagung Jugoslawiens: den Menschen in den gegründeten
Kleinstaaten geht es beschissen, sie hängen am Tropf Europas. Die gewählten
Parlamente werden auch Kinderparlamente genannt, denn alle wichtigen
Entscheidungen müssen erst durch europäische und NATO-Gremien bestätigt werden. Das Kosovo
ist ein besetztes Land. Der Krieg im Namen der Menschlichkeit gegen
Jugoslawien wurde genau wie 1991 im Irak auch mit Urangeschossen geführt. Die
zielgenauen Raketen trafen was sie treffen sollten: Schulen, Brücken, TV- Stationen,
Krankenhäuser, Wasserwerke - also die lebenswichtige Infrastruktur. Der
Gesamtschaden liegt bei ca. 100 Milliarden Euro und verschafft heute der
westlichen Wirtschaft gute Aufträge im Rahmen des Wiederaufbaus. Zu erwähnen ist
noch, dass bis heute kein Konzentrationslager gefunden wurde. Milosevic wird
wegen vielem in Den Haag angeklagt, aber nicht wegen Völkermord im Kosovo. Dieser
hat nie stattgefunden. Der angebliche "Völkermord" war eine Propagandalüge.
Seit dem Sieg der NATO/UCK sind 200.000 Menschen (Serben, Roma und Juden, UN
Angabe) aus dem Kosovo vertrieben wurden. Aber das will heute ja niemand mehr
wissen.
Heute, der Anti- Terrorkrieg
Nach den verbrecherischen Anschlägen vom 11.09.01 begann eine neue
Argumentation die uns noch lange erhalten bleiben wird: "der Krieg gegen den Terror".
Am 12.09. war das erste Angriffsziel bereits klar: Afghanistan. Wenn dieses
Land alle militärischen Möglichkeiten gehabt hätte, die ihm damals angedichtet
wurden, wäre es eins der einflußreichsten und nicht der ärmsten Länder der
Region gewesen. Der Krieg begann. Es wurde mit B52- Bombern, Streubomben und
Urangeschossen zur Anti-Terrorjagd geblasen. Aber für die Bundesregierung ging
es angeblich um mehr: Frauenbefreiung, Demokratisierung und Wiederaufbau.
Gerade die Befreiung der Frauen wurde kurz vor Kriegsbeginn durch Medien und
Regierung in den Mittelpunkt gestellt. Immer wieder wurden die RAWA (Revolution
Association of the Women of Afganistan)- Frauen zitiert, die seit Jahren,
ohne Unterstützung einer westlichen Regierung, gegen die Taliban gekämpft
hatten. Mit Beginn des Krieges wurde es sofort still um die RAWA (  http://www.rawa.org ).
Nicht, dass sie nichts mehr zu sagen gehabt hätten, nein, sie stellten sich
offen gegen die Angriffe des Westens. Sie verurteilten diese scharf und wiesen
auf die Tausenden zivilen Opfer hin, die, die Bomben in Afghanistan gefordert
haben. Die Folgen des Krieges in Afghanistan sind heute: 10 000ende Tote in
der Zivilbevölkerung, auch nach dem Krieg zünden noch Streubomben und Minen,
unzählige tote Kämpfer (allein in Kandahar wurden 10.000 Menschen bei der
Eroberung getötet), Zerstörung der Infrastruktur, eine Marionettenregierung in
Kabul, Kriegsverbrecher und sog. Warlords sind außerhalb von Kabul zu den
wichtigsten Partnern des Westens geworden. Der Krieg gegen Afghanistan wird
offensichtlich nicht für Menschlichkeit geführt. Afghanistan ist durch seine Nähe
zu China und den Ex- Sowjetstaaten geostrategisch wichtig. Hinzu kommt, dass
US- Ölkonzerne bis in den Sommer 2001 mit den Taliban über eine Ölpipeline
verhandelten und diese Verhandlungen von den Taliban abgebrochen wurden. Öl
scheint auch hier wieder ein wichtiger Grund zu sein.
Die Anti Terror Koalition
Das wichtigste Argument der Bundesregierung gegen den Krieg ist ?dass die
Anti Terror Koalition nicht gefährdet werden darf?. Eine Koalition, die nach
Aussagen der Mächtigen für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit steht. Dass es
sich bei den Mitgliedern der Anti Terror Koalition um Diktatoren und
Verbrecher handelt, steht dabei anscheinend in keinem Widerspruch. So wurden z.B. über
Nacht die Massaker die Rußland in Tschetschenien anrichtet hat zum Anti
Terror Kampf umgedeutet. Länder wie Usbekistan, bei denen sich die OSCE weigerte
Wahlbeobachter zu senden, sind heute wichtige Stützen des Anti Terror
Kampfes. Ein Nahostexperte im Pentagon sagte einst: Saddam Hussein mochte "ein
Hundesohn sein, aber es war unser Hundesohn". Die Mitglieder der
Anti-Terror-Koalition sind die gleichen Hundesöhne wie Saddam, doch es sind zur Zeit "unsere"
Hundesöhne. Und der Westen führt diese Bande an. Der Westen, der durch die
Lieferung von Waffen und die finanzielle Unterstützung Diktatoren erst formte,
der Westen, der die Welt seit Jahren brutal ausbeutet, der Westen, der durch
seine Waffen "IWF und Weltbank" Milliarden von Menschen in Armut und Hunger
hält und der Westen, der seine Grenzen für alle zusperrt die vor den Folgen
dieser Politik fliehen - dieser Westen maßt sich an, die Welt in GUT und BÖSE
einzuteilen. In Wirklichkeit teilt er die Welt in nützlich und unnütz, in
verwertbar und störend ein.
Irak Krieg und weiter!?
Wie gesagt: der Krieg gegen den Irak wird kommen. Die Gründe für diesen
Krieg wurden bereits in vielen Veröffentlichungen dargestellt, es geht ums ÖL
(nachzulesen Spiegel) und die Zerschlagung der OPEC. Ein weiterer Grund ist die
geostrategische Lage des Iraks (nähe zu Saudi Arabien und Iran). Die Frage,
die uns interessiert, ist, warum Deutschland und Teile Europas gegen diesen
Krieg sind. Weil es keinen UNO Beschluß gibt? Als es beim Jugoslawien Krieg um
Deutsche/ Europäische Interessen ging, wurde sich einen Dreck darum
gekümmert, dass es keinen UNO Beschluß gab, es wurde gebombt. Es gibt ein
bezeichnendes Zitat von Clinton: "mit der UN wenn möglich, ohne sie wenn nötig... Die
NATO soll die Entscheidungskriterien für die UN festlegen und nicht umgekehrt."
Nach diesem Grundsatz handelt auch Deutschland. Außerdem haben sich Fischer
und Co. nie dafür interessiert, dass die USA und GB seit ca. 4 Jahren den Irak
ohne UN Beschluß mit Flugzeugen angreifen ( allein im Jahr 1999 1000
Einsätze) und dabei ca. 7500 Zivilisten getötet haben.
Einmal abgesehen davon, ist der UN-Sicherheitsrat nur ein Gremium der
mächtigsten Staaten der Welt und hat damit keinerlei Legitimation über Krieg und
Frieden zu entscheiden.
Die wahren Gründe Deutschlands gegen einen Krieg zu sein, liegen woanders.
Es gibt, anders als beim Jugoslawien Krieg wirtschaftlich und strategisch
nichts zu gewinnen. Deutschland macht seit Jahren sehr gute Geschäfte (von
Giftgas bis Autos) mit den Diktatoren im Irak und Iran. Ob das mit einer neuen
Marionettenregierung in Bagdad so weiter geht ist offen. Der Hauptgrund scheint
aber woanders zu liegen. Bereits im Jugoslawien Krieg zeichnete sich der
Konflikt zwischen Deutschland / Europa und der USA ab. Er wurde durch die
Ereignisse des 11.09.01 nur dünn überdeckt. Deutschland/ Europa versucht neben der
USA die zweite Supermacht zu werden. Wirtschaftlich ist das durch die EU
bereits gelungen, militärisch bedarf es noch enormer finanzieller und
organisatorischer Kraftaufwendung. Der Krieg der USA im Irak kann den Weg freimachen, der
Bevölkerung Europas diese Aufrüstung, mit all ihren Folgen ("wir müssen den
Gürtel enger schnallen") zu verkaufen. Frei nach dem Motto, dass nun ein
Gegengewicht geschaffen werden müsse, um die USA zu stoppen. Dass es dabei nicht
um die Verbreitung von Menschenrechten auf der Welt geht, kann mensch in
vielen Veröffentlichungen der Regierungen nachlesen. Es geht um: "... die
Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zuganges zu Märkten
und Rohstoffen in aller Welt..." (Verteidigungspolische Richtlinien der
Bundeswehr 1992) und in diesem Wettlauf ist die USA ein Konkurrent. Die Startblöcke
in Europa für dieses Rennen sind gestellt. Mit der Schaffung der Europäischen
Eingreiftruppe (100.000 Soldaten, 400 Kampfflugzeuge, 100 Kriegsschiffe) wird
es der EU möglich sein, überall in der Welt zu jedem Zeitpunkt ihre
Machtinteressen durchzusetzen. Besonders die Schnelligkeit ist wichtig - prägte
früher die Eroberung von Raum den Kolonialismus, so ist es heute die Eroberung der
Zeit. Nach der "Just-in-time-Produktion" in der Weltfabrik folgt der
Just-in-time-Krieg weltweit! Für die Europäische Armee unter Leitung von Deutschland
und Frankreich wird dasselbe gelten wie für die NATO. Ein NATO- Offizier
brachte es folgendermaßen zum Ausdruck: "Zuerst haben wir eine neue
Streitkräftestruktur vereinbart. Jetzt tüfteln wir an einer neuen Strategie und am Ende
werden wir uns dann die Bedrohung suchen die zu beiden passen könnte." (Spiegel
17/1993).
Eine Friedensbewegung/AntiKriegsbewegung die sich heute nur auf ein "Nein,
zum Irakkrieg" bezieht, wird den Boden säen auf der ein Europa in Zukunft in
alle Welt marschiert. Für den Rest der Welt wird es keinen Vorteil bringen, es
wird das Elend auf der Welt nur verdoppeln. Die einzige Chance dieser
Entwicklung entgegen zu treten, ist Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse
von unten.
Wenn wir heute oder morgen auf die Straße gehen, kämpfen wir nicht nur gegen
den Krieg gegen den Irak, sondern für eine Welt in der es keine Kriege und
Grenzen mehr gibt und in der alle Menschen gleichberechtigt und solidarisch
miteinander leben. Und wir kämpfen dafür, dass die Menschen endlich begreifen,
dass sie in diesem System nur benutzt und verarscht werden und dass sich
Widerstand dagegen lohnt.
Wir kämpfen gegen ein System, dass auf Profitmaximierung beruht, statt auf
Menschlichkeit, ein System, das auf die verschiedenste Art Krieg führt: in
anderen Ländern durch Kriege, Embargos, Unterstützung von Diktatoren, Ausbeutung
von Arbeitskraft und Rohstoffen; im eigenen Land durch Privatisierung und
Abbau der Grundversorgung (Sozialversicherung, Krankenhäuser, Energie), Abbau
der ArbeitnehmerInnenrechte, verstärkte Überwachung und Kontrolle der
Bevölkerung, Abschottung von den Menschen, die in unserem Land Schutz vor Verfolgung,
Hunger, Krieg oder einfach nur ihr Glück suchen, Einteilung der Menschen in
verwertbar oder nicht, rassistische und sexistische Diskriminierung.
Wir kämpfen für eine revolutionäre Veränderung mit einer vollkommen anderen
Gesellschaftsform. Unsere Utopie viele Namen. Wir werden uns als
herrschaftsfreie und soziale Wesen vereinen.
Für die Revolution!

 

08.02.2003
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